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Lippe aktuell , 10.01.2004 :

"Mit Panzern ist keine Sicherheit zu erreichen" / Ein General berichtet aus Afghanistan

Augustdorf (bo). Viel Prominenz aus Politik, Bundeswehr und Wirtschaft kam vergangene Woche im Offiziersheim "Lippische Rose" der Augustdorfer Rommel-Kaserne zum traditionellen Neujahrsempfang des Verteidigungsbezirkskommandos 35 (VBK) zusammen. Dieses Mal stand nicht der Empfang im Mittelpunkt, das VBK hatte auch zu einer "Sicherheitspolitischen Abendveranstaltung" eingeladen.

Generalleutnant Norbert van Heyst, der Kommandeur des 1. Deutsch/Niederländischen Korps, hielt einen spannenden Vortrag über seine Erfahrungen in Afghanistan. Van Heyst war dort für ein halbes Jahr als Kommandeur der internationalen ISAF-Schutztruppen stationiert. Im Unterschied zu anderen Krisenherden in der Welt sei die Kernaufgabe der ISAF-Truppen mit einem Wort zu beschreiben: "Unterstützen".

"In die deutschen Soldaten vor Ort wird ein unglaubliches Vertrauen gesetzt", erläutert van Heyst seine Erfahrungen mit der afghanischen Bevölkerung. "Damit verbunden sind auch hohe Erwartungen, die wir nicht alle erfüllen können. Aber wir haben uns bemüht und unsere Aufgaben gut gemeistert", so das Fazit seines sechsmonatigen Einsatzes.

Zum Grundsatz, wie er seine Aufgabe verstanden und seine Soldaten geführt habe, führte er aus: "Ein reines zur Schau stellen von Macht kann in so einem Land nie zum Erfolg führen. Kontakt mit der Bevölkerung, ein aktiver Beitrag zum Wiederaufbau des Landes und der Sicherheitsstrukturen sind unverzichtbar." Über zahlreiche positive Resultate der internationalen Schutztruppe konnte van Heyst berichten. Dazu zählte er vor allem die sich deutlich verbessernde Sicherheitslage in Kabul, jedoch gab er auch zu bedenken, dass sich diese außerhalb der Hauptstadt sichtlich verschlechtert habe. "Wenn man das Land stabilisieren will, muss überall für Sicherheit gesorgt werden, im Besonderen in den Provinzen." Aus diesem Grund begrüßte er die Ausweitung des deutschen Einsatzgebietes auch auf die nord-afghanische Stadt Kundus.

In seinem Vortrag berichtete er auch über zwei Tage, die ihm in besonderer Erinnerung geblieben sind. Am 3. März 2003 sei eine Rakete in das Hauptquartier der ISAF eingeschlagen, "ein reiner Zufall, dass niemand verletzt wurde", wie van Heyst feststellen musste. Die Rakete sei direkt neben den Unterkünften und dem Sanitätsplatz eingeschlagen. Das zweite Datum ist der 7. Juni: Ein Selbstmordattentäter sprengte sich in einem Taxi direkt neben einem Bus in die Luft, der deutsche Soldaten zum Flughafen und zurück in die Heimat bringen sollte. Vier Kameraden kamen dabei ums Leben. 29 wurden zum Teil schwer verletzt. Van Heyst beschreibt seine eigenen Gefühle im Nachhinein so: "Als Kommandeur ist es immer das erste Ziel, alle Soldaten wieder gesund nach Hause zu bringen. Ich bin der Überzeugung, dass wir auch an diesem Tag alles richtig gemacht haben, denn einen solchen Anschlag kann man nicht verhindern, es geht nicht! Alle Soldaten wissen, dass der Auftrag nicht ungefährlich ist, aus dieser Sicht sehe ich meinen persönlichen Auftrag als nicht erfüllt an." Und weiter: "Mir wurde teilweise vorgeworfen: "Warum wurden keine Panzer eingesetzt?" Aber mit Panzern produziert man keine Sicherheit. Rein praktisch passen sie nicht durch die engen Straßen von Kabul und zudem ist der Kontakt und die Gespräche mit der Bevölkerung sehr wichtig und unverzichtbar."

Es war ein Vortrag, der nicht nur Vorzüge und gute Laune verbreitete, sondern auch die weniger schönen Seiten aufzeigte, die Gefahren und alltäglichen Probleme. Gerade deshalb, so das Urteil der Zuhörer, war er besonders beeindruckend, die den Vortrag des Generals mit langem Applaus würdigten.


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