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Neue Westfälische - Zeitung für das Lübbecker Land , 25.05.2023 :

Offene Debatte über Ulderup angeregt

Die NS-Vergangenheit des erfolgreichen Stemweder Unternehmers Jürgen Ulderup sorgt für Diskussionen / Die SPD legt einen Vorschlag für das weitere Vorgehen vor

Stemwede (-sl-). Jürgen Ulderup (1910 bis 1991) war ein erfolgreicher Unternehmer, der im heutigen Stemwede für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgte. Ulderup gehörte aber auch der NSDAP an und war Betriebsführer in den Zitt-Werken bei Zittau. In jenem Rüstungsbetrieb wurden auch Zwangsarbeiter eingesetzt. Wie mit Ulderup umgehen - zumal in Stemwede eine Schule auch nach ihm benannt ist? Nach einem Bürgerantrag befasst sich die Politik mit dem Thema. Auch bei der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Senioren am heutigen Donnerstag, 25. Mai, ab 17 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Oppendorf beraten die Politiker.

Die SPD Stemwede hatte sich in einer Stellungnahme bereits dafür ausgesprochen, die Causa Ulderup ehrlich und ohne wenn und aber aufzuarbeiten. Vorschnelle Urteile in die eine oder andere Richtung würden sich verbieten, hatte Jonas Schmidt mitgeteilt, Vorsitzender der SPD Stemwede und der SPD-Ratsfraktion.

Was aus Sicht der SPD heute nicht mehr zeitgemäß ist

Nun haben sich die Sozialdemokraten Gedanken darüber gemacht, wie eine Auseinandersetzung mit Ulderups Vergangenheit im Nationalsozialismus und der Würdigung seiner Verdienste in der Gemeinde Stemwede aussehen könnte.

Die Recherche zum Thema zeige, dass vergleichbare Themen aktuell wieder verstärkt diskutiert würden, teilte Jonas Schmidt mit. Die Alfred Krupp Stiftung habe aktuell eine Studie in Auftrag gegeben, die sich besonders auch mit dem unternehmerischen Wirken Alfred Krupps von Bohlen und Halbach nach 1951 vor dem Hintergrund seiner Mitwirkung an Verbrechen in der Nazi-Zeit befassen solle.

Zu beachten sei dabei, dass es beim Thema Jürgen Ulderup nicht um die Kontinuität eines Unternehmens im Übergang von Nazi-Diktatur zur Bundesrepublik gehe, sondern um einen Ingenieur in leitender Funktion, der in den Jahren des Wiederaufbaus ein eigenes Unternehmen gegründet habe, heißt es in der von Jonas Schmidt übersandten Mitteilung der SPD.

Die beiden Beispiele sollten nur andeuten, dass es offensichtlich nicht nur in Stemwede einen neuen Bedarf an klärenden Debatten gebe. Die Verstrickung in Verbrechen der Nazi-Diktatur und die Würdigung von unternehmerischen Verdiensten in der Bundesrepublik bleibe ein wichtiges Thema.

Es sollte aus Sicht der SPD zunächst unabhängig von der Frage der Namensgebung einer Stemweder Grundschule betrachtet werden.

In Großbritannien und den USA habe der postkoloniale Blick das Unternehmerbild erkennbar angekratzt. Medienwirksam würden Denkmäler vom Sockel geholt. Schmidt in der SPD-Mitteilung: "Was geschieht bei uns mit historischen Unternehmerbildern? Weder schlichte moralische Verurteilungen noch sich einfach wiederholende Würdigungen sind hier zeitgemäß." Wichtig wäre es, Raum für eine öffentliche Debatte dieser Fragestellungen zu schaffen.

Denkbar wäre aus Sicht der SPD eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Ulderup-Stiftung, die an einem Samstagvormittag mit Vorträgen und Diskussion dazu Gelegenheit gäbe. Die Autorin und die Autoren Michael Kamp, Ina Deppe und Robert Kieselbach hätten mit der Biografie "Jürgen Ulderup (1910 bis 1991), Manager, Unternehmer und Stifter" im Jahr 2018 eine wichtige Grundlage geschaffen. Michael Kamp oder ein anderer Vertreter des Unternehmens, das dieses Buchprojekt betreut hat, könnten laut SPD-Überlegungen in diese Biografie einführen und wichtige Aspekte hervorheben.

Das sollte ergänzt werden durch einen Beitrag eines unabhängigen Historikers, der die Fragestellung in aktuelle Debatten einordnet und vergleichbare Beispiele aufzeigt.

Bildunterschrift: Am ZF-Standort Dielingen erinnert ein Museum an die Entwicklung von den Lemförder Metallwaren hin zum ZF-Standort. Holger Klein, bis 2018 Leiter der ZF-Division Pkw-Fahrwerktechnik, erläuterte damals die Ausstellung - und in der ist auch ein Bild von Jürgen Ulderup zu sehen. Ulderup legte den Grundstein für die Lemförder Metallwaren und heutige ZF-Sparte am Dümmer.

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Neue Westfälische Online, 26.04.2023:

Stemweder Unternehmer Jürgen Ulderup: Seine Rolle in der NS-Zeit wirft Fragen auf

26.04.2023 - 09.58 Uhr

NS-Vergangenheit

Jürgen Ulderup machte sich um die wirtschaftliche Entwicklung Stemwedes verdient. Er hat den Grundstein für die Lemförder Metallwaren und heutige ZF-Sparte am Dümmer gelegt.

Joern Spreen-Ledebur

Stemwede. Nach Jürgen Ulderup ist in Stemwede eine Straße benannt. Sie befindet sich in Dielingen im Bereich des Werks der ZF Friedrichshafen AG. ZF ist größter Arbeitgeber in Stemwede und Keimzelle von ZF in der Dümmer-Region sind die Lemförder Metallwaren. Ulderups Namen trägt auch die Grundschule in Haldem. Das hinterfragt nun ein Bürger und jetzt sind Politik, Schule und Ulderup-Stiftung gefragt. Es geht um Ulderups Rolle während der Nazi-Zeit.

Die Lemförder Metallwaren hatte nach dem Krieg Ingenieur Jürgen Ulderup (1910 bis 1991) gegründet. Das Wirken von Jürgen Ulderup und seiner Frau Irmgard wird auf beiden Seiten der Landesgrenze in Ehren gehalten. Die Ulderup-Stiftung, eine der größten in Niedersachsen, engagiert sich für Wissenschaft und Naturschutz. Zudem hält sie Anteile an der ZF Friedrichshafen AG.

ZF ist ein bedeutender Zulieferer der Autoindustrie. Allein am Standort Dielingen, der Zentrale der ZF-Division Pkw-Fahrwerktechnik sowie ein Standort der Nutzfahrzeug-Sparte arbeiten rund 2.000 Menschen.

Warum die Zitt-Werke wichtig waren

Jürgen Ulderup hatte aber auch eine Vergangenheit, über die auf beiden Seiten der Landesgrenze nicht wirklich oft gesprochen wird. Nun aber werden die Stemweder Politik und die Ulderup-Stiftung darüber reden müssen. Es geht um die Rolle Jürgen Ulderups in der NS-Diktatur und es geht um das Thema Zwangsarbeit.

Während der Bürgerfragestunde in der Ratssitzung trug Stemwedes Bürgermeister Kai Abruszat ein Schreiben von Ulrich Hegerfeld aus Westrup vor. Darin verweist Hegerfeld auf die Benennung der Grundschule Haldem nach Irmgard und Jürgen Ulderup.

Jürgen Ulderup aber sei Mitglied der NSDAP und der Reiter-SS gewesen, merkte Hegerfeld an. Zudem sei Jürgen Ulderup Manager in der Rüstungsindustrie gewesen.

KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie

Ulderup war für die Junkers-Werke in Dessau tätig und auch in den Zitt-Werken im damaligen Zittauer Stadtteil Großporitsch. In dem auf dem Ostufer der Lausitzer Neiße liegenden heutigen polnischen Ort Porajow gründeten die Junkers-Werke einen Standort, um hier Flugzeugmotoren unter anderem für die Ju 87 (Stuka) oder die Ju 88 zu bauen.

Jürgen Ulderup war in den Zitt-Werken als so genannter Betriebsführer tätig. Das entspricht dem Geschäftsführer. Eingesetzt wurden hier auch Häftlinge aus dem Konzentrationslager Groß-Rosen. Darauf verweist in seinem Schreiben Ulrich Hegerfeld. Neben KZ-Häftlingen seien auch weitere Zwangsarbeiter in den Zitt-Werken eingesetzt worden.

Die Verdienste Ulderups später um die Wirtschaft sind aus Sicht Hegerfelds das eine, die Benennung einer Schule das andere. "Die Benennung einer Schule nach Ulderup ist diskussionswürdig", teilte der Westruper mit, der an der Bürgerfragestunde nicht persönlich teilnehmen konnte.

Wie es weitergehen soll

Zu dem Thema soll sich der Rat nun eine Meinung bilden. Das Schreiben Hegerfelds soll nach einem Vorschlag des Bürgermeisters zur Beratung und der Bitte um Stellungnahme an die Fraktionen des Rates, an die "Mitwirkungs-Organe" der Schule und an die Ulderup-Stiftung übermittelt werden. Liegen die Stellungnahmen vor, sollen sie im Bildungsausschuss beraten werden.

Bildunterschrift: Am ZF-Standort Dielingen erinnert ein Museum an die Entwicklung von den Lemförder Metallwaren hin zum ZF-Standort. Holger Klein, bis 2018 Leiter der ZF-Division Pkw-Fahrwerktechnik, erläuterte damals die Ausstellung - und in der ist auch ein Bild von Jürgen Ulderup zu sehen.

Bildunterschrift: Auch die Montessori Grundschule Haldem ist nach Irmgard und Jürgen Ulderup benannt. Das sorgt nun für Diskussionen.

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Am 25. Mai 2023 erörterte die Gemeinde Stemwede (Ausschuss für Bildung, Jugend, Senioren) - die Rolle des Unternehmers Jürgen Ulderup in der NS-Zeit - NSDAP, "Reiter-SS" - Manager in der Rüstungsindustrie.

Am 24. April 2023 befasste sich der Rat der Gemeinde Stemwede, "Bürgerfragestunde", mit der Rolle des Unternehmers Jürgen Ulderup in der NS-Zeit (NSDAP, Reiter-SS, sowie Manager in der Rüstungsindustrie).

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https://stemwede.ratsinfomanagement.net


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