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Schaumburger Zeitung , 16.10.2000 :

Gericht genehmigt Mahnwache der "JN"

Rinteln (wer). Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten ("JN") demonstrierten am Samstag auf dem Marktplatz – Sympathisanten der Antifa Schaumburg protestierten mit Plakaten gegen die Präsenz der Rechtsextremisten. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte eine von der Stadt untersagte "Mahnwache" und einen Info-Tisch der NPD-Jugendorganisation kurzfristig genehmigt. Die Polizei sicherte mit Verstärkung aus Hannover den Abzug der mehrheitlich auswärtigen "JN"-Aktivisten.

Die große Mehrheit der Passanten schüttelte den Kopf, zeigte sich empört: "Warum dürfen die Rechtsradikalen das? Kann man den Stand nicht verhüllen?" Nur wenige interessierten sich für Flugblätter und Pamphlete der NPD. Die Gegen-Demonstranten der Antifa, die den Stand der Rechtsradikalen mit eigenen Transparenten flankierten, bekamen dagegen Rosen geschenkt.

Die Stadt musste sich einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) beugen, das die "Mahnwache" am Freitagabend genehmigt hatte. Den Antrag des Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten auf eine Sondernutzungserlaubnis für den Marktplatz vom vorigen Montag hatte die Verwaltung abgelehnt. Juristisch begründet wurde das "Nein" zu rechtsextremer Propaganda mit einer möglichen Eskalation durch Gegendemonstrationen, der Beeinträchtigung des Geschäftslebens und früheren Rechtsübertritten der "JN" bei Plakat-Aktionen. Auch das Verwaltungsgericht Hannover erteilte am Freitag keine Genehmigung, weil die Frist zur Prüfung des Antrages zu kurz sei. Wenige Stunden später (Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz wurde per Fax um 19.09 Uhr informiert) ließ das OVG eine Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu und genehmigte die "Mahnwache".

Die Richter begründeten ihren Beschluss vor allem mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Meinungsäußerung und dem Recht der Parteien auf politische Werbung. Demgegenüber seien die von der Stadt angeführten Gründe "nicht ausreichend tragfähig". Die Gefahr von Zusammenstößen mit politisch Andersdenkenden rechtfertige eine Ablehnung der Sondererlaubnis nicht, heißt es in der Begründung. Das OVG: "Es ist Sache der Polizei, derartige Zusammenstöße zu verhindern."

Buchholz bewertete die Entscheidung der Richter am Samstag als "bedauerlich". Die Polizei, obgleich personell auf einen gewalttätigen Konflikt vorbereitet, verzichtete auf übermäßige Uniformpräsenz auf dem Marktplatz. Beamte in Zivil, verstärkt durch Ermittler der Staatsschutzabteilung Hameln, beobachteten beide Gruppierungen. Von 10.30 bis 13 Uhr standen sich etwa zwölf "JN"-Aktivisten und 17 Antifa-Demonstranten gegenüber. Ein einziges Mal drohte die friedliche Situation zu eskalieren: Als ein offenbar mit der Antifa sympathisierender Mann mit Werbematerial der "JN" verschwand, folgten ihm mehrere Rechtsradikale mit Transparentstangen, von denen die Polizei anschließend einige sicherstellte. Bei den Antifa-Demonstranten kassierten die Beamten eine Packung Eier ein. Erst als die Rechtsradikalen in Richtung Ostertorstraße abzogen, kam ein größeres Polizeiaufgebot aus Hannover zum Einsatz, das beide Gruppen trennte. Die wenigsten NPD-Anhänger kamen aus Rinteln, der Großteil aus dem Nienburger und Verdener Raum.

Kopf der Gruppe war Florian Cordes, der zum Vorstand des "JN"-Landesverbandes gehört und über einen vorbestraften Rintelner Rechtsradikalen ein Propaganda-Sprachrohr in der Weserstadt gefunden hat. Möglicherweise im Zusammenhang mit dem "JN"-Auftritt steht ein Vorfall, der sich in der Nacht auf Samstag in der Bäckerstraße ereignet hat. Dort wurde der Ford Fiesta eines 18-jährigen Rintelners, der zur rechten Szene gehört, demoliert. Eine Zeugin hörte gegen 0.15 Uhr laute Geräusche und sah mehrere Personen weglaufen. Scheinwerfer und Windschutzscheibe wurden zerstört, Motorhaube und Türen beschädigt. Die Polizei ermittelt, ob der Vandalismus einen politischen Hintergrund hatte.


sz@schaumburger-zeitung.de

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