Westfalen-Blatt ,
05.09.2023 :
Rocker: keine Personalien
Blomberg (WB/ca). Bei ihrem Einsatz am Domizil des Rocker-Clubs "Brothers Guard MC" in Blomberg haben Polizisten am Samstag die Personalien der Verdächtigen nicht notiert. Der rechte YouTuber Tim Kellner hatte eingeladen, etwa 150 Anhänger kamen, Als Ordnungsamtsmitarbeiter die Parksituation kontrollierten, wurden sie von mehreren Dutzend Personen eingekesselt. Polizisten lösten die Blockade verbal auf. Eine Polizeisprecherin sagte, um die Lage nicht eskalieren zu lassen, seien keine Namen notiert worden. Die Männer, gegen die wegen Nötigung ermittelt wird, sollen mit Videos identifiziert werden.
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Westfalen-Blatt, 04.09.2023:
Tim Kellner lädt zur Party: Polizei zeigt Besucher an
Rechter YouTuber lädt ein - Es geht um Nötigung und Abbrennen einer Bengal-Fackel
Von Christian Althoff
Blomberg (WB). Das lippische Dorf Tintrup mit seinen 320 Einwohnern war am Samstag das Ziel von geschätzt 150 Anhängern des rechten YouTubers und Ex-Polizisten Tim Kellner (49). Er hatte die oft Gleichgesinnten zu einer "Grillparty" eingeladen, und sie kamen aus weiten Teilen Deutschlands. Zweimal war die Polizei mit Streifenwagen vor Ort - auch weil sich Ordnungsamtsmitarbeiter bedroht fühlten. Die Polizisten schrieben Strafanzeigen.
Kellner wohnt in Horn-Bad Meinberg, will aber in Tintrup mit drei anderen Männern ein altes Anwesen kaufen - nach unbestätigten Informationen für etwa 150.000 Euro. Es soll als Clubhaus für seinen Rocker-Club "Brothers Guard MC" dienen. Der Kaufvertrag ist besiegelt, doch prüft die Stadt Blomberg, ob sie ihr gesetzliches Vorkaufsrecht ausübt - etwa, um Wohnungslose unterzubringen. Nachdem Kellner das über die Sozialen Medien hunderttausenden Followern mitgeteilt hatte, werden Bürgermeister Christoph Dolle (SPD) und Mitarbeiter der Stadt in Mails bedroht.
Auch wenn der Grundbucheintrag noch nicht erfolgt ist, lässt der Verkäufer der Immobilie Kellner das Haus nutzen - etwa für seine "Grillpartys". Zu den Besuchern zählen nach Einschätzung des Staatsschutzes vor allem Menschen, die dem Staat seine Legitimation absprechen. Erst vor einer Woche hatte Kellner auf Facebook geschrieben, Nordkorea sei "verglichen mit dem Shithole Germoney" ein "fortschrittliches und tolerantes Paradies der Freiheit". Am Samstag wurden erneut Mitglieder der "Justiz-Opfer-Hilfe" unter den Gästen gesehen, aber auch andere "Reichsbürger" und ein in der Szene bekannter Neonazi aus Lippe.
Die Schlange der geparkten Autos und Wohnmobile reichte vom Ortseingangsschild bis ins Zentrum. Den Kennzeichen zufolge kamen die Besucher unter anderem aus NRW, Niedersachsen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Weil Autos in den engen Dorfstraßen Rettungswege blockierten, schrieben Mitarbeiter des Blomberger Ordnungsamts Strafzettel.
Bürgermeister Christoph Dolle war ebenfalls in Tintrup, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Hinter ihm lag eine harte Woche, denn die Stadt hatte erfahren, dass durch den Einbruch des China-Geschäfts beim Elektro-Unternehmen Phoenix Contact in diesem Jahr und wohl auch im nächsten jeweils 15 Millionen Euro Gewerbesteuer wegfallen. Deshalb gilt eine Haushaltssperre, und es dürfen nur noch zwingende Ausgaben getätigt werden. Tim Kellner hatte bereits im Netz verkündet, damit sei das Vorkaufsrecht vom Tisch, aber das sieht der Bürgermeister nicht so: "Die Unterbringung wohnungsloser Menschen ist eine Pflichtaufgabe der Stadt, die wir nicht einfach streichen können."
Während der Bürgermeister mit Bewohnern des Dorfes sprach - "Die unterstützen unseren Plan, das Haus zu kaufen" - lief eine Straße weiter die "Grillparty". Am Eingang zu dem ehemaligen Bauernhaus bildete sich eine Schlange von Männern und Frauen unterschiedlichsten Alters, die Selfies mit Kellner machen wollten. In der Diele konnte man für 15 Euro Verzehrbons kaufen - ein Flaschenbier kostete 2,25 Euro - und in einem Nebenraum Fanartikel. Zum Beispiel verspiegelte Sonnenbrillen mit Gläsern in Herzform, wie Kellner sie in seinen Videos trägt, bedruckte Feuerzeuge und Bücher, die der Ex-Polizist geschrieben hat. Ein Besucher erzählte, er sei aus Bad Arolsen gekommen. "Ich habe in der Pandemie alle meine Freunde verloren, weil ich mich nicht impfen lassen wollte." Tim Kellner sehe die Welt so, wie er sie auch sehe. "Und er sagt das Richtige." Deshalb sei er hier. "Ich wollte den mal treffen."
Während Kellners Anhänger drinnen und draußen aßen, tranken und diskutierten, war im Umfeld des Club-Hauses kaum ein Lebenszeichen auszumachen. Viele Anwohner hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen, nirgendwo brannte Licht.
Gegen 22 Uhr gerieten einige in Angst, wie sie später sagten, weil einer der Kellner-Anhänger vor einem Haus eine brennende, rote Bengal-Fackel über seinem Kopf schwenkte. In dem Haus lebt eine Familie mit kleinen Kindern, die vor Wochen eine Regenbogen-Flagge rausgehängt hatte. Tim Kellner hatte das damals gepostet, was Hass-Kommentare auslöste, wie den, man werde "eine Granate" in das Haus werfen.
Eine Frau aus der Nachbarschaft: "Als wir das rote Feuer sahen, haben ich den Notruf gewählt. Aber mein Eindruck war, dass die Polizei in Detmold das nicht richtig ernst nahm." Die Polizei zog mehrere Streifenwagen am Ortseingang zusammen, fuhr aber erstmal nur mit einem Wagen zum Clubhaus, um nicht zu eskalieren. Ein Beamter sagte anschließend, er habe ein Gespräch mit Tim Kellner geführt und ihm klargemacht, dass das nicht gehe. Kellner habe geantwortet, dass ein Gast die Fackel ohne sein Wissen abgebrannt habe.
Schon zwei Stunden vorher waren Streifenwagen mit Blaulicht und Martinshorn nach Tintrup gefahren, weil das Ordnungsamt Unterstützung angefordert hatte. Denn vor dem Clubhaus waren Ordnungsamtsmitarbeiter in ihrem Auto von mehreren Dutzend Personen, zum Teil in Rocker-Kleidung, eingekesselt und festgesetzt worden. Die Polizei löste die Blockade auf. Ein Polizeisprecher sagte am Sonntag, es seien Anzeigen wegen Nötigung und gegen den Schwenker der Bengal-Fackel wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz geschrieben worden. Zur Frage, ob die Polizei die Personalien der Verdächtigen aufgenommen habe, konnte der Sprecher nichts sagen.
Um den Protest gegen das Clubhaus und die Klientel, die es anzieht, zu organisieren, hat sich im Juli ein "Blomberger Bündnis" gegründet. Nach eigenen Angaben gehören ihm bisher zehn Vereine und die Kirchengemeinde an. Das Bündnis teilte am Sonntag mit, es beobachte "mit großer Sorge" eine "wachsende Bedrohung" durch das von Tim Kellner versammelte Umfeld. Dass die Ordnungsamtsmitarbeiter nur unter Polizei-Begleitung arbeiten könnten, spreche für das Aggressions- und Gewaltpotential.
Tim Kellners Anwalt Hendrik Schnelle hat unterdessen am Wochenende einen Brief an Bürgermeister Christoph Dolle geschickt. Der hatte Kellner und den anderen drei Mitgliedern der Käufer-GbR eine Frist bis zum 5. September gesetzt, um zum möglichen Kauf der Immobilie durch die Stadt Stellung zu nehmen. Schnelle schrieb, das Vorhaben der Stadt sei "rechtswidrig" und wohl eher dem Wunsch geschuldet, den Mitgliedern der GbR "persönlich zu schaden". Das Vorkaufsrecht sei "kein Instrument des politischen Meinungskampfes". Man werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.
Bildunterschrift: Geschätzt 150 Anhänger aus vielen Teilen Deutschlands besuchten am Samstag die "Grillparty" des rechten YouTubers und Ex-Polizisten in Blomberg-Tintrup.
Bildunterschrift: Das Ordnungsamt schrieb Dutzende Falschparker im Dorf auf.
Bildunterschrift: Bürgermeister Christoph Dolle.
Bildunterschrift: In Tintrup leben etwa 320 Bürger.
Bildunterschrift: Die Polizei hielt Kräfte am Ortseingang von Tintrup in Bereitschaft.
Bildunterschrift: Einsatzbesprechung von Polizisten am Samstag in Tintrup.
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Am 2. September 2023, gegen 22.00 Uhr, schwenkte ein Besucher des Grillfestes der "Brothers Guard MC Germany" in Tintrup vor dem Haus, wo zuvor eine Regenbogenfahne hing, eine brennende Bengalfackel.
Am 2. September 2023 waren Andreas Hanusek, Jörg Reckmeyer, Doreen Romahn, Tim Kellner, ab 19.40 Uhr, an einer Einkesselung sowie Festsetzung von Mitarbeitenden des Ordnungsamtes in Tintrup beteiligt.
Am 2. September 2023 nahm die Aktivistin Doreen Romahn ("Freie Presse Sauerland") an einem Grillfest der "Brothers Guard MC Germany", um den extrem rechten YouTuber Tim Kellner, in Blomberg-Tintrup teil.
Am 2. September 2023 nahm der "Reichsbürger" ("JOH") Jörg Reckmeyer aus Detmold an einem Grillfest der "Brothers Guard MC Germany", um den extrem rechten YouTuber Tim Kellner, in Blomberg-Tintrup teil.
Am 2. September 2023 nahm der völkische Neonazi Andreas Hanusek aus Fromhausen an einem Grillfest der "Brothers Guard MC Germany", um den extrem rechten YouTuber Tim Kellner, in Blomberg-Tintrup teil.
Am 2. September 2023 nahm Sandra Hanusek aus Fromhausen - Horn-Bad Meinberg - an einem Grillfest der "Brothers Guard MC Germany", um den extrem rechten YouTuber Tim Kellner, in Blomberg-Tintrup teil.
Am 2. September 2023 (ab 18.00 Uhr) lud der extrem rechte YouTuber Tim Kellner zur "Männer-WG", das Clubhaus der Rocker-Gruppe "Brothers Guard MC Germany", im "Vogtweg 6, 32825 Blomberg-Tintrup" ein.
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www.blomberger-buendnis.org
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