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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 06.10.2006 :

Bonhoeffer in Großaufnahme / Autor Paul Barz lichtet den Weihrauchnebel um einen viel umschriebenen Kirchen-Mann

Gütersloh (hn). Rein sachlich ist über Dietrich Bonhoeffer, Mitglied der Bekennenden Kirche und ein Mann des Widerstands gegen Hitler, wohl alles geschrieben. Das umfangreiche Werk des 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordeten Pfarrers ist weit verbreitet, eine detaillierte wie umfangreiche Biographie seines Wegbegleiters Eberhard Bethge, erschienen im Gütersloher Verlagshaus, das diese Vorlesung unterstützt, lässt keine Frage über das Leben des durch seine aufrechte Haltung so überzeugenden Theologen aus. Daher nähert sich der Schriftsteller und Journalist Paul Barz, der am Dienstagabend in der Apostelkirche las, dem Phänomen Bonhoeffer auf eine ganz andere, überraschende Art – in Romanform.

"Ich bin Bonhoeffer", heißt sein Buch, in dem er sich wie bei einer Großaufnahme dem Menschen hinter jenem Märtyrer, Widerständler und Heiligen nähert, zu dem Bonhoeffer von der Nachwelt verklärt wird. Barz lichtet den Weihrauchnebel um einen Mann, der mit seinem Charakter, seiner Standfestigkeit und seiner Sturheit nicht nur einen graden Weg ging, sondern auch bisweilen bei Gleichgesinnten aneckte, dem andere zuweilen sogar Intoleranz und Ichbezogenheit vorwarfen, der zudem gewisse Eitelkeiten und Rechthabereien pflegte. Allzu Menschliches tritt zu Tage.

Barz, Jahrgang 1943, verbindet seine exzellente Recherche in seinem Buch mit der künstlerischen Freiheit des Romanschreibers. Sein Werk schreitet im gut les- und hörbaren Stil die Eckpunkte von Bonhoeffers Leben ab, füllt aber auch episodenhaft die Zwischenräume aus. Der Autor legt Wert darauf, dass jedes wichtige Wort, das er dem Theologen in den Dialogen in den Mund legt, verbürgt sei und sorgt damit für eine hohe Authenzität, die die Identifikation mit dem Kirchenmann nur noch eindringlicher macht.

Den Spannungsbogen hält Barz in seinem Vortrag durchgehend aufrecht, liest sitzend am Tisch, steht dann wieder auf, um ohne Manuskript Zeitzusammenhänge und -sprünge prägnant zu erklären: Machtergreifung, Kriegsbeginn, die Weltpolitik der Allierten -Entscheidungen, die allesamt bedeutende Wegbiegungen auf dem Lebensweg und auf das Denken und Handeln Bonhoeffers haben.

Der Fokus wandert lesend vom Elternhaus zu seinen Stationen in Barcelona und den USA. Seine Rückkehr ins vom Nationalsozialismus längst verseuchte Deutschland gerät zu einer besonderen Zäsur. Warum kehrte er zurück, wo er doch dort in Sicherheit gewesen wäre? „New York war für ihn sein Garten Gethsemaneh“, erläutert Barz in einem Gleichnis auch die Angst des Aufrechten vor dem, was kommen wird. Er, den Zunächst sein und selbst später als aktiver Widerstandskämpfer ermordete Onkel Klaus von Dohnany vor dem Wehrdienst bewahrt, wird 1943 endgültig verhaftet. Die Beklemmungen in der Gefängniszelle, die Verhöre, die unendlichen Tage schließlich zwischen Hoffen und Bangen um Leben und Tod, bis sich der Daumen des "Antichristen" über dem Haupt Bonhoeffers wenige Tage vor Kriegsende schließlich senkt.

"Ich wollte Bonhoeffer nicht einfach sagen lassen, dass er in Hitler den Satan sah", erläutert Barz, dass er an dieser Stelle lange gezögert habe. Bis er bei der Sichtung der Schriftstücke seiner "Romanfigur" auf genau jene Passage stieß, in der Bonhoeffer den Diktator als den Antichristen bezeichnete. Ein beeindruckend dichter Vortrag.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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