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Arbeitsgemeinschaft Fossoli , 21.06.2002 :

... nach einem Deportationsopfer aus Fossoli zu bennenen ... / Redebeitrag der AG Fossoli auf der Kundgebung "Gemeinsam gegen Sonnenwendfeiern von Neonazis" in Horn-Bad Meinberg

Wir haben vor zwei Jahren an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in dieser Stadt der Kommandant der Polizei- und Durchgangslager Fossoli und Bozen in Italien lebte.

Wir haben darauf hingewiesen, dass von diesen Lagern aus zahlreiche italienische Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer sowie mehrere tausend Jüdinnen und Juden in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden sind.

Wir haben darauf hingewiesen, dass der Kommandant dieser Lager – Karl Friedrich Titho – so wie die meisten Nazi-Schergen von der bundesrepublikanischen Justiz nie wirklich belangt worden sind.

Wir hatten gefordert, dass Titho für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen wird.

Wie kaum anders zu erwarten, sah sich die deutsche Justiz dazu nicht veranlasst. Gegen Täter, die nicht aus eigenem Antrieb gemordet oder einen Mord veranlasst haben, wird in der Regel ein Verfahren gar nicht erst eröffnet.

Uns so gehört es in Deutschland offensichtlich zur ganz normalen Auffassung, dass der Kommandant zweier Lager, von denen aus Jüdinnen und Juden in die Vernichtung geschickt wurden, eigentlich gar nichts getan hat und dann natürlich auch nicht gerichtlich zu belangen ist.

Mensch kann, wenn die Haltung der bundesrepublikanischen Justiz zugespitzt interpretiert wird, zu der Auffassung gelangen, dass der gesamte Vernichtungsapparat bestückt war mit einer Vielzahl von "kleinen Lichtern". Getan hat eigentlich bis auf ganz wenige Nazi-Größen keine und keiner was. Verantwortung für seine Taten übernehmen, das muß dann auch keine und keiner.

Das ist genau jene Haltung, die wir heute allerorten antreffen, wenn Flüchtlinge in Folterstaaten abgeschoben werden. Dann sind allen Beteiligten von der Sachbearbeiterin bis zum Präsidenten des OVG "irgendwie die Hände gebunden", alle führen irgendeine Vorschrift für ihr Tun an, alle beklagen sich, dass sie keine andere Möglichkeit hätten – und letztendlich verantwortlich ist irgendwie auch keine und keiner. Dabei geht es in solchen Fällen einfach nur darum, dass bißchen Courage aufzubringen, was auf Hochglanzplakaten und sogenannten "Runden Tischen für Mitmenschlichkeit und Toleranz" in die Welt hinaus posaunt wird.

Der Kommandant der Lager Fossoli und Bozen ist inzwischen gestorben:

Die deutsche Justiz hat ihn natürlich nicht mehr belangt.
Er selbst hat das Unrecht seines Tuns eigentlich nicht eingesehen.

Und in Horn ist mensch offensichtlich ganz froh, dass der Trubel um die Person Titho vorbei ist.

Und in Horn ist mensch offensichtlich bemüht zu verhindern, dass irgend etwas aus dieser Diskussion um die eigene Vergangenheit hängenbleibt.

Wie anders ist es zu verstehen, dass unser Antrag, eine Straße in Horn-Bad Meinberg nach einem Deportationsopfer aus Fossoli zu benennen, dem Rat der Stadt zwar seit über einem halben Jahr vorliegt, aber irgendwie nicht bearbeitet wird.

Dabei hatte der Historiker Klaus Voigt noch am 9. März diesen Jahres an den Bürgermeister geschrieben:

"Die Idee, eine Straße in Horn nach einem aus Fossoli deportierten Kind zu benennen, ist von meinen Kollegen am jüdischen Dokumentationszentrum in Mailand sehr gut aufgenommen worden. Sie wird in Italien, vor allem in den jüdischen Gemeinden, als Zeichen der Besinnung einer Stadt auf ihre Vergangenheit sehr positiv aufgenommen werden. Ich würde mir daher von Herzen wünschen, dass die Initiative, für die ich in Deutschland kein zweites Beispiel nennen kann, erfolgreich ist."

Wir fordern die Kommunalpolitikerinen und -politiker in Horn-Bad Meinberg auf, diesem Wunsch endlich nachzukommen! - Oder will mensch in Horn wirklich verhindern, dass aus der Diskussion um Titho etwas "hängen bleibt"?

Lasst mir noch einen skeptischen Nachsatz:

Der Beschluss des Rates, dass der im Jahre 1934 im Rathaus angebrachte Spruch "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" wieder an Ort und Stelle angebracht werden wird, macht hinsichtlich unseres Vorhabens nicht gerade Hoffnung.


agfossoli@freenet.de

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