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Lippische Landes-Zeitung , 01.02.1993 :

Adolf Burgers beklemmender Bericht über Widerstand / Als Jude und Kommunist unter den Nazis gelitten

Lemgo (ju). "Gegen die Deutschen, wie es oft verallgemeinernd heißt, fühle ich keinen Hass. Schließlich habe ich doch gemeinsam mit vielen Deutschen in den Konzentrationslagern gelitten. Es sind Faschisten und Neofaschisten, die ich anklage. Für mich gilt die Unterscheidung: Entweder ist jemand ein Mensch, oder er ist ein Faschist." Beklemmend eindrucksvoll berichtete der heute in Prag lebende Adolf Burger im Friedensbüro auf Einladung des Bildungswerks Lippe und des Antifaschistischen Arbeitskreises von seinem Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime und seiner KZ-Haft in Auschwitz, Birkenau, Sachsenhausen und Mauthausen.

Freimütig erzählt der weit über 70-Jährige, dass er nach dem Ende des Krieges viele labre nicht über seine Erlebnisse sprechen wollte. Auf den Plan gerufen hat ihn dann die Konfrontation mit der "Auschwitzlüge". Sowohl ein Dokumentarfilm als auch ein Buch unter dem Titel "Unternehmen Bernhard" sind durch seine Aufarbeitungsarbeit entstanden; außerdem nutzt Adolf Burger heute jede Gelegenheit, Menschen von dem zu berichten, was er als Zeitzeuge erlebt und erlitten hat.

Adolf Burger wurde 1917 im slowakischen Poprad geboren, arbeitete nach seiner Lehre als Buchdrucker. Die Besetzung der Tschechoslowakei 1939 empfand er als "eine der größten Tragödien". Aktiv half der Kommunist jüdischer Abstammung gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Leuten mit, Verfolgte durch gefälschte Dokumente zu retten, indem sie unter falschem Namen untertauchen konnten. Drei Jahre ging alles gut; am 11. August 1942 wurden seine Frau und er verhaftet. Nach einer vorübergehenden Unterbringung in einem slowakischen Konzentrationslager stand Adolf Burger am 17. September auf der Rampe von Auschwitz, musste miterleben, wie von 3000 Ankömmlingen nicht einmal 400 Menschen am Leben blieben. "Mit der Eintätowierung der Häftlingsnummer waren wir sofort ein Heer von Namenlosen", so Burger. "Was mich am Leben erhalten hat, war der Wille, einmal davon zu berichten, was hier täglich mit Tausenden von Menschen geschah."

"Auf Fingerzeig von Dr. Mengele vergast"

Adolf Burger nahm die erste Gelegenheit wahr, mit einem Transport nach Birkenau zu gehen, um seine Frau Gisela zu suchen. "Dort angekommen", sagt er, "habe ich erfahren, dass sie auf Fingerzeig Dr. Mengeles eine Woche vor Weihnachten vergast worden war". 1944 änderte sich sein Leben radikal: Als Buchdrucker war er plötzlich ein von den Nazis gesuchter Fachmann, der im Rahmen des "Unternehmens Bernhard" an einer Geldfälschung riesigen Ausmaßes mitarbeiten sollte: In einem abgeschotteten Komplex des KZ Sachsenhausen wurden englische Geldnoten gedruckt. "Später sollten außerdem täglich eine Million Dollar gefälscht werden - aber dazu kam es nicht mehr", erzählt Burger. Die Befreiung kam für ihn am 6. Mai im Lager Ebensee: "Ich werde nie vergessen, wie die amerikanischen Befreier hei unserem Anblick weinten."


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