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12 Artikel , 04.09.2023 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Saarländischer Rundfunk, 04.09.2023:
Überlebender des Brandanschlags äußert sich in Yeboah-Prozess

Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:
Prozessbeginn um Brandanschlag auf Bochumer Synagoge

Märkische Oderzeitung Online, 04.09.2023:
Rechte Hetze in Eisenhüttenstadt / Morddrohungen gegen Jugendliche - Staatsschutz ermittelt

MiGAZIN, 04.09.2023:
Niedersachsen / Verfassungsschutz: Rechtsextreme Abgeordnete im Landtag

haGalil - Jüdisches Leben online, 04.09.2023:
Antisemitismus in Milieus und Subkulturen

die tageszeitung Online, 04.09.2023:
Aiwanger soll KZ-Gedenkstätte besuchen / Hier gibt es keine Persilscheine

die tageszeitung Online, 04.09.2023:
Der Fall Aiwanger / Was neuerdings wieder sagbar ist

Belltower.News, 04.09.2023:
"Jetzt erst recht!" / Die Causa Aiwanger und der deprimierende Umgang mit Antisemitismus

Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:
Berlin / "Der Umgang von Hubert Aiwanger mit den Vorwürfen bleibt irritierend"

Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:
Knobloch: Warum ich Aiwangers Entschuldigung nicht angenommen habe

Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:
Antisemitismus-Forscher: Söders Entscheidung ist "verheerend"

Westfalen-Blatt, 04.09.2023:
CSU-Chef: Entlassung wegen Flugblatt-Affäre wäre unverhältnismäßig - SPD: Machtkalkül / Bayern: Söder hält an Aiwanger fest

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Saarländischer Rundfunk, 04.09.2023:

Überlebender des Brandanschlags äußert sich in Yeboah-Prozess

04.09.2023 - 14.00 Uhr

Thomas Gerber

Im Yeboah-Mord-Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz hat ein Überlebender des Brandanschlags ausgesagt. Der Zeuge berichtete von zahlreichen Übergriffen auf Asylbewerber in Saarlouis in den 90er Jahren.

Der 62-jährige gebürtige Nigerianer sagte, Beleidigungen und Übergriffe von Neonazis und Skinheads seien in den 1990er Jahren "alltäglich" gewesen. Zudem habe es Drohbriefe gegeben, in denen mit Brandanschlägen auf Asylbewerber-Unterkünfte gedroht worden sei.

Zeuge leidet noch heute unter den Folgen

Der Überlebende des 1991 verübten Brandanschlages auf das Asylbewerberheim in Saarlouis sagte, dass er noch heute unter den Folgen des Anschlags leide. Er könne noch immer keine Filme sehen, in denen Brände eine Rolle spielten. Er leide unter Angstzuständen und Depressionen.

Unterdessen zeichnet sich ein Ende der Beweisaufnahme in dem Mordprozess gegen den früheren Neonazi Peter S. ab. Demnach könnten Mitte des Monats die Plädoyers gehalten und Ende September das Urteil verkündet werden.

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Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:

Prozessbeginn um Brandanschlag auf Bochumer Synagoge

04.09.2023 - 15.55 Uhr

Der Deutsch-Iraner soll von einem Auftraggeber im Iran angestiftet worden sein.

Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf startet am 12. September ein Staatsschutzverfahren gegen einen deutsch-iranischen Staatsbürger wegen versuchter Anstiftung zu schwerer Brandstiftung und versuchter Brandstiftung.

Der 36-jährige Mann soll im November vergangenen Jahres von einem Auftraggeber im Iran aufgefordert worden sein, einen Molotow-Cocktail auf eine Synagoge zu werfen, wie das Oberlandesgericht am Montag mitteilte. (AZ: III-6 StS 1/23)

Letztlich soll der Mann den Brandsatz aus Furcht vor Entdeckung nicht auf die Bochumer Synagoge, sondern auf das daneben gelegene Schulgebäude geworfen haben. Zuvor habe er versucht, einen Bekannten als Mithelfer zu gewinnen, was dieser verweigert habe.

Der Beschuldigte befindet sich seit dem 18. November 2022 in Untersuchungshaft. Das Gericht setzte zunächst elf Hauptverhandlungstermine bis Ende November fest. (epd)

Bildunterschrift: Die Bochumer Synagoge war im vergangenen November Ziel eines Brandanschlags.

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Märkische Oderzeitung Online, 04.09.2023:

Rechte Hetze in Eisenhüttenstadt / Morddrohungen gegen Jugendliche - Staatsschutz ermittelt

04.09.2023 - 15.00 Uhr

Nach rechten Schmierereien und Morddrohungen gegen eine 16-Jährige in Eisenhüttenstadt, ermittelt nun der Staatsschutz allein. Die Bedrohte fühlte sich zunächst nicht ernst genommen, das sagt die Polizei.

Ein Artikel von Janet Neiser, dpa

Nach Morddrohungen gegen eine lokalpolitisch aktive Jugendliche in Eisenhüttenstadt und Hakenkreuz-Schmierereien ermittelt nun der Staatsschutz. Unbekannte hatten die Drohungen und verfassungsfeindliche Symbole auf dem Platz der Jugend an Mauern gesprüht. Unter anderem wurden nach Angaben der Polizei 25 Hakenkreuze in schwarzer und roter Farbe an den Fassaden des leer stehenden Gebäudekomplexes gezählt.

Am Tatort sei zudem eine Spraydose als Beweismittel sichergestellt worden, sagte Polizeisprecher Roland Kamenz am Montag (4. September). Diese wird auf mögliche Fingerabdrücke untersucht. Werden welche gefunden, können diese mit bereits vorhandenen Abdrücken in der Datenbank abgeglichen werden. Die Stadt und die bedrohte Jugendliche hatten Anzeige erstattet.

Graffiti-Kunstwerke mit Morddrohungen beschmiert

Einen Kontakt zu der 16-Jährigen und ihren Eltern habe es aktuell noch nicht gegeben, berichtete der Sprecher. Die Stadt sei gebeten worden, Schmierereien an den Mauern zu entfernen - und zwar schon im August nach der Anzeigenaufnahme am (24.08.) und der Spurensicherung vor Ort. Doch nur ein Teil der Schmierereien war bislang übersprüht worden, einige Hakenkreuze wurden zum Teil nur durch ein paar Striche überformt, sind aber weiterhin erkennbar. Genau wie folgende Schriftzüge: "Nazi Kiez", "Tod für Links", "Haut ab sonst Tod". Und auch eine konkrete Drohung gegen die jugendliche P. Nach deren Namen heißt es "wir kriegen dich". An anderer Stelle stand das Wort "Tod" über ihrem Namen, neben "Free Hitler".

Man habe über den Revierleiter am 4. September noch einmal Kontakt zur Stadt aufgenommen, sagt Kamenz. Diese wurde gebeten, "tätig zu werden". Eine Anfrage an die Stadtverwaltung Eisenhüttenstadt dazu seitens moz.de liegt vor.

Da die Schmierereien nach derzeitigen Erkenntnissen vermutlich in der Nacht zum 24. August 2023 an mehreren leerstehenden Gebäuden aufgebracht wurden, bittet die Polizei Zeugen, die möglicherweise das Tatgeschehen beobachtet haben oder relevante Feststellungen treffen konnten, sich unter der Telefonnummer 03361 5680 oder über die Internetwache unter "Hinweis geben" bei der Brandenburger Polizei zu melden.

Polizei geht von Tatzusammenhang aus

Dass nun der Staatsschutz die gesamten Ermittlungen in dem Fall übernommen hat, hängt laut dem Polizeisprecher damit zusammen, dass man davon ausgeht, dass es bei der Bedrohung gegen P. und den rechten Schmierereien einen Tatzusammenhang gibt. Die Farbgebung und der zeitliche Rahmen sprächen unter anderem dafür. Da mache es keinen Sinn, dass die Kriminalpolizei wegen der Bedrohung ermittele und der Staatsschutz wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symboliken.

Die 16-Jährige, die in Begleitung ihres Vaters Anzeige wegen Bedrohung erstattet hatte, setzt sich für Jugendinteressen in der Lokalpolitik ein und engagiert sich ehrenamtlich in Projekten. Eines dieser Projekte, gefördert durch das Kulturland Brandenburg, war die Wiederbelebung des Platzes der Jugend. Über 50 Workshops und zahlreiche Kunstaktionen wurden dort organisiert. Die im Rahmen des Projektes gefertigten Graffiti-Kunstwerke sind nun zum Teil mit verfassungsfeindlichen Symbolen und Parolen beschmiert.

Die junge, bedrohte Frau, die seit etwa einem Jahr Sprecherin der Linksjugend Eisenhüttenstadt ist, zieht nach den Vorgängen Konsequenzen. Sie müsse sich jetzt aus dem Ehrenamt und der Öffentlichkeit zurückziehen, ließ sie über den Jugendverband am vergangenen Samstag (2. September) mitteilen.

16-Jährige fühlte sich nicht ernst genommen

Zudem wird die 16-Jährige in der Mitteilung der Linksjugend mit der Aussage zitiert, dass sie sich bei der Anzeigenerstattung von den Beamten nicht ernst genommen gefühlt habe.

Man habe erst einmal nur eine Anzeige wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen aufgenommen, erklärt Polizeisprecher Roland Kamenz und versichert, dass die Polizei den Fall durchaus ernst nehme. Als die Schmierereien auftauchten, habe man nicht gewusst, wer P. sei, es habe keine Bezug zu der Person gegeben.

Als die Jugendliche dann aber im Laufe des Tages mit ihrem Vater auf dem Revier erschienen sei und erklärt habe, dass sich die Drohungen gegen sie richten würden, sei auch die Anzeige gegen Unbekannt wegen Bedrohung aufgenommen worden. Er wisse nicht, wie bei ihr der Eindruck entstehen konnte, dass sie nicht ernst genommen werde, so Kamenz. Das sei aber bedauerlich.

Bildunterschrift: Auf dem Platz der Jugend in Eisenhüttenstadt haben Unbekannte Graffiti-Kunstwerke mit Morddrohungen, verfassungswidrigen Symbolen und Parolen beschmiert. Nun ermittelt der Staatsschutz.

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MiGAZIN, 04.09.2023:

Niedersachsen / Verfassungsschutz: Rechtsextreme Abgeordnete im Landtag

04.09.2023 - 19.00 Uhr

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Auch einige Mitglieder der AfD-Landtagsfraktion in Niedersachsen werden als rechtsextremistisch eingestuft - "rassistische, völkisch-nationalistische Elemente".

Der niedersächsische Verfassungsschutz stuft einige Mitglieder der AfD-Landtagsfraktion als rechtsextremistisch ein. "Im Landtag sitzen gewählte Abgeordnete einer Partei, die wir als Verdachtsfall beobachten", sagte Verfassungsschutz-Präsident Dirk Pejril der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Darunter befinden sich Personen, die dem mittlerweile aufgelösten, als rechtsextremistisch eingestuften so genannten Flügel zugeordnet werden konnten." Welche AfD-Mitglieder unter Verdacht stehen, sagte Pejril nicht.

Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet. Der Thüringer Landesverband gilt als gesichert rechtsextrem.

"Rassistische, völkisch-nationalistische Elemente"

In Niedersachsen trete die AfD eher gemäßigt auf, sagte der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident im Gespräch mit der Zeitung. Dennoch grenze sich die Partei nicht klar von der politischen Ausrichtung auf Bundesebene, zu anderen Landesverbänden oder Aussagen einzelner Funktionäre ab.

Als Beispiel nannte Pejril den AfD-Bundesparteitag Anfang August in Magdeburg. Dort habe sich die Partei "sehr klar erkennbar als radikal gezeigt: durch Positionen und Einlassungen, die rassistische, völkisch-nationalistische Elemente enthielten und eine in Teilen antisemitisch konnotierte Wortwahl". Dazu habe es keinen Widerspruch der niedersächsischen AfD gegeben. "Uns muss Sorgen bereiten, dass die Menschen einer solchen Strömung nachlaufen." (dpa/mig)

Bildunterschrift: Landtag Niedersachsen.

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haGalil - Jüdisches Leben online, 04.09.2023:

Antisemitismus in Milieus und Subkulturen

Antisemitismus gibt es auch in sich emanzipatorisch und progressiv gebenden Bewegungen und Subkulturen. Darauf macht ein mit "Judenhass Underground" überschriebener neuer Sammelband aufmerksam. Auch außerhalb des kulturellen Mainstreams finden sich immer wieder antisemitische Stereotype.

Von Armin Pfahl-Traughber

Antisemitismus, so meint man in sich emanzipatorisch und progressiv gebenden Bewegungen und Subkulturen gern, kommt in diesem Kontext nicht vor. Das hängt meist mit der einseitigen Auffassung zusammen, wonach Juden-Hass nur oder primär von der politischen Rechten komme. Das ist zwar bezogen auf die Grundaussage nicht ganz falsch, aber doch eine schiefe Interpretation. Denn bekanntlich gibt es Antisemitismus in diversen kulturellen, politischen, religiösen oder sozialen Kontexten. Dies veranschaulichen auch die Beiträge in einem Sammelband, der "Judenhass Underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen" überschrieben wurde.

Herausgegeben haben ihn die beiden Journalisten Stefan Lauer und Nicholas Potter. Auch die Autoren des Bandes, selbst wenn sie einen wissenschaftlichen Hintergrund haben, nähern sich journalistisch ihrem jeweiligen Thema. Dies geschieht glücklicherweise nicht in einem lockeren Reportagestil, sondern mit klarer Struktur. Das größte Ärgernis bei all dem ist: Es gibt keine Belege in Fußnoten, was für Aussagen ebenso wie für Zitate gilt. Ansonsten liegt ein beachtenswerter Band vor.

Die insgesamt 20 Beiträge finden sich in drei Teile aufgegliedert, welche schlicht mit "Theorie", "Praxis" und "Dialog" überschrieben sind. In der davor stehenden Einleitung wird darauf verwiesen, dass man keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Eher habe man es mit Momentaufnahmen zu tun, welche eben bestimmten Szenen gelten. Antisemitismus vereine sie, wie eine kritische Betonung dazu lautet. Gleich der erste Aufsatz geht auf ein zentrales Problem ein, ist er doch mit "Israelhass und Antisemitismus" überschrieben. Die meisten Beispiele, die dann in den folgenden Aufsätzen thematisiert werden, beziehen sich auf eine israelbezogene Juden-Feindschaft. Berechtigt wird darauf verwiesen, dass Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit auch in empirischen Untersuchungen häufig genug in einem erkennbaren Zusammenhang stehen. Gleichwohl ist eine grundsätzliche Gleichsetzung durchaus problematisch. Das macht indessen eine nicht-antisemitische Israel-Feindlichkeit nicht unbedenklich, gehen damit doch aus anderen Gründen bestehende Wahrnehmungsverzerrungen einher. Hier bedarf es sicherlich der Differenzierung.

Darüber hinaus machen die folgenden Aufsätze mit kleinen Fallstudien zu unterschiedlichen Milieus immer wieder deutlich, wie stark pauschale Ablehnungen von Israel dominieren und mitunter auch traditionelle antisemitische Stereotype kursieren. Gerade wenn man sich als Leser mit den behandelten Subkulturen nicht näher auskennt, wird so ein informativer und problemorientierter Überblick zu den dortigen Zerrbildern geliefert. Darin besteht auch die Bedeutung des vorliegenden Sammelbandes. Ein nahezu mustergültiges Beispiel dafür ist der BDS-Beitrag, worin sich die wichtigsten Aspekte und Einschätzungen auf engem Raum finden. Dann geht es in dem ersten Abschnitt außerdem noch um die Debatte um "Intersektionalität" und die Juden gegenüber auszumachende "Klasse"-Wahrnehmung. Beide Artikel erklären indirekt, warum Antisemitismus für die Identitätslinke nicht so wichtig ist. Der zweite große Abschnitt blickt auf verschiedene Milieus und Subkulturen. Es geht dabei um die Club-Kultur, den Feminismus, den Hardcore, den Hiphop, die Klima-Bewegung, den Kulturbetrieb, die Queere Community oder den Punk.

Die Autoren sind meist gute Kenner dieser Szenen, welche ein besonderes Auge für die dortigen Entwicklungen haben. Einschlägige Ereignisse werden ansonsten nur selten in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Dafür stehen etwa die Auseinandersetzungen um antisemitische Bestandteile von Gemälden auf der Kasseler documenta oder die Deutschrap-Texte von Kollegah und Farid Bang. Dass es dabei nicht um Ausnahmen geht, machen die Aufsätze mit anderen Beispielen deutlich. Da wird dann das alte Feindbild von "Rothschild" als Synonym für antisemitische Verschwörungsideologien bemüht, aber eben von migrantischen Deutschrap-Musikern, nicht nur von neonazistischen Rechtsrockern. Auf all diese Dimensionen der Juden-Feindschaft macht der Sammelband aufmerksam, er belegt damit auf eine Forschungs- und Wissenslücke. Dies verdeutlichen ebenso die Interviews im dritten Teil, wo über all dies mit Publizisten und Szene-Angehörigen gesprochen wird. Bedauerlicherweise muss man bei all diesen Ausführungen feststellen, dass hier neue Dimensionen der Forschung über Juden-Feindlichkeit eröffnet werden.

Nicholas Potter / Stefan Lauer (Hrsg.), Judenhass Underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen, Leipzig 2023 (Hentrich & Hentrich), 251 S., Euro 22,00.

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die tageszeitung Online, 04.09.2023:

Aiwanger soll KZ-Gedenkstätte besuchen / Hier gibt es keine Persilscheine

04.09.2023 - 18.48 Uhr

KZ-Gedenkstätten sollen rechtsextremen Haltungen vorbeugen. Von Hubert Aiwanger wird nun ein Besuch in Dachau erwartet: ein falsches Signal.

Erica Zingher

Hubert Aiwanger wird wie ein Schuljunge behandelt, auch nach 35 Jahren. Damals verpflichtete ihn seine Schule, ein Referat über das "Dritte Reich" zu halten. Eine Reaktion auf die widerlichen NS-glorifizierenden und die Schoah verharmlosenden Flugblätter, die in Aiwangers Tasche gefunden wurden. Heute ist es die Gedenkstätten-Fahrt nach Dachau, die ihm nahegelegt wird.

Das schlägt ernsthaft der Beauftragte für Jüdisches Leben und Antisemitismus in Deutschland, Felix Klein, vor: "Es wäre jetzt ein gutes Zeichen, wenn er nicht nur das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden, sondern auch mit den Gedenkstätten in Bayern sucht und deren wichtige Arbeit stärkt, etwa durch einen Besuch in Dachau", sagte er dem RND.

Dass einer, der es qua Amt besser wissen müsste, jetzt einen solchen Vorschlag macht, verstört - und steht doch exemplarisch für den bundesdeutschen pädagogischen Umgang mit Antisemitismus und Nationalsozialismus. Auf antisemitische Vorfälle reagieren Schulen nämlich immer noch gern mit Gedenkstätten-Fahrten. An diese Gedenkstätten sind seit jeher Erwartungen geknüpft. Dort sollen Schülerinnen, Schüler Demut vor dem Tod lernen. Ihnen sollen Emotionen abgerungen werden wie Trauer und Mitgefühl für die Opfer des Nationalsozialismus. Ein Gefühl der Betroffenheit soll hergestellt werden. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe für die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter dieser Einrichtungen.

Eine Illusion, ein "Fantasiefeld"

Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager sind eine Illusion, ein "Fantasiefeld", wie sie in einer Studie von Marina Chernivsky und Friederike Lorenz-Sinai bezeichnet werden.

An diesen Orten konkretisiere sich zwar die Geschichte des Nationalsozialismus. Geschichte, die "gesellschaftlich, institutionell und familienbiografisch weiterwirkt"; die besonders auf letztgenannter Ebene bis heute unzureichend aufgearbeitet ist. In Gedenkstätten verschwimmt jedoch der Blick auf die Gewaltgeschichte: steht hier die Opfer- oder Täter-Perspektive im Fokus?

Gedenkstätten werden vorrangig als jüdische Orte verstanden. Ähnlich wie in der Debatte um die Aiwanger-Affäre geraten in Gedenkstätten zusehends andere Opfer-Gruppen wie politisch Verfolgte, Kommunisten, schwule Männer, Sinti und Roma in Vergessenheit. Das verengt den Blick auf die NS-Geschichte.

Für die Deutschen ist die Gedenkstätte zu einer Projektionsfläche geworden. NS-Taten werden auf diesen einen Ort, auf eine Opfer-Gruppe beschränkt. Mit der eigenen unmittelbaren Welt hat dies dann nichts mehr zu tun. Bezüge zu familiären Verstrickungen werden schwerlich gezogen - die Gefahr einer Entlastung besteht.

Gedenkstätte als Projektionsfläche

Gedenkstätten-Fahrten werden zum Pflichtbesuch mit dem Anspruch eines Transformationsprozesses. Durchschreiten die Jugendlichen am Ende des Schulausflugs das Lagertor, kommen sie auf der anderen Seite als bewusste, antisemitismuskritische Menschen hervor. So der naive Wunsch.

Wie ist all das im Zusammenhang mit Hubert Aiwanger zu begreifen? Auch in seinem Fall wird das Problem - seine nicht glaubwürdige Entschuldigung, seine Erinnerungslücken und der Unwillen einer ernst zu nehmenden Aufklärung - externalisiert und auf einen Ort projiziert. Nach christlichem Vorbild soll Aiwanger Buße leisten. Einmal beichten, Ablassbrief erhalten, danach ist die Weste wieder weiß. Das Problem aber liegt bei Aiwanger selbst, in seinem Verhalten.

In alter deutscher Tradition begreift Felix Klein die Gedenkstätte als reinigenden Ort, als Möglichkeit der Wiedergutmachung. Da bleiben sich die Deutschen wieder einmal treu in ihrem Verständnis von Vergangenheitsbewältigung. Doch Gedenkstätten dürfen niemals zu Ausgabestätten von Persilscheinen verkommen.

Die Affäre um Hubert Aiwanger ist politisch abgeschlossen. Das hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag deutlich gemacht, indem er seinen Vize im Amt ließ. Er hat seine politische Gedenkstätten-Fahrt längst absolviert. Das KZ Dachau braucht es dafür gar nicht mehr.

Bildunterschrift: Ob Aiwanger wirklich die KZ-Gedenkstätte in Dachau betreten wird?

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die tageszeitung Online, 04.09.2023:

Der Fall Aiwanger / Was neuerdings wieder sagbar ist

04.09.2023 - 16.51 Uhr

Der öffentliche Diskurs verschiebt sich nach rechts. Gedenkstätten kritisieren einen "erinnerungspolitischen Scherbenhaufen".

Konrad Litschko, Tanja Tricarico

Berlin (taz). Am Sonntag beendete der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Causa Aiwanger und die Enthüllungen um ein antisemitisches Hetzblatt. Für Rechtsextremismus-Forscher Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie ist der Fall aber nicht abgeschlossen. Denn: "Wir erleben über die Jahre eine Verschiebung. Dinge, die als unsagbar galten, für die man ­früher zurücktreten musste, werden heute so toleriert", sagte Dittrich der taz. Die Neu-Mitgliedsanträge bei den Freien Wählern, von denen Medien berichten, und die jubelnden Unterstützer Aiwangers in den Bierzelten würden für große Ressentiments sprechen.

Der Fall werfe laut Dittrich zudem einen interessanten Blick auf die 1980er Jahre in Bayern, aber auch darauf, dass man nicht nur ein Problem mit Rechtsextremismus im Osten habe, sondern das Problem auch im Westen auftauche, ohne dass es bis heute Konsequenzen gebe. Auch bei Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sorgt die Causa Aiwanger für Irritationen. "Immer wieder betonte er eine politische Kampagne gegen ihn als Person und konnte sich erst spät zu einer Entschuldigung durchringen", sagt Schuster. Er vermisse "eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und seinem Verhalten zur Schulzeit".

Schuster ist damit nicht allein. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, sagt, Aiwanger müsse "Vertrauen wieder aufbauen". Knobloch machte öffentlich, dass Aiwanger sie zuletzt angerufen hatte - eine Entschuldigung Aiwangers habe sie abgelehnt. Die vergangenen Tage seien "eine enorme Belastung" für die Gemeinde gewesen, so Knobloch. Sie forderte, die Erinnerungsarbeit gerade bei jungen Menschen stärker zu verankern.

Söder hatte Sonntag früh noch mit Schuster und Knobloch telefoniert. Zum genauen Inhalt der Gespräche äußerte sich keiner der drei. Söders Entscheidung, Aiwanger im Amt zu lassen, nannte Knobloch aber "politisch zu akzeptieren". Sie seien Ergebnis "einer schwierigen Abwägung". Die jüdische Gemeinschaft und die Menschen in Bayern erwarteten politisch stabile Verhältnisse. Auch Schuster sagte, in der "Gesamtbetrachtung" sei Söders Entscheidung "nachvollziehbar".

Erinnerung an die Shoah wesentlicher Bestandteil

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der taz dagegen: "Die Vorgänge der vergangenen Tage um Herrn Aiwanger erschweren den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland." Aiwanger habe den Sachverhalt "nur unzureichend" aufgeklärt. "Ich möchte zudem deutlich seiner Aussage widersprechen, wonach die Shoah im vorliegenden Fall für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werde." Das Gegenteil stimme: "Es gehörte bisher zum unter den demokratischen Parteien üblichen Konsens, dass die Erinnerung an die Shoah ein wesentlicher Bestandteil unserer offenen, demokratischen Gesellschaft ist."

Klein hatte Aiwanger auch einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahegelegt, als "gutes Zeichen". Gegenüber der taz ergänzte er, dass der Gedenkstätte zuletzt die Gelder gekürzt wurden. Ein Besuch Aiwangers könnte hier "ein Zeichen der Solidarität setzen, das die Gedenkstätte angesichts der fehlenden Gelder gut gebrauchen kann".

Die Gedenkstätte Dachau zeigte sich wenig angetan. "Von öffentlichkeitswirksamen politischen Besuchen im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl möchte die KZ-Gedenkstätte Dachau absehen", sagte eine Sprecherin der taz. Gedenkstätten-Leiterin Gabriele Hammermann wollte sich zu der politischen Debatte um Aiwanger nicht äußern. Das Flugblatt hatte sie zuletzt aber als klar rechtsextrem bezeichnet. Ihre Sprecherin ergänzte zur taz: "Die aktuelle Debatte zeigt, wie wichtig eine lebendige Erinnerungskultur und der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus nach wie vor ist."

Auch Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, ist skeptisch. "Mit dem Vorschlag, Aiwanger solle nun mit den jüdischen Gemeinden sprechen und eine KZ-Gedenkstätte besuchen, wird das Problem auf diejenigen abgewälzt, die für die Erinnerungskultur einstehen", so Wagner zur taz.

"In Gedenkstätten wird kein Ablasshandel betrieben"

Statt sich damit auseinandersetzen, warum Aiwanger "mit Schuldumkehr, der Beschimpfung seiner Kritiker und einer Jetzt-erst-recht-Haltung durchkommt und in Bierzelten dafür gefeiert wird, sollen die Gedenkstätten und jüdische Gemeinden die erinnerungskulturellen Scherben zusammenkehren, die Aiwanger und Söder hinterlassen haben", so Wagner. "Dazu werden sie sich hoffentlich nicht zur Verfügung stellen. In Gedenkstätten wird kein Ablasshandel betrieben."

Christoph Heubner, Vizepräsident des Auschwitz Komitees, warnte derweil vor den gesamtgesellschaftlichen Folgen. Der "politische Flurschaden", den Aiwanger mit seinen "egomanischen Redereien" weiter anfache, werde "zunehmend größer und greift mittlerweile auf die gesamte Bundesrepublik über". Jeder öffentliche Auftritt von ihm werde "zu einer demonstrativ beklatschten Unterstützung seiner Flugblatt-Aussagen", so Heubner.

Dass Aiwanger behauptete, er solle politisch "vernichtet werden", sei für Überlebende des Holocaust eine "unerträgliche" Formulierung. Die ganzen Vorgänge ließen "die rechtsextreme Szene in Deutschland jubeln" und führten zu einer "zunehmenden Verstörung" des Bildes, das die Überlebenden von der deutschen Politik bisher hatten. Aiwanger täte sich und der Gesellschaft einen großen Gefallen, wenn er eine Auszeit nehmen und Söder um Entlassung bitten würde, so Heubner.

Der Antisemitismus-Beauftragte Niedersachsens Gerhard Wegner vermisst vor allem eine klare Haltung Aiwangers zu dem, was war, und kein Rumgeeiere. "Ich fürchte, dass dies ein Tor öffnet zum Neuerwachen eines untergründigen antisemitischen Geredes, nicht nur in Bayern", sagte Wegner der taz. "Die Brandmauer gegen Antisemitismus hat einen Riss bekommen." Dieses Fazit muss auch Rechtsextremismus-Forscher Dittrich ziehen: "Hier wurde eine Grenze überschritten - und diese Grenzüberschreitung verschiebt den Diskurs nach rechts."

Bildunterschrift: Hubert Aiwanger erhebt das Bier am 3. September im bayerischen Grattersdorf.

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Belltower.News, 04.09.2023:

"Jetzt erst recht!" / Die Causa Aiwanger und der deprimierende Umgang mit Antisemitismus

Die Causa Aiwanger zeigt wieder einmal: Diese Gesellschaft findet keinen guten Umgang mit Antisemitismus. Und wieder einmal ist das Signal für Jüdinnen, Juden fatal. Ein Kommentar.

Von Sabine Bremer, Nikolas Lelle und Tom Uhlig

Hubert Aiwanger soll im Amt verbleiben, teilte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Sonntag, den 3. September der Öffentlichkeit mit. Damit ist nun weiterhin ein Mann stellvertretender Ministerpräsident des größten Flächenlands der Bundesrepublik, der als 17-Jähriger mit vernichtungsantisemitischen Flugblättern in der Schultasche erwischt wurde und dem Mitschülerinnen, Mitschüler Hitlergrüße und neonazistischen Jargon vorwarfen. Das Gerede um "Jugendsünden" sieht davon ab, dass Aiwanger nicht in der Lage ist, sich glaubhaft von seiner Jugend zu distanzieren. Seine Beteuerung, er sei seit dem Erwachsenenalter "kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund", ist ein reines Lippenbekenntnis angesichts seines politischen Auftretens. Erst im Juni hielt Aiwanger in Erding eine Rede bei einer Demonstration gegen das so genannte Heizungsgesetz, in der er rechtspopulistische Töne anschlug. Unfähigkeit oder Unwillen zur Reflexion zeigte Aiwanger auch in der Antwort auf die 25 schriftlichen Fragen Markus Söders zum Flugblatt. Aiwanger schiebt angebliche Erinnerungslücken vor, während er gleichzeitig angibt, dass der Vorfall für ihn ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen sei.

Die Debatte rund um das Flugblatt zeigt erneut die Absurdität und Kälte der deutschen Gesellschaft und Politik im Umgang mit Antisemitismus. Es wird immer wieder davon abgelenkt, dass es sich beim Text auf dem Flugblatt um klare antisemitische und NS-verherrlichende Aussagen handelt. Stattdessen zeigen insbesondere Konservative die bekannten Formen der Abwehr: Es wird mehr über den Vorwurf als über den Vorfall und den Umgang damit gesprochen. Geraunt wird von Kampagnen, ja von einer "Vernichtung" Aiwangers - dabei waren es tatsächlich Vernichtungsfantasien, die in seiner Schultasche steckten.

Statt einer ehrlichen Auseinandersetzung, dreht sich die Debatte um die Wahlen in Bayern, um parteipolitische Ziele und Wahlkampagnen. Der Fokus auf den Vorwurf - statt auf den Vorfall - hat einen einfachen Zweck: Niemand muss sich mehr mit dem Inhalt beschäftigen. Viele Fragen bleiben offen: In was für einem Klima dieses Flugblatt entstanden ist, wie der Neonazismus in den 1980er Jahren die Schulklassen erreichte, in welcher zynischen Tradition die Sprache des Blattes steht und wie so ein Mann stellvertretender Ministerpräsident werden konnte. Zu sprechen wäre über die Normalisierung rechter Strukturen, die Verhöhnung der Betroffenen, den Opfer-Gestus der Täter - all das blieb aus.

Es geht durchaus um viel. In der Causa Aiwanger haben sich viele große jüdische Organisationen zu Wort gemeldet und deutlich positioniert. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, äußerte sich "schockiert". Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, verurteilte den Inhalt des antisemitischen Flugblatts scharf und forderte: "Gerade weil diese Erinnerungskultur heute von rechts außen wieder radikal bekämpft wird, ist mir vor allem wichtig, dass der Inhalt des Flugblattes scharf verurteilt wird."

Geholfen hat es nichts. Aiwanger bleibt. Er konnte sich rausreden. Alles halb so wild, lange her, sowieso, wer erinnert sich denn noch an sowas. Für Markus Söder hat das Argument gereicht. Den Schaden hat zuallererst die jüdische Gemeinschaft. Denn die muss sich nun weiter mit jemandem wie Aiwanger arrangieren. Der hat Charlotte Knobloch angerufen, als klar war, dass er im Amt bleiben wird und sich entschuldigt. Wie sie dem Deutschlandfunk berichtete, nahm sie diese Entschuldigung nicht an.

Gewonnen haben die Falschen. Für die Freien Wähler, so ist zu befürchten, wird die Sache gut ausgehen. Bei den Landtagswahlen im Oktober könnten sie Stimmen gewinnen. Als sich Aiwanger vor zwei Tagen in einem Bierzelt seinem Publikum stellt, brüllt einer der Anwesenden: "Jetzt erst recht!". Journalisten sagte ein Besucher, es gäbe in diesem Land keine Demokratie. "Wir werden verarscht und nicht regiert", von Grünen, Linken, Kommunisten, raunt er. Man selbst habe mit 15, 16 einen "Hitler gemacht und gespielt".

Der Bierzelt-Auftritt Aiwangers erweckt nicht den Eindruck, als hätte seine Klientel offene Fragen. Vielmehr zeichnen seine Fans in den Fernsehinterviews das Bild eines Volkstribuns, der von den Mächtigen des Landes fertiggemacht werden soll, wogegen man nun zusammenstehen müsse. Die Vergehen Aiwangers werden normalisiert, ganz als sei es ein notwendiges Durchgangsstadium jugendlicher Entwicklung, neonazistische Propaganda zu verbreiten. Aiwanger zeigt keine Reue, sondern heizt die Stimmung an, indem er das Publikum einlädt, Teil seiner Opfer-Gemeinschaft zu sein: Er gibt sich verfolgt und erwähnt unentwegt, wie lange die Tat her sei: "Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß gemacht." Um dann sofort hinzu zu setzen, dass es um nichts weniger als seine "berufliche Existenzvernichtung" ginge - eine groteske Wortwahl angesichts des Themas des Flugblatts. Die Verfolger suchen angeblich unbarmherzig nach Fehlern der Vergangenheit, um ihren politischen Willen durchzusetzen.

Dem Aufdecken des Antisemitismus wird jedenfalls kaum Raum geboten, den großen jüdischen Organisationen wird nicht zugehört. Wenn sie warnen und den Rücktritt fordern, aber diese Stimmen nicht ernst genommen werden, wird deutlich, dass das Aufdecken und Verurteilen von Antisemitismus in dieser Gesellschaft keinen Platz findet und die Betroffenen kein Gehör. "Jews don’t count" nannte der englische Comedian David Baddiel das.

Folgenlos bleibt so ein Umgang nicht. Die Ignoranz gegen solche Warnungen hat einen doppelten Effekt. Erstens werden rechte Personen und Gruppen ermuntert, antisemitisch zu denken und zu handeln. Antisemitismus wird normalisiert. Zweitens werden die entmutigt, die tagtäglich Antisemitismus erleben, die ihn bekämpfen wollen oder wenigstens versuchen, ihn sichtbar machen.

Bildunterschrift: Am 4. September besucht Hubert Aiwanger den Politischen Frühschoppen Gillamoos und wird von Zuschauerinnen, Zuschauern begrüßt.

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Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:

Berlin / "Der Umgang von Hubert Aiwanger mit den Vorwürfen bleibt irritierend"

04.09.2023 - 11.11 Uhr

Bayerns Ministerpräsident Söder hatte trotz der Vorwürfe an seinem Stellvertreter festgehalten.

Nach der Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für einen Verbleib seines Stellvertreters Hubert Aiwanger im Amt hat sich am Montagvormittag der Zentralrat der Juden in Deutschland zu Wort gemeldet.

"Der Umgang von Hubert Aiwanger mit den Vorwürfen bleibt irritierend. Immer wieder betonte er eine politische Kampagne gegen ihn als Person und konnte sich erst spät zu einer Entschuldigung durchringen", kritisierte Zentralratspräsident Josef Schuster. "Ich vermisse bisher bei Hubert Aiwanger eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und seinem Verhalten zur Schulzeit."

Zugleich betonte Schuster, dass das Festhalten am bayerischen Vize-Regierungschef (Freie Wähler) trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt insgesamt nachvollziehbar sei. "In der Gesamtbetrachtung ist die Entscheidung des Ministerpräsidenten für mich nachvollziehbar", so Schuster.

Rückblick

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte trotz der Vorwürfe rund um ein antisemitisches Flugblatt an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) festgehalten. Eine Entlassung wäre aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, sagte Söder am Sonntag in München.

Der CSU-Chef übte allerdings Kritik an Aiwangers Krisenmanagement. Söder beteuerte zugleich, an der Koalition mit den Freien Wählern festhalten zu wollen. "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hielt Söder vor, aus "schlichtem Machtkalkül" heraus zu handeln. In Bayern sind in fünf Wochen Landtagswahlen.

Die bayerische Staatsregierung veröffentlichte am Sonntag die von Söder gestellten 25 Fragen an Aiwanger sowie dessen Antworten. Gegen den Freie Wähler-Chef waren seit mehr als einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Gegenangriff

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. Gleichzeitig ging er zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen sich und seine Partei - was ihm neue Vorwürfe etwa des Zentralrats der Juden einbrachte.

Söder sagte am Sonntag, er habe zudem ein langes Gespräch mit seinem Vize geführt. Aiwangers Krisenmanagement sei "nicht sehr glücklich" gewesen. Dieser hätte die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen, sagte Söder. Aiwangers Entschuldigung und Distanzierung sei zwar spät, aber nicht zu spät gekommen. Nun müsse dieser verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und etwa Gespräche mit jüdischen Gemeinden suchen.

Der Ministerpräsident erklärte, es sei um schwere Vorwürfe gegangen. Das Flugblatt sei "besonders eklig, widerwärtig, menschenverachtend und absoluter Nazi-Jargon". Er habe genau abgewogen und ein faires Verfahren finden wollen. Ihm sei wichtig gewesen, nicht allein auf Grund von Medienberichten entscheiden und keine Vorverurteilung vornehmen zu wollen. In der Gesamtabwägung sei eine Entlassung aus dem Amt aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig.

Antwort

Seine Entscheidung begründete Söder im Wesentlichen mit fünf Punkten: "Erstens er hat in seiner Jugend wohl schwere Fehler gemacht, das auch zugestanden." Zweitens habe er sich entschuldigt und Reue gezeigt. "Drittens: Ein Beweis jedoch, dass er das Flugblatt verfasst oder verbreitet hat, gibt es bis heute nicht, dagegen steht seine ganz klare Erklärung, dass er es nicht war. Viertens: Seit dem Vorfall von damals gibt es nichts Vergleichbares. Fünftens: Das Ganze ist in der Tat 35 Jahre her. Kaum einer von uns ist heute noch so wie er mit 16 war", erklärte der Ministerpräsident.

Aus der bayerischen Opposition kam heftige Kritik an Söders Entscheidung. SPD-Landeschef Florian von Brunn sprach von einem "traurigen Tag für das Ansehen von Bayern in Deutschland und der Welt". Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, Söder habe "einen schlechten Deal für unser schönes Bayern gemacht".

Auch Bundespolitiker kritisierten Söders Entscheidung. Sie sei "keine gute", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) der dpa. Und mit Blick auf Aiwanger: "Sich als Jugendlicher möglicherweise zu verlaufen, ist das eine, sich als verantwortlicher Politiker zum Opfer zu machen und der Inszenierung wegen an den demokratischen Grundfesten zu rütteln, ist das andere." Da sei eine Grenze überschritten.

Bundesinnenministerin Faeser, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Nachbarland Hessen antritt, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): "Herr Söder hat nicht aus Haltung und Verantwortung entschieden, sondern aus schlichtem Machtkalkül." Der Umgang mit Antisemitismus dürfe keine taktische Frage sein. "Herr Aiwanger hat sich weder überzeugend entschuldigt noch die Vorwürfe überzeugend ausräumen können." Stattdessen erkläre er sich "auf unsägliche Weise" selbst zum Opfer. Dabei denke er "keine Sekunde an diejenigen, die noch heute massiv unter Juden-Feindlichkeit leiden". Faeser weiter: "Dass Herr Söder dies zulässt, schadet dem Ansehen unseres Landes."

Dachau

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, legte Aiwanger einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahe. "Es wäre jetzt ein gutes Zeichen, wenn er nicht nur das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden, sondern auch mit den Gedenkstätten in Bayern sucht und deren wichtige Arbeit stärkt", sagte Klein dem RND. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte: "Er muss Vertrauen wiederherstellen und deutlich machen, dass seine Aktionen demokratisch und rechtlich gefestigt sind."

Dass Söder aktuell an Aiwanger festhält, dürfte insbesondere mit der Landtagswahl am 8. Oktober zusammenhängen. Auch wenn CSU und Freie Wähler ihre Koalition fortsetzen wollen, hatte Söder zuletzt gesagt, Koalitionen hingen "nicht an einer einzigen Person". Und: "Es geht mit oder ohne einer Person im Staatsamt ganz genauso." Die Freien Wähler stehen jedoch fest zu ihrem Vorsitzenden.

Bei Wahlkampfauftritten wurde Aiwanger auch am Sonntag ungeachtet der Affäre teils kräftig gefeiert. Bei einem Auftritt in Grasbrunn sagte er: "Ich freue mich, dass wir politisch weiterarbeiten können, und in diesem Sinne arbeite ich für Bayern weiter."

"Kampagne"

Söder wies Mutmaßungen zurück, er habe auch aus Angst vor einem Solidarisierungseffekt von Wählern mit Aiwanger so gehandelt. "Angst ist für mich kein Maßstab", sagte er im ZDF-Sommerinterview. "Mir ging es einfach um Fairness."

Er nahm Aiwanger gegen Kritik an dessen Klagen über eine angebliche "Schmutzkampagne" in Schutz: Dieser befinde sich spürbar in einer persönlichen Ausnahmesituation. "Da würde ich jetzt auch nicht jedes Wort und auch jede Emotion auf die Goldwaage legen", sagte der CSU-Politiker.

Bildunterschrift: Zentralratspräsident Josef Schuster.

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Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:

Knobloch: Warum ich Aiwangers Entschuldigung nicht angenommen habe

04.09.2023 - 07.42 Uhr

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern äußerte sich am Montag im Deutschlandfunk.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat eine Entschuldigung von Hubert Aiwanger im Zusammenhang mit einem Hetzflugblatt in seiner Schulzeit abgelehnt. Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister und Bundesvorsitzender der Freien Wähler, habe sich bei ihr gemeldet, sagte Knobloch am Montag im Deutschlandfunk.

"Ich habe (seine) Entschuldigung nicht angenommen, und das ist das, was ich von Aiwanger momentan halte." Was der Politiker bis jetzt gesagt habe, sei in ihren Augen "eine sehr negative Aussage".

Landtagswahl

Knobloch betonte jedoch, die Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Aiwanger nicht aus dem Amt zu entlassen und die Koalition der CSU mit den Freien Wählern und ihm persönlich fortzusetzen, sei "aus politischen Gründen zu akzeptieren".

Aiwanger hätte im Fall einer anderen Entscheidung Söders seine Entlassung ausgenutzt, um im Wahlkampf zu punkten. "Das wäre die noch größere Katastrophe gewesen", meinte Knobloch.

Weiter sagte sie: "Ich verstehe den Ministerpräsidenten sehr gut, er hat politisch entschieden, und man hat genau gehört aus seinen Reden, mit welcher Abscheu er diese Entscheidung getroffen hat, und da stehe ich vollkommen hinter ihm."

Man stehe in Bayern "vor entscheidenden Wahlen", und es habe die Gefahr bestanden, dass Aiwanger die Affäre zu seinen Gunsten ausgenutzt hätte, so die IKG-Präsidentin - "was er ja schon begonnen hat, was ja mehr oder weniger jetzt in seinen Worten gestern zum Vorschein kam".

Die 90-Jährige fügte hinzu: "Aiwanger ist Aiwanger, wir werden ihn nicht erziehen." Söder habe richtig entschieden. Zwar habe Aiwangers Schule damals nicht richtig gehandelt, aber dies liege in der Vergangenheit, so Knobloch. Wichtiger sei der Blick nach vorn. "Es gibt nämlich noch eine Gegenwart und eine Zukunft, nicht nur in Bayern, sondern in der Bundesrepublik."

Appell

Am Sonntag hatte Knobloch in einer schriftlichen Erklärung in Bezug auf Aiwanger erklärt: "Er muss Vertrauen wiederherstellen und deutlich machen, dass seine Aktionen demokratisch und rechtlich gefestigt sind. Die Türen der jüdischen Gemeinschaft waren für ihn immer offen."

Inwieweit es Aiwanger gelingen werde, die Vorwürfe, die noch im Raum stehen, zu entkräften, müsse sich nun zeigen. "Für uns waren die vergangenen Tage eine enorme Belastung. Der Vorfall hat gezeigt, welche Schäden Extremismus in der Gesellschaft anrichten kann, und ich erneuere meinen dringenden Appell, Erinnerungsarbeit gerade bei jungen Menschen stärker zu verankern. Das war vor 36 Jahren nötig, und das ist es heute immer noch."

Bayerns Ministerpräsident hatte zuvor in München mitgeteilt, seinen wegen der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt umstrittenen Vize Aiwanger im Amt zu belassen. Söder legte Aiwanger zugleich nahe, zur Aufarbeitung und zum Beleg ernsthafter Reue Gespräche mit jüdischen Gemeinde zu suchen. Er ergänzte, vor seiner Entscheidung habe er mit Knobloch und auch mit Josef Schuster gesprochen, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Söder erklärte, die Flugblatt-Affäre habe die bayerische Regierungskoalition zweifellos belastet. Gleichwohl gebe es bis heute keinen Beweis, dass Aiwanger das Pamphlet verfasst habe. Dieser habe sich zudem glaubhaft für anderes Fehlverhalten in der Jugend entschuldigt.

Die "Süddeutsche Zeitung", die mit ihren Berichten die Affäre um Aiwanger ins Rollen gebracht hatte, nahm Charlotte Knobloch ausdrücklich in Schutz. "Für mich ist klar: Man kann einer Zeitung keinen Vorwurf machen, wenn sie drängende Themen, die an sie herangetragen werden, an die Öffentlichkeit bringt. Das gilt für mich auch in diesem Fall." (mth/kna)

Bildunterschrift: Charlotte Knobloch bei der "DLD Munich Conference" im Januar 2023.

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Jüdische Allgemeine Online, 04.09.2023:

Antisemitismus-Forscher: Söders Entscheidung ist "verheerend"

04.09.2023 - 05.27 Uhr

Wolfgang Benz: Aiwanger hat nichts gelernt und schickt unter Druck seinen Bruder vor.

Der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Wolfgang Benz, hat die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsdient Markus Söder (CSU) zu Hubert Aiwanger als verheerend kritisiert.

"Es bestürzt mich als Bürger, wie wenig sich Aufklärung durchsetzt", sagte Benz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Montag). "Söders Entscheidung ist schwierig bis verheerend. Ob das eine Zäsur ist, werden wir nach der Landtagswahl wissen."

Er vermute allerdings, dass Aiwanger, der bayerischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident ist, eher Stimmen gewinnen als verlieren werde.

Benz fügte hinzu: "Dieses antisemitische Flugblatt und die offensichtlich rechtsextremistischen Aktivitäten Aiwangers würde ich als Jugendsünden abtun, wenn er sich gleich klar dazu geäußert und seiner Scham Ausdruck verliehen hätte. Doch er hat nichts gelernt und schiebt unter Druck seinen Bruder vor."

Aus Sicht des Wissenschaftlers hat sich der Chef der Freien Wähler auch durch seine öffentlichen Auftritte wie zuletzt in Erding in die Nähe von Querdenkern gebracht. "Das ist zusammen genommen ein so starkes Stück, dass ich Aiwanger nicht mehr an der richtigen Stelle sehe." (kna)

Bildunterschrift: Entscheidung vertagt: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (r.) und sein Vize Hubert Aiwanger.

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Westfalen-Blatt, 04.09.2023:

CSU-Chef: Entlassung wegen Flugblatt-Affäre wäre unverhältnismäßig - SPD: Machtkalkül / Bayern: Söder hält an Aiwanger fest

München (dpa). Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält trotz der Vorwürfe rund um ein 35 Jahre altes antisemitisches Flugblatt an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fest. Eine Entlassung wäre aus seiner Sicht nicht verhältnismäßig, sagte Söder am Sonntag in München. Der CSU-Chef übte allerdings Kritik an Aiwangers Krisenmanagement.

Söder beteuerte zugleich, an der Koalition mit den Freien Wählern festhalten zu wollen. "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben." Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die in Hessen Ministerpräsidentin werden will, hielt Söder vor, aus "schlichtem Machtkalkül" heraus zu handeln. In Bayern sind in fünf Wochen Landtagswahlen - wie auch in Hessen.

Die bayerische Staatsregierung veröffentlichte am Sonntag unmittelbar nach der Pressekonferenz die von Söder gestellten 25 Fragen an Aiwanger sowie dessen Antworten. Gegen den Freie Wähler-Chef waren seit mehr als einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte.

Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. Gleichzeitig ging der Freie Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei. Den Fragenkatalog beantwortete Aiwanger dann bis Freitagabend schriftlich.

Söder sagte nun, er habe zudem ein langes Gespräch mit seinem Vize geführt. Aiwangers Krisenmanagement sei "nicht sehr glücklich" gewesen. Dieser hätte die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen, sagte Söder. Die Entschuldigung und Distanzierung Aiwangers sei zwar spät, aber nicht zu spät gekommen. Nun müsse Aiwanger verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und etwa Gespräche mit jüdischen Gemeinden suchen, forderte Söder. Der Ministerpräsident erklärte, es sei um schwere Vorwürfe gegangen. Das Flugblatt sei "besonders eklig, widerwärtig, menschenverachtend und absoluter Nazi-Jargon". Er habe genau abgewogen und ein faires Verfahren finden wollen. Ihm sei wichtig gewesen, nicht allein auf Grund von Medienberichten entscheiden und keine Vorverurteilung vornehmen zu wollen, betonte Söder.

Medienberichten zufolge soll Aiwangers früherer Deutschlehrer seit längerem die Enthüllung des Hetzpamphlets geplant haben. Offenbar kandidierte er auch für die SPD.

Bildunterschrift: Markus Söder (CSU, rechts), lässt Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nicht fallen.

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