www.hiergeblieben.de

Mindener Tageblatt , 24.11.2021 :

Buch kommt später

Veröffentlichung zur Ahnenstätte Seelenfeld erst 2022

Oliver Plöger

Petershagen. Zunächst hatte Corona die Veröffentlichung der 2019 in erster Fassung vorgelegten Studie zur Ahnenstätte Seelenfeld nach hinten verschoben. Dann war es laut Stadt die Korrekturlesung, die nun doch etwas länger gedauert habe.

Dass die Zeit drängt, weiß auch Detlev Scheumann aus der Stadtverwaltung, die das Buch in Zusammenarbeit mit dem Mindener Geschichtsverein herausgeben will. "Ich weiß, dass alle auf das Buch warten", sagte Scheumann im Ausschuss für Kultur- und Heimatpflege.

Insgesamt gebe es drei Korrekturlesungen. Für die Verzögerung gebe es aber noch weitere Gründe. "Allein das Layout dauert seine sechs bis acht Wochen. Wir sind jetzt so weit, dass das Buch wahrscheinlich um Ostern herum kommt", sagte Scheumann. Die Frage, ob es eine öffentliche Vorstellung oder die Vorstellung des Buches im kommenden Jahr im Ausschuss für Kultur- und Heimatpflege geben wird, konnte Detlev Scheumann noch nicht beantworten.

Keinesfalls habe die Verzögerung politische Gründe, machte Peter Kock als Vorsitzender des Geschichtsvereins Minden deutlich - die Redigierarbeit finde sehr gewissenhaft statt und habe in diesem Fall einfach länger gedauert. "Das ist bei guten Dingen so", sagte Kock. Aktuell gehe es auch noch um die Bildauswahl.

Das Buch soll in der Reihe "Mindener Beiträge" als Band 32 erscheinen. Erneut steht damit ein Thema aus Petershagen im Vordergrund der Reihe: Der Historiker Dr. Arno Herzig hatte in der Auflage 2012 über "Jüdisches Leben in Minden und Petershagen" geschrieben.

Was die Ahnenstätte in Seelenfeld betrifft, sind die ersten Forschungsergebnisse, auf denen auch die geplante Veröffentlichung beruht, bereits seit 2019 auf www.petershagen.de im Internet einsehbar.

Zuvor waren die beiden Historiker Thomas Lange und Dr. Karsten Wilke von der Stadt Petershagen beauftragt worden, Licht in das Dunkel der Vergangenheit der Ahnenstätte zu bringen. Dabei sollten auch die Bezüge zu aktuellen rechtsextremen Gruppen aufgearbeitet werden.

Bekannt ist, dass bis in die jüngere Vergangenheit Treffen rechtsextremer Gruppen auf dem Friedhof stattgefunden haben. Der Journalist Julian Feldmann hat als Erster darüber berichtet. Die im Anschluss an die Veröffentlichung von 2019 aufgetauchten allgemeinen Quellen, so Lange, hätten einen Bezug nach Ostwestfalen-Lippe, speziell gehe es um Akten der damaligen "Geheimen Staatspolizei", kurz Gestapo. Sie sollen auch im Buch Thema sein.

Bildunterschrift: Wie ist die Ahnenstätte Seelenfeld in Vergangenheit und Gegenwart einzuordnen? Darum soll es im Buch gehen, das im kommenden Jahr erscheint.


Copyright: Texte und Fotos aus dem Mindener Tageblatt sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

_______________________________________________


Mindener Tageblatt, 25.02.2021:

Gestapo-Akten als Quelle

Die Stadt Petershagen will in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein Minden ein Buch zur Ahnenstätte Seelenfeld herausgeben. Vorab gibt es neue Erkenntnisse.

Oliver Plöger

Petershagen-Seelenfeld. Die Stadt Petershagen will in Zusammenarbeit mit dem Mindener Geschichtsverein ein Buch zur Ahnenstätte Seelenfeld herausgeben. Die enthaltenen Informationen zu Geschichte und Gegenwart der durch einen Trägerverein geführten Friedhofsstätte basieren auf der im Dezember 2019 vorgelegten Studie der Historiker Thomas Lange und Dr. Karsten Wilke. Die geplante Veröffentlichung soll aber neue Erkenntnisse enthalten, der Text werde noch einmal überarbeitet. So kündigte es Frank Quest aus der Sozial- und Schulverwaltung im Ausschuss für Kultur- und Heimatpflege an.

Bei den anstehenden Budgetberatungen sprach Quest von 6.000 Euro, die im laufenden Jahr für die "weitere Aufarbeitung der Angelegenheit Ahnenstätte" ausgegeben werden sollen. "Ursprünglich war eine Podiumsdiskussion im vergangenen März geplant", so Quest, der an den Ratsbeschluss vom Dezember 2019 erinnerte. Corona-bedingt habe die vorgeschlagene Diskussion nicht stattfinden können. Weiterer Punkt sei eine zusätzliche Publizierung des Beitrags "Die Ahnenstätte Seelenfeld in Petershagen 1929 bis 2019 - Eine Manifestation völkischer Ideologie im ländlichen Raum" gewesen. Seit etwa einem Jahr ist diese Studie bereits auf der Homepage www.petershagen.de einsehbar.

Die Tendenz der Studie werde sich laut Historiker Thomas Lange nicht verändern

An einer Publizierung in gedruckter Form habe der Geschichtsverein Minden schon länger Interesse signalisiert, so Quest. "Dabei wird nicht einfach nur das bisher Bekannte in Druckform gebracht, sondern es wird um neue Erkenntnisse verfeinert." In oder nach den Sommerferien sollte die Druckvariante vorliegen, so Quest, wobei es auch hier noch zu Verzögerungen durch Corona kommen könnte. Sinnvoll sei es auch, die ursprünglich geplante Podiumsdiskussion nachzuholen, dann auf Grundlage der vorliegenden Veröffentlichung.

Die Tendenz der Studie werde sich nicht verändern, so Thomas Lange gestern auf MT-Anfrage. In der Tat werde der Text aber für die Druckfassung noch einmal überarbeitet. Nach der Fassung, die im Dezember 2019 vorgelegt worden sei, seien noch einmal neue Quellen aufgetaucht, und zwar aus der Zeit im Nationalsozialismus, als der "Tannenbergbund" und das so genannte Deutschvolk verboten waren. In der Studie heißt es wörtlich: "Die Ortsgruppe des Tannenbergbundes wurde 1929 in Seelenfeld gegründet, seit Anfang 1930 gab es auch Mitglieder dieses Bundes, die Mitglieder im Deutschvolk e.V. waren, sie stellten den inneren ideologischen Kreis, der sich auch später bei der Gründung der Ahnenstätte Seelenfeld als Gründungsgeneration hervortun sollte." Die im Anschluss aufgetauchten allgemeinen Quellen, so Lange, hätten einen Bezug nach Ostwestfalen-Lippe, speziell gehe es um Akten der damaligen "Geheimen Staatspolizei", kurz Gestapo.

Aktuell seien die neuen Ergebnisse noch nicht veröffentlichungsreif, hieß es im Ausschuss. Das bekräftigte auch Detlev Scheumann als Leiter der Sozialverwaltung: Für die Publikation brauche es einen Vorsprung. "Ansonsten wird man das Buch ja kaum verkaufen können", so Scheumann.

In ihrem Abschlussbericht hatten Lange und Wilke die Ahnenstätte als Produkt der "Völkischen Bewegung" in der Zwischenkriegszeit eingeordnet. Um 1930 sollte eine religiöse Gegenwelt geschaffen werden. "Eine Art Enklave, die sich auf das Germanentum bezieht", so Lange. Die judenfeindliche Ideologie des Ex-Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff und seiner Frau Mathilde sei dabei "planvoll durchgesetzt" worden.

Nach wie vor gebe es auf dem Gelände Treffen rechtsextremer Akteure, bekannt zuletzt 2017. Karsten Wilke: "Die Ahnenstätte war, ist und bleibt problematisch." Vom Träger, dem Ahnenstätten-Verein Niedersachsen, habe es - trotz mehrerer Anfragen - keine Akteneinsicht gegeben, auch Anfragen durch das MT blieben unbeantwortet.

Bekannt geworden waren die Treffen Rechtsextremer vor vier Jahren durch den Journalisten Julian Feldmann aus Kiel. Mindener Geschichtsverein, Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen, LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim und der Verein "Minden - Für Demokratie und Vielfalt" luden zu einer aufklärenden Veranstaltungsreihe ein. Die Stadt engagierte später die beiden Historiker.

_______________________________________________


Mindener Tageblatt, 25.02.2021:

Petershagen / Stadt plant Buch zur Ahnenstätte Seelenfeld

Die Stadt Petershagen will in Zusammenarbeit mit dem Mindener Geschichtsverein ein Buch zur Ahnenstätte Seelenfeld herausgeben. Dabei werden auch Gestapo-Akten mit regionalen Bezügen analysiert. Das Buch soll im Sommer erscheinen.

Seite 9

_______________________________________________


roter Winkel (VVN-BdA), Juli 1992:

Die Karriere des Germanenfriedhofs

"Ahnenstätte Seelenfeld"

Von Jens Breder

In Seelenfeld steckt Geschichte. 1228 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, sorgte das beschauliche 340-Einwohner-Dorf nordöstlich von Petershagen im Kreis Minden-Lübbecke zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Schlagzeilen: 1914 wurden dort in einem altgermanischen Hügelgräberfeld Urnen aus der Bronzezeit entdeckt. Allerdings entschwand das Interesse an Seelenfeld ebenso schnell, wie es gekommen war.

Die "Karriere" des Hügelgräberfeldes indes endete nicht. Sie begann. 1930 schufen sich dort die Seelenfelder Anhänger des völkisch-germanisch- und antisemitischen "Tannenbergbundes" des Generals Erich Ludendorff ihren "sichtbaren Sammelpunkt" (so die "Mindener Heimatblätter" 1934). Den Friedhof gibt es heute noch. Auch wenn die naturbelassenen Findlinge mit Moos bewachsen, die Runen und die Grabsteininschriften verwittert sind, ist längst noch kein Gras über den Friedhof gewachsen. Einige Grabstellen sind frisch, immer wieder werden hier Bestattungen zelebriert.

Vieles weist darauf hin, dass Ludendorff-Anhänger für die stetige Belegung des Friedhofes sorgen. Zwar wird die Ahnenstätte inzwischen von einem "Ahnenstättenverein Niedersachsen e.V." verwaltet, der sich "als unpolitische Gemeinschaft von Heiden" sieht - der zuständige Ahnenstätten-Wart jedoch mag "indirekte Verbindungen" zur Nachfolgeorganisation des Tannenbergbundes, dem "Bund für Gotterkenntnis" nicht abstreiten. Des Weiteren tragen die Grabsteine Ortsangaben wie Ostpreußen, Pommern, Braunschweig - ganze "Sippen" aus dem gesamten Bundesgebiet lassen sich hier beerdigen.

Erich Ludendorff persönlich hätte gerne daneben gelegen. Der Hitler-Kumpan beim Putsch in München und Schirmherr des 1925 gegründeten Tannenbergbundes erklärte seinen Seelenfeldern Anhängern, dass er sich auf dem Gelände der Ahnenstätte begraben lassen wollte. Das allerdings war nicht im Sinne Adolf Hitlers: Der gab 1937, nach dem Tod des Generals, Order zum nationalsozialistischen Staatsbegräbnis in dessen Heimatort Tutzing. Dort ist inzwischen die "Weltanschauungsgemeinschaft Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." (Vorsitzender ist Dr. G. Duda) ansässig - eine rege Organisation (vgl. hierzu: "Ludendorffer tummeln sich in Ostwestfalen" in "roter Winkel" Nr. 17, sowie "Sonnenwendfeier der Ludendorff-Sekte" in dieser Ausgabe, d. Red.). In Seelenfeld selbst sind der Friedhof, die Ludendorff-Anhänger und ihre Geschichte allerdings kaum noch Gesprächspartner. Die Ahnenstätte wird brav geduldet, ist sonntägliches Ausflugsziel.

Das Friedhofsamt der Stadt Petershagen gibt sich tolerant: "Es hat noch nie jemand Anstoß daran genommen. Da geht es sehr unauffällig und in kleinem Rahmen vor sich." Auch dem zuständigen Pfarrer begegnet der betont heidnische Friedhof, dessen Wegzuführung sogar die Kreuzesform vermeidet, in seiner Arbeit "überhaupt nicht mehr". Das ging dem früheren Amtsinhaber Pastor Hof nicht so. Er führte Mitte der 20er Jahre ein "autoritäres Regiment", der Konflikt mit den Dorfbewohnern blieb nicht aus. Als der junge Ludendorff-Anhänger und Dorfschullehrer Peithmann kam, hatte er leichtes Spiel. Die Ideen des Tannenbergbundes (Kampf den überstaatlichen wie Christen-, Juden-, Freimaurertum und Marxismus) faszinierten die Seelenfelder, schon bald war die Einwohnerschaft in zwei Hälften gespalten: Tannenberger und Christen. Die Tannenberger gewannen an Einfluss, setzten die Errichtung der Ahnenstätte auf dem germanischen Hügelgräberfeld durch und konnten 1933 sogar einen Gemeindevorsteher ins Amt wählen. Der allerdings wurde vom damaligen NSDAP-Landrat nicht bestätigt. Kurz darauf wurde der Tannenbergbund verboten. Der Nationalsozialismus fraß einen seiner Wegbereiter.

Doch 1937 kam es zur bereinigenden Aussprache zwischen Mathilde Ludendorff und Adolf Hitler: Der Bund für Deutsche Gotterkenntnis wurde gegründet. Kein Wunder, schließlich waren die ideologischen Ansätze sehr eng verknüpft. So schrieb Mathilde Ludendorff 1937 in einem Aufsatz: "Mann und Frau als Schöpfer und Hüter der Sippe und die tüchtigsten Männer und Frauen als Hüter des Volkes, jeder den Segen seines Geschlechtes dem Volksganzen sichernd, so sieht die deutsche Gotterkenntnis die beiden Geschlechter im Volke und schafft hiermit erst wieder geweihte Sippe und ein deutsches, lebendiges und nicht mehr verjudetes Volk."

Bildunterschrift: Der Grabstein mit Sechskreuz auf dem Germanenfriedhof. Der Name Weecke ist im Lippischen gut bekannt. B. Weecke unterhält in Horn eine einschlägige Buchhandlung.

Bildunterschrift: Auch der Hoheitsadler des Tannenbergbundes findet sich auf dem Ahnenstätten-Friedhof Seelenfeld, eingeschnitzt über dem Zugang zum Geräteraum.

_______________________________________________


Am 12. Dezember 2019 stellte die Stadt Petershagen auf ihrer Homepage die Expertise: "Die Ahnenstätte Seelenfeld in Petershagen 1929 - 2019. Eine Manifestation völkischer Ideologie im ländlichen Raum" ein.

Am 25. November 2019 stellten die Historiker Thomas Lange sowie Dr. Karsten Wilke ihre Ausarbeitungen über die "Ahnenstätte Seelenfeld" (im Ausschuss für Kultur und Heimatpflege der Stadt Petershagen) vor.

_______________________________________________


www.petershagen.de/media/custom/2703_1609_1.PDF?1576144557

www.urbex-wege.de/friedh%C3%B6fe/ahnenst%C3%A4tte-seelenfeld/

www.synagoge-petershagen.de

www.facebook.com/synagoge.petershagen

www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen

www.mindener-geschichtsverein.de


zurück