www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 26.06.1993 :

Nach Wünschen erkundigen / Zum Artikel "Aggressives Betteln soll verstärkt bekämpft werden" in der LZ am 19. Juni

Ein Wort erst zum Inhalt und dann zum Ton des Artikels, der sich mit dem Verhalten einiger Asylbewerber aus den Sammelunterkünften an der Lemgoer Straße befasst:

Es ist richtig, was Dr. Steglich sagt: Die Flüchtlinge müssen in Detmold nicht verhungern. Aber auch sie leben nicht von Brot allein. Was sollen sie den ganzen Tag machen, um das Warten wegen ihrer ungeklärten Lage zu überbrücken? Sie sind dabei, eine Nähstube aufzubauen. Dazu ist schon eine Nähmaschine gespendet worden! Eine weitere wäre willkommen, auch Stoffe und jegliches Zubehör fürs Nähen.

Die Männer möchten Sportgeräte und Sitzgelegenheiten für draußen zimmern und haben einen Sozialarbeiter, der sich darauf versteht. Gebraucht werden ganze Bäume! - Die Kinder möchten spielen und freuen sich über Roller, Rollschuhe, Drei- und Fahrräder. All das muss nicht einmal heil sein - auch reparaturbedürftige Sachen sind erwünscht, Spielzeug jeder Art. - Auch Spiele und Bücher für Erwachsene werden dringend gesucht, zudem alles, was man fürs Töpfern gebrauchen kann.

Es wäre auszuprobieren, ob die Bewohner der Sammelunterkünfte, wenn wir uns nach ihren Wünschen erkundigen, das Betteln nicht einfach überflüssig finden. - Letzter Gesichtspunkt: Wenn Dr. Steglich das Betteln unterbinden will, reißt er damit nicht eine Barriere ein, die noch vom Stehlen abhielt?

Nun noch zu (wenigstens) einer Formulierung des Artikels: Da ist von einer "Betreiberin der Anlage" zu lesen. Wenn man den Zusammenhang nicht kennt - woran denkt man?! An die Deutsche Kraftwerks-Union oder sonst eine Bayer- oder Siemens-"Tochter" mit einem hochexplosiven Industrieunternehmen? Mitnichten. Die Arbeiterwohlfahrt ist gemeint, die mit einer Gruppe fachlich und menschlich ausgezeichneter Mitarbeiter/innen für die Flüchtlinge in der Lemgoer Straße da ist. Sie betreut, statt zu "betreiben", die Klüter Kasernen sind nicht ihre "Anlage", sondern ihr Anliegen; und sie wünscht sich, dass möglichst viele Menschen - nicht nur die Flüchtlinge - es mit ihr teilen.

Gudrun Rehmann
Brahmsstraße 11
Detmold

26./27.06.1993
Detmold@lz-online.de

zurück