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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis) , 16.09.2017 :

Briefe an die Redaktion / "Wir müssen davor warnen"

Espelkamp (nw). Zur AfD-Veranstaltung am Montag im Bürgerhaus erreicht die Redaktion ein weiterer Leserbrief.

"Kritische Anmerkungen und Kommentare mussten sich die Veranstalter und Teilnehmer der Protestkundgebung gegen die AfD-Veranstaltung in Espelkamp anhören und lesen. Dabei ist zwingend notwendig, auf die von der AfD gewünschten Änderungen unserer Gesellschaft hinzuweisen und davor zu warnen: Der AfD-Redner und Bundestagskandidat Eugen Schmidt hält eine Diktatur für eine teilweise bessere Gesellschaftsform als unsere angebliche "impotente Staatsmacht". Die Europa-Abgeordnete Frau von Storch will wieder Schusswaffengebrauch an deutschen Grenzen. Alleinerziehende sollen nicht mehr vom Staat unterstützt werden. Frauen sollen nicht mehr vollerwerbstätig sein, sondern sich um die Kindererziehung kümmern. Das ALG II soll abgeschafft und Arbeitslose zum "Bürgerdienst" verpflichtet werden. Gegen Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfälle sollen sich die Arbeitnehmer selbst versichern. Jeder Einwohner soll unabhängig vom Einkommen den gleichen Steuersatz bezahlen, dafür sollen die Bürger leichter Waffen besitzen dürfen, der Datenschutz zugunsten von mehr Überwachung dagegen abgeschafft werden.

Stellt Euch vor, man werde am Montag nach der Wahl wach und die AfD sitzt in einer Bundesregierung. Sage dann keiner wie damals unsere Großeltern: Wir haben das nicht gewusst!"

Hartmut Stickan
Espelkamp

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 16./17.09.2017:

Mal so gesehen / AfD-Veranstaltung / Zweischneidig

Von Karsten Schulz

Die AfD-Veranstaltung am Montagabend war zwar vor allem an alle in Espelkamp lebenden Spätaussiedler, auch Russlanddeutsche genannt, gerichtet. Doch sind die wirklich von den Scharfmachern Eugen Schmidt und Dietrich Janzen erreicht worden? Als diese versuchten ihre Thesen unters anwesende Sympathisanten-Volk zu streuen, mit Hetztiraden gegen die Kanzlerin und die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wollte dies nicht so ganz zünden. Schließlich gibt es in Espelkamp ganz unterschiedliche Prägungen von Mennoniten-Gemeinden, die mit diesen Äußerungen ganz und gar nicht einverstanden sind. Auch im Nachhinein gingen diese in weiten Teilen auf Distanz zu den rechten und angeblich rechtgläubigen "Rattenfängern".

Beifall kam vorwiegend vom heimischen "braunen Bodensatz", der sich jetzt wieder aus den dunklen Ecken traut. "Einfach `ne Bombe draufwerfen, dann kommt keiner mehr zu uns rein", solche und ähnliche Sprüche aus dieser Richtung gehörten zu den harmloseren.

Gefährlicher für den sozialen Frieden in Espelkamp sind da schon eher die Absichtserklärungen eines Dietrich Janzen, hier einen AfD-Ortsverein zu gründen. Der kann schnell bei der Kommunalwahl so viele Stimmen erhalten, dass er die absolute Mehrheit der CDU zum Kippen bringt und die SPD sogar vom ersten Platz in der Oppositionsrolle verdrängt und in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Dann wäre es vorbei mit dem Traum vom "bunten Espelkamp". Das bisher friedliche Vielvölker-Gemisch in Espelkamp, das als solches Modell für ein neues Deutschland nach dem Kriege auch so aufgebaut worden war, würde sich ins Gegenteil verwandeln. Das darf nicht passieren.

karsten.schulz@nw.de

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www.nw.de/blog-luebbecke , 14.09.2017 :

Bürgerprotest gegen die AfD - eine ganz schwache Vorstellung

14.09.2017 - 12.22 Uhr

Von Frank Hartmann

Die AfD Minden-Lübbecke und ihre Redner haben ihre Hetzveranstaltungen gegen Flüchtlinge, Muslime und alles, was sie für nichtdeutsch halten, am Montagabend im Bürgerhaus in Espelkamp fortgesetzt. Und wie reagierten die 25.000 Bürger Espelkamps, die Mitglieder der etablierten Parteien, die Jusos, die Grüne Jugend und die linke Szene aus Minden? So gut wie gar nicht. Die meisten von ihnen überließen den stillen Protest mit bunten Luftballons und ein paar handbemalten Plakaten einer Gruppe von Einwohnern, die gerade einmal 100 Personen stark war. Kinder eingerechnet.

Bedarf es etwa eines für seine rassistischen Ausfälle bekannten AfD-Promiredners wie Alexander Gauland, damit mehr Demonstranten zusammenkommen? In Hüllhorst hat das vor knapp zwei Wochen rund 250 Menschen zur Ilex Halle getrieben, die mit Trillerpfeifen, Tröten, Pauken und Sprechchören ausdrückten, was sie von Versammlungen der Rechtspopulisten in ihrer Gemeinde halten. Obwohl ein paar von ihnen übertrieben aggressiv auftraten, hat der Protest doch deutlich gezeigt: Wir lehnen Euch ab und wollen Euch nicht bei uns haben.

Ein bunte Stadtgesellschaft muss Flagge zeigen

Natürlich kann man Widerstand sehr gut ohne Worte und Getöse zeigen. Und die Aktion ist auch lobenswert: Aber dafür, dass die AfD auf Grund ihres Super-Landtagswahlergebnisses in Espelkamp - in einem Wahlbezirk bekam sie 23,5 Prozent der Stimmen - demnächst eine Ortsgruppe gründen will, waren die knapp 100 Leute am Wilhelm-Kern-Platz deutlich zu wenig und hätten mehr Unterstützung verdient gehabt. Eine bunte Stadtgesellschaft wie die in Espelkamp, die sich aus mehr als 60 Nationalitäten zusammensetzt und friedlich zusammenlebt, muss in so einer Situation doch deutlicher Flagge zeigen.

Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit, Desinteresse, oder auch Kalkül - was immer die Beweggründe für die schwache Teilnahme an der Demo gewesen sein mögen: Die AfD wird den geringen Protest für sich ausschlachten und als Zustimmung für ihre Pläne werten. Sie ist im Landtag vertreten, sie wird in den Bundestag einziehen, und sie wird bei der Kommunalwahl im Herbst 2020 Kandidaten aufstellen, um im Espelkamper Stadtrat ihre Politik der Ausgrenzung, der Spaltung und der Hetze gegen alles Nichtdeutsche fortzusetzen.

Diesen verbalen Dreck wiederzugeben, verbietet sich

Jeder, der die widerlichen Sprüche im Bürgerhaus nicht mit angehört hat, kann sich glücklich schätzen. Man kann als Zuhörer gar nicht so heiß duschen, um den geistigen und verbalen Schmutz abgewaschen zu bekommen, mit dem die Redner phasenweise um sich geworfen haben. Sie an dieser Stelle wiederzugeben, verbietet sich. Nur so viel: Der aus Kasachstan stammende Eugen Schmidt und der im Ural geborene Dietrich Janzen, die von sich behaupten, gute, gottesgläubige Christen zu sein, haben sich am Montagabend im Bürgerhaus in Wort und Bildern mehrfach extrem unchristlich gezeigt. Wölfe im Schafspelz eben.

Sie und andere Redner der AfD betonten, ihr Deutschsein werde mit Dreck beworfen und sie wollten sich ihre Heimat nicht wegnehmen lassen. Die Antwort darauf kann nur lauten: Ihr seid es, die mit Dreck werfen, und wir lassen uns unsere Heimat nicht von Nationalisten und Rassisten wie Euch wegnehmen!

Es gibt viele Alternativen zur Scheinalternative

Ein letzter Gedanke: An der Bundestagswahl in diesem Jahr werden 42 Parteien teilnehmen. Man mag die Nase voll haben und sich für eine Protest-Stimmabgabe entscheiden. Aber es gibt genügend Alternativen für die Erst- und die Zweitstimme. Für echte Demokraten ist die AfD jedenfalls keine.

frank.hartmann@nw.de

Bildunterschrift: Wilhelm-Kern-Platz: Keine 100 Protestler kamen zusammen, um gegen die AfD zu demonstrieren und für ein buntes Zusammenleben in Espelkamp zu werben.

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 14.09.2017:

NW-Blog: Schwacher Protest gegen die AfD

Espelkamp (fha). Vor zwei Wochen haben 250 Menschen in Hüllhorst gegen eine Veranstaltung der AfD in der Ilex Halle demonstriert - am Montagabend in Espelkamp kamen einschließlich Kindern gerade einmal 100 Protestler gegenüber dem Bürgerhaus zusammen, um ihre Ablehnung zu zeigen und sich für ein buntes Espelkamp stark zu machen. Dabei plant die rechtspopulistische Partei gerade dort die Gründung eines Stadtverbandes.

www.nw.de/blog-luebbecke

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 13.09.2017:

Kommentar / AfD-Veranstaltung / Armes Deutschland

Von Karsten Schulz

Worte können so verräterisch sein. "Wir rütteln Deutschland auf", "Wir bringen Deutschland wieder voran", "Unsere Identität war, immer Deutsche zu sein", "Umvolkungs-Gefahr", "Überfremdung und Islamisierung", "Politik gegen das eigene Volk", "Feinde des deutschen Volkes", "Die Axt an die Grundlagen dieses Volkes gelegt" - die Liste ließe sich schier unendlich fortsetzen. Worte, Phrasen, bestimmte Begriffe, die man aus einer bestimmten sehr unseligen Zeit Deutschlands nur zu Genüge kannte und die eigentlich überwunden sein sollten, auf Grund der damit heraufbeschworenen Ideologie, die zu Millionen Toten führte.

Rassismus und Nationalismus gehen in der Regel unheilige Allianzen miteinander ein. Und genau dies fördern solche Parolen und Hetztiraden, wie sie von Mitgliedern der AfD im Bürgerhaus gehalten wurden.

Ausgerechnet von Menschen, die sich selbst als ausgewiesene Christen bezeichnen. Allein schon beim Gedanken an einen christlichen Gottesstaat dieser Prägung wird mir angst und bange um Deutschland.

karsten.schulz@nw.de

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Neue Westfälische - Lübbecke (Altkreis), 13.09.2017:

Die Russlanddeutschen fest im Blick

Bundestagswahl 2017: AfD hat die Absicht, "in absehbarer Zeit" einen Espelkamper Stadtverband zu gründen / Kampfansage gegen die "Altparteien"

Von Karsten Schulz

Espelkamp. Vor dem Bürgerhaus, auf dem Bürgersteig an der zentralen Bushaltestelle am Wilhelm-Kern-Platz, hatten sich gut 100 Demonstranten aufgestellt. Nur mit bunten Luftballons und einigen Plakaten ausgestattet, machten sie ihrem Unmut über die gegenüber laufende AfD-Wahlkampfveranstaltung in stillem Protest Luft. Sie hatten bewusst das Motto der "bunten Stadt Espelkamp" aufgegriffen, um damit deutlich zu machen, dass in der nach dem Krieg neu aufgebauten Stadt viele Nationalitäten eine neue Heimat gefunden haben und alle friedlich in der neuen Stadtgesellschaft zusammenleben. Bis heute.

Etwa gleichviele Menschen waren im Gesellschaftsraum des Bürgerhauses zusammengekommen, der jedoch auf Grund des großen Interesses durch das Mittelfoyer erweitert werden musste. Auffällig war die große Zahl vieler junger Männer, die im Einheitslook, schwarzer Anzug und weißes Oberhemd, erschienen waren. In Espelkamp hatte die AfD im vergangenen Landtagswahlkampf eines ihrer besten Ergebnisse in ganz NRW erzielen können. In einem Wahlbezirk konnte die Partei 23,5 Prozent der Stimmen holen. Auf die Gesamtstadt bezogen waren es immerhin noch elf Prozent. Grund genug für die Protestpartei, ihren Blick ganz besonders auf Espelkamp zu richten. Nach eigenen Analysen war man zu der Erkenntnis gekommen, dass man vor allem in den Stimmbezirken mit hohem Spätaussiedleranteil die meisten Stimmen bekommen hatte. So hatten sich die Redner Montagabend im Bürgerhaus aus wahltaktischen Gründen vor allem auf besagte Personengruppe konzentriert, die auch stark unter den Zuhörern vertreten war.

AfD-Bundestagskandidat Jürgen Sprick begann deshalb seine Ansprache auch gleich in Platt und mit dem Hinweis, dass er früher einmal für die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) angetreten ist. Diese hatte in besagten Stimmbezirken vor vielen Jahren bereits sehr hohe Stimmanteile erhalten. Zur AfD sei er nach den Ereignissen am Silvesterabend in Köln gekommen, wo "viele Frauen auf der Domplatte belästigt und gedemütigt wurden". Wo sei denn da das Mitgefühl der Kanzlerin geblieben, fragte er in die Runde. Und wie hätten die deutschen Sicherheitskräfte reagiert? Er appellierte an die anwesenden Russlanddeutschen, sich zu dem zu bekennen, was sie sind. Er wies den Aufruf vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Reinhard Bösch aus Espelkamp zurück, gegen die Rechtspopulisten in der AfD einen Aufruf zu starten (die NW berichtete). Außerdem sollten die Espelkamper zur Kenntnis nehmen, dass "der Elternwille derjenigen, die ihre Kinder in christliche Schulen schicken möchten, ernst genommen werden soll". Direkt an "seine" Spätaussiedler wandte sich AfD-Spätaussiedlerbeauftragter Eugen Schmidt. Sie hätten "geduldig ihre Kinder großgezogen, keine Sonderrechte verlangt und Jahrzehnte die CDU gewählt". Unter Frau Merkel sei "unsere Identität, immer Deutsche zu sein, mit Dreck beworfen worden".

"Wenn wir uns gut aufstellen, werden wir in Espelkamp stärkste Kraft"

Mit schneidigen Worten wurde der AfD-Beauftragte noch deutlicher. Es würde eine "Politik gegen das eigene Volk" betrieben. Er sprach von der Gefahr der "Umvolkung". Die Grünen sind für ihn "innere Feinde des deutschen Volkes".

Der in Espelkamp beheimatete Dietrich Janzen kündigte in seinem Beitrag an, dass in "absehbarer Zeit auch in Espelkamp ein AfD-Stadtverband" gegründet werden soll. Janzen: "23 Prozent hatten wir bereits. Wenn wir uns gut aufstellen, werden wir als stärkste Kraft ins Kommunalparlament einziehen." Er habe seinen "Beitrag für die demografische Gesundung Deutschlands" geleistet. Gott habe ihn und seine Frau mit vielen Kindern "gesegnet".

Bildunterschrift: Stiller Protest: Nur mit bunten Luftballons und mit einigen Plakaten ausgestattet, machten gut 100 Bürger aus Espelkamp und Umgebung ihrem Unmut über die genehmigte AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus Luft.

Bildunterschrift: In Espelkamp bald aktiv: Dietrich Janzen will einen Stadtverband der AfD gründen und stärkste Kraft werden.

16./17.09.2017

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