www.hiergeblieben.de

Die Glocke , 17.01.2004 :

Zeitzeugen schildern Erlebnisse in Schulen

"Ich musste nicht mehr oder weniger arbeiten als die Schliepers selbst, hatte ein eigenes Zimmer und habe mit ihnen am selben Tisch gegessen." Dabei war zumindest letzteres von den Nazis offiziell verboten. Und dann war da vor allem noch der ein Jahr ältere Sohn Ludwig, zu dem sich eine solche Freundschaft entwickelte, dass sich Balanowski sofort nach dem Ende der Sowjetunion um eine erneute Kontaktaufnahme bemühte. Diese glückte, und 1995 traf der Ukrainer erstmals wieder in Albersloh ein. Doch tragischerweise verstarb Ludwig Schlieper genau zwei Wochen vorher, so dass Michael Balanowski lediglich noch an seinem Grab für ihn beten konnte.

Ähnlich Positives berichtet Irmina Kroll über die ihr zugeteilte Albersloher Familie. Denn August Telges hatte sich vor allem für ihre Mutter eingesetzt. Diese war von ihrer damals achtjährigen Tochter in Warschau getrennt und auf den hiesigen Hof verschickt worden. Doch hielt sie es nicht lange aus und floh, um zu ihrer Tochter zu kommen. Als sie bei dem Versuch gefasst wurde, drohten ihr drakonische Strafen. Bauer Telges jedoch, in das Schicksal eingeweiht, stellte sich hinter "seine" Arbeiterin, nahm sie erneut auf und bestach gar zuständige Beamte mit Lebensmitteln, um einen Passierschein für die Mutter nach Warschau zu organisieren. Mit diesem holte sie die Tochter 1944 zu sich nach Albersloh. Und auch Irmina verlebte hier eine unter den gegebenen Bedingungen glückliche Kindheit: "Ich wurde zu nichts gezwungen, durfte mit der Tochter spielen und musste nur manchmal kleinere Arbeiten wie Kartoffelschälen verrichten", erzählt sie. Alles in allem also zwei erstaunlich positive Lebensabschnittsgeschichten. Und auch wenn diese sicherlich nicht exemplarisch für das schwere Schicksal der Zwangsarbeiter stehen können, ist es faszinierend und lehrreich Irmina Kroll und Michael Balanowski zuzuhören.

Diese Möglichkeit besteht auch für die Sendenhorster und Albersloher Bevölkerung. Denn beide werden in den kommenden Tagen an verschiedenen Aktionen der Veranstaltungsreihe teilnehmen und sich gerne in Gespräche verwickeln lassen. Darüber hinaus besuchen sie vom kommenden Montag bis Mittwoch die hiesigen Schulen und berichten ausführlich von ihren Erlebnissen.

Ulf Steffenfauseweh


glocke-online@die-glocke.de

zurück