www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 22.06.2004 :

Aktive Gedenkstätte / Aufklärung mit Dokumentation zur Wewelsburg

Von Holger Kosbab

Büren-Wewelsburg. Von weitem erscheint es als ganz normales Gästebuch. Nimmt man sich aber die Zeit zum Lesen, wird schnell klar: Es ist ein Dialog zwischen Jung und Alt, Überlebenden und Erschütterten. Zwischen Links und Rechts. Denn wie viele Gedenkstätten hat auch das Kreismuseum mit der Dokumentation "Wewelsburg 1933 – 1945" direkten Kontakt mit dem rechten Spektrum.

Steht auf einer Seite: "Unsere Großväter waren keine Mörder, es waren Helden", folgt prompt die Antwort: "Idioten". Kirsten John-Stucke ist diese Möglichkeit der Niederschrift wichtig: "Damit sich Betroffene die Trauer von der Seele schreiben." Die stellvertretende Leiterin weiß um die zum Teil antisemitischen Einträge. Da diese fast immer von entgegen steuernden gefolgt werden, "gibt es für uns keinen Grund, das zu unterbinden". Aus Gründen der Meinungsfreiheit wird darauf verzichtet, Besucher mit einer Kamera zu beobachten. Im Idealfall soll das geschulte Personal jene ansprechen, die verfassungsfeindliche Einträge hinterlassen. Ihre Erfahrung zeige jedoch, "dass es die Personen verstehen, nicht erwischt zu werden".

John-Stuckes Schwerpunkt ist die Gedenkstätte. Wie alle 13 Gedächtnisorte in NRW wider das Vergessen errichtet, hat die Dreiecksburg ihre Eigenheiten. Zum Einen den in der rechten Szene verehrten Nordturm mit SS-Obergruppenführersaal und Gruft. Zum Anderen führten die Ausbaupläne der Nazis zur Einrichtung des Konzentrationslagers Niederhagen. Für die Arbeit an den Weltmittelpunktsideen wurden 3.900 Häftlinge dorthin gebracht. Mindestens 1.285 sind durch Arbeit, Unterernährung, mangelnde Hygiene und Unterdrücker-Willkür gestorben.

Die Wewelsburg veranschaulicht somit zeithistorische Kultur-Vorstellungen der Täter und erinnert im ehemaligen SS-Wachgebäude an die Opfer. "Gedenkstätte", das betont John-Stucke, "ist sie aber unbedingt wegen des KZ". Kündigt sich eine Gruppe, inkognito als politisch Interessierte aus vornehmlich neuen Bundesländern oder offen als "NPD-Ortsgruppe aus Pusemuckel an, dann gibt es erst die Führung durch die Ausstellung", so John-Stucke: "Da müssen sie durch." Erst nach den Schatten der Vergangenheit dürfen sie in die Kulträume.

Das Museum will "den Mythos Wewelsburg brechen". Es will weg vom Weihestätten-Image. Dabei geht die Leitung einen schmalen Grat. Öffentliche Führungen übers Töten, aber auch übers Wohnen der Nazis könnten das Gegenteil bewirken. Wirklich positiv wäre es, "wenn man zu Beginn einer Führung vor leeren Gesichtern spricht, sich aber einzelne Personen vom Anführer lösen und sichtbar ins Grübeln kommen" – ein Minimalziel, das nicht immer glückt.

Helfen kann die Darlegung nazistischen Unsinns. Dass auch vom Nachbarn Denunzierte im KZ waren. Oder dass Himmlers Berater und häufiger Burggast Karl Maria Willigut, genannt "Weisthor", ein aus einer Heilanstalt entflohener Insasse war.

Dass sich jemand bewusst outet ist selten. 2003 wurden vom Personal 466 Personen rechts eingeordnet, darunter sieben Gruppen. Das entspricht einem Anteil von knapp über einem Prozent an der Gesamtbesucherzahl von 41.290. Damit ist sie "die am besten besuchte Gedenkstätte in NRW", so John-Stucke.

Das aktuelle Besucherbuch 25 wird das letzte seiner Art sein. Nach Anfrage informierte sich der Kreis über juristische Verantwortlichkeiten. Als Lösung dienen Urteile aus Trier (2001) und Düsseldorf (2002), die das Internet betreffen. Demnach müssen virtuelle Gästebücher wöchentlich kontrolliert werden, nach vier Wochen trägt der Betreiber die Verantwortung für Einträge.

Als Reaktion darauf wird es in der Dokumentation demnächst ein Ringbuch mit täglich inspizierten Blättern geben, die nach spätestens vier Wochen ausgetauscht werden. Womit keine Zensur ausgeübt werden soll. Es soll mögliche zivilrechtliche Klagen durch "ehrfurchtsverletzenden Äußerungen" verhindern, so eine Sprecherin des Kreises.


redaktion@neue-westfaelische.de

zurück