Lippische Landes-Zeitung ,
27.10.2003 :
Ein Sieg der Menschlichkeit / Ehebruch: Mohammad Habib Parran droht Steinigung / Abschiebung in letzter Minute verhindert
Von Wolf Scherzer
Kalletal/Kreis Lippe. Mohammad Habib Parran kann aufatmen. Vorerst. Drei Monate Zeit bleiben ihm, um die deutschen Behörden davon zu überzeugen, dass ihm in seiner Heimat der Tod droht. Der 30-Jährige hat Ehebruch begangen - und darauf steht im Iran die Steinigung. Parran ist geflüchtet, lebt seit acht Monaten im Kalletal, sein Antrag auf Asyl wurde Ende August vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt - Anfang dieser Woche hätte er abgeschoben werden sollen. Rein rechtlich gesehen hätte der 30-Jährige nichts dagegen machen können. Doch am Freitag siegte beim Kreis Lippe die Menschlichkeit.
"Wir haben schon mit verschiedenen Gemeinden gesprochen. Denn wenn der Kreis Lippe hart bleibt, bemühen wir uns um ein Kirchenasyl für Mohammad", sagte Diether Kuhlmann, Mitarbeiter des Detmolder ibz (Internationales Beratungszentrum), Freitagmittag im Gespräch mit der LZ. Zu diesem Zeitpunkt war der Iraner bei der Ausländerbehörde beim Kreis Lippe - unterstützt von Lieselotte Mariss (amnesty international), Gudrun Lagemann (ibz), Ferhat Akman (ibz und Dolmetscher), Heide Breuning (Diakonisches Werk) und Britta Langner (Sprecherin Ökumenisches Forum - Flüchtlinge in Lippe). Sie haben - sehr zu ihrer eigenen Überraschung - erreicht, dass Mohammad jetzt drei Monate Zeit hat, notwendige Papiere aus dem Iran zu besorgen.
Ständiger Begleiter des im Bavenhausener "Fohlenhof" untergebrachten 30-Jährigen ist seit einiger Zeit sein Freund Willi Beining aus dem Kalletaler Ortsteil Henstorf, der die ibz-Mitarbeiter auf Mohammad und sein Schicksal aufmerksam gemacht hatte. Ein Schicksal, das in der westlichen Welt immer noch völliges Unverständnis hervorruft. Mohammad - verheiratet und Vater eines vierjährigen Sohnes - hat, wie auch dem Protokoll seiner Vernehmung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Düsseldorf zu entnehmen ist, ein Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt. Er wurde inflagranti erwischt und inhaftiert; angeblich soll der betrogene Ehemann beim iranischen Geheimdienst tätig sein. Auf Ehebruch steht im Iran die Todesstrafe - per Steinigung. "amnesty international weist seit Jahren auf die brutalen und menschenunwürdigen Urteile hin. Steinigung und Prügel sowie Amputationen sind an der Tagesordnung", schrieb das Lemgoer Anwalts- und Notarbüro Mausbach im September dem Verwaltungsgericht Minden.
"Nicht als politische Verfolgung zu bewerten"
Verwaltungsgericht Minden
Deshalb habe Mohammad seine Heimat verlassen müssen. Hinzu käme, dass angesichts dieser Vorfälle nicht nur sein Vater an einem Herzinfarkt gestorben sei, sondern die Behörden auch die Firma Mohammads und seines Bruders geschlossen habe. Am 18. September hat das Verwaltungsgericht Minden beschlossen: Die Klage gegen den abgelehnten Asylantrag wird abgelehnt. "Die Strafverfolgung wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs ist nicht als politische Verfolgung zu bewerten. ( ... ) Selbst wenn im Iran wesentlich höhere Strafen dafür verhängt werden, ist dies noch nicht mit politischer Verfolgung gleichzusetzen", heißt es in der von Verwaltungsrichter Dr. Mertens unterzeichneten Urteilsbegründung. Ein Abschiebungshindernis liege vor, wenn für den Ausländer eine "erhebliche, konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit" bestehe, und nach der Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts vom 27. Februar dieses Jahres stehe auf unerlaubtem Geschlechtsverkehr auch die Todesstrafe. Aber dies sei "an sehr strenge und praktisch nicht zu erfüllende Beweisvorschriften" geknüpft. Darüber hinaus, so begründet das Verwaltungsgericht seine ablehnende Haltung, gebe es im Iran "keineswegs eine Tendenz, derartige Strafen ständig, überall und zu jeder Zeit zu verhängen". Vielmehr werde mit diesen Strafen "vorsichtig umgegangen".
Menschenrechtler wie die Mitarbeiter des ibz sehen das anders. Zuletzt - im August dieses Jahres - hatte der Fall der 35 Jahre alten Shanaz weltweit für Schlagzeilen gesorgt: die Frau war vom Obersten Gerichtshof der Islamischen Republik Iran wegen angeblichen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt worden. Und wie diese Strafe vor sich gehen soll, regelt die "Sharia", das islamische Recht, klar und deutlich: "Die Verurteilten werden von Kopf bis Fuß in weiße Tücher gewickelt und bis zu den Hüften eingegraben. Dann beginnt das Steinigen. Die Steine werden speziell ausgewählt, so dass sie groß genug sind, um Schmerzen zu verursachen, aber nicht so groß, um den Verurteilten sofort zu töten. Sie garantieren einen langen, qualvollen Tod." Meistens werden Frauen gesteinigt - wenn sie Mütter sind, müssen ihre Kinder oft, von Gesetzes wegen, der Grausamkeit zuschauen.
Mohammad Habib Parran ist jetzt zuversichtlich, dass ihm diese Qual erspart bleibt. "Meine Frau hat mir verziehen und wird die notwendigen Zeugenaussagen und andere Papiere besorgen, die die deutschen Behörden brauchen", sagte er am Freitag. In spätestens drei Monaten wird er wissen, ob seine momentane Erleichterung auch begründet ist.
Lemgo@lz-online.de
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