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Schaumburger Zeitung , 12.06.2002 :

Toleranz statt Extremismus: Jugendlichen Werte vermitteln

Barsinghausen (jbö). In den vergangenen Wochen ist Barsinghausen mehrfach in den Blickpunkt von radikalen Gruppierungen von links und rechts geraten. "Jetzt ist die Politik gefragt. Nur gemeinsam können wir das Krebsübel ausrotten", betonte Herbert Lattmann, Vorsitzender des CDU Kreisverbandes Hannover-Land.

Mit Blick auf den Rechtsextremismus gebe es keinen Anlass zur Zufriedenheit. "Der Zulauf ist ungebrochen", erläuterte Volker Homuth, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Auf Landesebene seien momentan 1.450 Personen in rechtsextremistischen Gruppen aktiv. Beunruhigend sei dabei auch die neonazistische Szene. Rund 350 (militante) Neo-Nazis engagieren sich derzeit in Niedersachsen. "Vor allem jüdische Mitbürger stehen im Mittelpunkt des Hasses", beurteilte Homuth die Situation aus Sicht des Verfassungsschutzes. Gewaltverherrlichende Musik und rechtsextremistische Homepages, darunter rund 1.300 deutsche, würden – im negativen Sinne – eine hohe Verbreitung rassistisch-antisemitischer Äußerungen garantieren. "Die NPD mit bundesweit 6.500 Mitgliedern hat eine aggressiv-kämpferische Position eingenommen", erläuterte Homuth. Rund 35.000 Personen haben sich bundesweit linksextremistischen Gruppen angeschlossen, darunter 7.000 gewaltbereite Autonome (700 in Niedersachsen). Ihr Motto: Keine Macht für niemanden, wobei sich ihre Offensive gegen die Rechtsextremisten richtet.

"Eine abstrakte Gefahr geht zudem vom Ausländerextremismus aus", betonte Homuth. Nach dem 11. September seien im Landesamt für Verfassungsschutz zehn weitere Stellen für den Aufgabenbereich "Ausländerextremismus" besetzt worden. Vor allem die so genannten Schläfer, die sich dem Netzwerk von Osama bin Laden angeschlossen haben, müssten im Auge behalten werden. Toleranz werde den Menschen allerdings nicht "in die Windeln gelegt", folgerte Jürgen Gansäuer, Vizepräsident des Niedersächsischen Landtages.

Anspruch der Erwachsenen müsse die "geistige Ausbildung" junger Menschen sein. Eine demokratische Wertorientierung müsse vermittelt werden. In diesem Sinne sollte grundsätzlich über Schule als Institution der Erziehung nachgedacht werden. Damit junge Menschen nicht in Versuchung kommen und ins Extreme (ob links oder rechts) abgleiten, müsse der Blick auf drei Problembereiche – das Bildungs-, Orientierungs- und Kommunikationsproblem – gerichtet werden, betonte der Landtagsabgeordnete und Pastor Christian Biallas. Erhöhung der Bindungskompetenz, Vermittlung von Werten innerhalb der Familie und Förderung der Kommunikationsfähigkeit sollte Ziel der Bestrebungen sein. Präventive Maßnahmen, die auf die Überzeugung von potenziellen Aussteigern aus der extremistischen Szene und Einsteigern ausgerichtet sind, seien denkbare Ansätze. "Wo Prävention nichts nützt, muss der Staat hart durchgreifen", forderte Biallas.

Demonstrationen als Protest gegen die NPD zu organisieren, wie in der Deisterstadt geschehen, sei vom Prinzip her ein angemessenes Mittel, erläuterte Homuth. Kontraproduktiv seien derartige Aktionen jedoch dann, wenn Gewalt ins Spiel kommt. Feindbilder der Rechtsextremisten würden dadurch gepflegt. "Toleranz ist jedoch das Nadelöhr zum Frieden", stellte Gansäuer heraus. Intoleranz im ethnischen, sozialen und geistigen Bereich – ein hohes Maß an Intoleranz ist allen radikalistischen Gruppen gemein – dürfe nicht toleriert werden. "Dabei ist die Würde des Menschen nach Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar", betonte CDU-Bundestagskandidatin Dr. Maria Flachsbarth in ihrem Schlusswort.


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