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Deister- und Weserzeitung , 19.01.2018 :

Rat befasst sich mit dem Bückeberg

Sitzung voraussichtlich am 22. Februar / CDU und FWE legen weitere Anträge vor

Von Christian Branahl

Emmerthal. Zwar liegt die Gestaltung des Bückeberges als Informationsstätte über die NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfest" nicht in der Regie der Gemeinde, dennoch: Nach dem Willen von CDU und FWE soll sich der Emmerthaler Rat dazu in einer Sondersitzung positionieren. Und die Haltung der Gruppe steht bereits fest, wie Rudolf Welzhofer (CDU) und Ernst Nitschke (FWE) gestern mitteilten: Hinweistafeln am Fuß des Berges und im oberen Tribünenbereich - nicht mehr. "Bei der zukünftigen Gestaltung des Bückeberges soll der Ist-Zustand erhalten bleiben", heißt es in dem Antrag, der nach der Sitzung der Gruppe am Mittwochabend gestern im Rathaus eingereicht wurde.

Anfang der Woche hatte Gruppensprecher Welzhofer bereits begründet, dass es in seiner Fraktion und in der Wählergemeinschaft keinen Befürworter der Pläne eines "historisch-topografischen Informationssystems" als Dokumentations- und Lernstätte gebe. Der Zustand des Bückeberges in der vorhandenen Ausprägung bestehe seit 70 Jahren, heißt es in dem Antrag. "Um der geschichtlichen Bedeutung des Bückeberges zu entsprechen, reicht es vollkommen aus, mit Hinweistafeln auf die Ereignisse der Jahre 1933 bis 1937 zu verweisen", begründen die beiden Fraktionsvorsitzenden. Die Dokumentation, die derzeit im Museum Hameln ausgestellt sei, solle in das Museum der Gemeinde Emmerthal überführt werden. In zwei weiteren Anträgen geht es CDU und FWE darum, die Gemeinde "von jeglichen direkten und indirekten finanziellen Belastungen, die durch Gestaltungsmaßnahmen am Bückeberg entstehen, freizustellen" und dass sie sich an keiner Gesellschaft beteilige.

Bürgermeister Andreas Grossmann (SPD) bestätigte, für die Sitzung des Rates den 22. Februar vorgeschlagen zu haben, zu diesem Termin aber in Absprache mit dem Ratsvorsitzenden eingeladen werden solle. Zuvor würden die Anträge - auch der von der AfD zur Bürgerbefragung - im Fachausschuss am 30. Januar beraten. Was die Anträge zu Finanzen und einer möglichen gemeinnützigen Gesellschaft angehe, sei seine Meinung immer klar gewesen: Auf Grund ihrer finanziellen Situation könne die Gemeinde die Umgestaltung des Bückeberges nicht bezuschussen. "Das habe ich immer gesagt", da es den Einwohnern nicht darstellbar sei, wenn Geld für Gehwege oder Schulen fehle. Grossmann: "Der Bückeberg ist ein geschichtsträchtiger Ort von überregionaler Bedeutung - also muss er auch überregional finanziert werden."

Beim Thema Gestaltung allerdings habe er eine ebenso klare Haltung, meinte Grossmann - und daher lehne er den Antrag von CDU und FWE ab. "Zwei Hinweistafeln? Dann können wir gleich ganz darauf verzichten", sagte der Bürgermeister. Er habe sich immer für ein "niederschwelliges Angebot" ausgesprochen, um die Hintergründe am Bückeberg darzustellen. Als Mitglied der Jury habe er den nun vorliegenden Entwurf mit ausgesucht. Daran halte er fest. Und für die nun bevorstehende politische Debatte habe er einen Wunsch, sagte Grossmann: "Dass sie sachlich bleibt und nicht populistisch ausufert."

Bildunterschrift: Lediglich Hinweistafeln wollen CDU und FWE, ansonsten den Zustand des Bückeberges in bisheriger Form beibehalten. Bürgermeister Andreas Grossmann befürwortet aber die Pläne der Jury (links) als niederschwelliges Angebot.

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Deister- und Weserzeitung, 16.01.2018:

Bückeberg - Rat soll sich positionieren

CDU und FWE fordern Sitzung im Februar

Emmerthal. Die Emmerthaler CDU und FWE haben gestern den Antrag gestellt, eine gesonderte öffentliche Sitzung des Rates zum Thema Bückeberg im Februar einzuberufen. Gruppensprecher Rudolf Welzhofer (CDU) kündigte dazu für die Gruppe in den kommenden Tagen weitere inhaltliche Sachanträge an, um eine "abgespeckte Version" zu den derzeit diskutierten Plänen vorzustellen.

Über den Gestaltungsentwurf, auf dem Gelände der früheren NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfeste" ein historisch-topografisches Informationssystem zu realisieren, ist bekanntlich eine kontroverse Debatte entbrannt, bei der sich Befürworter und Gegner gegenüberstehen. Für die Gruppe aus CDU und FWE sagt Welzhofer, dass es dort keine Stimme für die Pläne gebe. Auch in der Emmerthaler Bevölkerung erlebe er die ablehnende Haltung. Die Gruppe wolle am Mittwoch ein Konzept abstimmen, das "sich deutlich abhebt von dem, was zur Zeit in der Diskussion ist", sagte Welzhofer, ohne weiteren Details vorgreifen zu wollen. Die Ratssitzung müsse stattfinden, bevor sich der Kreistag im März mit dem Thema befasse. Das Projekt Bückeberg habe für die Entwicklung der Gemeinde erhebliche Bedeutung, heißt es im Antrag. Deshalb müsse die Gemeinde ihre Position "frühzeitig und durch rechtsverbindliche Ratsbeschlüsse festlegen". Dabei sei es "unabdingbar", die Wünsche und Befürchtungen der Bürgerschaft einzubeziehen.

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Deister- und Weserzeitung, 15.01.2018:

Aufklärung über das Mitmachen

Verantwortliche vergleichbarer Info-Stätten halten Bückeberg-Pläne für "begrüßenswert" und "angemessen"

Von Philipp Killmann

Hagenohsen. Gegner der geplanten Informationsstätte zu den "Reichserntedankfesten" am Bückeberg sind der Meinung, der Ort des einstigen NS-Propaganda-Geschehens sei dafür ungeeignet. Orte, an denen sich Konzentrationslager befunden hätten, ja, aber der Bückeberg, an dem Hunderttausende den Diktator Adolf Hitler bejubelt haben, nein. Der Bückeberg laufe sonst Gefahr, zur Pilgerstätte von Neonazis zu werden. Die Jugend hingegen, die eigentliche Zielgruppe des Aufklärungsprojekts, würde auf diesem Wege nicht erreicht werden, glauben die Bedenkenträger. Das sehen Lehrer, wie berichtet, anders. Zumal der Bückeberg nicht der einzige Propagandaschauplatz der Nationalsozialisten war.

Auch auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg hielten die Nazis Massenveranstaltungen ab - was heute vor Ort ausführlich dokumentiert wird. An der NS-Ordensburg Vogelsang befand sich ebenso wenig ein KZ wie am Bückeberg - trotzdem wird dort heute über die einstige Schulungsstätte des NSDAP-Führungskaders informiert. Welche Erfahrungen machen also die Leiter dieser Informationsstätten und wie sehen sie die Pläne für den Bückeberg?

Florian Dierl, Leiter des Dokumentationszentrums "Reichsparteitagsgelände" in Nürnberg und mit den Plänen für den Bückeberg vertraut, hält die angedachte Info-Stätte für "sehr begrüßenswert". Das Projekt, so Dierl, entreiße die Geschehnisse der Vergessenheit. Der geplante Parcours böte den Besuchern die Möglichkeit, "die Geschichte zu erlaufen". "Das Konzept ist eine etablierte Form, wie Auseinandersetzung mit der Geschichte aussehen kann", führt Dierl aus.

Für das seit 2006 bestehende Informationssystem zu dem einstigen Reichsparteitagsgelände könne er sagen, dass es gut angenommen werde. Das Dokumentationszentrum habe 2016 270.000 Besucher gehabt. "Der Ort wird bewusst wahrgenommen", sagt Dierl. "Die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer Geschichte wird auch im Ausland beobachtet und gewürdigt." Schüler aus der Region Nürnberg hätten in einer Umfrage gesagt, dass die Geschehnisse rund um das Reichsparteitagsgelände auf keinen Fall in Vergessenheit geraten dürften und das Dokumentationszentrum den "Charakter eines internationalen Mahnmals" habe. Dagegen komme dem Bückeberg laut Dierl eher "ein nationaler Stellenwert" zu.

Ganz ähnlich verhält es sich offenbar auch am Dokumentationszentrum bei der einstigen NS-Ordensburg in der Eifel. "Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang wird als außerschulischer Lernort von Jugendlichen sehr gut angenommen", teilt Stefan Wunsch, wissenschaftlicher Leiter der Akademie Vogelsanng IP, mit. "Seit der Eröffnung unserer Dauerausstellung im September 2016 hat sich die schon früher hohe Zahl der gebuchten Formate im Bereich Jugendbildung verdoppelt." Im vergangenen Jahr seien es etwa 600 vertiefende Formate gewesen mit rund 13 .000 Teilnehmenden aus Jugendgruppen und Schulklassen unterschiedlichster Schulformen.

Das aktuelle Konzept für die "Dokumentation Bückeberg" scheint Wunsch "in seinen Dimensionen und in der didaktischen Herangehensweise als dem heutigen Ort und seiner Geschichte angemessen". Es böte zum einen ein Alleinstellungsmerkmal. "Denn so können Besucher - die Überreste des historischen Ortes gleich in Augenschein nehmend - sich wissenschaftlich fundiert und kritisch über die Bedeutung und die Funktion der "Reichserntedankfeste" für die NS-Diktatur informieren", so Wunsch. "Zum anderen stellt der außerschulische Lernort, zu dem sich der Bückeberg so entwickelt, einen hohen Wert für die historisch-politische Bildung dar." Er werfe - ähnlich wie die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang, jedoch mit eigener Spezifik - gerade bei Jugendlichen etwa Fragen nach Teilhabe und Zugehörigkeit, nach "Mitmachen" und Gruppendynamik, nach Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt auf.

"Das Konzept für den Bückeberg schafft keine über das Bisherige hinausgehende Attraktion für Rechtsextreme."
Stefan Wunsch, wissenschaftlicher Leiter der Akademie Vogelsanng IP

In der Vergangenheit sollen am Bückeberg an Tagen von nationalsozialistischer Bedeutung gelegentlich Blumensträuße niedergelegt worden sein. Doch eine Gefahr, dass der Bückeberg zur Anlaufstelle von Neonazis mutiert, sieht Stefan Wunsch nicht. "Vor der bisweilen aufgeworfenen Frage, wie man auf etwaige rechtsextreme Besuchern reagieren kann, stehen alle Erinnerungsorte, und dort gibt es viel Expertise dazu", meint Wunsch. "Aber gerade ein Konzept wie das der Dokumentation Bückeberg schafft meines Erachtens keine über das Bisherige hinausgehende Attraktion für Rechtsextreme, da es kritisch informiert und kommentiert und zugleich den Ort nicht auratisiert."

Bildunterschrift: Hunderttausende jubelten am Bückeberg Diktator Adolf Hitler zu.

AfD will Bürgerbefragung

Die AfD-Fraktion im Rat der Gemeinde Emmerthal hat einen Antrag für eine Bürgerbefragung gestellt. Dabei sollen die Bürger über zweierlei Dinge entscheiden: zum einen, "ob sie eine Erinnerungsstätte am Bückeberg haben wollen, wie sie der Siegerentwurf des "Vereins Regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln" vorsieht": zum anderen will die AfD die Bürger darüber abstimmen lassen, "ob sie einer Erinnerungsstätte am Bückeberg grundsätzlich zustimmen", wie Delia Klages, die AfD-Fraktionsvorsitzende, in dem Antrag schreibt. In der Begründung nennt Klages zu hohe Kosten und die Befürchtung, die Erinnerungsstätte könne "als Kultstätte missbraucht" werden. Die AfD selbst halte "andere Projekte für dringlicher" und sei daher gegen die geplante Info-Stätte. Der Antrag liegt inzwischen der Kommunalaufsicht zur Prüfung vor, wie eine Sprecherin des Landkreises Hameln-Pyrmont auf Anfrage mitteilt. Die nächste Sitzung des Gemeinderats Emmerthal ist jedoch erst am 15. März.

Dagegen wird sich der Finanzausschuss der Kreisverwaltung bereits am 27. Februar erneut mit den Kostenplänen in Höhe von derzeit 451.000 Euro (plus 306.500 Folgekosten) für das Projekt befassen.

Die Kreisverwaltung hat unterdessen beim niedersächsischen Landwirtschaftsministerium angefragt, inwiefern eine Übertragung des Grundstücks, etwa durch Überlassung an den Landkreis, in Betracht kommen könnte. Das Land Niedersachsen ist Eigentümer des Geländes am Bückeberg, das Landwirtschaftsministerium Verwalter der Domäne. Ministeriumssprecher Klaus Jongbloed bestätigt die Anfrage des Landkreises. "Die Gespräche laufen", sagt Jongbloed. Mehr könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Man nehme das Thema ernst, die Entscheidungsfindung dauere noch an.

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Deister- und Weserzeitung, 10.01.2018:

Lehrer für Mahnmal am Bückeberg

Pädagogen widersprechen Gegnern der Info-Stätte: Begehung des Ortes didaktisch wertvoll

Von Philipp Killmann

Hagenohsen. In der am Montag ausgestrahlten Sendung des NDR-Kulturjournals haben Gegner der geplanten Info-Stätte zu den "Reichserntedankfesten" in Hagenohsen erneut den pädagogischen Wert einer begehbaren Einrichtung am Bückeberg infrage gestellt. Doch wie fundiert ist diese Kritik?

Projekt-Initiator Bernhard Gelderblom vom Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte betont in seinem Entwurf, dass sich die Info-Stätte vor allem an Jugendliche richten soll (wir berichteten). Lehrer wie Bettina Tovar-Luthin (Deutsch, Geografie) vom Viktoria-Luise-Gymnasium und Henning Eimer (Geschichte, Deutsch, Politik) von der Handelslehranstalt sind von dem didaktischen Konzept für das Mahnmal überzeugt. Sie sind sich sicher, dass sich ein begehbarer Bückeberg gut für die Vermittlung komplexer Unterrichtsinhalte anbieten würde. Auch daran, dass die Info-Stätte von den Schülern angenommen werden würde, zweifeln die beiden Pädagogen nicht.

Die entscheidende Frage, die sich Tovar-Luthin als Lehrerin immer wieder stelle, sei: "Welcher Schlüssel passt, um pubertierende Schüler zu erreichen?" Vor diesem Hintergrund habe sie die Erfahrung gemacht, dass "originale Begehungen" gut funktionierten. Nicht obwohl, sondern gerade weil sich die Jugendlichen Tovar-Luthin zufolge heute "überwiegend in virtuellen Welten" bewegten, mit ihren Smartphones, dem Tablet und am PC. Eine Stätte, wie sie am Bückeberg geplant ist, sei daher wie ein "Anker", um Bildungsinhalte zu vermitteln. "Die neuen Informationen verknüpfen sich mit einem Erlebnis", schildert die Lehrerin. "Die Schüler denken daran zurück und erinnern sich." Der Bückeberg als Info-Stätte böte sich zudem an, um "vom Nahen zum Fernen" zu arbeiten. Schließlich befinde sich mit dem Bückeberg ein Geschichtskapitel von überregionaler Bedeutung unmittelbar vor der Haustür der Schüler. Es falle Schülern leichter, sich an Hand eines Beispiels aus ihrem Lebensumfeld einem komplexen Thema anzunähern. So lasse Tovar-Luthin ihre Schüler im Deutschunterricht beim Thema Rhetorik eine Brücke schlagen: von den Reden von Propagandaminister Josef Goebbels zu den Propagandaveranstaltungen in Form der "Reichserntedankfeste" am Bückeberg.

In Anbetracht dessen, dass unlängst nur drei ihrer Schüler im Alter von 17 Jahren etwas über die Geschichte des Bückebergs gewusst hätten, halte Tovar-Luthin die geplante Info-Stätte für "extrem wünschenswert". Gleichwohl hält sie begleitende Führungen der Jugendlichen für unerlässlich. "Die Schüler vor eine Info-Tafel zu stellen, das reicht nicht", meint sie.

Deshalb mahnt Lehrer Henning Eimer, dass die Texte auf den Tafeln nicht zu lang werden dürften. "Niemand liest stundenlang auf einem Feld", befindet Eimer. Doch den Bückeberg als informative Begehungsstätte befürwortet er.

Eimer kritisiert die Gegner der Stätte für den Versuch, die Reicherntedankfeste auf eine lokale Bedeutung herunterzureden. "Sie waren von überregionaler Bedeutung", sagt er. Er könne zwar nicht für alle Bundesländer sprechen, aber er wisse von vielen, dass die Reichserntedankfeste am Bückeberg in den Lehrbüchern, etwa von Hessen und Berlin, thematisiert würden. Das Bild von Reichskanzler Adolf Hitler, wie er über den Bückeberg geht, sei "ein Klassiker".

Die Reichserntedankfeste am Bückeberg bieten sich laut Eimer gut als Unterrichtsinhalt an. An ihnen ließen sich mehrere Grundpfeiler der NS-Herrschaft veranschaulichen: Propaganda und die Stärkung der Volksgemeinschaft durch Massenveranstaltungen und die Ausgrenzung anderer, das faschistische Führerprinzip der so genannten charismatischen Herrschaft am Beispiel von Hitlers Auftreten am Bückeberg, die den Reichserntedankfesten zugrunde liegende NS-Ideologie von "Blut und Boden" sowie der Militarismus. Auf Veranstaltungen wie den Reichserntedankfesten habe die Verführung begonnen, die in den KZs geendet habe. Dies sollen, so der Plan des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte, Besucher und vor allem Schüler direkt vor Ort an Hand von Info- und Bilder-Tafeln, Führungen und Rekonstruktionen nachvollziehen können. "Das ist dann wie eine Zeitmaschine", sagt Eimer. Daher lautet sein Fazit: "Der Bückeberg eignet sich sehr dafür, es Schülern zu ermöglichen, sich Aspekte der NS-Herrschaft eindrücklich erschließen zu können."

Schon häufig habe er mit Schülern Exkursionen zum Bückeberg unternommen. Das Interesse sei da, sagt Eimer. Zudem spreche aus den Schülern oft Verwunderung. Eimer: "Sie sind erstaunt, dass sie in der Nähe eines so bedeutsamen Ortes der Nationalsozialisten wohnen - und dass sie erst so spät darüber erfahren."

Bildunterschrift: Ein Graswall am Bückeberg zeigt den Weg, der von Hitler zur Reichserntedankfest-Rede abgeschritten wurde.

Bildunterschrift: Bettina Tovar-Luthin.

Bildunterschrift: Henning Eimer.

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Bernhard Gelderblom, 28.12.2017:

Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg

Die Pläne des Sieger-Büros

Bernhard Gelderblom:

Leiter des Konzeptionsprojekts "Dokumentation Bückeberg"

Vorsitzender des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V.

In den Jahren 2018 / 19 soll auf Grundlage des Gestaltungsentwurfs der Arbeitsgemeinschaft Jung / Ermisch / Kerck auf dem bis heute in keiner Weise kenntlich gemachten Gelände ein historisch-topographisches Informationssystem realisiert werden. Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, der die Propagandamechanismen des NS-Regimes in Gestalt des "Reichserntedankfestes" verdeutlicht, dessen gigantische räumliche Ausmaße visualisiert sowie zur Auseinandersetzung mit der Frage anregt, wie Menschen Täter oder Unterstützer eines Unrechtsregimes werden konnten.

Hauptzielgruppe sind Jugendliche. Der Ort steht darüber hinaus allen Interessierten offen, darunter auch den zahlreichen Touristen, die den nahen Weserradweg befahren.

Zum Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Jung / Ermisch / Kerck

Der Entwurf ist aus einem Wettbewerb von vier renommierten Gestaltungsbüros mittels einer Jury-Entscheidung als Sieger hervorgegangen. Der Jury gefiel besonders die gelungene Balance von Info-Inseln und Platzerschließung sowie die Betonung der Beziehung von Ehren- und Rednertribüne.

Das Team um Martina Jung betont die markanten Punkte der Topografie, indem es die Ehrentribüne durch "Aufastung" und einen über die Fundamentreste laufenden barrierefreien Gittersteg sowie die Rednertribüne durch eine "Landmarke" inmitten des bewirtschafteten Ackers akzentuiert. In Kombination mit dem "Mittelweg" wird die Weite des Platzes sichtbar. Die mit Bild-Text-Tafeln bestückten Info-Inseln sind platzschonend angelegt ("Schotterrasen"-Befestigung) und über ein "offenes Wegenetz" (gemäht) erreichbar.

Zur Zeit verhandelt das Projektteam mit der Arbeitsgemeinschaft bestimmte Einzelheiten des Entwurfs.

Konsens ist, dass der Zu- beziehungsweise Abgang auf der Ostseite des Platzes entfallen soll.

Noch zu entscheiden sind die folgenden Punkte:

Ein Problem stellen die mit 1,20 Meter zu niedrigen Tafeln der innen stehenden Informationsinseln dar. Auch der Spalt bei den hohen Stelen sollte hinterfragt werden.

Es muss zusätzlich eine Einstiegstafel für oben geben.

Die Bodenplatten sollten möglichst nur technische Angaben transportieren, aber keine Daten über Menschen. Es ist die Frage, ob für eine größere Zahl von Bodenplatten genügend passendes Textmaterial vorhanden ist. Möglicherweise werden diese Platten also entfallen.

Das "Zick-Zack" der Wege verlängert den Weg in recht hohem Maße (circa 1,3 Kilometer). Es muss nach Möglichkeit "gestaucht" werden.

Hinsichtlich der Landmarke "Propaganda" sind von zwei Seiten Bedenken geäußert worden. Einwohner der Gemeinde Emmerthal beklagen eine Diffamierung des gesamten Ortes. Diesen Einwand meinen wir damit entkräften zu können, dass wir den circa zwei Meter hohen Schriftzug mit einer Hecke hinterpflanzen, so dass er nur noch vom Hanggelände aus zu sehen ist.

Die Fachkommission der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten hält den Begriff "Propaganda" inhaltlich nicht für angemessen. Er greife nicht alles auf, wofür der Bückeberg stehe, beinhalte eine Interpretationsvorgabe und könne eventuell sogar die Verführungsthese bestätigen. Es sei möglicherweise besser, ein Symbol zu wählen. Die "Landmarke" als solche sei aber wichtig.

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Norddeutscher Rundfunk, 20.12.2017:

Streit um Gedenkort am "Reichsthingplatz"

20.12.2017 - 07.12 Uhr

Seit mehr als 20 Jahren wird darüber gestritten, wie in der Gemeinde Emmerthal an die so genannten Reichserntedankfeste der Nazis erinnert werden sollte. Fünf Jahre lang, von 1933 bis 1937, veranstaltete die NSDAP hier auf dem Bückeberg eine Massenveranstaltung, zu der neben Adolf Hitler weitere Nazi-Größen wie Propagandaminister Joseph Goebbels und der so genannte Reichsbauernführer Walther Darré anreisten. Nach den Reichsparteitagen in Nürnberg gehörten die Feste auf dem "Reichsthingplatz" zu den größten Massenveranstaltungen der NS-Zeit: Hunderttausende versammelten sich auf dem Berg und jubelten Hitler zu. Jahrelang gab es in der Region große Widerstände gegen ein Mahnmal, in den vergangenen Jahren ebbte dieser aber nach und nach ab. Doch als vor kurzem ein Entwurf für einen Gedenkort vorgestellt wurde, brandete der Protest erneut auf.

Wird das Dorf "stigmatisiert"?

Auf dem ehemaligen Gelände am Bückeberg soll ein Pfad angelegt werden, der an insgesamt acht Informationstafeln vorbeiführt. Dort sollen historische Fotos und Dokumente, etwa über den "Führerkult", ausgestellt werden. Darüber hinaus soll auf einem etwa zwei Meter großen Schriftzug das Wort "Propaganda" zu lesen sein. Dadurch werde das Dorf stigmatisiert, sagen einige Emmerthaler. Kritisiert werden auch die hohen Investitionskosten von 450.000 Euro. Das sei zu viel - es gehe auch kleiner und mit weniger Informationstafeln.

63 Unterschriften gegen den Gedenkort

Die Gegner des Projektes haben vor einer Woche eine Unterschriftenaktion gestartet. Bisher sind 63 Unterschriften zusammen gekommen. Bernd Gelderblom vom Verein für regionale Zeitgeschichte ist sauer über diese Aktion. Er hatte das Projekt Gedenkort angestoßen. Für ihn sind die Argumente der Gegner nur vorgeschoben: In Wirklichkeit, glaubt er, wollen diese gar keinen Gedenkort in Emmerthal.

Bildunterschrift: Auf dem Bückeberg versammelten sich in den 1930er-Jahren Hunderttausende, wenn die Nazis ihr "Reichserntedankfest" veranstalteten. Wie soll mit diesem Gelände umgegangen werden?

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Deister- und Weserzeitung, 30.12.2015:

NS-Feierstätte als Ort des Lernens

Zweijähriges Projekt startet am Bückeberg / Gelderblom: "Ambitionierter Zeitplan"

Von Christian Branahl

Emmerthal. Nach jahrelangem Ringen um die Aufarbeitung der Geschichte des Bückebergs als Ort der NS-Propagandaveranstaltungen "Reichserntedankfeste" soll das Gelände nun erschlossen werden. Anfang des Jahres startet der "Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln" mit dem Projekt, das Areal in Emmerthal als "Dokumentations- und Lernort Bückeberg" zu etablieren. Die Finanzierung des auf zwei Jahre angelegten Projektes ist nun gesichert. Mit 60.000 Euro bezuschusst die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten die Hälfte der Gesamtkosten. Erleichtert über den offiziellen Startschuss zeigt sich der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom, der sich seit Jahren dafür eingesetzt hat. Er spricht bewusst von einer Konzeptphase, die nun beginne - allerdings "mit einem ambitionierten Zeitplan", der sichtbare Ergebnisse bringen solle. Dazu zähle ein Informationssystem auf dem Bückeberg als Rundweg etwa mit Text- und Bildtafeln. Weitere Schwerpunkte sind Bildungsarbeit besonders mit Schulen, Öffentlichkeitsarbeit und das Ziel, archivalische und museale Überlieferungen zum Thema zu sammeln und zu erfassen.

Mit jeweils einer halben Stelle widmen sich Dr. Martin Hellmold und Dr. Mario Keller-Holte der Aufbauarbeit. Bekanntlich hatte sich zuletzt die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten mit dafür starkgemacht, einen angemessenen Umgang mit dem Bückeberg als schwierigem Erbe aus der NS-Zeit zu finden. Das wurde auch bei einem Workshop der Stiftung 2013 mit zahlreichen Experten zu dem 2010 unter Denkmalschutz gestellten Festgelände deutlich: Der Bückeberg "als historischer Ort von exemplarischer, nationaler Bedeutung sollte zu einem zentralen Ort der Aufklärung über den Nationalsozialismus entwickelt werden", lautete damals eine Kernforderung. Wie kaum anderswo böten "die Ereignisse der Reichserntedankfeste die Möglichkeit, die Entwicklung und Funktionsweise der NS-Herrschaft in den Vorkriegsjahren ab 1933 aufzuzeigen", heißt es in einem Papier der Stiftung, die nun das Projekt in Emmerthal auch finanziell fördert. Auf Nachfrage erläutert deren Geschäftsführer Dr. Jens-Christian Wagner: Die NS-Verbrechen könnten "ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden". "Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems", erläutert Wagner (siehe Text unten). Auch der Landkreis fördert das Projekt mit 20.000 Euro. Aus Sicht von Landrat Tjark Bartels entsteht mit der Umsetzung dieses geschichtlichen Forschungsprojektes ein Ort des Hinschauens, Aufklärens und Lernens - "insbesondere um zu lernen, wie Verführung passiert und was es mit den Menschen machen kann". Bartels: "So hat der Bückeberg als Ort der Reichserntedankfeste in der NS-Zeit auch das Weserbergland geprägt."

Das einst unter der Regie von NS-Stararchitekt Albert Speer gestaltete Gelände mit Teilen der Infrastruktur ist weitgehend erhalten geblieben. Allerdings: Bislang finden die Besucher dort keine Hinweise darauf, dass sie sich an einem historischen Ort mit unrühmlicher Geschichte befinden, wo einst bis zu einer Million Menschen Adolf Hitler zujubelten.

Das soll sich ändern. Erste Ideen für den Rundweg basieren auf einem Konzept von Gelderblom. "Er darf nicht auf dem Niveau eines Waldlehrpfades sein", setzt er dafür das Ziel, dass der Aufbau eines Dokumentations- und Lernortes den Ansprüchen der bedeutenden Gedenkstätten entsprechen müsse. Dazu ist im Frühjahr ein Workshop geplant. Auch die Entwürfe von Studenten der Fakultät für Architektur und Landschaft der Universität Hannover, wie das Gelände am Bückeberg landschaftsplanerisch gestaltet werden kann, sollen darin einfließen. Außerdem liegen die Ergebnisse einer Bachelorarbeit zum Thema Audiostationen am Bückeberg vor. Der Workshop will Kriterien für einen Wettbewerb entwickeln, wie ein Rundweg samt Informationssystem gestaltet werden kann. Die Ausschreibung soll im nächsten Jahr erfolgen, bevor 2017 mit der Realisierung begonnen werden soll.

Bildunterschrift: Das kleine historische Foto zeigt den Blick auf den "Führerweg" von der Rednertribüne aus. Auf dem Bückeberg versammelten sich in den Jahren 1933 bis 1937 zu NS-Propagandaveranstaltungen 500.000 bis eine Million Menschen. Das Gelände soll als Dokumentations- und Lernort gestaltet werden.

"Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung"

In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten begrüßen (und kofinanzieren) wir nun den beschlossenen Weg einer kritischen Vor-Ort-Dokumentation des Bückebergs als überregional wichtigem Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung. Die NS-Verbrechen, für die Orte wie Bergen-Belsen, Salzgitter-Drütte, Sandbostel und viele andere in Niedersachsen stehen, fanden im Kontext der von den Nationalsozialisten propagierten "Volksgemeinschaft" statt, die radikal rassistisch formiert war.

Das bedeutet, dass die Verbrechen ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden können: Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems.

Wer über die Versprechen spricht, muss zwingend auch über die Täter und die Mitmachbereitschaft in der Bevölkerung sprechen - und diese wurde nicht zuletzt durch "Artfremde" und "Gemeinschaftsfremde" ausgrenzende Integrationsdiskurse ermöglicht. In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten vertreten wir deshalb einen integralen Ansatz der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen, einen Ansatz, der sowohl Leidens- und Tatorte als auch Täterorte und Stätten nationalsozialistischer Selbstinszenierung wie überhaupt den gesellschaftsgeschichtlichen Kontext des Nationalsozialismus in den Blick nimmt.

Bildunterschrift: Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten in Celle.


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