www.hiergeblieben.de

Mindener Tageblatt , 20.01.2021 :

Bunker vermietet

Ein unscheinbares Kriegsrelikt an der Ringstraße wird weiterhin genutzt / Im Innern kann es dabei laut werden

Stefan Koch

Minden. Er ist grau, von Wildpflanzen überwuchert und befindet sich seit dem Zweiten Weltkrieg an der Ringstraße in Höhe der angrenzenden Cecilienstraße neben den Parkplätzen einer Wohnanlage. Täglich fahren Fahrzeuge an dem Bunker vorbei - doch ein MT-Leser wollte wissen, was es mit dem Relikt auf sich hat.

Recherchen ergaben, dass sich das Objekt auch heute noch in Privatbesitz befindet und vermietet ist. Für die frische Luft in dem fensterlosen, rund 90 Quadratmeter Fläche umfassenden Gebäude sorgt eine Lüftungsanlage mit einem relativ neuen Abzug auf dem Dach.

Ursprünglich soll der Bunker als Zuflucht für die Mitarbeiter benachbarter Industrieunternehmen gedient haben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sah die englische Besatzungsmacht in Minden davon ab, den Betonklotz in die Luft zu sprengen. So wurde er in den Nachkriegsjahren von der Möbelfabrik Drabert als Aktenlager weiterhin genutzt. Ein Mindener Geschäftsmann erwarb Mitte des vorletzten Jahrzehnts das Gebäude für 25.000 Euro und vermietete es als Proberaum für Musikgruppen. Nach seinen Angaben verfügt es weder über eine Toilettenanlage noch einen Wasseranschluss. Bei dem Erwerb musste der Eigentümer eine verrostete Panzertür instand setzen, was Kräfte des Technischen Hilfswerkes im Rahmen einer Übung vorgenommen hatten.

Nachdem der Geschäftsmann aus Minden weggezogen war, fand vor ungefähr sechs Jahren ein weiterer Eigentümerwechsel der Immobilie statt, zu der auch eine kleinere Parkfläche gehört. Bei dem Erwerber handelt es sich um einen Unternehmer aus Duisburg. Auf MT-Anfrage erklärte er, dass er den Bunker erneut als Proberaum an Musiker vermietet habe.

Kurze Zeit in den Fokus der Öffentlichkeit geraten war der Bunker 2010. Er war damals nächtlicher Treffpunkt einer Gruppe Rechtsradikaler, die am 28. November des Jahres das damalige Szenelokal "Hamburger Hof" überfallen und demoliert hatte.

Der Auto ist erreichbar unter (0571) 882-165 oder Stefan.Koch@MT.de.

Bildunterschrift: Seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Bunker an der Ringstraße zu unterschiedlichen Zwecken genutzt.


Copyright: Texte und Fotos aus dem Mindener Tageblatt sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

_______________________________________________


www.hiergeblieben.de: Zusammenfassung - Montag, 29. Dezember 2014:

( ... )

Neonazi-Überfall auf den "Hamburger Hof" in Minden

Von einem Rechtsrock-Konzert in einem alten Luftschutzbunker in der Cecilienstraße kommend, war eine Gruppe Neonazis am 28. November 2010 in die als alternativ beziehungsweise "links" geltende Mindener Gaststätte "Hamburger Hof" eingedrungen, während weitere Beteiligte den Tatort von außen "absicherten". Im Hamburger Hof rief der Mindener Neonazi Andre Bille unter anderem "Heil Hitler" und "Sieg Heil" und führte den Hitlergruß aus. Weitere Neonazis zerstörten mit Hilfe von Barhockern unter anderem die Glastür eines Kühlschranks, einen Zapfhahn, Flaschen und Gläser und beschädigten durch Tritte einen Heizpilz. Andre Bille versetzte einem hinzukommenden dunkelhäutigen Gast einen so kräftigen Ellenbogenstoß gegen das Kinn, dass dieser benommen zu Boden ging. Anschließend flohen die Täterinnen und Täter. Auf dem vorhergehenden Rechtsrock-Konzert hatte die Band unter anderem ein Lied mit "Ausländer raus!"-Parolen gebrüllt.

Prozesse über 27 Monate nach der Tat

Am 27. März 2013, 28 Monate nach der Tat, endete nach vier Verhandlungstagen vor der IV. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld der Prozess gegen acht Täter, die wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole wegen des Überfalles auf den Hamburger Hof angeklagt waren. Ein abgetrenntes Verfahren gegen einen 25-Jährigen wurde am 17. April 2013 rechtskräftig abgeschlossen. Für fünf Tatbeteiligte hatte der rassistisch motivierte Angriff keinerlei juristische Konsequenzen.

Ideologisch argumentierender Verteidiger

Marco Franke, Direktkandidat der NPD bei der NRW-Landtagswahl am 22. Mai 2005 und Kopf der Neonazi-Gruppierung "Hermannsbund" in Petershagen - sowie laut Urteil vom 27. März 2013 der Koordinator des Überfalles auf den "Hamburger Hof", wurde von Thomas Röckemann, der seinen Mandanten als "unbescholtenen Bürger" bezeichnete, verteidigt. Röckemann fiel dabei als ideologisch argumentierender und strategisch aggressiv auftretender Rechtsbeistand auf, der im Prozess die beiden bundesweit bekannten Szene-Anwälte Stefan Böhmer und Klaus Kunze häufig in den Schatten stellte.

_______________________________________________


Die extreme Rechte in Ostwestfalen-Lippe, 07.01.2014:

Kommentar / Mangelnde Aufmerksamkeit?

Von Alexandra Hütte und Michael Heinrichs

Als sich heute der FDP-Vorsitzende Christian Lindner für ein "konsequentes Vorgehen gegen missbräuchliche Zuwanderung in die Sozialsysteme" aussprach - und vehement die "Rückführung nicht integrierbarer Zuwanderer" forderte, veröffentlichte sein Landtagskollege Kai Abruszat (Wahlkreis Minden-Lübbecke II.) wenig später eine Pressemitteilung zum Thema "Rechtsextremismus im Mühlenkreis". Der 44-jährige Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Minden-Lübbecke betonte in dieser, dass es gut sei, "dass es im Kampf gegen Rechtsextremismus einen Schulterschluss der demokratischen Parteien gibt".

Hintergrund der Pressemitteilung war die Antwort der Landesregierung vom heutigen Tag auf eine Kleine Anfrage Abruszats zum Thema "Rechtsextremismus im ländlichen Raum - wie stellt sich die Situation im Kreis Minden-Lübbecke dar?" (Drucksache 16/4702). Demnach erfasste das Landeskriminalamt im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. November 2013 im Bezirk der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke insgesamt 123 Straftaten der "Politisch motivierten Kriminalität-Rechts (PMK-Rechts)".

Die in der Antwort dokumentierte tabellarische Darstellung der verschiedenen Deliktsgruppen der rechten Straftaten von 2010 bis 2012 ist den jeweiligen Jahresbilanzen des Polizeipräsidiums Bielefeld / Polizeilicher Staatsschutz aus den Abschnitten "Politisch motivierte Kriminalität - Phänomenbereich "Rechts"" vom 05.04.2011, 02.07.2012 und 12.06.2013 entnommen (die Jahresbilanz 2013 liegt naturgemäß noch nicht vor) und enthält keinerlei neue Zahlen und Fakten. Dass antifaschistische Initiativen auf Grund ihrer Recherchen von einer anderen Anzahl und zudem von einem größeren Dunkelfeld in vielen "Deliktsgruppen" der extrem rechten Straftaten ausgehen, ist ebenfalls bekannt und keine neue Erkenntnis.

Auch die in der Antwort des Ministers für Inneres und Kommunales erwähnten Wahlkampfveranstaltungen der rechtspopulistischen "Bürgerbewegung pro NRW" und der neonazistischen NPD in Minden in den Jahren 2010 und 2012 hatte der Polizeiliche Staatsschutz für Ostwestfalen-Lippe jeweils ausführlich dokumentiert und hätte keiner parlamentarischen Anfrage bedurft.

"Spannend" ist hingegen, dass die Landesregierung für das Jahr 2010 keine Musikveranstaltung "der rechten Szene" benennt und lediglich auf ein "Sleipnir"-Konzert in 2011 und "zwei Balladenabenden" mit dem Neonazi-Barden Frank Rennicke in 2013 im Kreis Minden-Lübbecke verweist.

Wir rufen deshalb in Erinnerung: Von Anfang September bis Ende November 2010 fanden bekanntlich nahezu an jedem Wochenende in Minden Rechtsrock-Konzerte - unbehelligt von den Behörden - statt. Aufgearbeitet wurde diese Konzert-Reihe anlässlich des strafrechtlich verfolgten Überfalles auf den "Hamburger Hof": Von einem Rechtsrock-Konzert in einem alten Luftschutzbunker in der Cecilienstraße kommend, war eine Gruppe Neonazis am 28. November 2010 in die als alternativ beziehungsweise "links" geltende Mindener Gaststätte "Hamburger Hof" eingedrungen, während weitere Beteiligte den Tatort von außen "absicherten". Im Hamburger Hof rief ein Neonazi unter anderem "Heil Hitler" und "Sieg Heil" und führte den Hitlergruß aus. Weitere Täter zerstörten mit Hilfe von Barhockern unter anderem die Glastür eines Kühlschranks, einen Zapfhahn, Flaschen und Gläser und beschädigten durch Tritte einen Heizpilz. Ein Täter versetzte einem hinzukommenden dunkelhäutigen Gast einen so kräftigen Ellenbogenstoß gegen das Kinn, dass dieser benommen zu Boden ging. Anschließend flohen die Täterinnen und Täter.

Auf dem vorhergehenden Rechtsrock-Konzert in dem alten Luftschutzbunker hatte die Band laut Aussagen in dem Strafprozess unter anderem ein Lied mit "Ausländer raus!"-Parolen gebrüllt.

Am 27. März 2013, 28 Monate nach der Tat, endete nach vier Verhandlungstagen vor der IV. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld der Prozess gegen acht Täter, die wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole wegen des Überfalles auf den Hamburger Hof angeklagt waren (Aktenzeichen: 4 Kls 46 Js 655/10 - 19/12). Ein abgetrenntes Verfahren gegen einen 25-Jährigen wurde am 17. April 2013 rechtskräftig abgeschlossen (Aktenzeichen: 2 Kls 46 Js 655/10 - 14/12).

Zu fragen bleibt, warum diese Erkenntnisse nicht in der Antwort der Landesregierung zu finden sind, wo doch angeblich im Bereich des Neonazismus angesichts der Mordtaten des NSU besonders aufmerksam beobachtet würde. Die inhaltlich dürftigen Antworten lassen einen anderen Schluss zu.

_______________________________________________


Die extreme Rechte in Ostwestfalen-Lippe, 27.03.2013:

Geringe Strafen für Neonazi-Überfall auf den "Hamburger Hof" in Minden

Von Michael Heinrichs

Heute, am 27. März 2013, endete nach vier Verhandlungstagen vor der IV. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld der Prozess gegen acht Neonazis wegen des Überfalls auf die Gaststätte "Hamburger Hof" in Minden am 28. November 2010.

Die Angeklagten

Der Hauptbeschuldigte Andre Bille (31) aus Minden wurde wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie Körperverletzung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung auf drei Jahre, verurteilt. Ferner muss er eine Geldbuße in Höhe von Euro 2.000 an das Kuratorium "Erinnern Forschen Gedenken" der Herforder Gedenkstätte Zellentrakt in monatlichen Raten von 100 Euro sowie anteilig die Verfahrenskosten - und unabhängig vom Urteil wie allen anderen Angeklagten - seine eigenen Auslagen für die juristische Verteidigung zahlen. Bille, vertreten durch den Szene-Anwalt Stefan Böhmer aus Erlangen, nahm das Urteil an.

Christian Wiegmann (24) aus Lübbecke, vertreten durch Szene-Anwalt Klaus Kunze aus Uslar, erhielt 90 Tagessätze in Höhe von 25 Euro wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung, da er sich laut mündlicher Urteilsbegründung neben Bille im "Hamburger Hof" auch "hervorgehoben" habe. Er nahm das Urteil ebenfalls an und muss zusätzlich die Verfahrenskosten zahlen.

Marco Franke (37) aus Petershagen, in der Szene "Hans" genannt und Koordinator des Überfalles sowie der Vorbereitung des Prozesses, wurde zu 80 Tagessätze in Höhe von 10 Euro wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie der Zahlung der Verfahrenskostens verurteilt. Verteidigt wurde Frank von Rechtsanwalt Thomas Röckemann aus Minden, der für seinen Mandanten, "einem unbescholtenen Bürger", lediglich erklärte, auf die Rechtsmittelbelehrung zu verzichten. Franke trat als Direktkandidat der NPD bei der NRW-Landtagswahl am 22. Mai 2005 an. Als Anführer der Neonazi-Gruppierung "Hermannsbund" hatte er in Petershagen zudem vor allem Jugendliche und Heranwachsende rekrutiert. Ermittlungen gegen Akteure des "Hermannsbund" gab es unter anderem im Zusammenhang mit rassistischen Schmierereien und Zerstörungen am Gemeindezentrum der evangelisch-freikirchlichen Sinti-Gemeinde Petershagen-Quetzen.

Markus O. (31) aus Vlotho wurde zu 80 Tagessätze in Höhe von 40 Euro wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie der Zahlung der Verfahrenskostens verurteilt. Sein Rechtsanwalt erklärte, auf die Rechtsmittelbelehrung zu verzichten.

Sascha D. (34) aus Herford wurde zu 80 Tagessätze in Höhe von 20 Euro wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie der Zahlung der Verfahrenskostens verurteilt. Sein Rechtsanwältin erklärte, auf die Rechtsmittelbelehrung zu verzichten.

Patric Z. (23) aus Minden wurde zu 80 Tagessätze in Höhe von 30 Euro wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie der Zahlung der Verfahrenskostens verurteilt. Als Einziger der Angeklagten entschuldigte sich Z., unabhängig vom Prozess, persönlich beim Betreiber des "Hamburger Hofes" und sagte in seiner Einlassung umfassend und für Beobachtende glaubwürdig zum Tatgeschehen und zur rechten Erlebniswelt in Minden aus. Z. nahm das Urteil an.

Jannik R. (22) aus Hille wurde wegen Gemeinschaftlicher Sachbeschädigung auf Grund der Anwendung des Jugendstrafrechtes zur Zahlung einer Geldbuße an das Kuratorium "Erinnern Forschen Gedenken" in Höhe von Euro 600 entsprechend seiner monatlichen Einnahme, verurteilt und ist von einer Zahlung der Verfahrenskosten ausgenommen. Sein Rechtsanwalt erklärte, auf die Rechtsmittelbelehrung zu verzichten.

Gegen Alexander Michael H. (22) aus Bielefeld wurde das Verfahren gegen eine Zahlung von Euro 600 an das Kuratorium "Erinnern Forschen Gedenken" nach dem Jugendgerichtsgesetz vorläufig eingestellt.

Weiteres Verfahren

Der Angeklagte Michael T. (25) aus Extertal war zum ersten Prozesstag am 6. März 2013 nicht erschienen, das Verfahren wurde auf Beschluss der Kammer abgetrennt, eine Terminierung steht noch aus. T. sagte in einem am 4. September 2012 mit Freisprüchen beendeten Prozess vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Osnabrück gegen vier Männer und eine Frau aus Bünde, Kirchlengern und Minden wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung am 1. August 2010 auf einem Konzert - beziehungsweise am Rande dieser "Benefiz-Veranstaltung" - in Markendorf (Landkreis Osnabrück) als Entlastungszeuge aus. Angeklagt waren unter anderem die einschlägig vorbestraften Neonazis Marcus Winter aus Minden und - als Hauptangeklagter - Michael Rose aus Bünde.

Vorgeschichte: Erfolgreiche Aufklärungsarbeit zum Überfall

Im Kreis Minden-Lübbecke gab es im Jahr 2011 41 rechte Straftaten, eine Steigerung um 46,4 Prozent gegenüber den 28 Taten im Jahr 2010. Dies gab der Polizeiliche Staatsschutz für Ostwestfalen-Lippe im Rahmen einer am 2. Juli 2012 in Bielefeld durchgeführten Pressekonferenz bekannt. Der damalige Leiter der Behörde, Kriminalrat Andreas Schramm, bezeichnete dabei die Aufklärungsarbeit zum Überfall auf die Gaststätte "Hamburger Hof" am 28. November 2010 in Minden als "Glücksfall", weil sie Einblicke in die rechte Szene und ihr Umfeld ermöglicht habe: "Der Hamburger Hof hat dazu geführt, dass wir in dem Bereich unsere Pappenheimer kennen", so Schramm. Die erfolgreichen polizeilichen Ermittlungen waren im Rahmen einer eigens gebildeten Ermittlungskommission mit Namen "EK Hamburg" in Zusammenarbeit mit der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke geführt worden. Schramm zeigte sich auf der Pressekonferenz "verwundert", dass es auch nach mehr als anderthalb Jahren noch keine Verurteilungen, ja nicht einmal einen Gerichtstermin gegeben hat.

14 ermittelte Tatverdächtige

Denn bereits am 12. Januar 2011 gab das Polizeipräsidium Bielefeld unter der Überschrift "Überfall auf Hamburger Hof in Minden aufgeklärt" bekannt: "Der Staatsschutz Bielefeld ermittelt als Täter 14 Personen aus der lokalen rechten Szene." Am 5. April 2011 hatte der Polizeiliche Staatsschutz dann in der "Jahresbilanz 2010 - Politisch motivierte Kriminalität" zu Protokoll gegeben: "( ... ) stürmte am 28.11.2010, gegen 02.00 Uhr, eine Gruppe vermummter und mit Schlagstocken bewaffneter Personen des "rechten Lagers" die Gaststätte "Hamburger Hof" in Minden." Und weiter: "Ein Farbiger wurde hierbei in der Gaststätte zu Boden geschlagen. Als Haupttäter kristallisierten sich zwei "Rechte" heraus, die primär sowohl für die Körperverletzung als auch für die anschließende Verwüstung des Lokals in Frage kommen. Nahezu alle der insgesamt 14 ermittelten Tatverdächtigen, von denen einige dem Staatschutz bisher unbekannt waren, sind geständig."

Prozess über 27 Monaten nach der Tat

Am 6. März 2013 begann vor der IV. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld ein Prozess gegen acht Neonazis. Wegen des Alters einiger der Beschuldigten, die beim Überfall erst 20 Jahre alt waren, erhob die zuständige Staatsanwaltschaft Bielefeld zunächst beim Jugendschöffengericht am Amtsgericht Minden Anklage. Da die Taten zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren hätten führen können, fand die öffentliche Verhandlung vor dem Landgericht Bielefeld statt.

Wesentliche Ergebnisse der Hauptverhandlung

Von einem Rechtsrock-Konzert in einem alten Luftschutzbunker in der Cecilienstraße kommend, sind die Neonazis in den "Hamburger Hof" eingedrungen. Dabei rief Andre Bille "Heil Hitler" und "Sieg Heil" und führte den Hitlergruß aus. Weitere Täter hatten mit Hilfe von Barhockern unter anderem die Glastür eines Kühlschranks, einen Zapfhahn, Flaschen und Gläser zerstört und durch Tritte einen Heizpilz beschädigt. Bille versetzte einem hinzukommenden dunkelhäutigen Gast einen so kräftigen Ellenbogenstoß gegen das Kinn, dass dieser benommen zu Boden ging. Anschließend flohen die neonazistischen Täter.

Prozess-Splitter

Vorsitzender Richter Christoph Meiring in der mündlichen Urteilsbegründung: "Es erhob sich nicht der Sturm der Weimarer Republik, sondern ein laues, alkoholgetränktes Lüftchen."

Rechtsanwalt Stefan Böhmer zum Hintergrund des Verfahrens: "Hier tobt ein unerklärter Bürgerkrieg!"

Rechtsanwalt Thomas Röckemann zum Rechtsrock-Konzert im Luftschutzbunker: "Die friedvolle Party-Stimmung war jäh zu Ende."

Fazit

Obwohl die IV. Strafkammer im Laufe der Beweisaufnahme des Überfalles auf den "Hamburger Hof" bemüht war, die politischen Hintergründe nicht zu verschweigen, bagatellisierte der Vorsitzende Richter Christoph Meiring in der mündlichen Urteilsbegründung mit der Äußerung, hier seien "keine militanten Neonazis" auf der Anklagebank vertreten, die lebensbedrohliche und alltägliche Gefährdung aller Menschen, die nicht in das per se gewalttätige - auch aktuelle - Weltbild der Mehrheit der Angeklagten passen, die sich vor der Tat mit der Begleitmusik für Mord und Todschlag im Luftschutzbunker ideologisch aufputscht hatten. In den Verhandlungsunterbrechungen wurde bei den häufigen Zusammentreffen von fünf der acht Angeklagten Klartext im Szene-Jargon geredet. So beispielsweise zeitnahe nach der Zeugenaussage eines Farbigen, dass "der Neger abgeschoben" und in "seinen Arsch eine Banane gestopft" gehöre.

Dringend aufgearbeitet werden muss in diesem Zusammenhang der respektlose Umgang der Kammer mit den als Zeuginnen und Zeugen angehörten Opfern des neonazistischen Überfalles auf den "Hamburger Hof". Ein ausführlicher Rückblick auf die vier Verhandlungstage erfolgt in den nächsten Tagen.

_______________________________________________


Am 28. November 2010 überfielen vierzehn Neonazis in Minden - welche von einem Rechtsrock-Konzert in einem alten Luftschutzbunker in der Cecilienstraße kamen - die "alternative" Gaststätte "Hamburger Hof".

_______________________________________________


www.facebook.com/MindenGegenRechts

www.lap-minden.de

www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen


zurück