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Lippische Landes-Zeitung , 27.02.2004 :

"Keine Opfer ohne Täter" / AG Fossoli hält Chance zur NS-Aufbereitung für vertan

Horn-Bad Meinberg/Detmold. Die ehemalige "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" kritisiert den jüngsten Beschluss des Schul- und Kulturausschusses, die Bücherei nach einer Jüdin aus Horn zu benennen, die bei der Pogromnacht 1938 getötet worden war (die LZ berichtete). Die AG hatte vor drei Jahren die öffentliche Diskussion über die Verantwortung des ehemaligen Lagerleiters von Fossoli und Bozen, Karl Friedrich Titho, angestoßen und vorgeschlagen, die Bücherei nach dem jüngsten aus Fossoli deportiertem Opfer, Richard Silberstein, zu benennen.

Dieter Zoremba erklärt, die AG habe damit dokumentieren wollen, dass ein Täter in Horn gelebt habe und die Stadt sich mit deutscher Täterschaft ganz konkret auseinandersetze, "denn es gibt keine Opfer ohne Täter". Zoremba erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass aus diesen beiden Lagern wenigstens 3198 Jüdinnen und Juden sowie mindestens 2470 politische Gefangene in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück deportiert wurden.

Dass der Arbeitskreis "Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" nun seine Meinung geändert habe, sei bedauerlich - die Begründung für diese Meinungsänderung lasse nur einen Schluss zu, findet Diether Kuhlmann: "Er will sich der Auseinandersetzung um die Täterschaft entziehen. Die angeführten Gründe sind allerdings geradezu grotesk." Einer laute, dass "die Konzentration auf nur eine Täterperson nicht den historischen Tatsachen entsprechen würde". Das ist für Kuhlmann zwar unbestritten richtig, die Folgerung daraus müsse aber das Augenmerk auf noch mehr Täter zu richten. Als zweiter Grund wird angeführt, dass die Benennung nach einem Opfer aus Fossoli ein wenig geeignetes Mittel sei, auf den komplexen Sachverhalt der Deportation hinzuweisen. Kuhlmann: "Wir fragen: Selbst wenn die Deportationen 'komplexe Sachverhalte' waren, ist das ein Grund, sie zu verschweigen?"

Die Sprecher der AG halten es für wichtig und sinnvoll, der Opfer zu gedenken, "aber wer sich davor drücken will, auch die Täter beim Namen zu nennen, der sagt nur die halbe Wahrheit. Und wenn wir Verantwortung für unsere Geschichte übernehmen wollen, dann gehört dazu auch die deutsche Täterschaft und das in ihrem ganzen Ausmaß. In Horn ist der Wille, sich dieser Verantwortung zu stellen, offenbar nicht vorhanden."


Detmold@lz-online.de

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