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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 29.01.2004 :

Polizei wird massiver Übergriffe bezichtigt / Anwalt Andreas Carl erhebt schwere Vorwürfe / Staatsanwaltschaft will rückhaltlose Aufklärung

Paderborn (JS). "Derart gravierendes Fehlverhalten ist mir noch nicht untergekommen." Dem Paderborner Anwalt Andreas Carl ist die Empörung anzuhören. Gegen mehrere Polizeibeamte hat er Strafanzeige erstattet und Dienstaufsichtsbeschwerden auf den Weg gebracht. Seine Vorwürfe: Körperverletzung im Amt, Nötigung und Sachbeschädigung; die Opfer der jetzt bekannt gewordenen zwei Fälle: Ausländer.

Vor einigen Tagen sollen, so der Vorwurf des Anwaltes, mehrere Beamte ein armenisches Ehepaar mit reichlich Gewalt auf die Paderborner Polizeiwache geschafft haben. Dem Paar, das 2000 wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, sollten Speichelproben für das DNA-Register entnommen werden. Eine schriftliche Vorladung sei aber, so Carl, nicht erfolgt. Stattdessen hätten an einem Januartag morgens um 8 Uhr Polizeibeamte vor der Tür des Asylantenheims an der Rathenaustraße gestanden. Unter Einsatz körperlicher Gewalt seien die beiden Menschen, angetan mit Handschellen, zur Polizeiwache geradezu geschleift worden.

Seine Mandaten seien bei dieser Aktion verletzt worden, so Anwalt Andreas Carl. Er beklagt, die Beamten hätten "eine völlig übertriebene und durch nichts zu rechtfertigende Härte an den Tag gelegt, die bei deutschen Staatsbürgern in vergleichbaren Fällen nicht vorgekommen wäre". Für Andreas Carl ist das rigide polizeiliche Handeln unverständlich. Insbesondere zur Paderborner Polizei habe er ein positives Verhältnis, bilanziert der Anwalt. Die Beamten seien eigentlich eher umgänglich.

"Angstzustände und Schlaflosigkeit"

Die Paderborner Polizei möchte zu dem Vorfall nichts sagen. Mittlerweile lägen der Staatsanwaltschaft Strafanzeigen vor, erläuterte Pressesprecher Michael Biermann. Es handele sich somit um ein schwebendes Verfahren, zu dem man keine Stellung beziehen könne. Allerdings, so Biermann, habe die Polizei ihrerseits gegen das Ehepaar eine Strafanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erstattet. Zu ähnlich massiven Übergriffen der Exekutive soll es nach Andreas Carl auch bei einer Wohnungsdurchsuchung des Bielefelder Sondereinsatzkommandos (SEK) gekommen sein. Im Rahmen einer großen Polizeiaktion, von der acht Wohnungen und Häuser zweier Jesiden-Großfamilien in Niedersachsen und OWL betroffen waren, hätten 30 Polizeibeamte auch eine Elsener Familie im Visier gehabt. Auf der Suche nach illegalen Waffen seien die Beamten früh morgens um 6 Uhr in die Wohnung eingefallen, in der sich lediglich sieben Kinder und Jugendliche aufhielten.

Bei dem Einsatz seien nicht nur alle Türen und reichlich Mobiliar zerstört worden. Die jungen Menschen, die unter großem Lärm und dem Vorhalt von Waffen aus dem Schlaf gerissen worden seien, litten jetzt noch unter "Angstzuständen und Schlaflosigkeit", bilanziert Carl, der, obschon in der Wohnung seiner "absolut unbescholtenen Mandaten" nichts Verdächtiges gefunden wurde, auch eine "irreparable Rufschädigung" der Familie beklagt.

Die Durchsuchung, die aus waffenrechtlichen Gründen durchgeführt wurde, sei ganz normal verlaufen, kommentiert hingegen Polizeipressesprecher Martin Schultze den Vorfall. Schließlich habe die Polizei bei der Aktion befürchtet, dass scharfe Waffen im Spiel seien, und da sei man immer sehr vorsichtig, wirbt er um Verständnis. Dass es in der Elsener Wohnung zu einem lautstarken und sicher erschreckenden Getümmel gekommen sei, glaubt Schultze durchaus. "Wenn das SEK zum Einsatz kommt, dann ist das nie angenehm", erläutert er.

"Keine Zweifel an der korrekten Arbeitsweise"

Bei der Paderborner Staatsanwaltschaft laufen nunmehr die Ermittlungen. "Wir haben keine Zweifel an der korrekten Arbeitsweise der Polizeibeamten", betont Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann. Anzeigen dieser Art seien "absolute Ausnahmen". Den Strafanzeigen wird man jedoch gründlich nachgehen. "Wir werden den Sachverhalt rückhaltlos aufklären", verspricht er. Wenn sich allerdings die Vorwürfe als falsch herausstellen würden, "dann haben die Anzeigeerstatter ein Problem", macht er auf mögliche schwerwiegende rechtliche Folgen aufmerksam.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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