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14 Artikel , 14.07.2021 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Jüdische Allgemeine Online, 14.07.2021:
USA-Reise / Österreichs Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Opfern

der Freitag Online, 14.07.2021:
Eine große, unbeugsame Antifaschistin

Jüdische Allgemeine Online, 14.07.2021:
Esther Bejarano / Trauerfeier in Hamburg geplant

Mitteldeutscher Rundfunk, 14.07.2021:
Staatsschutz ermittelt / Gräber auf Jüdischem Friedhof in Chemnitz geschändet

Süddeutsche Zeitung Online, 14.07.2021:
Experten-Kongress / "Es ist unser Auftrag und unsere Pflicht"

tagesschau.de, 14.07.2021:
Antisemitische Aussagen / Bhakdi, die Juden und das "Erzböse"

MiGAZIN, 14.07.2021:
Antiziganismus / Seehofer spricht sich für Staatsvertrag mit Sinti und Roma aus

Mitteldeutscher Rundfunk, 14.07.2021:
Anklage fordert Haftstrafen für Dresdner Stadtfest-Angreifer

Nordkurier Online, 14.07.2021:
Ausländerfeindliche Aktion / Polizei beschlagnahmt schwarzes Kreuz in Demmin

Berliner Zeitung Online, 14.07.2021:
Jan-Ulrich Weiß (46) / Brandenburger AfD schmeißt Gauland-Nachfolger raus

Der Tagesspiegel Online, 14.07.2021:
Gespräch mit der Zeitung "Deutsche Geschichte" / Berliner AfD-Chefin gerät nach Interview mit NPD-Bezug in Erklärungsnot

Berliner Zeitung Online, 14.07.2021:
In Berlin und Brandenburg / Polizei ermittelt gegen rechtsradikale Polizisten

Der Tagesspiegel Online, 14.07.2021:
Verdacht der Volksverhetzung / Durchsuchungen bei fünf Berliner Polizisten wegen rassistischer Chat-Botschaften

Welt Online, 14.07.2021:
Rechte Chat-Gruppe - Hinweis auf Verbindungen zu Anschlagsserie in Berlin-Neukölln

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Jüdische Allgemeine Online, 14.07.2021:

USA-Reise / Österreichs Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Opfern

14.07.2021 - 09.02 Uhr

Bundeskanzler Sebastian Kurz übergibt Nachfahren von Verfolgten des Nazi-Regimes Urkunden in New York

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat mehreren Nachfahren von NS-Opfern die Staatsbürgerschaft des Alpenlandes überreicht. Er sei geehrt, dass die Nachkommen bereit seien, die österreichische Staatsbürgerschaft in Empfang zu nehmen, sagte Kurz bei der Übergabe entsprechender Urkunden bei seinem Besuch am Dienstag in New York.

"Wir können nicht ändern, was Österreicher während des NS-Regimes begangen haben", sagte der Regierungschef dabei. Sein Land wolle aber ein verlässlicher Partner für die Hinterbliebenen von NS-Opfern sein. Die Staatsbürgerschaften gingen an fünf Nachkommen von während der Nazi-Zeit Geflüchteten sowie einer 92-jährigen Frau, die selbst in die Vereinigten Staaten hatte fliehen müssen.

Einbürgerung

Der Termin bei der ersten großen Auslandsreise von Sebastian Kurz seit Beginn der Corona-Pandemie steht in Zusammenhang mit einer neuen Regelung in Österreich: Seit September erleichtert diese die Einbürgerung von Nachkommen von NS-Verfolgten. Bis dahin konnten Nachfahren von Juden, politischen Gegnern des Nationalsozialismus und anderen Gruppen wie den Roma und Sinti die Staatsbürgerschaft nur erhalten, wenn sie von einem männlichen Opfer abstammten. Nun aber können Kinder, Enkel und Urenkel auch in der weiblichen Linie Österreicher werden.

Die neue Regelung stößt bei ihren Nachfahren auf großes Interesse. Zwischen September und Ende Juni gingen nach Angaben der zuständigen Stadt Wien knapp 13.700 Anträge ein - die meisten aus Israel, den USA und Großbritannien. Rund 7.900 Menschen wurde bereits die Staatsbürgerschaft zuerkannt. (dpa)

Bildunterschrift: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz.

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der Freitag Online, 14.07.2021:

Eine große, unbeugsame Antifaschistin

14.07.2021 - 15.00 Uhr

Esther Bejarano / Wie keine Zweite hat die Holocaust-Überlebende auf Kontinuitäten zwischen NS-Staat und BRD hingewiesen

Sebastian Friedrich

Esther Bejarano ist tot. Die Bestürzung darüber war groß - auch an der Spitze des Staates. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) würdigte die "Erinnerungsarbeit" der Holocaust-Überlebenden. Außenminister Heiko Maas (SPD) nannte sie eine "wichtige Stimme im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus". Und für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) war Bejaranos Tod ein "großer Verlust".

Die Kondolenzen klangen ehrlich. Und zugleich befremdlich, bedenkt man, wie hierzulande mit Antifaschistinnen, Antifaschisten wie Bejarano umgegangen wurde und wird. So etwa mit der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), deren Ehrenvorsitzende Bejarano war. 2019 wurde dem von Überlebenden und Widerstandskämpferinnen, Widerstandskämpfern gegründeten Verband die Gemeinnützigkeit entzogen. Bejarano kämpfte dagegen an, sie schrieb einen Brief an Finanzminister Olaf Scholz: "Das Haus brennt - und Sie sperren die Feuerwehr aus!" Auch wenn die VVN-BdA seit kurzem wieder als gemeinnützig gilt: Es bleibt ein Skandal, dass Bejarano an ihrem Lebensende auch diesen Kampf noch führen musste.

Der Vorgang bestätigte Bejaranos immer wieder vorgetragene Warnung, beim Antifaschismus dürfe man sich nicht auf den Staat verlassen. Das wurde ihr spätestens Ende der 1970er Jahre klar, als in Hamburg in der Nähe ihrer Boutique ein NPD-Stand aufgebaut wurde. Die Polizei kam - und ging nicht etwa gegen die Nazis, sondern gegen protestierende Gegendemonstrantinnen, Gegendemonstranten vor. Seitdem engagierte sich Bejarano bei der VVN-BdA. Später gründete sie das Auschwitz-Komitee mit, organisierte Demos gegen Rassismus und Faschismus. Sie protestierte aber auch gegen die Politik Israels, wo sie seit dem Kriegsende bis 1960 gelebt hatte.

Sie ließ sich nicht einschüchtern, als die Polizei sie 2004 bei einer Demo, wo sie im Lautsprecherwagen saß, minutenlang mit einem Wasserwerfer angriff. Und sie sprach bei der Großdemonstration gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Von der Aktivistin Bejarano war in den offiziellen Beileidsbekundungen wenig zu lesen.

Auch nicht davon, dass sie eine überzeugte Kommunistin war, die immer wieder Ärger mit jenen hatte, die vorgeben, die Verfassung zu schützen. Die VVN-BdA wird seit ihrer Gründung 1947 vom Verfassungsschutz als "linksextremistisch beeinflusste Organisation" beobachtet. Ebenso wie die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), in der Bejarano jahrzehntelang Mitglied war.

Nicht nur das: Esther Bejarano selbst war dem Verfassungsschutz verdächtig. In einer Schrift zum 60-jährigen Bestehen des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg wurde 2012 ein Appell erwähnt, den sie Ende der 1990er Jahre gemeinsam mit Peter Gingold verfasst hatte. Darin werden die nachfolgenden Generationen aufgefordert, sich für ein "dauerhaftes, antifaschistisches, humanes, freiheitliches Gemeinwesen" einzusetzen. Für den Verfassungsschutz offenbar suspekt. Nicht nur das: Dass Bejarano Auschwitz-Überlebende sei, wird in Anführungszeichen gesetzt.

Wer es wagt, nicht nur über die Gräueltaten der Nazis zu berichten, sondern auch Kontinuitäten zwischen dem NS und der BRD zu benennen, wer konsequent für Frieden und gegen Ungleichheit jeder Art kämpft, kann ins Visier geraten, selbst als Holocaust-Überlebende. Bejarano hat recht: Beim Antifaschismus darf man sich nicht auf den Staat verlassen.

Bildunterschrift: Esther Bejarano, 1924 - 2021.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.07.2021:

Esther Bejarano / Trauerfeier in Hamburg geplant

14.07.2021 - 11.30 Uhr

Die Zeitzeugin soll neben ihrem 1999 gestorbenen Ehemann beigesetzt werden

Für die KZ-Überlebende Esther Bejarano ist am Sonntag eine Trauerfeier in Hamburg geplant. Sie finde in der Kapelle auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf statt, sagte eine Sprecherin des Auschwitz-Komitees am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die Musikerin und Aktivistin war am Samstag nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben.

Stream

In der Kapelle gibt es laut Sprecherin nur Platz für 30 Menschen. Es sei aber eine Übertragung nach draußen geplant. "Alle Corona-Regeln müssen eingehalten werden", betonte sie. Anschließend werde Bejarano neben ihrem 1999 gestorbenen Ehemann beigesetzt.

Bejarano war Vorsitzende des Auschwitz-Komitees. Sie engagierte sich jahrzehntelang gegen Rechtsextremismus und Rassismus, wofür sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Sie überlebte den Holocaust, weil sie im Mädchenorchester von Auschwitz spielte. (dpa)

Bildunterschrift: Esther Bejarano.

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Mitteldeutscher Rundfunk, 14.07.2021:

Staatsschutz ermittelt / Gräber auf Jüdischem Friedhof in Chemnitz geschändet

14.07.2021 - 17.32 Uhr

Von MDR Sachsen

Auf dem Jüdischen Friedhof in Chemnitz sind drei Gräber geschändet worden. Wie die Polizei mitteilte, standen die drei Steine an den Gräbern jüdischer Kinder. Unbekannte hätten sie umgestoßen. Der Staatsschutz der Polizei hat die Ermittlungen übernommen. Mögliche Zeugen werden gebeten, sich bei der Polizei zu melden. Sie ermittelt wegen Störung der Totenruhe und Sachbeschädigung.

Jüdische Gemeinde fordert mehr Sicherheit für Friedhof

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz, Ruth Röcher zeigte sich bestürzt und traurig. "Ich frage mich, wer macht sowas", sagte Röcher MDR Sachsen.

"Wir brauchen eine bessere Sicherheit am Friedhof. Über den Zaun kann fast jeder klettern."
Ruth Röcher, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz

Es gebe jetzt Gespräche mit dem Freistaat und dem Landeskriminalamt über einen höheren Zaun und andere Sicherheitsmaßnahmen. Die meisten der 80 bis 100 Kindergräber seien schon einmal in der Zeit der Nationalsozialisten geschändet und die Grabsteine entwendet worden, so Röcher. Ein Handvoll sei geblieben und von diesen seien nun drei umgekippt worden: "Welchen Sinn hat das? Uns weh zu tun? Ich bin sprachlos".

Chemnitzer Bundestagsabgeordneter: Antisemitismus-Beauftragter nicht genug

Auch der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete und Stadtrat der FDP, Frank Müller-Rosentritt, forderte die Landesregierung auf, konsequent gegen Antisemitismus zu handeln. "Als jüdisches Leben noch nicht so sichtbar war wie heute, waren Angriffe gegen jüdische Friedhöfe das vornehmliche Ziel von Antisemiten", teilte Müller-Rosentritt mit. Diese Gewalt sei nie verschwunden, sie stehe heute neben dem Terror, dem Jüdinnen und Juden zusätzlich ausgesetzt seien.

"Besonders widerlich ist jedoch, dass es sich bei den geschändeten Grabsteinen scheinbar um Kindergräber handelt."
Frank Müller-Rosentritt, FDP-Bundestagsabgeordneter und Chemnitzer Stadtrat

Damit Jüdinnen und Juden sich in Sachsen sicher fühlen, brauche man ein konsequentes Vorgehen gegen jede Art von Antisemitismus, egal wie er sich äußere, so der Chemnitzer Stadtrat. Die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten durch die Landesregierung reiche nicht aus.

Jüdische Gemeinde Chemnitz

Die Jüdische Gemeinde in Chemnitz besteht seit 1875. Am 7. März 1899 wurde die Synagoge am Stephansplatz auf dem Kaßberg eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde über 1.000 Mitglieder. Im Jahr 1923 war diese Zahl auf 3.500 angewachsen.

Im Zuge der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge am Stephansplatz vollständig zerstört. Es sollte 64 Jahre dauern, bis es in Chemnitz wieder eine Synagoge gab.

1942 wurden alle jüdischen Einwohner von Chemnitz in die Vernichtungslager deportiert. Im September 1945 begannen 57 zurückgekehrte Mitglieder mit dem Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde. Am 24. Mai 2002 wurde schließlich die neue Synagoge in der Stollberger Straße eingeweiht. 2010 zählte die Gemeinde etwa 700 Mitglieder.

Bildunterschrift: Auf dem Friedhof wurden die Grabsteine auf drei Kindergräbern umgestoßen.

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Süddeutsche Zeitung Online, 14.07.2021:

Experten-Kongress / "Es ist unser Auftrag und unsere Pflicht"

14.07.2021 - 18.46 Uhr

Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert konsequenteren Kampf gegen Antisemitismus - Charlotte Knobloch spricht vom Gefühl des Alleingelassenseins

Von Thomas Anlauf

Wenn Charlotte Knobloch über das jüdische Leben in Deutschland nachdenkt, wird ihr oft bang. "Wir fühlen uns alleingelassen", sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Erst vor wenigen Wochen sprach die 88-jährige Münchnerin bei einer Demonstration gegen Juden-Hass auf dem Marienplatz zu den Menschen. Doch es waren so wenige, die sich am 18. Juni bei brütender Hitze vor dem Rathaus versammelt hatten. "Die Repräsentanten haben mir gefehlt, die sonst wunderschöne Sonntagsreden halten", sagte sie am Mittwoch zum Auftakt des Regionalforums "Jüdische Vielfalt in Deutschland".

Das Gefühl des Alleingelassenseins in einer Zeit, in der Antisemitismus in Deutschland und auch in München zunimmt und es auch zunehmend zu Anschlägen gegen Synagogen und Menschen jüdischen Glaubens kommt, das beunruhigt die jüdische Gemeinde tief. Charlotte Knobloch kennt die Verfolgung und den Massenmord der Nazis noch aus eigener leidvoller Erfahrung. Nach dem Krieg wollte sie als junge Frau mit ihrem Mann Samuel "Deutschland so schnell wie möglich verlassen. Keiner wollte in diesem Land, dem ehemaligen Land der Mörder, bleiben." Doch nach der Geburt der Kinder entschieden sie sich doch für ein Leben in München.

Oberbürgermeister Dieter Reiter mahnte in seinem Grußwort beim Experten-Kongress im Alten Rathaus, dass angesichts der steigenden Zahl von Straftaten gegen jüdische Mitbürger "der Kampf gegen Antisemitismus konsequenter werden" müsse - "und zwar von uns allen". Dazu gehöre Zivilcourage und eine politische Überzeugung. "Es ist unser Auftrag und unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass Antisemitismus in München nicht geduldet wird." Reiter erinnerte daran, dass München zwar als so genannte Hauptstadt der Bewegung "die Brutstätte des nationalsozialistischen Terrors" gewesen sei. Anderseits gebe es seit vielen Jahrhunderten jüdisches Leben in München. Ein sichtbares Symbol sei das Jüdische Zentrum am Jakobsplatz mit der Ohel-Jakob-Synagoge, die vor 15 Jahren geweiht wurde.

Die Münchner Schriftstellerin Lena Gorelik, vor 40 Jahren als Tochter jüdischer Eltern im damaligen Leningrad (Sankt Petersburg) geboren, fordert die gesamte Zivilgesellschaft auf, sich gegen Ausgrenzung und Intoleranz zu engagieren. Sie sieht sogar ein Problem darin, wenn es um die Unterscheidung zwischen Antisemitismus und etwa Rassismus geht. "Das Problem ist dort, wo die Trennung beginnt", sagt Gorelik. Dabei gehe Ausgrenzung, Hass und Gewalt "uns alle an".

Auch das jüdische Leben will sie nicht auf die Religion und das Leben in der Gemeinde reduziert sehen. "Es gibt sehr viel jüdisches Leben außerhalb", sagt die Schriftstellerin und Journalistin, die im Mai ihren stark autobiografischen Roman "Wer wir sind" veröffentlicht hat. Für sie als Kind in Russland habe das jüdische Leben sehr im Verborgenen stattgefunden. Höchstens die Großtante habe manchmal heimlich jiddische Lieder gesungen, doch die Eltern mahnten die junge Lena, nicht herumzuerzählen, dass sie jüdisch sei. Ausgrenzung und Antisemitismus erfuhr also auch sie als Kind. Und das erlebt sie bis heute - in Deutschland.

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tagesschau.de, 14.07.2021:

Antisemitische Aussagen / Bhakdi, die Juden und das "Erzböse"

14.07.2021 - 15.11 Uhr

Immer wieder fallen Kritiker der Corona-Maßnahmen durch antisemitische Äußerungen oder NS-Relativierungen auf. Der Bundestagskandidat Bhakdi hat mit aktuellen Aussagen in der Hinsicht eine neue Dimension erreicht.

Von Wulf Rohwedder, tagesschau.de

"Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und haben ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. ( … ) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt - und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt living hell - die lebende Hölle."

So äußerte sich einer der bekanntesten Protagonisten der Maßnahmen-Kritiker im April in einem jetzt auf einer maßnahmenkritischen Website veröffentlichten Interview: der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi, Bundestagskandidat der Partei "Die Basis". Zuvor war das Video bereits auf anderen Webseiten und in Telegram-Kanälen geteilt worden.

Antisemitismus schon länger in der Szene etabliert

Es ist nicht der erste antisemitische oder NS-relativierende Ausfall von bekannten Mitgliedern der Szene. So behauptete der Rechtsanwalt Reiner Fuellmich, ebenfalls Bundestagskandidat der Basis-Partei, die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung seien schlimmer als der Holocaust. Gegner der Maßnahmen setzten sich mit den NS-Opfern Anne Frank und Sophie Scholl gleich. Stefan Homburg, mit Bhakdi im Vorstand der maßnahmenkritischen "Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie (MWGFD)", verglich die Situation in Deutschland mit der von 1933.

Eskalation deutlich erkennbar

Der Antisemitismus-Beauftrage der Bundesregierung, Felix Klein, bezeichnet den Juden-Hass jedoch als zentrales Bindeglied der Corona-Proteste. Meist ergingen sie sich in Bezug auf Antisemitismus in Andeutungen und codierter Sprache, vermieden den direkten Tabubruch. Inzwischen scheinen immer mehr Protagonisten auf dieses dog whistling zu verzichten.

Auch laut dem Antisemitismus-Beauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg, Michael Blume, habe sich der Antisemitismus unter deutschen Verschwörungsgläubigen längst wieder normalisiert. Bhakdi sei in dieser Hinsicht ebenfalls schon aufgefallen, erklärt er gegenüber tagesschau.de. So habe er bereits im vergangenen Jahr eine deutsche Ministerin aus einer jüdischen Familie mit dem ungeheuerlichen Vorwurf belegt, eine "Vergiftung unserer Kinder durch CO2" zu betreiben.

Blume sieht durchaus Chancen, dass Bhakdis aktuelle Äußerungen strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Dies wäre möglich, zumal aktuell ein neuer Straftatbestand für "verhetzende Beleidigung" geschaffen worden sei. "Ich hoffe sehr, dass unsere Justiz der fortschreitenden Radikalisierung Einhalt gebieten kann", sagte er zu tagesschau.de.

Partei spricht von "billigem Framing"

Bhakdis Partei sieht in dessen Aussagen indes kein Problem. Sie sehe in den Antisemitismus-Vorwürfen gegen ihren Kandidaten eine "absurde Unterstellung" und "billiges Framing", schreibt sie auf Twitter.

Anfragen von tagesschau.de zu Stellungnahmen und möglichen Konsequenzen aus den Aussagen Bhakdis wurden bisher weder von der Basis-Partei noch von den MWGFD beantwortet.

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MiGAZIN, 14.07.2021:

Antiziganismus / Seehofer spricht sich für Staatsvertrag mit Sinti und Roma aus

14.07.2021 - 05.25 Uhr

Eine unabhängige Kommission wirft den Deutschen eine anhaltende Diskriminierung von Sinti und Roma vor. Der Innenminister verlangt, den Kampf gegen Rassismus zum Dauerthema zu machen und spricht sich für einen Staatsvertrag mit der Minderheit aus.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich dafür ausgesprochen, die Verantwortung Deutschlands gegenüber der Minderheit der Sinti und Roma in einem Vertrag festzuschreiben. "Ich persönlich halte einen Staatsvertrag für notwendig", sagte Seehofer am Dienstag in Berlin. Mit solchem einem Vertrag würden Bundesregierung und Bundestag Anerkennung und Respekt für die Minderheit ausdrücken, sagte er. Das allein sei nicht die Lösung gegen Antiziganismus, aber ein "wesentlicher Teil". Nach Angaben von Seehofer und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, laufen derzeit Verhandlungen über einen Staatsvertrag auf Bundesebene.

Die würden aber während seiner Amtszeit voraussichtlich nicht mehr abgeschlossen, sagte Seehofer, der mit der im September anstehenden Bundestagswahl seinen Rückzug angekündigt hatte. Staatsverträge gibt es Rose zufolge bereits zwischen dem Zentralrat und einer Reihe von Bundesländern. Nach Baden-Württemberg sei Bayern das zweite Bundesland gewesen. Den dortigen Staatsvertrag, der 2018 in Kraft getreten war, hatte Seehofer noch als Ministerpräsident des Freistaats ausgehandelt. Dies "gehörte zu den schwierigsten Fällen, die ich in meinem politischen Leben zu bewerkstelligen hatte", sagte Seehofer und verwies auf Widerstände in der eigenen Fraktion.

Rose verwies auf den bereits bestehenden Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden. Auch er basiere auf der Erfahrung aus der Geschichte, sagte er mit Blick auf die Verfolgung auch von Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten. Staatsverträge, die es auch mit den Kirchen gibt, sind zum Einen ein Bekenntnis zur partnerschaftlichen Kooperation des Staates mit dem Vertragspartner. Zudem sehen sie bestimmte Rechte, teilweise auch finanzielle Zuwendungen für die jeweiligen Gruppen vor.

Diskriminierung für Sinti und Roma weiter Alltag

Seehofer und Rose äußerten sich am Dienstag in der Bundespressekonferenz gemeinsam zum Bericht der vom Bundestag eingesetzten Unabhängigen Kommission Antisemitismus, der bereits im Mai von Kabinett und im Juni im Plenum des Bundestags beraten wurde. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Diskriminierungserfahrungen für Sinti und Roma in Deutschland weiter Alltag sind, beispielsweise in Schulen, beim Kontakt mit Behörden oder Polizei oder in der Nachbarschaft.

Die Kommission gibt eine Reihe von Empfehlungen, um dagegen anzugehen. Dazu gehören die Forderungen nach einem Antiziganismus-Beauftragten auf Bundesebene und einer Bund-Länder-Kommission. Zudem verlangen die Experten, die Schlechterstellung von im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma gegenüber anderen Opfer-Gruppen zu beenden und Roma, die nach Deutschland geflohen sind, als besonders schutzbedürftige Gruppe anzuerkennen.

Seehofer für Beauftragten und gegen Abschiebeverbot

Für die allermeisten Forderungen der Kommission habe er hohe Sympathie, sagte Seehofer und ergänzte, er könne sich einen eigenen Beauftragten für das Thema vorstellen. Ein pauschales Abschiebeverbot für Roma, wie es die Kommission fordert, lehnte er aber ab. Rose appellierte an die kommende Bundesregierung, sich zeitnah an die Umsetzung der Empfehlungen zu machen. Er beklagte unter anderem, dass es zu wenig Materialien und Instrumente für den Kampf gegen Diskriminierung etwa im Schulunterricht oder in der politischen Bildung gebe.

Seehofer kündigte zudem an, seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ans Herz zu legen, den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zum Dauerthema zu machen. Leider sei es immer so, dass man sich diesen Themen dann zuwende, "wenn etwas passiert". Nach einer Diskussion über einige Tage und Wochen werde dann wieder zur Tagesordnung übergegangen. Das Thema sei "gesellschaftspolitisch neben dem Schutz der Bevölkerung der wichtigste Bereich" seines Ministeriums, sagte Seehofer. (epd/mig)

Bildunterschrift: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) (Archiv).

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Mitteldeutscher Rundfunk, 14.07.2021:

Anklage fordert Haftstrafen für Dresdner Stadtfest-Angreifer

14.07.2021 - 03.34 Uhr

Von MDR Sachsen

Fünf Jahre nach den Angriffen auf Flüchtlinge beim Stadtfest in Dresden geht der Prozess gegen zwei mutmaßliche Täter in die Schlussphase. Die Anklage fordert mehrjährige Gefängnisstrafen. Am 23. Juli soll das Urteil fallen.

Im Prozess um Angriffe auf Flüchtlinge beim Dresdner Stadtfest vor fünf Jahren hat die Anklage mehrjährige Freiheitsstrafen gefordert. Vor dem Landgericht Dresden sind ein 31- und ein 34-Jähriger wegen gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Landfriedensbruchs angeklagt.

Angreifer gingen brutal auf Flüchtlinge los

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihnen vor, in der Nacht zum 21. August 2016 gezielt Jagd auf Ausländer gemacht zu haben. Der 34-Jährige gilt als Anführer einer rechtsextremen Bürgerwehr. In einer Gruppe von rund 40 Männern sollen sie Menschen aus Afghanistan, Irak und Iran attackiert und dabei ausländerfeindliche Parolen gerufen haben. Der 31-Jährige soll in vollem Lauf einem Mann ins Gesicht getreten und ihn lebensgefährlich verletzt haben. Insgesamt wurden neun Flüchtlinge schwer verletzt.

Haftstrafen gefordert

Die Anklage forderte in ihrem Schlussplädoyer für den jüngeren Beschuldigten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Der Mann ist bereits mehrfach vorbestraft und verbüßt bereits eine Haftstrafe wegen eines Angriff bei einer Demonstration in Thüringen. Für den Älteren forderte die Anklage drei Jahre und drei Monate Haft. Er ist derzeit auf freiem Fuß.

Die Verteidiger plädierten auf Freispruch. Zur Begründung hieß es, in rund 50 Verhandlungstagen sei es nicht gelungen, ihren Mandanten die Tat zweifelsfrei nachzuweisen. Der Prozess hatte im September 2019 begonnen. Das Urteil soll am 23. Juli verkündet werden.

Quelle: MDR/dpa/ges

Bildunterschrift: Die mutmaßlichen Stadtfest-Angreifer von Dresden sollen ins Gefängnis.

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Nordkurier Online, 14.07.2021:

Ausländerfeindliche Aktion / Polizei beschlagnahmt schwarzes Kreuz in Demmin

14.07.2021 - 19.14 Uhr

Die ausländerfeindliche Aktion mit den schwarzen Kreuzen scheint in der Region noch nicht beendet zu sein. Am Mittwoch wurde eines am Demminer Ortseingang beschlagnahmt.

Kai Horstmann

Demmin. Am Ende behielt Heinz Wittmer vom Aktionsbündnis 8. Mai recht, als er am Dienstag vermutete, dass die entdeckten schwarzen Kreuze bei Dargun noch nicht alles gewesen sind. Denn Demmin blieb auch in diesem Jahr von der ausländerfeindlichen Aktion rechtsextremer Gruppen nicht verschont.

Am Mittwochvormittag wurde ein schwarzes Kreuz am Ortseingang des Demminer Ortsteils Meyenkrebs entdeckt. Wenig später wurde das Kreuz von einer Polizeistreife eingesammelt.

Ritter fordert Auskunft zu Ermittlungen

Für Peter Ritter, Landtagsabgeordneter der Linken, stellt sich angesichts der erneuten Aktion vor allem eine Frage. "Nach dem Ärger im Vorjahr hieß es: Der Staatsschutz ermittelt. Im Jahr davor auch. Gibt es denn Erkenntnisse?" Auf diese Frage gab es bisher keine Antwort.

Bildunterschrift: Am Ortseingang von Demmin wurde ein schwarzes Kreuz entdeckt und beschlagnahmt.

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Berliner Zeitung Online, 14.07.2021:

Jan-Ulrich Weiß (46) / Brandenburger AfD schmeißt Gauland-Nachfolger raus

14.07.2021 - 07.15 Uhr

Michael Sauerbier

Er war der erste AfD-Chef der Uckermark: Jan-Ulrich Weiß (46) rückte für Parteigründer Alexander Gauland (81) in die AfD-Landtagsfraktion nach. Doch jetzt warfen ihn die Rechtsextremen raus.

Das Urteil sorgte vergangenes Jahr für Empörung: Im Oktober hob das Neuruppiner Landgericht ein dreijähriges Politik-Verbot für den AfD-Mann auf. Weiß wurde nur für millionenfachen Zigarettenschmuggel zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung bestraft.

Aber nun kommt das Politik-Verbot von seiner Partei! "Nach mehrfacher Mahnung wurde Jan-Ulrich Weiß ausgeschlossen", teilte AfD-Kreischef Felix Teichner (30) dem "Nordkurier" mit. Grund: "Wer seine Beiträge über Jahre nicht zahlt, der fliegt. So arbeitet jeder Verein und jede Partei."

Weiß hatte die Beitragszahlungen an die AfD eingestellt. Auf seiner Facebook-Seite kritisierte er schon 2020 den "braunen Siff" und Ex-Parteichef Andreas Kalbitz (48). Der "Neo-Nationalsozialist" (Verfassungsschutz) wurde zwar vom AfD-Bundesvorstand ausgeschlossen, doch in Brandenburgs Landtagsfraktion sitzt Kalbitz immer noch.

Offen bleibt, wie glaubwürdig Weiß’ Abkehr von den Rechtsextremen ist: 2014 flog er aus der AfD-Fraktion - wegen einer Karikatur, die nicht nur die Staatsanwaltschaft für judenfeindlich hielt. Doch ein Gericht sprach Weiß vom Vorwurf der Volksverhetzung frei.

Bildunterschrift: Jan-Ulrich Weiß (46) auf der Anklagebank.

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Der Tagesspiegel Online, 14.07.2021:

Gespräch mit der Zeitung "Deutsche Geschichte" / Berliner AfD-Chefin gerät nach Interview mit NPD-Bezug in Erklärungsnot

14.07.2021 - 09.06 Uhr

Kristin Brinker will die AfD anschlussfähig machen und steht für eine klare Abgrenzung zur NPD. Ein neuer Fall zeigt aber: Beide Parteien sind eng verwoben.

Von Robert Kiesel

Bislang lief es richtig gut für Kristin Brinker. Nachdem sie Mitte März zur AfD-Landeschefin ihrer Partei gewählt worden war, organisierte Brinker erst drei zuvor mehrfach verschobene Parteitage, wurde zur Spitzenkandidatin ihrer Partei gekürt und söhnte sich dazu mit der im Rennen um den Landesvorsitz denkbar knapp unterlegenen Beatrix von Storch aus.

Außerdem gelang ihr die zumindest vorübergehende Befriedung der partei- und vor allem fraktionsinternen Streitigkeiten über Macht und Geld. Die Partei konzentriere sich voll und ganz auf den Wahlkampf, hieß es zuletzt.

Störgeräusche sendet nun ausgerechnet die Parteichefin selbst. Anlass ist ein Interview, das Brinker, die sich stets als konservativ-liberale Kraft innerhalb ihrer Partei bezeichnet, im Juni 2020 der Zeitung "Deutsche Geschichte" gab.

Das Blatt, herausgegeben von Gert Sudholt, einem wegen Volksverhetzung und dem Vertrieb Holocaust leugnender Literatur verurteilten Verleger, gilt als Sammelsurium geschichtsrevisionistischer Texte.

Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen vom Jahr 2003 heißt es, mit dem Blatt lege Sudholt "offenbar einen Schwerpunkt auf revisionistische Agitation". Überschrieben ist die Ausgabe, in der Brinker interviewt wird, mit der Zeile: "Die Saar blieb deutsch. Rückblick auf 1955 / 56".

Das Interviewer hält enge Kontakte zur NPD

Weitaus problematischer für Brinker und ihre im Fokus der Verfassungsschutzbehörden stehende Partei: Der Interviewer, mit dem sie das später auf vier Seiten abgedruckte Gespräch führte, hält enge Kontakte zur rechtsextremen NPD.

Christian Schwochert heißt der in Berlin geborene Mann, der neben der "Deutschen Geschichte" auch in der "Deutschen Stimme" publiziert. Letztere ist die NPD-Parteizeitung und wird von deren Bundesvorstand herausgegeben. Die Partei steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD.

Das wiederum hinderte Schwochert nicht daran, Mitglied der AfD zu werden. Wie Brinker dem Tagesspiegel bestätigte, war Schwochert sogar Teil des von ihr geleiteten Landesfachausschusses.

Brinker: "Fühle mich getäuscht"

Erst als Anfang des Jahres bekannt geworden war, dass dieser "offenbar in einschlägigen Medien publiziert", sei Schwochert ausgeschlossen worden, erklärt Brinker und fügt hinzu: Weder das Interview, noch die Zeitschrift oder deren Herausgeber habe sie bis dato gekannt. Sie kommentiert: "Ich persönlich fühle mich getäuscht und bin froh, dass der Landesverband umgehend gehandelt hat."

Zuletzt hatte Brinker im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt: "Wir haben eine klare Abgrenzung zur NPD und anderen Organisationen der organisierten Rechten. Keine Zusammenarbeit, keine Kontakte, gar nichts. Das ist für mich selbstverständlich."

Bildunterschrift: Kristin Brinker, Landesvorsitzende der AfD Berlin, beim Parteitag im Juni.

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Berliner Zeitung Online, 14.07.2021:

In Berlin und Brandenburg / Polizei ermittelt gegen rechtsradikale Polizisten

14.07.2021 - 16.40 Uhr

Zufallsfund bei der Polizei: In einem Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrates stießen Ermittler bei fünf Kollegen auf üble rechte WhatsApp-Chats mit "menschenverachtenden Inhalten" und "verfassungsfeindlichen Symbolen"!

Lange gefackelt wurde nicht: Am Mittwoch wurden Diensträume und Wohnungen in Schöneiche, Königs Wusterhausen, Kleinmachnow und in der Hauptstadt durchsucht.

Nach B.Z.-Informationen stammen die Tatverdächtigen vor allem aus der Direktion 3 (zuständig für den Osten Berlins).​ "Ihnen wird vorgeworfen in einer Chat-Gruppe mit zwölf Teilnehmern diese Nachrichten versandt zu haben", so ein Polizeisprecher.

Dabei gehe es um Bilder und Karikaturen sowie rassistische und rechtsextreme Inhalte. "Die Durchsuchungen verliefen mit Erfolg", so der Sprecher.​ Die weiteren Teilnehmer der Chat-Gruppe sollen selbst keine Straftaten begangen haben. Allerdings prüft die Polizei bei ihnen Disziplinarmaßnahmen!​

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist sauer - vor allem auf die im Chat schweigsamen Kollegen. "Wir erwarten von allen demokratisch denkenden Kollegen, dass sie sich konsequent von menschenfeindlichen Äußerungen distanzieren und Vorfälle melden", sagt er.

"In der Berliner Polizei ist kein Millimeter Platz für rechtsextremistisches Gedankengut."​ Bei der Berliner Polizei arbeiten insgesamt 26.000 Beamte und Angestellte.

Bildunterschrift: Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

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Der Tagesspiegel Online, 14.07.2021:

Verdacht der Volksverhetzung / Durchsuchungen bei fünf Berliner Polizisten wegen rassistischer Chat-Botschaften

14.07.2021 - 16.30 Uhr

In einer Chat-Gruppe des Polizisten Detlef M. sollen vier weitere Beamte rassistische und verfassungsfeindliche Inhalte geteilt haben. Bei Durchsuchungen wurden Handys beschlagnahmt.

Von Margarethe Gallersdörfer

Wegen des Verdachts der Volksverhetzung sind Wohnungen und andere Räume, unter anderem zwei Dienstanschriften, von fünf Berliner Polizisten durchsucht worden. Sie sollen in einer Chat-Gruppe mit zwölf Mitgliedern Nachrichten mit "menschenverachtenden Inhalten" verschickt haben, teilte die Polizei am Mittwoch mit.

Dabei gehe es unter anderem um Bilder und Karikaturen und rassistische und rechte Inhalte. Außerdem sollen verfassungsfeindliche Symbole verwendet worden sein. "Die Durchsuchungen verliefen mit Erfolg", hieß es, alle fünf Verdächtigen seien angetroffen worden. Beschlagnahmt worden seien Handys und weitere Beweismittel. Die Beweise würden nun weiter ausgewertet.

Die Untersuchungen werden von der Staatsanwaltschaft und der im April gegründeten polizeiinternen Ermittlungsgruppe "Zentral" geführt. Ursprünglich war gegen einen der Polizisten wegen des Verdachts des Geheimnisverrats ermittelt worden. Dabei entdeckte die Kriminalpolizei in dem Handy des Kollegen die Chat-Gruppe mit den verbotenen Inhalten.

Wie der Tagesspiegel aus Polizeikreisen erfuhr, handelt es sich dabei um Detlef M. Dem Treptower Wachleiter wird vorgeworfen, nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz Polizei-Interna in einer Chat-Gruppe von zwölf Neuköllner AfD-Mitgliedern und Rechtsextremisten geteilt zu haben.

Gegen den Handy-Besitzer und vier weitere Mitglieder der nun neu entdeckten Gruppe wurden Strafermittlungen eingeleitet. Nun folgten die Durchsuchungen. Die weiteren Teilnehmer der Chat-Gruppe sollen selber keine Straftaten begangen haben. Allerdings prüft die Polizei bei ihnen Disziplinarmaßnahmen.

"Dafür stehen wir nicht als Polizei Berlin"

"Wenn ein Polizeiangestellter solche Inhalte hat oder bekommt und nicht meldet, muss natürlich von unserer Seite aus darauf reagiert werden. Deshalb prüfen wir arbeitsrechtliche und disziplinarische Maßnahmen", sagte eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel. "Fremdenfeindliches oder Menschenverachtendes zu tun oder auch zu dulden - dafür stehen wir nicht als Polizei Berlin."

In wie vielen Fällen man die Personen mit dem Ziel der Entfernung vom Dienst überprüfe, könne sie aber derzeit noch nicht sagen. "Bei den fünf Personen, wo die Vorwürfe strafrechtliche Relevanz haben, prüfen wir sicherlich vor, müssen dann aber warten, was der Abschluss des Verfahrens ergibt", sagte die Sprecherin. Zunächst müssten die Beweismittel ausgewertet werden.

Die Berliner Grünen forderten am Dienstag die Entfernung von rechtsextremen Polizisten aus dem Dienst und eine beschleunigte Aufklärung. "Sollte es sich um Detlef M. handeln, stellt sich die Frage, wieso erst fünf Jahre nach seinem mutmaßlichen Geheimnisverrat diese Schritte erfolgten", sagte Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, dem Tagesspiegel.

Mehr als 20 Strafverfahren wegen rechtsextremistischer Vorfälle

M.s Räumlichkeiten waren im April vergangenen Jahres durchsucht worden. "Ich erwarte, dass die weiteren Ermittlungen gegen die beteiligten Polizisten viel schneller vorangehen und auch deren Umfeld untersucht wird", sagte Lux. Der Verdacht von rechtsextremen Netzwerken in der Berliner Polizei habe sich leider wieder einmal bestätigt.

In den vergangenen Jahren waren mehrere problematische Vorfälle bekannt geworden, darunter im Oktober 2020 eine Chat-Gruppe von Polizeischülern mit 26 Mitgliedern, von denen mehrere laut Staatsanwaltschaft Nachrichten mit rassistischen Inhalten oder Hakenkreuzen austauschten.

Mehr als 20 Strafverfahren wurden gegen Polizisten wegen rechtsextremistischer Vorfälle eingeleitet. Gleichzeitig liefen 47 interne Disziplinarverfahren. Bei der Berliner Polizei arbeiten insgesamt 26.000 Polizeibeamte und Angestellte. (mit dpa)

Bildunterschrift: Volksverhetzende Inhalte: Erneut wurde eine rechte Chat-Gruppe von Polizisten entdeckt.

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Welt Online, 14.07.2021:

Rechte Chat-Gruppe - Hinweis auf Verbindungen zu Anschlagsserie in Berlin-Neukölln

Von Alexander Nabert, Alexander Dinger

In Berlin wurden Wohnungen und Dienststellen mehrerer Polizisten durchsucht. Ermittler werfen den Beamten "menschenverachtende Inhalte" in einer Chat-Gruppe vor. Nach "Welt"-Informationen gibt es einen Zusammenhang mit Ermittlungen zu einer rechten Anschlagserie in Neukölln.

Wegen der Mitgliedschaft in einer rechten Chat-Gruppe wurden am Mittwoch mehrere Wohnungen und Dienststellen von fünf Polizisten in Berlin durchsucht. Nach "Welt"-Informationen gibt es dabei einen Zusammenhang mit einer rechten Anschlagsserie in Neukölln.

Eine Ermittlungsgruppe beim Polizeilichen Staatsschutz wirft den Polizeibeamten vor, "in einer Chat-Gruppe mit zwölf Teilnehmern Nachrichten mit menschenverachtenden Inhalten versandt zu haben". Ermittelt wird wegen mutmaßlicher Volksverhetzung und dem Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen.

Ursprünglich war gegen einen der Polizisten wegen des Verdachts des Geheimnisverrats ermittelt worden. Dabei entdeckte die Kriminalpolizei die Chat-Gruppe mit den mutmaßlich rassistischen Inhalten auf dem Handy des Polizisten. Nach "Welt"-Informationen handelt es sich dabei um die Ermittlungen gegen den Polizeibeamten Detlef M., der schon früher für Aufsehen sorgte.

Gegen M. wird ermittelt, weil er Dienstgeheimnisse über den Anschlag am Berliner Breitscheidplatz in einer Telegram-Chat-Gruppe mit Personen aus dem Umfeld des Kreisverbandes der AfD Neukölln verraten haben soll. M. ist selbst Mitglied in dem AfD-Kreisverband und stand mit dem Neonazi Tilo P. in Kontakt, der zeitweise ebenfalls in der AfD Neukölln aktiv war.

Tilo P. gilt als einer der Haupttäter der rechtsextremen Anschlagserie in Neukölln, zu der mehr als 70 Straftaten gezählt werden. Im Zentrum der Serie stehen mehrere Brandanschläge auf Autos von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren - etwa Lokalpolitiker, Buchhändler oder Gewerkschafter. Im Dezember letzten Jahres hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Serie zunächst als aufgeklärt bezeichnet, musste Tilo P. und seinen mutmaßlichen Komplizen, den ehemaligen NPD-Aktivisten Sebastian T., aber wenig später wieder laufen lassen.

Nach Angaben der Berliner Polizei habe die rechte Chat-Gruppe, wegen der nun die Hausdurchsuchungen bei den Polizisten stattfanden, und der Ermittlungskomplex zur Neuköllner Anschlagserie jedoch nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun. Die Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht äußern.

Ferat Kocak, Lokalpolitiker aus Neukölln (Linke), dessen Auto Ziel eines Brandanschlages der Serie wurde, sagte "Welt": Es handele sich bei den "rechtsextremen und rassistischen Einzelfällen bei der Berliner Polizei", die immer wieder zufällig aufflögen, um ein "strukturelles Problem". "Dieser Skandal beweist erneut, dass ein Untersuchungsausschuss zu rechten Verstrickungen der Sicherheitsbehörden in Berlin längst überfällig ist."

Die Durchsuchungen bei den Polizisten am Mittwoch seien mit Erfolg verlaufen, hieß es von den Ermittlern. Nun würden die Beweise ausgewertet. Die weiteren Mitglieder der Chat-Gruppe sollen selbst keine Straftaten begangen haben. Allerdings prüft die Polizei bei ihnen Disziplinarmaßnahmen.

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