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Schaumburger Zeitung , 23.04.2002 :

"Nur mit Parolen allein lässt sich das Problem nicht mehr lösen"

Barsinghausen (jbö). Mit Sorge verfolgen die ehemaligen Barsinghäuser Lars Maibaum und Corinna Schütt die öffentliche Debatte um das Vorgehen gegen die immer mehr zunehmenden Aktivitäten von Alt- und Neonazis in der Deisterstadt. In einem Offenen Brief an das "Bündnis gegen Rechtsextremismus" fordern sie die Barsinghäuser Bevölkerung zu engagierten und couragierten Protesten gegen den Naziaufmarsch am 27. April auf.

Gänzlich unverständlich erscheinen Lars Maibaum und Corinna Schütt die Äußerungen des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und Juso-"Chefs" Markus Hugo, die nahelegen, dass sich das Barsinghäuser "Bündnis gegen Rechts" anlässlich des anstehenden NPD-Aufmarsches am 27. April "nicht einmischen werde". Nach dem ermutigenden Auftreten Barsinghäuser Bürger und Antifaschisten aus dem Raum Hannover gegen eine Aktion der Nazis im März wolle man jetzt offensichtlich der NPD und den ihnen nahe stehenden militanten "Kameradschaften" die Straße widerspruchslos überlassen, weil es bei den letzten Protesten zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Gegendemonstranten gekommen ist, folgern die ehemaligen Barsinghäuser.

Seit Jahren sei bundesweit zu beobachten, dass die Rechtsextremisten versuchen, solche kritischen Momente von antifaschistischen Bündnissen für sich zu nutzen: Heuchlerisch würden sie sich von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung distanzieren und sich als Opfer staatlicher Repression (Stichwort NPD-Verbotsantrag) präsentieren. Die Äußerungen seitens der Barsinghäuser Polizei, dass am 27. April Antifa-Gruppierungen nur nach Barsinghausen kämen, "um Gewalt auszuüben", und dass man die Aktivitäten der NPD besser ignorieren solle, seien nicht nur ein Affront gegen alle Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und faschistische Tendenzen engagieren. Sie seien auch "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten". "Jetzt reichen Parolen wie 'Nazis raus' allein nicht mehr aus, um das Problem in den Griff zu kriegen", sind sich Maibaum und Schütt einig. Barsinghausen müsse, so bitter es sein mag, zur Kenntnis nehmen, dass die Neonazis dabei sind, sich in der Stadt festzusetzen.

Gerade jetzt dürfe daher unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass sich die Barsinghäuser bei künftigen Aktionen der Rechtextremisten nicht mehr klar positionieren. Ob am 27. April oder bei anderen zukünftigen Auftritten von Alt- und Neonazis könne nur ein entschieden geäußertes und öffentlich vorgetragenes "Nein zu Faschismus und Rassismus" ein Zeichen setzen, dass die Stadt und ihre Bürger nicht gewillt sind, die rechtsextremistischen Aktivitäten weiter hinzunehmen. Gleichzeitig müsse den in Barsinghausen wohnenden und unmittelbar bedrohten Migranten ein "Signal der Solidarität" vermittelt werden. Dass diesen Zeichen in Zukunft viele kleine und weit mühsamere Schritte folgen müssen, damit sich in Barsinghausen ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz entwickeln kann, verstehe sich von selbst.

"Wir sind der Überzeugung, dass genügend Potenzial in der Stadt Barsinghausen vorhanden ist, mit phantasievollen Aktionen den faschistischen Gewalttätern entgegenzutreten und sie nicht ungestört gewähren zu lassen", betonen Maibaum und Schütt in ihrem Offenen Brief. Das mutige Handeln der Leipziger Bürger vor wenigen Wochen anlässlich eines Naziaufmarsches könnte hierbei durchaus als Vorbild dienen. Auch hier sei es zu vereinzelten militanten Aktionen gegen die Nazis gekommen – den Erfolg des Widerstandes habe das allerdings nicht geschmälert.


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