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Flüchtlingsrat NRW e.V. , 09.11.2000 :

Zur Abschiebung des Friedenspreisträgers Hüseyin Calhan / "Schläge ist Herr C. gewohnt" / Protest gegen Abschiebung des Kurden Hüseyin Calhan - und gegen Dr. Peter Eicker

"Schläge ist Herr C. seit seiner Schulzeit gewohnt gewesen, mit denen ist er quasi aufgewachsen", zitierte Sigrid Beer vom Stadtverband der Bündnisgrünen und Paderborner Flüchtlingsrat und rief auf dem Parkplatz vor dem Kreisgesundheitsamt in der Riemekestraße ins
Megaphon: "Herr Dr. Eicker, sind das wirklich Worte aus Ihrem Gutachten?"

Dr. Peter Eicker, Leiter des Kreisgesundheitsamtes, wird am heutigen Morgen bei Dienstbeginn im Briefkasten seines Amtes den jüngsten Länderbericht von amnesty international über die Türkei vorfinden. Hinterlassenschaft jener rund 120 Demonstranten, die gestern Abend zunächst vor dem Rathaus und dann mit einem Marsch zum Gesundheitsamt gegen die am 31. Oktober erfolgte Abschiebung des 27-jährigen Kurden Hüseyin Calhan aus der Haftanstalt Büren in die Türkei protestierten. Eicker hatte dem Sprecher der Kurden in der Aktion Wanderkirchenasyl "Reisefähigkeit" bescheinigt - und erntete dafür gestern scharfe Kritik.

Sigrid Beer nannte das Gesundheitsamt den Ort, wo das letzte Vorzeigesstück der jetzt so gerne zitierten deutschen "Leidkultur" im Kreis Paderborn geschrieben worden sei. "Was hier geschehen ist, zeigt, wie dieser unglückselige Begriff richtig zu buchstabieren ist." Beer fragte, welchen Wert die vor zwei Monaten vom Kreistag beschlossene Resolution habe, die "Gesten der Mitmenschlichkeit" fordere und dazu aufrufe, "sich jedem fremdenfeindlichen Handeln bei jeder Gelegenheit mutig zu widersetzen". Wie nur, so fragte die Rednerin, definiere Amtsarzt Dr. Eicker seinen Versuch, diese Resolution des Kreistages ernst zu nehmen?

Eicker sei kein Facharzt für Psychiatrie. Er habe die Vorgabe eines Verwaltungsgerichtes missachtet, das für Calhan ausdrücklich ein fachpsychiatrisches Gutachten verlangt habe, und obendrein Diagnosen von vier Fachärzten "auf den Kopf gestellt".

Pfarrer Joachim Poggenklaß (Ökumenisches Netzwerk Bielefeld zum Schutz von Flüchtlingen) nannte die Abschiebung Calhans und des bereits zuvor abgeschobenen Mehmet Kilic vom Wanderkirchenasyl nicht nur wegen der "katastrophalen Menschenrechtssituation in der Türkei" einen Skandal, sondern auch, weil mit Eicker "ein Nicht-Facharzt sie für reisefähig erklärte".

Frank Gockel (Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.) erklärte, Hüseyin Calhan sei "als politisch aktiver Kurde in der Türkei extrem gefährdet". Gockel hatte ihn in der Abschiebehaft besucht. "Ich habe ihn als politisch denkenden, sensiblen Menschen erlebt, der seine Ziele von Demokratie und Freiheit auf friedlichem Wege realisieren will."

Die evangelische Studentenpfarrerin Brigitte Gläser sagte: "Wir protestieren gegen eine Politik, die Menschen einsperrt, nur weil sie nach Deutschland geflüchtet sind."


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