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Neue Osnabrücker Zeitung , 02.09.2000 :

"Saitensprung" kein Skinhead-Treff

Westerkappeln (cl). In Westerkappeln kursiert seit einigen Tagen das Gerücht, dass die Gaststätte "Saitensprung" ein Treffpunkt von Mitgliedern der rechsradikalen Szene sei. Wirtin Roswitha Peter sieht ihren Ruf gefährdet. Sie hatte vor zwei Jahren selbst böse Erfahrungen mit einer Gruppe Skins machen müssen. Erst unter Polizeischutz konnten die gewaltbereiten Jugendlichen aus ihrem Lokal gewiesen werden.

Das Gerücht kam ihrer Ansicht nach durch eine Diskussionsveranstaltung am Tecklenburger Gymnasium über das Thema Rechtsradikalimus auf. In diesem Zusammenhang soll der Name der Westerkappelner Gaststätte gefallen sein. Sogar die Kinder der Wirtin fragten, als sie von der Westerkappelner Realschule zurückkamen, ob sich im "Saitensprung" Rechtsradikale treffen würden.

Ähnliche Fragen musste sie in dieser Woche auch verschiedenen Anrufern beantworten. Als gestern der Initiator der Bürgerinitiative gegen Rechtsradikalismus, Ralf Sudholz, in der Neuen OZ von einer Gaststätte sprach, in der eine Gruppe den 20. April (Hitlers Geburtstag) gefeiert haben soll, sah die Wirtin ihren Ruf in Gefahr. Schließlich könnte das Gerücht dadurch noch mehr Auftrieb bekommen. Dabei hat Sudholz gar nicht den "Saitensprung" gemeint. Bei seinen Nachforschungen ist er nie über den Namen der Gaststätte gestolpert: "Das wäre für mich völlig neu." Als sich vor zwei Jahren rechtsgerichtete Jugendliche in ihrer Kneipe aufgehalten hatten, habe sie die Polizei gerufen, erzählt die Wirtin. Nach dem Rausschmiss der unliebsamen Gäste habe die Gaststätte noch mehrere Tage unter Polizeischutz gestanden. Daher hält sie das Gerücht für völlig aus der Luft gegriffen, für absurd und für geschäftsschädigend. Die Idee der Bürgerinitiative von Ralf Sudholz begrüßt die Wirtin ausdrücklich. Sie will selbst Mitglied werden. Auch möchte sie den Initiator bitten, in ihrer Gaststätte mit dem überwiegend jugendlichem Publikum zu sprechen. "Sie machen sich ernsthaft Gedanken über Themen wie Einwanderung und die Schwierigkeiten von dem Zusammenleben verschiedener Kulturen. Das hat mit Rechtsradikalismus nichts zu tun."

Bürgermeister Ullrich Hockenbrink schätzte gestern die Chancen sehr hoch ein, dass der Rat die Initiative gegen Rechtsradikalismus unterstützen werde. Er persönlich begrüßt den Vorstoß. Er wies zugleich auf die Schwierigkeit hin, auf die rechte Szene angemessen zu reagieren, auch wenn diese in Westerkappeln sehr klein sei. Als Beispiel nannte er die Diskussion um das Verbot der NPD: "Wenn man sie verbietet, gehen sie in den Untergrund und die Polizei verliert die Kontrolle." Die Ursachen an den Wurzeln packen, darum bemühe sich die Gemeinde seit Jahren, in dem sie etwa die Jugendarbeit intensiviert habe. Es komme auch nicht von ungefähr, dass die rechte Szene insbesondere in Ostdeutschland Fuß fassen konnte angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit, so Bürgermeister Hockenbrink. Wie berichtet, will sich auch die evangelische Kirchengemeinde im November im Rahmen einer Seminarreihe intensiv mit dem Rechtsradikalismus in Westerkappeln beschäftigen.


f.wiebrock@neue-oz.de

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