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Lippische Landes-Zeitung , 10.07.1993 :

Keinen Schlaf gefunden

Mitte Juni dieses Jahres besuchte unser Nachbar meine Tochter mit einem Anliegen, das uns allen unter die Haut gegangen war. Da er wusste, dass meine Tochter schon des öfteren ein Kinderfest organisiert hatte und auch sonst gut mit Menschen umgehen konnte, bat er sie, ihn in seiner Absicht zu unterstützen, in Leopoldstal ein Straßenfest unter dem Motto "Stoppt Ausländerfeindlichkeit" zu veranstalten. Meine Tochter war sofort von der Idee begeistert, wusste sie doch, was Tragisches in Hoyerswerda, Mölln und Solingen geschehen ist.

Als ich an diesem Abend zu Bett ging, konnte ich lange keinen Schlaf finden. Meine Gedanken wanderten weit zurück. Ich bin Jahrgang 1929, war noch kurz Soldat und kam in französische Gefangenschaft. Freiwillig wurde ich Freiarbeiter. Ich bewegte mich als Ausländer zwischen den Franzosen und fühlte mich in keiner Sekunde bedroht, obwohl wir Deutschen auch den Franzosen viel Schlimmes angetan hatten.

Wieder zurück in Deutschland begann der Aufbau. Wir krempelten die Ärmel hoch. Auch an unserer Seite standen mit all ihrer Kraft Leonardo der Italiener, Aclem der Türke und wie sie noch alle hießen und von wo sie kamen. Das sollte man den Neos und Skins eintrichtern, bevor sie zum Stein und Streichholz greifen.

Unser Straßenfest wurde ein Erfolg. Alle unsere ausländischen Nachbarn waren gekommen. Mit einer Vielfalt von Speisen und Getränken aus verschiedenen Ländern feierten wir bis in den späten Abend. Die Kinder ließen über hundert Luftballons in den Himmel steigen mit dem Motto: "Stoppt Ausländerhass." Es wäre zu wünschen, dass unser Beispiel wie ein Lauffeuer durchs Land getragen wird.

Robert Liese
Ahornweg 1
Horn-Bad Meinberg/Leopoldstal

10./11.07.1993
detmold@lz-online.de

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