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Lippische Landes-Zeitung , 03.03.1992 :

Unerfüllbare Hoffnung

Zum Thema "Kirchenasyl" in der Shalom-Gemeinde Rendsburg und in der Evangelischen Kirchengemeinde Hiddesen:

Der weltoffene Mitteleuropäer hatte in den letzten Jahren reichlich Gelegenheit, die Länder Südosteuropas kennenzulernen. Es fällt schwer zu glauben, dass die Bürger dort wegen ihrer oppositionellen Meinung zu Tode gefoltert werden. Zugegeben ist dies aber nur mein subjektiver Eindruck.

Ein Höchstmaß ab Objektivität billige ich aber den zahlreichen Gerichten in unserem Rechtsstaat zu. Lehnen die Ausländerämter einen Asylantrag ab, wird jeder Einzelfall vor Verwaltungsgerichten verhandelt. Jedes Indiz, jedes Argument, das Antragsteller und Rechtsbeistand einbringen, wird individuell hinterfragt und geprüft. In den verschiedensten Städten der Republik kommen die verschiedensten unabhängigen Richter in den Instanzen fast immer zum gleichen Schluss: Der Antrag auf politisches Asyl ist unberechtigt und muss abgewiesen werden. Hier schließt sich der Kreis subjektiver Eindrücke vor Ort und des hier gerichtlich festgestellten Schein-Asylantentums.

Unbefriedigend ist der lange Zeitaufwand, den der Rechtsweg um seiner Qualität wegen braucht; das Urteil am Ende ist jedoch weitestgehend objektiv.

Wie kommt nun die Kirche dazu, geltendes Recht zu unterlaufen und Abschiebemaßnahmen zu verhindern? Ansonsten bedient sie sich des Staates in vielerlei Hinsicht, um die eigene Institution zu schützen, zu stabilisieren und zu finanzieren. Auch die demokratische Opposition sollte auf dem Boden geltenden Rechts bleiben und Spielregeln einhalten.

Trauriges Kapitel ist das Spiel mit dem Schicksal des Betroffenen. Ihm wird Hoffnung auf ein Bleiberecht gemacht, das unser Staat bereits nach sorgfältiger Prüfung abgelehnt hat. Letztlich kann auch die Kirche nicht auf Dauer gegen bestehende Gerichtsbeschlüsse Widerstand leisten. Traurig ist auch die Fernwirkung auf andere Menschen in gleicher Situation bei uns in Deutschland wie auch im Ausland. Dort sind solche Zeichen oftmals Ansporn zum Sprung ins kalte Wasser, zur Odyssee im "goldenen Westen". In Deutschland empfängt sie dann eine breite Front der Ablehnung, Kasernierung und oft auch noch die Gewalttätigkeit der Radikalen.

Weckt das "Kirchenasyl" nicht ünerfüllbare Hoffnungen und spielt mit menschlichen Schicksalen? Will jede Gemeinde vor Ort erleben, was die Shalom-Gemeinde in Rendsburg in den letzten Monaten durchgemacht hat?

Udo Golabeck
Bahnhofstraße 10a
Barntrup

03./04.03.1992
Detmold@lz-online.de

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