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Büren-Gruppe Paderborn , 08.12.2001 :

Rede auf der Demonstration gegen Abschiebeknäste in Hannover-Langenhagen

Die Arbeit der Büren-Gruppe bezieht sich hauptsächlich auf den Abschiebeknast in Büren, theoretisch wie praktisch. Zunächst einige Fakten:

Büren ist mit ca. 600 Plätzen der größte Abschiebeknast für Männer in Deutschland. Er liegt acht Kilometer außerhalb von Büren, mitten im Bürener Forst und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Mit Hilfe modernster Sicherheitstechnik und einer sechs Meter hohen Mauer werden Tausende Flüchtlinge dort seit 1994 unschuldig bis zu 18 Monate lang inhaftiert. Ins öffentliche Bewusstsein, aber nicht in eine grundsätzliche Kritik gelangte der Knast im Sommer 1999, als einer der Häftlinge, Rashid Sbaai, bei einem selbstgelegten Brand in seiner Arrestzelle umkam.

Mehr als 20.000 Flüchtlinge wurden allein in der JVA Büren in den letzten sieben Jahren unschuldig inhaftiert und anschließend deportiert.

Unserer Meinung nach ist es jedoch enorm wichtig, das gesellschaftliche Umfeld und die ideologischen Implikationen, die in der Errichtung eines Sondergefängnisses für Flüchtlinge liegt, zu reflektieren und mit zuberücksichtigen. So ein Knast steht ja nicht im luftleeren Raum, weder geographisch noch politisch.

Nicht nur, dass die Bürener Bevölkerung den Knast (mehrheitlich) in keinster Weise als Skandal betrachtet, sie hat sich aktiv für dessen Einrichtung eingesetzt. Zwischen den Alternativen Asylbewerberheim und Knast wählte sie die repressivere. In völkischer Einheit reproduzierte sie rassistische Ängste vor dem „schwarzen Mann“ und kam zu dem Ergebnis: wenn schon Ausländer in unsere Stadt kommen, dann besser sofort hinter Gitter. Die Zivilgesellschaft in Aktion entschied sich gegen die Würde des Menschen.

In Paderborn nimmt mensch von alldem nicht sonderlich viel Notiz. Alle paar Monate liest der/die brave BürgerIn von einem Haufen Unverbesserlicher, der mal wieder eine Mahnwache oder Demo für irgendjemand veranstaltet hat.

Der Knast in Büren verdeutlicht, wie jeder andere Abschiebeknast auch, die zutiefst unmenschliche Realität einer rassistischen und menschenverachtenden Politik.

Die Politik, die eine Unterscheidung der "guten" von den "schlechten" MigrantInnen als ideologisches und argumentatives Fundament benutzte, für die Bildung und Verabschiedung von rassistischen Einwanderungsgesetzen, stand nach den Anschlägen des 11. Septembers unter dem Zwang einer Neuorientierung. Denn nicht zuletzt die Attentate in den USA hatten die staatlich gewollte Unterscheidung zwischen den guten und schlechten AusländerInnen in ihrer Verwertungslogik und Irrationalität unverblümt hervortreten lassen.

So transformiert sich momentan der selektive Verwertungsrassismus der Zeit vor den Anschlägen zu einem Rassismus der Willkür, welcher begründet und zementiert wird durch einen „tonnenschweren“ Sicherheits- und Kontrolldiskurs. Gerechtfertigt, beworben und als notwendige Maßnahme der Terrorismusbekämpfung präsentiert wird dieser Diskurs am vehementesten vom deutschen Innenminister Otto Schily. Dem antiemanzipatorischen und freiheitsberaubendem Gehalt seiner Sicherheitspakete wird, weder durch öffentlichen, noch durch spürbaren parteilichen Widerstand etwas entgegengesetzt.

Jener Sicherheitsdiskurs ist mittlerweile nicht mehr nur Abschottungsinstrument der BRD (vor der sogenannten "Asylantenflut"), sondern er umfasst, spätestens seit der Forderung Schilys nach Fingerabdrücken auf dem Personalausweis jede/n einzelne/n in dieser Gesellschaft lebende/n. Dass somit auch der/die "unbescholtene/r BürgerIn" ins Blickfeld der Terroristenjäger gerät könnte eine Chance sein, eine breite Basis für politischen Widerstand zu schaffen, der sich wiederum ausweiten könnte und sollte von einem genuin antirassistischen zu einem radikal gesellschaftskritischen Widerstand, wie dies momentan in der Vielfalt der Proteste gegen WTO, IWF und G8-Gipfel deutlich wird.

Ein anständiger Aufstand lässt auch in Deutschland bis heute auf sich warten. Wir als Büren-Gruppe sehen uns in der Verantwortung die bestehenden Verhältnisse radikal zu kritisieren und anzugreifen. Deshalb bleibt unsere Forderung nach der Abschaffung aller Abschiebeknäste ebenso aktuell und notwendig wie die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Geschehen an und im Knast in Büren.

Power durch die Mauer - bis sie bricht!
Offene Grenzen und Bleiberecht für alle!


info@aha-bueren.de

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