6 Artikel ,
13.01.2022 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Guy Stern / Einer der letzten "Ritchie Boys"
Blick nach Rechts, 13.01.2022:
Dem Tod davongelaufen / Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen
MiGAZIN, 13.01.2022:
Geschichtsvergessen / Porajmos-Überlebende 82-jährigen Sintezza droht Wohnungspfändung
MiGAZIN, 13.01.2022:
"Einwanderungsland" / Faeser kündigt Aktionsplan gegen Rechtsextremismus an
Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Bayern / Schoa-Verharmlosung: Justiz ermittelt gegen AfD-Politiker
Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Debatte / Die CDU geht auf Distanz zu Maaßen
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Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Guy Stern / Einer der letzten "Ritchie Boys"
13.01.2022 - 17.53 Uhr
Der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler wird am 14. Januar 100 Jahre alt
Von Marko Martin
Günther Stern aus Hildesheim ist 15 Jahre alt, als er 1937 in die Vereinigten Staaten kommt. Jahrzehnte später, inzwischen bereits ein renommierter Germanist namens Guy Stern, entdeckt er, wem er diese Rettung auch verdankt: jenem Konsul in Hamburg, der - anders als viele seiner damaligen Kollegen - zum Glück kein Antisemit und Roosevelt-Hasser gewesen war.
Visum
Das Visum, das Sterns Leben rettet und ihn via New York nach St. Louis zu seinem Onkel und dessen Frau bringt, rettet indessen nur das eigene Leben. Die Eltern, Großeltern und Geschwister werden den Holocaust nicht überleben; nach Kriegsbeginn gibt es eine letzte Nachricht aus Warschau, danach verlieren sich die Spuren.
Zuvor aber hatte der Vater noch dafür gesorgt, dass der Sohn beizeiten gutes Englisch erlernt. In der Schule nach 1933 als Jude diskriminiert, war für den jungen Günther ein privater Tutor gefunden worden. Es sind existenzielle Erfahrungen wie diese, die aus Guy Stern jenen illusionslosen und gleichzeitig erzsympathischen Universitäts-Intellektuellen gemacht haben, auf den Hans Sahls schönes Diktum nahezu perfekt zutrifft: "Gescheit sein und gütig, und nie das eine ohne das andere."
Eine menschenfreundliche Gewitztheit, die ihm nach der Ankunft in den Vereinigten Staaten als Café-Kellner ebenso half wie kurz darauf als Redakteur einer Schülerzeitung, der bei einer Lesung Thomas Manns mit konzisen Fragen für ein paar Momente sogar die herandrängenden amerikanischen Reporter aussticht. "In diesem Moment habe ich noch nicht ahnen können, dass ich Jahrzehnte später mit dem Lieblingsenkel von Thomas Mann, dem damals noch nicht geborenen Frido, in Verbindung stehen würde."
Militär
Sterns soeben auf Deutsch erschienene Autobiografie trägt den Titel "Wir sind nur noch wenige", doch bezieht sich dies auch auf seine ehemaligen Mitstreiter im Militär. Zuerst noch als Armee-Freiwilliger ob seines deutschen Akzents abgelehnt, wurde er nämlich zu einem jener "Ritchie Boys", die im US-Camp Ritchie in Maryland eine Geheim-Ausbildung für psychologische Kriegsführung und Gefangenen-Befragung erhielten.
Darunter auch bereits prominente Autoren: Klaus Mann, Hans Habe, Stefan Heym. Letzteren, der zu dieser Zeit an seinem Weltkriegsroman Of Smiling Peace schrieb, erwähnt Stern sogar namentlich; eine besondere Nähe scheint sich jedoch nicht ergeben zu haben.
Dafür sind dann Sterns Schilderungen von der Landung in der Normandie von einer Intensität, die sich mit den vergleichbaren Szenen in Heyms Autobiografie "Nachruf" durchaus messen können.
Ehrenlegion
Was er danach bei der Befragung hochrangiger Nazi-deutscher Gefangener erfährt - und späterhin recherchiert über deren Freisprüche in der Bundesrepublik -, wie er mit Marlene Dietrich im Jeep unterwegs ist, mit dem legendären "Bronze Star" ausgezeichnet wird und schließlich 2017 sogar Aufnahme in die französische Ehrenlegion findet: Guy Stern erzählt von alldem eindringlich, ohne je ins Schwadronieren zu geraten.
Mitunter scheint er sich selbst zu wundern, was ihm alles gelungen ist - die Karriere an diversen US-Universitäten, das erfolgreiche Engagement für die Erforschung der deutschen Exilliteratur, der über Jahrzehnte gehaltene Kontakt zu seinen ehemaligen Studenten.
Dabei ist Stern jedoch viel zu modest und präzis, um sich als "modernen Hiob" zu bezeichnen: Die durch Zufall wiedergefundenen Cousins wiegen selbstverständlich den Verlust seiner Familie ebenso wenig auf wie seine überaus erfüllte Ehe den frühen Tod seines Sohnes.
Exil-PEN
Und doch ist Stern einer, der mit tapferem Lächeln just immer wieder dieses "Und doch" sagt. Nicht zuletzt in der Nachfolge des 2019 verstorbenen Günter Kunert als Präsident des ehemaligen Exil-PEN.
Heute setzt sich die Organisation als "PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland" unter der ermutigenden Ägide Guy Sterns stets für verfolgte ausländische Kollegen ein. Am 14. Januar wird Guy Stern 100 Jahre alt. In diesem Sinne: Happy Birthday, Mister President!
Der Autor ist Mitglied des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland und arbeitet in dessen Menschenrechtskomitee "Writers in Prison« mit.
Guy Stern: "Wir sind nur noch wenige. Erinnerungen eines hundertjährigen Ritchie Boys". Aus dem Amerikanischen von Susanna Piontek. Aufbau, Berlin 2022, 304 S., 23 Euro.
Bildunterschrift: "Ich schaue nach vorn und hoffe, dass die Welt etwas gelernt hat": Guy Stern in der D-Day-Gedenkstätte in Sainte-Mère-Église.
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Blick nach Rechts, 13.01.2022:
Dem Tod davongelaufen / Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen
Von Thomas Unglaube
75 Jahre nach seiner Abfassung erscheint jetzt der anrührende und zugleich ermutigende Bericht einer jungen Französin über ihre Flucht vor den Nazi-Schergen im April 1945 endlich auch auf Deutsch.
Suzanne Maudet war Anfang Zwanzig, als sie im Sommer 1944 wegen ihrer Tätigkeit für die französische Résistance in Paris verhaftet und zunächst in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verschleppt wurde. Wenig später kam sie dann in ein Außenlager des KZ Buchenwald in Leipzig-Schönefeld, wo sie zusammen mit etwa 5.000 Mitgefangenen Waffen für die deutsche Wehrmacht produzieren musste.
Als Mitte April 1945 das Lager aufgelöst wurde und die Häftlinge auf einen der berüchtigten Todesmärsche geschickt wurden, beschlossen Maudet und acht weitere junge Frauen zu fliehen. Liest man mit dem heutigen Wissen um die Verbrechen der Nationalsozialisten und die chaotischen Zustände der letzten Kriegstage diesen bereits 1945 / 1946 verfassten Bericht über die geglückte Flucht der neun Frauen, so erstaunt der ruhige, bisweilen ironische Erzählton.
Unterstützung von deutschen Soldaten und Zivilisten
Während Gräueltaten von SS-Leuten allenfalls kurz und wenig detailliert beschrieben werden, nimmt die Schilderung der achttägigen Flucht im April 1945 breiten Raum ein. Eingehend wird dargestellt, wie sich die Flüchtenden gegenseitig unterstützen, sich verstecken, Lebensmittel beschaffen und Unterkünfte organisieren.
Dabei wird deutlich, dass der Zusammenhalt der Frauen - sie sind zwischen 18 und 32 Jahre alt, sechs sind Französinnen, zwei Niederländerinnen, eine stammt aus Spanien, alle sind politische Häftlinge - eine wesentliche Voraussetzung ihres Überlebens ist. Und es wird gezeigt, dass die Geflohenen immer wieder auf deutsche Soldaten und Zivilisten treffen, die ihnen helfen, indem sie ihnen etwas zu essen geben, Unterschlupf gewähren oder sie auch nur nicht verraten.
Erst 2004 veröffentlicht
Natürlich kann das die Verbrechen der Deutschen nicht aufwiegen; es zeigt aber, dass es selbst unter extremen Bedingungen möglich war, menschlich zu handeln, nicht Teil einer verbrecherischen Mordmaschinerie zu werden.
Suzanne Maudets Bericht wird durch Anmerkungen, eine informative Einleitung der Übersetzerin Ingrid Scherf sowie ein Nachwort von Verwandten der Autorin ergänzt. Beide Texte enthalten nicht nur wichtige Details zur Biografie Maudets; sie erläutern auch, warum dieser bereits kurz nach Kriegsende verfasste Bericht erst 2004 in Frankreich erschien.
Suzanne Maudet: Dem Tod davongelaufen. Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen, Berlin / Hamburg: Assoziation A 2021, 127 S., ISBN 978-3-86241-488-8.
Bildunterschrift: Cover: Dem Tod davongelaufen. Wie neun junge Frauen dem Konzentrationslager entkamen.
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MiGAZIN, 13.01.2022:
Geschichtsvergessen / Porajmos-Überlebende 82-jährigen Sintezza droht Wohnungspfändung
13.01.2022 - 05.23 Uhr
"Child Survivor" werden sie heute genannt: Kinder, die den Holocaust überlebten. Die Geschwister Lehmann waren fünf lange Jahre der NS-Verfolgung im besetzten Polen ausgesetzt, nun muss die letzte noch Lebende der Geschwister um ihre Wohnstätte in Augsburg fürchten.
Von Maria Anna Willer
Monika K. kam 1940 in Krakau auf die Welt, zwei Monate nachdem ihre Eltern mit ihren Kindern von Frankfurt am Main in das von der Deutschen Wehrmacht besetzte Polen deportiert wurden. Sie wuchs versteckt in den Wäldern, in Lagern und Ghettos auf. 1945, nach der Befreiung aus der nationalsozialistischen Verfolgung kam die Familie zuerst nach Nördlingen und siedelte sich dann in Augsburg an. Die Eltern erwarben Grundstücke von der Stadt und bauten mit ihren Kindern und deren Ehepartnern darauf Eigenheime. Die Friedensstadt Augsburg wurde für Monika K. und ihre Geschwister zum Heimatort. Nun droht die Zwangsversteigerung.
Die kleine Siedlung liegt im Norden Augsburgs. Es sind Bungalows, erbaut in den 1970er Jahren - "Stein auf Stein eigenhändig, von den Großeltern Jakob und Franziska Lehmann und ihren Kindern", erklärt Georg. Z. Dicht daneben stehen schon die mehrgeschossigen Häuser im Augsburger Stadtteil Gersthofen. Die Grundstücksflächen der Porajmos-Überlebenden wären ideales Baugebiet für mehrstöckige Bauten, das erkennt das merkantile Auge auf den ersten Blick. Doch "verkaufen? Nein, nie!" ist die spontane Reaktion von Erika R., deretwegen die Zwangsversteigerungen nun drohen.
"Mein Elternhaus bedeutet für mich alles, nie könnte ich es verkaufen, alle diese kleinen Häuser hier sind Zeichen für das Überleben meiner Familie im Nationalsozialismus", erklärt die heute 68-jährige Nichte von Monika K. Das "Elternhaus" bot Erika R. den nötigen Schutz, war der Halt in einer Welt, in der Sinti auch nach dem Ende der NS-Herrschaft Menschen zweiter Klasse waren. Es war der kleine Flecken Erde, der Sicherheit und Geborgenheit garantierte.
Die drohende Zwangsversteigerung hat ihre Ursache vor zwölf Jahren. Damals, 65 Jahre nach dem Ende der NS-Verfolgung, kam es in Augsburg zur Razzia der Steuerfahndung, von der vor allem Angehörige der Sinti betroffen waren. Viele Angehörige der Familie K. wurden inhaftiert. Der Schrotthandel stellte als Nischengewerbe einen traditionellen Erwerbszweig unter der Minderheit dar. Der Razzia folgte damals eine Pressekampagne, die antiziganistische Züge aufweist.
Die folgende Verurteilungswelle am Landgericht Augsburg betraf auch die Geschäftsführerin der Firma K., Erika R. war der Umsatzsteuer-Unterschlagung angeklagt. Als die damals 58-Jährige nach zwei Jahren Haft entlassen wird, steht sie auf der Straße - das Finanzamt Augsburg hatte ihr Wohnhaus zwangsversteigert, nur zwei Monate vor ihrer Entlassung. Das war 2012. Der Schock saß tief. Und jetzt stehe wieder ein Pfändungseintrag bevor, wegen der gleichen Steuerschuld, die 2010 zur großen Verhaftungswelle führte, erklärt ihr Ehemann Georg Z.
Steueranwälte blockieren Klärung der Steuerschuld
Das Ehepaar versuche seit Jahren die Klärung der damaligen Steuerschuld, auch die Klärung der Erlöse aus den Zwangsversteigerungen beim Finanzamt Augsburg, bisher ohne Ergebnis. "Wir wollen die Steuerschuld begleichen, warten auf ein Vergleichsangebot." Doch bereits der zweite Steueranwalt, der das Mandat mit Vorschusszahlungen erhielt, verzögert die Klärung oder legt das Mandat nieder, weil er keine Aussicht auf Erfolg einer Klage beim Finanzgericht mehr sehe. Der heutige Rentner Georg Z. glaubt, dass das Finanzamt die Firma K. in die Insolvenz treiben möchte, damit mögliche Unrechtmäßigkeiten bei den erhobenen Umsatzsteuerschulden und den daraus folgenden Verurteilungen nicht zur Aufklärung kommen können.
"Es ging 2010 um rund 400.000 Euro Steuerschuld. Deswegen wurden europaweit mindestens hundert Menschen inhaftiert", erklärt er. 16 Menschen wurden als Mittäter der Steuerhinterziehung verurteilt, so steht es in der Urteilsbegründung des Haupttäters Georg. Z.
Eine Wende bringt der damals mitverurteilte Franc S., slowenischer Metallhändler. Dessen Anwalt hatte im Jahr 2021 eine Überprüfung der ursprünglich festgesetzten Steuerschuld erreicht. Die neue Summe beträgt rund ein Viertel der festgelegten Steuerschuld von 2010.
Georg Z. verbindet mit der Neuberechnung die Hoffnung, dass die Aufklärung nun beginnt, denn die Verhaftungswelle der Schrott- und Metallhändler von 2010 sei ein großes Unrecht an vielen Unternehmern und Privatpersonen gewesen. "Menschen sind daran gestorben, große Betriebe wurden ruiniert, teilweise allein auf Grund der begleitenden Pressekampagne", behauptet Georg. Z. Auch um die ehemaligen Geschäftspartner zu rehabilitieren, kämpfe er weiter für die Aufdeckung dieses Justizfalls, an dem nach seiner Meinung Antiziganismus und Rassismus mitverantwortlich waren.
Mehrere Porajmos-Überlebende der Familie erlebten die Großrazzia im Januar 2010 und die Inhaftierung von nahen Verwandten mit. Monika K. will nicht darüber reden, zu traumatisierend sind die Erinnerungen. Für Georg Z. ist Aufklärung lebensnotwendig, die Minderheiten-Verbände und die Politik sei gefragt: "Unsere Kinder und Enkel haben sonst nie eine Chance in diesem Land."
Bildunterschrift: Monika K. liest im Buch "Wir sind stolz Zigeuner zu sein" von Angela Bachmair. Die Biografie handelt von ihrer Cousine Anna Reinhardt, die wie Monika M. die Deportation 1940 vom Sammellager Hohenasperg ins besetzte Polen erleben musste und das Überleben in den Wäldern, den Lagern und Ghettos beschreibt. Monika K. erkennt viele Personen auf den Fotos.
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MiGAZIN, 13.01.2022:
"Einwanderungsland" / Faeser kündigt Aktionsplan gegen Rechtsextremismus an
13.01.2022 - 05.24 Uhr
Die größte Gefahr für die Demokratie geht laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser vom Rechtsextremismus aus. Bis Ostern will sie einen Aktionsplan vorgehen. Außerdem auf der Agenda: sichere Fluchtwege, "damit das Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende hat".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen. Das kündigte Faeser am Mittwoch im Bundestag an. Die Bundesregierung habe alle extremistischen Bedrohungen im Blick. "Aber die größte Gefahr für die Demokratie ist der Rechtsextremismus", sagte die Ministerin. Deshalb habe dessen Bekämpfung besondere Priorität. Zu den ersten Maßnahmen soll nach ihren Worten auch das seit Jahren von der SPD geforderte Fördergesetz von Demokratie-Initiativen gehören.
Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) werde sie eine "verlässliche Grundlage" schaffen, kündigte Faeser an. Solch ein Gesetz soll die dauerhafte Finanzierung von Initiativen, Zentren und Projekten sichern, die sich gegen Extremismus engagieren, Aufklärungsarbeit oder politische Bildung leisten. Derzeit werden solche Projekte in der Regel nur befristet finanziert. Auch erfolgreiche Projekte stehen damit regelmäßig vor dem Aus. Ein Demokratie-Fördergesetz für eine verlässliche Finanzierung kam in der vergangenen Wahlperiode wegen des Widerstands großer Teile der Union in der Großen Koalition nicht mehr zustande.
Faeser warnte in ihrer ersten Rede vor dem Parlament vor dem Einfluss von Rechtsextremisten bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. "Die kämpfen nicht gegen Corona, die kämpfen gegen unsere Demokratie", sagte Faeser. Sie rief Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen dazu auf, sich von Extremisten abzugrenzen.
Faeser will legale Fluchtwege schaffen
Im Bereich der Migrations- und Asylpolitik zählte Faeser im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen auf. Deutschland sei ein Einwanderungsland "und wir sagen das auch deutlich", sagte die Innenministerin. Es solle jetzt ein besseres Integrationsland werden.
Der humanitären Verantwortung wolle die Bundesregierung durch die Schaffung legaler Fluchtwege gerecht werden, sagte sie, "damit das Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende hat". Bis Freitag stellen sich alle Ministerinnen und Minister der seit Dezember amtierenden Bundesregierung mit ihrem Arbeitsprogramm dem Bundestag vor. (epd/mig)
Bildunterschrift: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
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Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Bayern / Schoa-Verharmlosung: Justiz ermittelt gegen AfD-Politiker
13.01.2022 - 14.20 Uhr
Auf Facebook verglich ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Partei die Corona-Maßnahmen mit den NS-Pogromen gegen Juden 1938
Andreas Franck, der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Justiz und Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in München, hat gegen einen AfD-Kommunalpolitiker ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Verharmlosung des Holocaust eingeleitet.
Vergleich
Das bestätigte Franck der "Süddeutschen Zeitung". In seiner Donnerstags-Ausgabe berichtete das Blatt, die Wohnung des Dachauer AfD-Kreisvorsitzenden sei am Mittwochmorgen von Beamten des Staatsschutzes der Kriminalpolizei durchsucht worden.
Der AfD-Politiker war im Juli 2021 als Nachrücker in den Bundestag eingezogen, hatte bei der Wahl im September den Wiedereinzug ins Parlament aber nicht mehr geschafft. Von 2017 bis 2021 war er Mitarbeiter eines anderen AfD-Bundestagsabgeordneten.
Der Beschuldigte zieht in einem Facebook-Post am 6. Dezember 2021, der nach wie vor öffentlich zugänglich ist, einen Vergleich zwischen der Lage der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus und der von ungeimpften Menschen in der Corona-Pandemie. Dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder hält er vor, nach Nazi-Manier einen "Volkszorn" auf Ungeimpfte zu entfesseln.
Facebook
Der AfD-Politiker schreibt, 1938 sei der "Volkszorn" nicht so spontan ausgebrochen, wie die nationalsozialistische Propagandamaschinerie das behauptet habe. Und weiter: "Aktuell wird nach bekanntem Muster ein Sündenbock für das katastrophale Politik-Versagen der Regierenden gesucht, und Söder hat ihn gefunden. Es ist der "Ungeimpfte"."
In einem Videoclip im gleichen Post zieht der AfD-Politiker einen Vergleich zwischen dem US-Präsidenten Joe Biden und dem NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Am Ende fordert er, "Widerstand" zu leisten. Für seinen Beitrag hat der 50-Jährige mehr als 3.500 Likes erhalten.
Oberstaatsanwalt Franck sagte der "Süddeutschen Zeitung", in den betreffenden Äußerungen sei eine Relativierung des Holocaust erkennbar, was den Straftatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch erfülle. (mth)
Bildunterschrift: Wahlplakat der Partei Alternative für Deutschland zur Landtagswahl in Bayern.
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Jüdische Allgemeine Online, 13.01.2022:
Debatte / Die CDU geht auf Distanz zu Maaßen
13.01.2022 - 11.07 Uhr
Die Kritik am Ex-Verfassungsschützer wächst
Von Patrick Gensing
Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, steht zunehmend unter Druck. Die CDU-Führung ging am Montag auf Distanz zu ihrem Parteimitglied. "Wir distanzieren uns klar von den Inhalten, die er in Sozialen Netzwerken geteilt hat. Und wir weisen sie aufs Schärfste zurück", sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach Beratungen von Präsidium und Bundesvorstand. Dies sei einhellige Meinung gewesen.
Ziemiak zufolge gilt dies für Äußerungen gegen das Impfen in der Corona-Pandemie. Zum anderen gelte es für das Teilen von Inhalten von Sucharit Bhakdi - "einen durch seine Aussagen offensichtlichen Antisemiten", sagte der CDU-Generalsekretär. "Auch das verurteilen wir aufs Schärfste, distanzieren uns. Das hat mit CDU und CDU-Politik oder -Positionen nichts, aber auch gar nichts zu tun."
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte dieser Zeitung: "Mit seiner Haltung bewegt sich Maaßen meines Erachtens nicht mehr im demokratischen Spektrum. Er hat in den Sozialen Medien die Positionen von Leuten unterstützt, die Verschwörungsmythen und Antisemitismus verbreiten." Es sei daher "notwendig, dass sich die CDU als demokratische Partei klipp und klar von ihm distanziert".
Stereotype
Fachleute attestierten Maaßen bereits im Sommer, antisemitische Stereotype zu verbreiten. So sagte Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, dem ARD-Magazin Kontraste: "Das sind für mich klassische antisemitische Stereotype, die benutzt werden bei Herrn Maaßen, wenn man die Summe aller Dinge zusammennimmt, auch auf den unterschiedlichen Sozialen Plattformen, aber auch in eigenen Reden. Da gibt’s eigentlich nichts Entlastendes mehr zu bemerken."
Besonders auffällig in diesem Kontext ist eine Verschwörungslegende, derzufolge die Corona-Pandemie entweder inszeniert sei oder zumindest instrumentalisiert werde, um eine neue Weltordnung umzusetzen. "Great Reset" oder "Große Transformation" sind dabei die zentralen Begriffe, die in den entsprechenden Milieus als Codes verstanden werden.
Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger erklärte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen dazu, die Verschwörungserzählung des "Great Reset" erinnere an eine "Neuauflage" der Erzählungen um eine NWO - der New World Order. Diese Verschwörungserzählung wiederum hat ihren Ursprung in den Mythen um eine vermeintliche jüdische Weltregierung. Solche Mythen gebe es schon lange, so Holnburger, sie setzen auf "antisemitische Codes und Stereotype"; genutzt würden diese vor allem von Rechtsextremen.
Covid-19
Erst Ende Dezember sprach Maaßen erneut von einer "Großen Transformation", als er in einem Interview bei einem rechtspopulistischen Medienprojekt hinter Fehlern bei der Pandemie-Bekämpfung Absicht vermutete: Politiker verhielten "sich nicht nur dumm", so Maaßen, sie verfolgten Ziele. Im Folgenden verwies er auf eine angeblich geplante "Große Transformation"; Covid solle als "Vorwand" genutzt werden, um den Staat autoritärer zu gestalten und den Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollten.
Dieses Interview bewarb Maaßen auf der Plattform GETTR - ein Twitter-Klon, der von einem ehemaligen Trump-Berater gegründet wurde und auf dem sich Anhänger des Ex-US-Präsidenten, Fans von Brasiliens Präsident Bolsonaro sowie Rechtsradikale aus Europa tummeln. Hier teilte Maaßen auch ein Video des bei "Querdenkern" und Corona-Leugnern populären Bhakdi, lobte es als bewegenden Appell "zur dringenden Notwendigkeit eines Covid-Impf-Verbots". Auf mehrfache Nachfragen dieser Zeitung zu den Äußerungen reagierte Maaßen nicht.
Der Immunologe Carsten Watzl erklärte hingegen zu Bhakdis Ausführungen über angebliche schwere Nebenwirkungen von Impfungen, dies sei unwissenschaftlicher Unsinn.
Kritik
Maaßen steht also nicht nur wegen der Verbreitung von Bhakdis teilweise schlicht falschen Behauptungen über die Impfungen in der Kritik, sondern auch, weil dieser Professor im Ruhestand mehrfach mit Holocaust-Vergleichen für Aufsehen sorgte. So brachte er Impf-Kampagnen in Israel mit der Schoa in Verbindung.
"Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie", sagte der von Maaßen gelobte Bhakdi in Bezug auf Juden. "Aber sie haben das Böse jetzt gelernt und umgesetzt, und deswegen ist Israel jetzt living hell - die lebende Hölle."
Diese Äußerungen zogen Ermittlungen nach sich. Der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, die Ermittlungen in der Sache liefen derzeit noch.
Die CDU-Politikerin Karin Prien, Mitglied des Vorstands der Partei, hatte angesichts der Kommentare von Maaßen bereits dessen Ausschluss aus der Partei gefordert. Andere Spitzen der Partei hielten sich hingegen zurück, wollten das Problem Maaßen offenbar aussitzen. Erst jetzt geht die Führung der CDU deutlich auf Distanz. Einen Ausschluss strebt sie aber nicht an. Zumindest bislang.
Bildunterschrift: Ehemaliger CDU-Direktkandidat in Südthüringen und Ex-Bundesverfassungsschutz-Präsident: Hans-Georg Maaßen.
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