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Bielefelder Tageblatt / Neue Westfälische , 25.01.1993 :

Kritik an Organisation und Arbeitsweise der geplanten Zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge (ZAST) / Zu kurze Fristen für die Anhörung

Bielefeld (ül). Anfang April wird in Bielefeld die Zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge (ZAST) errichtet. Organisation und Arbeitsweise gäben den Flüchtlingen kaum noch eine Chance, ihr Anliegen wirksam zu vertreten, meinte Clemens Käller. Er gehört zur Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGzUA) aus Münster, wo bereits seit Februar 1992 eine ZAST betrieben wird. Zur Podiumsdiskussion im neuen Rathaus war er auf Einladung der Aktion Symbolisches Asyl (ASA) gekommen.

"Die meisten wissen nicht, was in einer ZAST eigentlich passiert", meinte einleitend ASA-Vertreterin Kathrin Dallwitz. Die Anlaufstellen sind erste Station für die Flüchtlinge. Hier würden sie erkennungsdienstlich erfasst und von Entscheidern angehört, bevor es weiter in die Sammellager gehe.

Die Stadt habe sich für die ZAST zum einen aus finanziellen Gründen entschieden, weil es sich um eine vom Land bezahlte Einrichtung handele. Zum anderen habe sie sich bei den Verhandlungen mit dem Land einen Zuweisungsstopp sowohl für Flüchtlinge als auch für Aussiedler sowie eine nachrangige Berücksichtigung bei der Zuweisung von Sammellagern ausbedungen.

Was an Verfahrensbeschleunigung dabei erreicht wird, geht nach den Worten von Käller voll zu Lasten der Flüchtlinge. Die seien kurz nach ihrer Ankunft oft noch gar nicht in der Lage, ihr Anliegen bei den Entscheidern vernünftig vorzutragen.

"Wer soll da durchblicken"

Auf ihre psychische Situation werde keine Rücksicht genommen. Das gelte besonders für Frauen, die beispielsweise über Folterungen oder Vergewaltigungen oft ausgerechnet vor Männern reden müssten.

Hinzu komme Zeitdruck. Sobald der Bescheid "offensichtlich unbegründet" ergehe - das gilt für die meisten Fälle - habe der Flüchtling nur eine Woche Zeit, um dagegen eine begründete Klage einzureichen.

Betreuung in dieser Spanne sei so gut wie unmöglich, Rechtsberatung vor den Anhörungen nicht obligatorisch. "Durch das Asylgesetz blicken nicht einmal Deutsche durch, wie sollen sprachunkundige Flüchtlinge da die Übersicht behalten?", übte Käller Kritik.

Die ASA will in Kürze weitere Aktionen zur ZAST starten. Ein Vorbereitungstreffen beginnt am Montag, 25. Januar, um 19 Uhr im Internationalen Begegnungszentrum (IBZ) an der Teutobutger Straße. Jeweils am Donnerstag ab 20 Uhr laufen dort auch die wöchentlichen ASA-Treffen.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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