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Gruppe KoK , 15.07.2004 :

Die "Reformen" haben wir satt. Für ein Ende der Bescheidenheit!

Die Armut und die Armen

Wie sie wissen, soll in fünf Monaten das sogenannte Harzbla eingeführt werden. Die Auswirkungen sind absehbar, Millionen von Menschen werden so einfach es auch klingt: Arm. Der Ausschluss von Reichtum der Gesellschaft ist in seiner Breite beängstigend. Eine neue massenhafte Altersarmut wird genauso beschlossen wie die häufige Kindheit und Jugend am jämmerlichen Existenzminimum. Was die machen sollen die nach dem neuen Gesetz kein Geld mehr bekommen, interessiert nicht. ln der zynischen Logik, die diese Gesetzte schafft sind die, die nicht jede miesbezahlte, quälende oder stumpfe Arbeit annehmen wollen, nicht auf Geld angewiesen. Und dieses neue Gesetzespaket ist nur eines von vielen in die gleiche Richtung (z. B. das Zuwanderungsgesetz).

Sucht mensch nach dem Sinn dieser menschenfeindlichen Maßnahmen stößt mensch auf eine patriotische Rhetorik, die davon redet, dass Deutschland wieder an die Spitze müsse, und deswegen gelte es, billige Arbeitsplätze zu schaffen ohne Lohnnebenkosten oder Arbeitsrecht. Dass in Zeiten der rigoros betriebenen Verarmung Ausbeutung das nationale Wir-Gefühl geschürt wird wundert nicht. Was beängstigt, ist der positive Anklang dieser Reden vom unpatriotischen Verhalten der "Arbeitscheuen" und der "ewigen Nörgler" und die scheinbare breite Akzeptanz der "wir sitzen alle in einem Boot" Rhetorik, die nur in einem nationalistischen, auf Abgrenzung beruhenden Kontext verstanden werden kann und schon seit jeher dazu diente soziale Widersprüche und Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern. Auch der Sozialstaat, der zum positiven Bezugspunkt des Protestes wird, ist ein nationales Projekt und trägt in seiner Grundlage den Rassismus bereits in sich.

Unsere Agenda heißt ...

Der Protest gegen die Reformen ist noch zu klein um etwas auszurichten. Ein Teil ist bereits kanalisiert in der Gründung einer Linkspartei. Sie soll das richten, was SPD und PDS nicht hinkriegen. Die Frage, warum sich der Werdegang dieser Partei anders gestalten sollte als andere Versuche des "Marsches durch die Institutionen", interessiert scheinbar keinen der Protagonist innen. Vielleicht weil viele FunktionärInnen dieser Partei schon lange in Institutionen sitzen und schon so manche Scheiße aufgrund von leider unabänderlichen "Sachzwängen" mitbeschlossen haben. Nun aber, wenn es auch an ihre eigenen Privilegien und ihre Machtbasis geht, doch etwas unruhig werden. Wohin kann die Reise dieser Partei gehen? Falls sie erfolgreich sein wird, darf sie vielleicht irgendwann einmal in einen rot-rot-roten Regierung das Elend in einem hochgerüsteten Nationalstaat verwalten. Dieser rückwärtsgewandte Weg verdient unserer Meinung nach bei einer Diskussion um eine sinnvolle Kritik des Bestehenden und einer Strategie einer "agenda resisiance" wenig Beachtung. Eine außerparlamentarische Bewegung ist notwendig um einen Weg Richtung reiches und schönes Leben für alle Menschen einzuschlagen. Nur so kann es gelingen die Bedürfnisse der Menschen endlich mal in den Vordergrund der gesellschaftlichen Organisation zu stellen und nicht eine Logik, die zwar Reichtum erzeugt, aber nur unter der Bedingung, dass wenige an ihm teilhaben können.

Wem das erst auffallt, wenn es an die eigenen Moneten geht, sollte sich mal umschauen. Die Festung Europa schottet sich effektiv gegen alle ab, die am Reichtum eines globalen Systems teilhaben wollen, dessen Profiteure aber maßgeblich die Staaten des Nordens sind. Nur noch denen, die als "nützlich" für die nationale (soziale) Volkswirtschaft erachtet werden, wird ein Aufenthaltsrecht gewährt. Die meisten anderen werden per BGS und LTU gewaltsam aus dem "Standort Deutschland" entfernt.

Für ein Ende der Bescheidenheit!

Deshalb ist es unserer Meinung nach entscheidend, ob "wir" uns dazu entschließen, mal wieder um einen schlechten Arbeitsplatz zu betteln oder Forderungen formulieren, die bereit sind mehr in Frage zu stellen als die schlampige bürokratische Umsetzung von menschenverachtenden Gesetzen. Wenn das Ziel sein soll ein reiches, schönes und spannendes Leben für alle Menschen zu ermöglichen, ist es einfach nur Hohn die Verwertungsmaschinerie dieser Gesellschaft bloß punktuell zu kritisieren und aber so viel anderes Elend zu schweigen. Der Ausgangpunkt sollte natürlich trotzdem bei unseren individuellen Bedürfnissen liegen, die wir in dieser Gesellschaft nicht befriedigen können, weil wir für die Verwertung überflüssig wenden. Nur so würde es gelingen, die abstrakte Ebene des neoliberalen Diskurses zu verlassen, in der die Wünsche nach einem reichen und erfüllten Leben wie irrationale Träumereien wirken. Nur so könnten "wir" unsere eigenen Bedürfnisse definieren und sie befriedigen, ohne den Standards einer Agenda 2010 oder ähnlichem zu gehorchen.

Es gilt erst einmal Räume und Strukturen zu schaffen, die nicht von ParteistrategInnen und anderen BürokratInnen und in denen eine freie und kritische Diskussion zwischen den Menschen möglich ist, die sich nicht davor scheut alles in Frage zu stellen. Es sollte darum gehen gesellschaftliche Veränderung überhaupt wieder breiter diskutierbar zu machen und die Herrschaft der kapitalistischen Sachzwanglogik und die hegemonialen Diskurse anzukratzen (mensch ist ja bescheiden).

Dieser Weg kann nicht von einer Partei, einer großen Organisation oder einer wie auch immer gearteten Avantgarde gegangen werden, sondern nur von Individuen, die aktiv in die Geschichte eingreifen wollen und sich frei miteinander assoziieren. Wenn sie bessere oder lustigere Vorschläge haben, sind wir natürlich daran interessiert (communism@freenet.de).


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