3 Artikel ,
14.08.2022 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Deutschlandfunk, 14.08.2022:
Vor 75 Jahren verkündet / Die Urteile im KZ-Buchenwald-Hauptprozess
MiGAZIN, 14.08.2022:
Olympia-Attentat-Gedenken / Regierung bedauert Absage der Angehörigen
MiGAZIN, 14.08.2022:
"Unser Schmerz ist groß" / Gedenkfeier in Dortmund für den von Polizei erschossenen Jugendlichen
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Deutschlandfunk, 14.08.2022:
Vor 75 Jahren verkündet / Die Urteile im KZ-Buchenwald-Hauptprozess
Im Hauptprozess gegen 31 Täter und Verantwortliche im NS-Konzentrationslager Buchenwald wurden am 14. August 1947 die Urteile verkündet. Vorausgegangen war eine straff geführte Verhandlung - unter für die Zeugen unerträglichen Zuständen.
Von Bernd Ulrich
"In Dachau begann vor einem amerikanischen Militärgerichtshof unter dem Vorsitz von General Kiel der Prozess gegen SS-Angehörige, Ärzte und das Personal des Konzentrationslagers Buchenwald."
Vier Monate Verhandlung
So der Rundfunkbericht zum Beginn des Buchenwald-Hauptprozesses am 11. April 1947. Er fand im einstigen Konzentrationslager Dachau statt. Unter den 31 Angeklagten befand sich erstmals auch ein Höherer SS– und Polizeiführer. Der Prozess stieß auf ein starkes Medienecho. Bereits unmittelbar nach Ende der viermonatigen Verhandlungen bemerkte der sozialdemokratische, bayerische Staatsminister des Innern, Josef Seifried:
"Ich kann nur sagen, dass die viermonatliche Dauer dieses Verfahrens eindeutig und klar erwiesen hat, dass man mit allem Ernst und aller Vorsicht zu Werke gegangen ist, um ein gerechtes Urteil zu finden."
Zeugen von angeklagten SS-Männern "betreut"
Zwar vermochte die Verhandlungsführung unter dem amerikanischen Ein-Sterne-General Emil C. Kiel zu überzeugen. Doch die zum Prozess geladenen Zeugen sahen sich mit unhaltbaren Zuständen konfrontiert. Der Zeuge Ludwig Gehm, sozialdemokratischer Widerstandskämpfer und Buchenwald-Häftling, berichtete, dass er und andere von in Dachau internierten SS Männern "betreut" wurden:
"Mit mir ist ein Pole darin gekommen, wie der die Leute gesehen hat, hat der am ganzen Körper nur so gezittert. Der konnte überhaupt nicht mehr sprechen. Der hat doch gedacht, das sind doch dieselben wieder, das sind die Gleichen."
So durften sich die Angeklagten zunächst wie die Herren im Haus fühlen, erinnerte Ludwig Gehm: "Großspurig, die sind da reinmarschiert und haben den einen oder anderen gekannt von uns und haben den ganz frech angelacht. Die Lagerführer, Lagerkommandant, und aber auch solche, die besonders geprügelt und getötet haben."
Und geprügelt und gemordet wurde viel in Buchenwald bei Weimar. Über 56.000 Menschen aus 30 Nationen waren ums Leben gekommen, darunter über 8.000 russische Kriegsgefangene in extra errichteten Genickschuss-Anlagen. Hinzu kamen fast 12.000 Juden, politisch Verfolgte, meist Sozialdemokraten und Kommunisten, Roma und nicht zuletzt Schwule und Lesben.
Massenmord-Instrument Todesmärsche
Circa 27.000 Frauen aus aller Herren Länder wurden in Außenlagern gequält und ausgebeutet. Zigtausende wurden noch auf den von der SS organisierten Todesmärschen ermordet oder starben ermattet am Wegesrand. Dennoch war es schwierig, die Taten im Einzelnen nachzuweisen. Ludwig Gehm schilderte, wie er ins Kreuzverhör genommen wurde:
"Ich hab ausgesagt gegen den Lagerführer Schober. Da hab‘ ich zugesehen, wie er auf der Lagerstraße einen Juden totgeschlagen hat. Und dann soll man aussagen, wann war das, zu welchem Tag, zu welchem Zeitpunkt, wer war da dabei, wer hat das gesehen. Ich hab‘ sechs Stunden auf dem Podium gesessen, sechs Stunden im Kreuzverhör, ich war nachher fertig, ich wusste nachher beinah nicht mehr, wo ich wohn‘."
Der Fall Ilse Koch
Dennoch gelang es den amerikanischen Anklagevertretern in vielen Fällen, einigen Tätern einen konkreten Tatbeitrag und persönliche Schuld nachzuweisen. Im Mittelpunkt standen indessen nur Straftaten, die seit Kriegsbeginn 1939 an Bürgern oder Angehörigen der alliierten Streitkräfte begangen worden waren. Deutsche Täter sollten von deutschen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden, so der Plan. Verwirklicht werden konnte das eher selten. Eine Ausnahme bildete der Fall Ilse Koch, deren Sadismus ihren Ruf als "Kommandeuse von Buchenwald" begründet hatte. Als Ehefrau des ersten Buchenwald-Kommandanten Karl Otto Koch, der wegen erwiesener Korruption kurz vor der Befreiung in Buchenwald hingerichtet worden war, hatte sie sich aktiv an Verbrechen beteiligt - und wusste natürlich von nichts:
"Ich war Hausfrau und Mutter der Kinder und habe in dem Konzentrationslager nichts zu tun. Und mein Mann hat mir nie etwas erzählt."
Am 14. August 1947 verkündete das Gericht die Urteile im Buchenwald Hauptprozess: Von den 31 Angeklagten wurden 22 zum Tode verurteilt und neun von ihnen kurz darauf gehängt. Vier Täter mussten für zehn bis 20 Jahre ins Gefängnis, fünf Angeklagte lebenslang. Darunter auch die einzige weibliche Angeklagte, Ilse Koch. Freilich wurde sie bereits kurz darauf schon wieder freigelassen, dann allerdings auf Anordnung der amerikanischen Behörden vor ein deutsches Gericht gestellt und 1951 zu lebenslanger Haft verurteilt - in der sie sich später das Leben nahm. Der durch den Prozess erhoffte Effekt der Aufklärung und Reflexion in der deutschen Bevölkerung endete freilich noch früher.
Bildunterschrift: Wusste von nichts - Ilse Koch - die wegen ihres Sadismus gefürchtete Ehefrau von KZ-Buchenwald-Kommandant Karl Koch bei ihrer Aussage im Dachauer Buchenwald-Prozesses.
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MiGAZIN, 14.08.2022:
Olympia-Attentat-Gedenken / Regierung bedauert Absage der Angehörigen
14.08.2022 - 19.00 Uhr
Der Konflikt zwischen der Bundesregierung und den Hinterbliebenen der Opfer des Terror-Attentats von 1972 in München auf die israelische Olympia-Mannschaft hat nun zur Absage der Angehörigen für die Gedenkfeier geführt. Die Regierung bedauert das. Spaenle bringt eine Absage der Gedenkfeier ins Spiel.
Die Bundesregierung hat die Entscheidung der Angehörigen der Opfer des Münchner Olympia-Attentats bedauert, der geplanten Gedenkveranstaltung fernzubleiben. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Freitag in Berlin, die Regierung bedauere die Absage und ebenso, dass es bisher nicht gelungen sei, zu einem Konsens über weitere Anerkennungsleistungen zu kommen. Die Gedenkfeier soll in München stattfinden. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympia-Mannschaft in München jährt sich am 5. September zum 50. Mal.
Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle hat angesichts der Situation eine Absage der Gedenkfeier ins Spiel gebracht. "Man muss ernsthaft prüfen, ob die Gedenkfeier nach der Absage der Hinterbliebenen noch stattfinden kann", sagte Spaenle dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland": "Sie darf nicht zur Groteske verkommen."
Zentralrat bedauert Absage
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bedauert die Absage der Hinterbliebenen. "Die Bemühungen der deutschen Seite sind in meinen Augen anzuerkennen. Ich hatte gehofft, dass es zu einer Einigung kommen würde", sagte er den Zeitungen des "RedaktionsNetzwerks".
Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sein Bedauern über die Entscheidung der Angehörigen. "Ich bin der Auffassung, dass die Bundesregierung den Angehörigen und Hinterbliebenen des Olympia-Attentats ein faires Angebot gemacht hat", sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Er betonte, dass es für die Bundesregierung "handlungsleitend" sei, das Leid der Opfer anzuerkennen. "Deswegen würde ich mich freuen, wenn es doch noch zu einer Verständigung mit den Opfer-Familien käme", sagte er.
Angebotssumme "beleidigend"
Regierungssprecher Hebestreit erklärte, in Hinblick auf die Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen und die tiefen Verletzungen der Angehörigen durch den grausamen Anschlag in München halte die Bundesregierung eine Neubewertung des Umgangs mit den Ereignissen damals für erforderlich. Dazu zähle auch die Bereitstellung weiterer Anerkennungsleistungen. Er betonte, dass die Bundesregierung mit den Hinterbliebenen im Gespräch bleiben wolle. Details wollte Hebestreit nicht nennen.
Ende Juli hatte der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, den Angehörigen in Tel Aviv eine Entschädigung angeboten, deren Summe von diesen als "beleidigend" bezeichnet und abgelehnt worden war. Den Opfer-Familien zufolge geht es insgesamt um eine Summe von zehn Millionen Euro für alle Hinterbliebenen, wobei ihren den Angaben zufolge frühere Zahlungen aus 1972 und 2002 von rund viereinhalb Millionen Euro angerechnet werden sollen. Die Leistungen sollen der Bund, das Land Bayern und die Landeshauptstadt München übernehmen. Laut Bundesinnenministerium sieht das Angebot der deutschen Seite auch eine umfassende Aufarbeitung durch eine deutsch-israelische Historiker-Kommission und eine Öffnung der Archive vor.
Opfer-Beauftragter: Deutschland trägt Verantwortung
Der Bundes-Opfer-Beauftragte Pascal Kober (FDP) mahnte eine einvernehmliche Lösung an. Er sagte dem Nachrichtenmagazin Spiegel: "Deutschland trägt eine politische Verantwortung, der wir uns stellen müssen, auch und insbesondere im Hinblick auf das einzigartige Verhältnis zu Israel." Er wisse, dass es unterschiedliche Sichtweisen gebe, auch unter den Angehörigen der Opfer. Doch wünsche er sich, dass eine Lösung gefunden werde, "die die Interessen aller Beteiligten bestmöglich vereint", sagte Kober.
Bei den Olympischen Sommerspielen im München im Jahr 1972 überfielen am 5. September palästinensische Terroristen die israelische Mannschaft, töteten zwei Menschen und nahmen neun Sportler als Geiseln. Sie verlangten von Israel die Freilassung von palästinensischen Terroristen und von Deutschland die Freilassung der RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Ein Befreiungsversuch der Geiseln durch deutsche Sicherheitsbehörden scheiterte. Am Ende starben alle Geiseln, ein bayerischer Polizist und fünf Terroristen. (epd/mig)
Bildunterschrift: Erinnerungsort Olympia-Attentat in München.
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MiGAZIN, 14.08.2022:
"Unser Schmerz ist groß" / Gedenkfeier in Dortmund für den von Polizei erschossenen Jugendlichen
14.08.2022 - 21.00 Uhr
Rund 500 Menschen haben in Dortmund bei der Trauerfeier für den durch die Polizei erschossenen 16-jährigen Mouhamed D. Anteil genommen. Die Redner warnten vor Schuldzuweisungen und forderten Aufklärung.
Von Michael Bosse
Etwa 500 Menschen haben am Freitag bei einer Trauerfeier in einer Dortmunder Moschee des von einem Polizisten erschossenen 16-jährigen Flüchtlings gedacht. Dortmund sei "in tiefer Trauer erschüttert", sagte Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) im Innenhof der Abu-Bakr-Moschee. Bis auf einzelne Zwischenrufe blieb es während der Ausführungen ruhig. Die Stimmung unter den Anwesenden war eher durch Trauer gekennzeichnet, weniger durch Wut oder Frustration.
Der Dortmunder Oberbürgermeister, dem die Erschütterung anzuhören war, erinnerte an das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Stadt: "Wir müssen jetzt zusammenstehen", auch wenn er wisse, dass nach dem Vorfall vom Montag "einige das Vertrauen verloren" hätten. Zugleich erinnerte das Stadtoberhaupt an die "schwere Schicksalssituation", in der sich der getötete Jugendliche befunden habe. Bei der Flucht aus dem Senegal sei bereits dessen gesamte Familie getötet worden, nun habe auch der Junge sein Leben verloren.
"Unser Schmerz ist groß"
"Unser Schmerz ist groß, denn ein Mensch unter uns ist getötet worden", sagte der Vorsitzende des Rats der muslimischen Gemeinden in Dortmund, Ahmad Aweimer, am Sarg mit dem Toten. Zugleich warnte er vor "Schuldzuweisungen" in Richtung der Polizei. Der Sachverhalt, der zum Tode des 16-jährigen Mouhamed geführt habe, müsse "lückenlos aufgeklärt" werden.
Der Imam des in Dortmund ansässigen Vereins für die Entwicklung der afrikanischen Kultur, Abduramane Djaló, sprach auf Arabisch das Gebet für den Toten. Er appellierte an die Verantwortlichen der Politik, "alles dafür zu tun, dass die Wahrheit ans Licht kommt und Gerechtigkeit herrscht". Die Schuldigen müssten "gerecht bestraft werden".
"Stunde der aufgewühlten Gefühle"
Als Vertreter der benachbarten christlichen Gemeinden redeten Pfarrer Friedrich Stiller, Leiter des Referats für Gesellschaftliche Verantwortung beim Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, und Ansgar Schocke, Pfarrer der katholischen Pfarrei Heilige Dreikönige. Pfarrer Stiller sprach von einer "Stunde der aufgewühlten Gefühle". "Das ist eine Tragödie, die uns bewegen muss!", mahnte er. Der Dialog zwischen den Religionen und den Kulturen sei nun "nötiger als vorher".
Nach der Trauerfeier zogen einige Teilnehmer in die Innenstadt, wo auf dem Friedensplatz eine Demonstration gegen Polizeigewalt und Rassismus stattfand. Begleitet von Polizeifahrzeugen erklang unter anderem der Ruf "Justice for Mouhamed".
Forderungen nach "vollständiger Aufklärung"
Eine "vollständige Aufklärung" mahnte am Freitag auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland an. "Wir erwarten im Sinne der Gerechtigkeit und des Friedens in der Stadt vollständige Aufklärung", forderte der Vorsitzende Aiman Mazyek in Köln. "Trotz Trauer und auch Wut darf es aber keine Vorverurteilung der Polizei geben und wir alle warten zunächst die Untersuchungsergebnisse ab."
Was mit der Leiche des 16-Jährigen passiert, muss nach Angaben von Ahmad Aweimer noch geklärt werden. Derzeit sei man noch auf der Suche nach Angehörigen. Werden die nicht gefunden, soll der Jugendliche im islamischen Bereich des Dortmunder Hauptfriedhofes beigesetzt werden. (epd/mig)
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