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Neues Deutschland , 19.03.2002 :

"Das habe ich alles nicht bestellt" / Einschüchterung per Post gegen PDS-Politiker

Von Veiten Schäfer

Seit den Bielefelder Nazi-Märschen gegen die "Wehrmachtsausstellung" befindet sich die extreme Rechte in der ostwestfälischen Metropole im Aufwind.

"Bisher sind noch meine Eltern und mein Bruder die Leidtragenden", sagt Sabahattin Karacoc. Wer immer ihm Böses will - seine Privatadresse hat dieser Mensch noch nicht herausgefunden.

Seit Karacoc Mitte Januar seine Kandidatur auf der Landesliste der PDS für die Bundestagswahl bekannt gab, bekommen seine Angehörigen unzählige, angeblich angeforderte Postwerbesendungen. Handwerker, Wahrsager oder Modeartikelanbieter melden sich in bestem Glauben per Telefon, um Termine auszumachen. Bisheriger Höhepunkt ist ein in Karacocs Namen beantragter Kredit in Höhe von 8.000 Euro, der dem Politiker trotz seines Dementis vom Anbieter hartnäckig nachgetragen wird. Bei der "Geld und Kredit Konsumentenberatung" in Mühlheim/Ruhr reagiert man auf Fragen, ausgesprochen barsch. Die Sprecherin kann aber "nicht ausschließen, dass sich da jemand einen Scherz erlaubt hat".

Wer steckt dahinter? Als Landespolitiker hat Karacoc seine Schwerpunkte im Bereich Migrations- und Flüchtlingspolitik. Einem Bereich also, "der manchen Leuten besonders wenig schmeckt". Ein weiteres Indiz: Das Büro der Bielefelder PDS wurde im vergangenen Herbst mit telefonischen Drohungen und Aufklebern von der NPD eingedeckt. Vor etwa fünf Jahren hätten Gütersloher Jusos Ähnliches erlebt, nachdem sie gegen Neonazis vorgegangen waren. Die Urheber der Psycho-Kampagne sieht Karacoc daher im extrem rechten Milieu. Als politisch aktiver Einwanderer entspreche er dem Feindbild der Rechten besonders gut.

Am 3. Februar marschierte in Bielefeld die NPD gegen die "Wehrmachtsausstellung"; am 2. März folgte ein Aufmarsch so genannter Freier Kameradschaften. Seither befinde sich die extreme Rechte in Ostwestfalen im Aufwind, meint ein Sprecher örtlicher Antifa-Gruppen. "Braune Gürtel" um die Städte gebe es zwar schon länger. Am Abend des 2. März sei es jedoch auch in der Bielefelder Innenstadt zu Übergriffen gekommen. Die Kneipe "Postmeister" entwickle sich zu einem "Sturmlokal" militanter Rechtsextremisten. Einschüchtern lassen will sich Sabahattin Karacoc von all dem aber nicht, versicherte er.


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