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Lippische Landes-Zeitung , 04.12.1980 :

Regierungspräsident möchte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

Aber: Klingenberg-Besetzung hat auch vorübergehende Nutzung durch die Stadt nun unmöglich gemacht / Am Freitag Gespräch mit Besetzern auf deren Bitte - Kein Nachgeben in der Sache

Detmold. Erstmalig hat sich gestern abend Regierungspräsident Walter Stich öffentlich, das heisst im Rahmen eines Pressegespräches, zur Besetzung des ehemals Klingenbergschen geäußert. Tenor: Er beabsichtigt nicht, "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen". Damit wolle er sagen, dass er die Besetzung "gelassen zur Kenntnis nehme" und keinen Grund sehe, gegen die Besetzer polizeilich einzuschreiten, solange die eigene Bauplanung ihn nicht zum Abbruch oder Verhältnisse und Geschehnisse in den Gebäuden, unter Umständen auch Beschwerden von Nachbarn, ihn nicht zum Handeln zwängen.

Der Regierungspräsident stellte in diesem Zusammenhang richtig, dass er – von sich aus – den Besetzern zu keiner Zeit Gesprächsbereitschaft signalisiert habe. Er sei bereits über die Hausbesetzung informiert gewesen, als ihn ein Sprecher der Besetzer - namens Rieder - auch offiziell von der Aktion verständigt und zu einer Diskussion über ein geplantes Jugendzentrum gebeten habe. Er habe darauf hingewisen, dass er die besetzten Gebäude nicht betreten werde, seinem Gespächspartner aber anheimgestellt, mit seiner Sekretärin einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Gleichzeitig habe er festgestellt, dass die Besetzer gewaltsam in die Klingenbergschen Gebäude eingedrungen und sich damit einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätten.

Als er später an den besetzten Gebäuden vorbeigefahren sei, habe er unter zahlreichen Transparenten auch eines entdeckt, auf dem sinngemäß gestanden habe: "Bullen haben keinen Zutritt". Dieses provokative Transparent sei für ihn Anlass gewesen, die Besetzer davon in Kenntnis zu setzen, dass er so lange nicht zu einem Gespräch bereit sei, wie sich dieses Schild am Haus befinde, dass er nicht gegen sich, sondern nach seinem Inhalt gegen den Staat gerichtet betrachte.

Das Transparent sei zwischenzeitlich entfernt worden. Sein Gesprächspartner habe sich von der Aussage duistanziert. Das von diesem erbetene Gespräch ist für morgigen Freitag terminiert.

Regierungspräsident Walter Stich ließ keine Zweifel darüber aufkommen, dass er in der Sache hart sein und den Besetzern deutlich machen wird, dass sie ihrem Anliegen mit der Besetzung einen schlechten Dienst erwiesen haben.

Er betrachte es als seine persönliche Aufgabe, den Bestand der Regierung Detmold zu gewährleisten. Dazu gehöre auch, den Freiraum zu sichern, den sie zu ihrer Entwicklung benötige. Es bestehe für ihn keinerlei Zweifel, dass in zehn oder fündzehn Jahren ein zweiter Erweiterungsabschnitt erforderlich werde. Das könne aber - man denke an die diskutierte Reform der Schulverwaltung - auch durchaus eher sein.

Einmal davon abgesehen, dass er große Zweifel habe, ob die Stadt und ihr Rat es verantworten könnten, erhebliche finanzielle Mittel in die Sanierung eines Gebäudes zu investieren, das ihnen nur befristet zur Nutzung überlassen sei und zum Abbruch stehe, sei auch solcher Kompromiß nach der Besetzung nicht mehr diskutabel. "Wenn", sagte der Regierungspräsident, "schon um ein leeres Gebäude mit solchen Mitteln gekämpft wird, ist unschwer vorstellbar, welche Konflikte es auslösen wird, wenn ich eines Tages ein renoviertes und wieder genutzes Haus abbrechen muss".

Dass er persönlich seinen Plan für die städtebaulich bessere Lösung als die Erhaltung der jetzigen Bebauung hält, erwähnte und begründete der Regierungspräsident am Rande des Gespräches.


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