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Schülerinnen und Schüler aus Rinteln , 24.11.2001 :

Wer schweigt, stimmt zu! Zähne zeigt, wer's Maul aufmacht!

Liebe Schülerinnen, Schüler und sonstige AntifaschistInnen,

Für heute planten Neonazis in der Rintelner Innenstadt einen Aufmarsch unter dem Motto "Gegen Kumpanei von Staat und Antifa". Was auch immer das sein soll. Da der Anmelder Markus Winter aus Steinbergen bei den Behörden als unzuverlässig gilt, wurde ihr Aufmarsch in sämtlichen Instanzen verboten.

Da half auch kein Christian Worch. Dieser sieht sich selbst gern als bundesweiten Führer der militanten Neonaziszene. Er kommt aus Hamburg und ist der eigentliche Hintermann des hier geplanten und verbotenen Aufmarsches. Außerdem war Worch als Redner nach Rinteln eingeladen.

Aber auch der eigentliche Anmelder Markus Winter ist kein unbeschriebenes Blatt. Mehrfach vorbestraft unter anderem wegen schwerer Körperverletzung saß er bis zum letztem Jahr in Haft. Auch in der Neonaziscene machte er sich einen Namen. Er war Herausgeber des Nazi-Fanzine Heftes "Reaktion 88". Die Zahl "88" steht im übrigen für zwei mal den achten Buchstaben des Alphabetes. Dies ist in der Naziszene ein Codewort für "Heil Hitler,". Eine feine Gesellschaft also, die hier aufmarschieren wollte.

Das Verbot des Naziaufmarsches in Rinteln ist nicht als Zeichen der Demokratie zu werten. Der Anmelder des Naziaufmarsches Markus Winter konnte sogar aus der Haft heraus sein Nazi-Fanzine erstellen. Vielmehr war es das Unvermögen der örtlichen Neonazis, eine Demonstration richtig anzumelden, das zum Verbot geführt hat.

Im Sommer letzten Jahres wurde von der Regierung für ein "Aufstand der Anständigen" gegen Neonazis geworben. Wäre nicht auch der "Anstand der Zuständigen" einzufordern? Einen solchen "Anstand der Zuständigen" vermissen wir insbesondere in Schaumburg. Der Innenminister Niedersachsens Heiner Bartling wohnt in Steinbergen. In seinem Wohnort wurden Jugendliche von Neonazis angegriffen, als sie an der Wohngemeinschaft vorbeiführen, in der Markus Winter wohnt. Trotz einer Anzeige der Jugendlichen wurden die Neonazis nicht zur Rechenschaft gezogen.

Ein anderes Beispiel aus Schaumburg, das zeigt, das es mit dem "Anstand der Zuständigen" gegenüber Neonazis nicht weit her ist:

Im Januar diesen Jahres fand in Bad Eilsen ein Nazi-Rockkonzert statt. Schon 1990 formulierte die Kultfigur des internationalen Nazirocks, lan Stuart, wozu solche Nazikonzerte dienen. Er sagte (Zitat): "Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden."

Die Polizei schaute bei diesem Konzert nur zu, obwohl es sich um ein Konzert der verbotenen internationalen Blood & Honour-Organisation handelte. Blood & Hounor wurde von lan Stuart, den wir gerade zitiert haben, gegründet. Blood & Honour verbreitet mit dem Mittel der Musik rassistische Hetze unter jungen Leuten. So wird heute Nachwuchs für militante Naziorganisationen gewonnen. Die Antifa intervenierte und stellte in der Öffentlichkeit klar, dass es sich in Bad Eilsen um ein verbotenes Blood & Honour-Konzert handelte. Erst dann gaben Polizei und Staatsschutz zu, das es sich um ein Konzert handelte, gegen das sie eigentlich hätten einschreiten müssen. Dabei ist es gerade hier im ländlichen Raum wichtig, den Neonazis entgegenzutreten. Ländliche Räume sind bundesweit jene Regionen, in denen die Neonazis den größten Teil ihres Nachwuchses werben.

Noch ein Beispiel dazu, wie unverantwortlich die Zuständigen in dieser Region mit Neonazis umgehen. Vor zwei Monaten fand an den Externsteinen in der Nähe von Detmold eine Wehrsportübung von Neonazis statt. Organisiert wurde die Wehrsportübung von Nazis aus Bünde und Schaumburg. Wieder schaute der Staatsschutz nur zu. Selbst bei den Schießübungen der Neonazis griff er nicht ein.

In Sachsen drang in diesem Jahr in die Öffentlichkeit, dass militante Neonazigruppen sogar vom Verfassungsschutz geschult und mit Waffen ausgestattet wurden. Auch einen solchen Fall hat es in dieser Region schon gegeben. Peter Schulz, im Dienst des Verfassungsschutzes baute bis Mitte der 90er Jahre die Nazi-Wehrsportgruppe "Heimatschutz-Korps Ostwestfalen" auf.

Kann man Neonazis zu weiteren Taten mehr ermutigen, als durch solch konsequentes Wegsehen und Unterstützen ?

Deshalb freuen wir uns um so mehr, dass heute so viele Schülerinnen und Schüler gekommen sind, die garantiert ehrlicher ihren Unmut gegen Nazis auf die Straße, tragen, als dies bislang von behördlicher und bürgerlicher Seite getan wurde.

So gab es zum Beispiel bislang in Rinteln keinerlei bürgerlichen Protest gegen die zahlreich durchgeführten NPD-Stände in der Rintelner Innenstadt. Deshalb ist es wohl auch kaum verwunderlich, dass heute sowohl die Rintelner Bürgerinnen und Bürger, als auch Parteien wie die SPD und die Grünen, weckgucken und schweigen.

Weder die EinwohnerInnen noch die ansässigen Parteien in Rinteln brachten die Zivilcourage auf die Schülerinnen und Schüler hier zu unterstützen. SPD'ler, Grüne und Gewerkschaften, ihr müsst euch von den Jugendlichen hier die Frage gefallen lassen: Seid ihr, die immer den Begriff Zivilcourage im Mund fuhren feige oder verlogen? Anders ist eurer Nichtverhalten nicht zu werten.

Wir sagen dazu: Wer schweigt stimmt zu! Und Zähne zeigt, wer's Maul aufmacht! Vielleicht wäre statt des "Aufstandes der Anständigen" ein anständiger Aufstand gegen Neonazis zu fordern?


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