www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 17.11.2001 :

Vernichtende Gedanken / Stadtarchivar Dieter Zoremba präsentiert Ausstellung über Feldpostbriefe

Blomberg (an). Sie war im Krieg die Nabelschnur für deutsche Soldaten an der Front: Über die Feldpost konnten sie mit Daheim in Kontakt bleiben. Der Blomberger Stadtarchivar Dieter Zoremba hat ein einzigartiges Beispiel für einen solchen Briefkontakt ausgegraben: 350 Feldpostbriefe eines Blombergers an seine Verlobte von 1939 bis 1945. Die daraus entstandene Ausstellung im Bürgerhaus wirft interessante Schlaglichter auf die vernichtende Gedankenwelt des Fritz K.

"Der Mann heißt weder Fritz noch K.", betont Zoremba. "Es geht nicht um die Person des Autors, sondern darum, wie ein einzelner Soldat den Krieg erlebte, welche Befürchtungen und Hoffnungen er hatte." Wie der kurze Lebenslauf beweist, war Fritz K. ein Mensch wie du und ich. Und er war in hohem Grade infiziert mit nationalsozialistischem Gedankengut.

Sein Glauben an den Führer und den Sieg des deutschen Volkes war unerschütterlich, und selbst die Nachrichten aus Stalingrad konnten ihn nicht vom Gegenteil überzeugen, wie die Ausstellung eindrucksvoll zeigt. Noch kurz vor Kriegsende 1945 hofft Fritz in seinem letzten erhaltenen Brief, "dass der Führer dem Vormarsch der asiatischen Steppenwölfe auf deutsches Land Einhalt gebieten" möge. Judenhass und Rassismus sind unverkennbar: Fritz K. lässt sich unter anderem über die "verlausten Untermenschen" aus und meint damit die Russen, von denen er und seine Kameraden sich durchfüttern lassen. Die Briefe zeigen auch deutlich, dass Fritz K. sehr wohl über die Massenvernichtungen von Juden informiert war. Dennoch: "Fritz K. war keine Nazi-Größe, sondern ein ganz normaler Mann seiner Zeit", betont Dieter Zoremba. Und obwohl die Briefe die Meinung eines Einzelnen wiederspiegeln und keineswegs repräsentativ sind, haben andere wie Fritz K. gedacht: "Er war beileibe kein Einzelfall", weiß Zoremba. "Wenn man das liest, kann man vielleicht verstehen, warum sich 1939 nicht mehr Deutsche gegen den Vernichtungskrieg gewehrt haben." Und es unterstützt Zorembas These, dass für die Gräueltaten des Nationalsozialismus nicht nur eine Handvoll Generäle und Verführer verantwortlich waren, sondern auch der Rassismus und Antisemitismus im Kopf der einfachen Menschen.

Die Ausstellung stellt hohe Ansprüche an den Besucher: Sie enthält kein einziges Foto. Doch wer sich darauf einlässt, die Briefausschnitte zu lesen, wird ein authentisches und sehr anschauliches Bild jener Zeit vorfinden. Dieses Gemälde ist farbiger, als es Fotografien sein könnten: Die Sehnsucht des Fritz K. nach Hause, seine Kampfeslust und die Hoffnung, endlich vom friedlichen Brückenkopf an die echte Front zu kommen, aber auch die Sorge um die Daheimgebliebenen findet sich in und zwischen den Zeilen. Als Fritz K. von den Luftangriffen der Briten auf Hannover hört, wünscht er sich ein Endes des Kampfes im Osten herbei, damit wir dem "Tommy mal aufs Dach steigen können".

Alles in allem eine wichtige Ausstellung, deren Besuch Pflicht für Menschen jeden Alters sein sollte. Sie ist täglich im Bürgerhaus von 14 bis 18 Uhr geöffnet, für Schulklassen sind auch Sondertermine vereinbar.

17./18.11.2001
Blomberg@lz-online.de

zurück