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Der Patriot - Lippstädter Zeitung , 27.08.2002 :

Demo gegen die Abschiebehaft

Mit einer Rede und Quizfragen erinnerten die Demonstranten von der Bürengruppe Paderborn und dem Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft jetzt in der Soester Fußgängerzone an Rashid Sbaai. Der 19-jährige Marokkaner hatte sich vor zwei Jahren in einer Arrestzelle des Bürener Abschiebegefängnisses verbrannt. Neben dem generellen Nein zur Abschiebehaft (da die Flüchtlinge kein Verbrechen verübt hätten) formulierte Frank Gockel auch konkrete Sofortziele. Der ehrenamtliche Inhaftierten-Betreuer kritisierte vor allem das Einsperren mit einer Höchstdauer von 18 Monaten, die "industrielle Verlängerung" der Verfahren sowie das Einsperren von Kindern und Jugendlichen. Davon kann sich der Gewinner des Demo-Quiz nun sein eigenes Bild beim Rundgang durch Europas größten Abschiebegefängnis in Büren machen.

Gedenkstein für Rachid Sbaai errichtet

Büren, Paderborn, Soest, Warstein. Am 30.08.2002 errichteten Flüchtlingsunterstützer und Antirassisten des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. und der Büren – Gruppe Paderborn vor dem Abschiebegefängnis in Büren im Akt eines zivilen Ungehorsams eine Gedenkskulptur für Rachid Sbaai, ein Flüchtling, der vor 3 Jahren in Büren ums Leben gekommen ist.

Bereits am 21. August fand in der Warsteiner Innenstadt eine
Gedenkveranstaltung statt. Rashid hat während seines Asylverfahrens und bis zu seiner Inhaftierung in der Warsteiner Asylunterkunft gelebt.

Am 24. August wurde in der Soester Innenstand an Rashid Sbaai erinnert. Das Ausländeramt der Stadt Soest war für Rashid zuständig und hat die Anordnung seiner Abschiebehaft veranlasst.

Heute, am 30.08.2002, genau drei Jahre, nachdem Rachid Sbaai verstarb, wurde noch einmal auf den Rathausplatz Paderborn an Rachid erinnert. Danach fuhren etwa die Hälfte der 50 anwesenden Demonstranten mit Autos vor die
Abschiebehaftanstalt Büren. Bereits im Vorfeld untersagte das Verwaltungsgericht Minden in einer Eilendscheidung den Demonstranten, sich direkt vor die JVA zu begeben, so dass sie sich in einer Entfernung von ca. 100 Meter zum Eingang der JVA aufstellten. Die Demonstranten errichteten dann, ohne entsprechende Genehmigungen, auf einen Grünstreifen der
Zufahrtsstraße der JVA eine ca. 250 kg schwere Skulptur.

Der Vorsitzende des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V., Frank Gockel, der die Veranstaltung auch angemeldet hatte, legte dann in seiner Rede da, dass es schon mehrere, legale Versuche gegeben hat, eine Gedenktafel an die JVA Büren anzubringen, dieses sei jedoch von Seiten des Staates immer wieder abgelehnt worden. Er sagte dazu: "Auch heute werden wir keine Gedenktafel an die Mauer anbringen können. Die Polizei wird dieses, im Zweifelsfall auch mit brutaler Gewalt, verhindern. Wir jedoch lehnen Gewalt grundsätzlich ab. So werden wir nicht durch die Polizeisperren treten. Um unser Versprechen jedoch wahr zu machen, haben wir hier auf diesem Rasen eine provisorische Skulptur aufgestellt. Sie symbolisiert eine Hand, die durch ein Gitter nach der Freiheit greift. Wir werden diese Skulptur bewusst an diesem Ort stehen lassen und damit im zivilen Ungehorsam ein Gesetz überschreiten.

Mahatma Ghandi meint dazu: "Ungehorsam sei das angeborene Recht eines jeden Bürgers". Weiter führt Ghandi aus: "Der Bürger kann die Bereitschaft zum zivilen Ungehorsam nicht preisgeben, ohne sein Menschsein preiszugeben. Zivilen Ungehorsam zu unterdrücken hieße, das Gewissen in Ketten zu legen."

Gibt mensch im Internet den Begriff "Zivilerer Ungehorsam" ein, erhält er als Definition: "Ziviler Ungehorsam entsteht, wenn Menschen aus einer Gewissensentscheidung heraus bestimmte Entwicklungen in der Gesellschaft nicht tatenlos akzeptieren können. Sie zeigen deshalb die Bereitschaft, mehr
zu tun und auch mehr in Kauf zu nehmen als üblich ist, um diese für sie unerträgliche Entwicklung zu verhindern."

Wir hoffen daher, dass unsere Tat nicht allein als eine strafbare Handlung diskutiert wird, die sie sicherlich, wenn auch nur im kleinen Rahmen, ist. In einer aufgeklärten politischen Kultur dürfte dieses demonstrative Einwirken auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess nicht automatisch
dazu führen.

Wir hoffen vielmehr, dass wir mit dieser Tat zum Nachdenken über das Abschiebesystem anregen, dass die Beamten und das Personal hier im Knast demonstrieren und sich nur noch ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, unabhängig davon, welche unmenschliche Befehle sie auch erhalten. Wir wünschen uns, dass dieses Nachdenken dazu führt, dass beim nächsten mal
wieder mehr Menschen hier sind und dass wir möglichst bald mit so vielen Menschen hier sein werden, dass wir die Mauern der Unmenschlichkeit hinter uns zum einstürzen bringen."


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