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Neue Westfälische - Herforder Kreisanzeiger , 15.10.2018 :

Vortrag über Franziska Spiegel

Bünde (BZ). Der Frauenabendkreis Holsen-Ahle trifft sich heute, Montag, um 19 Uhr im Gemeindehaus. Der Historiker und Autor ("Der Mordfall Franziska Spiegel") Norbert Sahrhage spricht zum Thema "Franziska Spiegel". Die Jüdin, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einem Kotten in Werfen lebte, wurde am 4. November 1944 denunziert, von mehreren SS-Soldaten abgeholt und unweit ihres Hauses im Hückerholz auf der Straße erschossen. Aufgeklärt wurde die Tat nie.

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Westfalen-Blatt / Zeitung für Werther, 08./09.07.2017:

Die Mörder wären zu finden gewesen

Norbert Sahrhages Roman "Der Mordfall Franziska Spiegel" hat Bezug zur Nazi-Zeit

Von Anna Lisa Tibaudo

Werther-Häger (WB). Mehr als sechs Millionen Juden sind im Zweiten Weltkrieg von den Nazis deportiert und ermordet worden. Die Jüdin Franziska Spiegel ist dagegen in Spenge erschossen worden. "Soviel ich weiß, ist das hier in unserer Gegend der einzige Fall", meint Schriftsteller Norbert Sahrhage aus Bünde.

Sahrhage beschäftigt sich seit 30 Jahren mit diesem Fall. Er recherchierte dafür im Landesarchiv Detmold, wälzte Akten und sprach mit Zeit- und Augenzeugen.

Die Geschichte von Franziska Spiegel hat der Autor rekonstruiert. Da die Staatsanwaltschaft Bielefeld in der Nachkriegszeit diesen Fall nachlässig behandelte und bald einstellte, nahm sich Sahrhage literarisch dieser Geschichte an. Er erfand einen Kriminalinspektor, der Spiegels Mörder sucht. Entstanden ist ein packender Kriminalroman im Stil des Kommissars Maigret aus der Feder Georges Simenon.

Sahrhage beschäftigt sich seit 30 Jahren mit diesem Fall. Er recherchierte dafür im Landesarchiv Detmold, wälzte Akten und sprach mit Zeit- und Augenzeugen. Der promovierte ehemalige Lehrer für Geschichte, Sport und Sozialwissenschaften am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Bünde fasste seine Recherchen in einem Film und in einem Aufsatz für das Historische Jahrbuch 2016 zusammen. Fotos und Dokumente stellte er den 40 Besuchern seiner Lesung nun als Einführung vor.

Die Idee zum Roman hatte sein Verleger vom Pendragon Verlag. Für Sahrhage ist "Der Mordfall Franziska Spiegel" mittlerweile sein vierter Roman. An Hand der Dokumente erzählt er die letzten drei Tage von Franziska Spiegel. Nach vielen Erniedrigungen zieht die Jüdin 1943 mit ihrem "arischen" Ehemann Gottfried und Sohn Rolf über Umwege nach Spenge. Dort wiegt sie sich in Sicherheit, weil die Deportationen der Juden im Kreis Herford bereits abgeschlossen sind.

Ende 1944 wird sie verraten und kurz darauf in der Nähe des Hücker Moors von zwei SS-Männern erschossen. Die Gestapo verbietet ihrem Mann, sie auf einem der umliegenden Friedhöfe zu beerdigen. Gottfried sieht sich gezwungen, seine Frau nachts "wie einen Hund auf dem Feldweg zu vergraben". Und schwört, dass "dafür jemand bezahlen muss".

Gottfried Spiegel hat sich nach dem Krieg bemüht, Licht ins Dunkle dieses Verbrechens zu bringen. "Es ist aber sehr schwierig, da alles schweigt", gibt er dem ermittelnden Polizisten zu Protokoll. Dank Sahrhages Recherchen findet in seinem Roman der erfundene Kriminalinspektor innerhalb von nur vier Wochen einen der Mörder.

"Eigentlich hätte die damalige Staatsanwaltschaft bei genauer Prüfung des Falles fündig werden müssen", meint Sahrhage auf Grund seiner Recherchen.

Bildunterschrift: Norbert Sahrhages las aus seinem Kriminalroman "Der Mordfall Franziska Spiegel". Er beruht auf einer wahren Begebenheit gepaart mit Fiktion und beschreibt eindringlich den Umgang mit nationalsozialistischer Vergangenheit in der Nachkriegszeit.

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Neue Westfälische - Bielefeld Dornberg-Werther, 08./09.07.2017:

Sie bat nicht um ihr Leben

Bürgerhaus: Norbert Sahrhage las in Häger aus seinem Krimi "Der Mordfall Franziska Spiegel"

Werther (anke). Noch einmal holte der Spenger Autor im Hägeraner Bürgerhaus die Grausamkeiten der Nazi-Zeit zurück. In seinem Buch verarbeitete er einen Mord, der 1944 in Werfen, einem Ortsteil von Bünde, passierte. Damals wurde die Jüdin Franziska Sarah Spiegel von zwei SS-Männern hingerichtet, nachdem sie verraten worden war.

"Sie lebte mit ihrem Mann und ihrem 14-jährigen Sohn zurückgezogen und ländlich in einem Kotten", so der Autor. So hoffte die Familie, die Nazi-Zeit überstehen zu können. Am 3. November wurde sie von einem Ortsgruppenführer an die Nazis verraten. "Die SS-Panzerdivision kam aus der Normandie zurück und war für etwa vier Wochen in Herford, Lübbecke, Minden und Bünde stationiert", sagte Sahrhage.

Der Mord an der Jüdin wurde zunächst auf sich beruhen gelassen. Ihrem Ehemann Gottfried ist es zu verdanken, dass 1948 doch noch ermittelt wurde. Aus dieser Ermittlungsakte holte Norbert Sahrhage die Fakten. Doch noch im gleichen Jahr wurde die Akte wieder geschlossen. "Täter nicht ermittelt", hieß es am Ende, so Sahrhage. Es gab aber Vermutungen, die der Schreiber in seinem Buch zu Ende sponn.

"Der Mordfall Franziska Spiegel" besteht also aus zwei Teilen. Der erste orientiert sich nah an den Quellen, der zweite ist eine Mischung aus Hinweisen und Fiktion: Zunächst nahm der Autor die Gäste im Bürgerhaus mit zurück zum 3. November, an dem die Frau verraten wurde. Am 4. November machten sich dann zwei SS-Männer auf den Weg zu der Familie und führten die Frau ab.

Norbert Sahrhage beschrieb, wie die Männer die Frau über einen Feldweg zu einem Wäldchen trieben. "Der Mord wurde von verschiedenen Menschen beobachtet", sagte er. Ein polnischer Zwangsarbeiter, der auf einem Nachbarhof arbeitete, habe ihm geschrieben, dass er gesehen habe, wie die Frau auf dem Feldweg getreten und geschubst wurde. Eindrücklich beschrieb er den Moment, als die beiden Männer die Frau hinrichteten. "Sie bat nicht um ihr Leben", las er vor. "Ihre letzten Gedanken galten ihrem Mann und ihrem Sohn - und dass sie den Krieg überstehen mögen."

Norbert Sahrhage erzählte weiter, dass kein Friedhof in der Nähe bereit war, die Leiche von Franziska Spiegel beizusetzen. So wurde sie also heimlich an einem Acker begraben. 1948 wurde sie exhumiert und auf dem Zentralfriedhof in Minden beigesetzt. Auf dem Acker befindet sich seit 1991 ein Gedenkstein, an der Stelle, wo einst der Kotten stand, sind seit 2016 so genannte Stolpersteine eingelassen, die an die Familie erinnern.

Bereitwillig ließen sich die Gäste im Bürgerhaus in eine Zeit mitnehmen, die viele Menschen vergessen möchten. Der Autor erntete am Ende Anerkennung dafür, dass er diese Zeit am Beispiel der Werfener Jüdin noch einmal aufgearbeitet hat.

Bildunterschrift: Beeindruckte sein Publikum: Autor Norbert Sahrhage.


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