9 Artikel ,
01.02.2021 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Blick nach Rechts, 01.02.021:
Portugal: Erstmals rechtsextremer Wahlerfolg
MiGAZIN, 01.02.2021:
Corona-Pandemie / Besucherzahlen in KZ-Gedenkstätten eingebrochen
MiGAZIN, 01.02.2021:
"Kein Schlussstrich!" / Bundesweites Theaterprojekt erinnert an Opfer des NSU
MiGAZIN, 01.02.2021:
Mordfall Lübcke / Ausschuss untersucht Rolle des Verfassungsschutzes, gelöschte Akten und Verbindungen zum NSU
Soester Anzeiger Online, 01.02.2021:
Reaktionen auf SS-Banner-Aktion / Nach Nazi-Provokation: So reagieren Vereine und Parteien
tagesschau.de, 01.02.2021:
AfD wird Verdachtsfall für Verfassungsschutz in Sachsen
ntv.de, 01.02.2021:
Im Auge des Verfassungsschutzes / AfD Sachsen wird zum Verdachtsfall
Blick nach Rechts, 01.02.021:
Studie: Mehrheit der AfD-Wähler denkt rechtsextrem
Welt Online, 01.02.2021:
Bertelsmann-Stiftung / 29 Prozent der AfD-Wähler laut Studie klar rechtsextrem eingestellt
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Blick nach Rechts, 01.02.021:
Portugal: Erstmals rechtsextremer Wahlerfolg
Von Anton Maegerle
Bei der portugiesischen Präsidentschaftswahl am 24. Januar hat die rechtsextreme Partei "Chega!" ("Genug!") mit einem rassistisch-nationalistischen Kurs erfolgreich den dritten Platz im politischen Gefüge des Landes im Westen der Iberischen Halbinsel erkämpft.
Portugal war bislang das einzige EU-Land ohne nennenswerte Wahlerfolge für rechtsextreme Kräfte. Unter der Führung des Juristen und TV-Kommentators André Claro Amaral Ventura erzielte die bekennende Anti-System-Partei "Chega" 11,9 Prozent (496.655 Stimmen). Für Portugal war es die zehnte Präsidentenwahl seit der Nelkenrevolution vom April 1974.
Präsidentschaftskandidat Ventura ist als Hetzer gegen politisch Andersdenkende, Antifaschisten, Muslime, Roma und Sinti sowie Flüchtlinge bekannt. Bei den Kommunalwahlen 2017 in Portugal war Ventura noch als Spitzenkandidat der konservativen "Partido Social Demócrata" PSD zum Stadtrat von Loures im Norden Lissabons gewählt worden. Am 9. April 2019 gründete er "Chega" mit Sitz in Lissabon.
2019 lediglich ein Prozent der Stimmen
Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2019 erzielte die Partei 1,29 Prozent (67.826 Stimmen). Ventura errang seinen einzigen Abgeordnetensitz in der Assembleia da República, dem portugiesischen Parlament. Das Parlament umfasst 230 Mandate. Ventura ist der erste Vertreter einer rechtsextremen Partei, der ins Parlament gewählt wurde, seit die Revolution die jahrzehntelange Salazar-Diktatur in Portugal stürzte.
Noch am Abend der Präsidentschaftswahl erklärte Ventura, dass "Chega" eine Partei sei, die "gegen das System" ist und das "Spektrum der traditionellen Rechten gesprengt" habe. Ehrengast auf der Wahlkampftour von Ventura war Frankreichs Marine Le Pen. Für Schlagzeilen sorgte "Chega", als die "Black Lives Matter"-Bewegung landesweit in Portugal zehntausende von Menschen auf die Straße brachte. Als Reaktion veranstaltete Ventura eine "Portugal ist kein rassistisches Land"-Gegendemonstration.
In einem Regionalparlament vertreten
Im Regionalparlament der Azoren ist "Chega" auch vertreten. Bei den Regionalwahlen auf den Azoren im Oktober 2020 erhielt die Partei fünf Prozent der Stimmen und damit erstmals zwei Sitze in einem regionalen Parlament.
Politisch tritt "Chega" für eine Stärkung der portugiesischen Kultur, für die Bewahrung von Werten und Traditionen und einem Ende der Sozialhilfe für Menschen, die nicht arbeiten wollen, ein, agitiert gegen Abtreibung, "politische Korrektheit", kulturellen Marxismus, die Ideologie der Geschlechtertheorie und fordert die chemische Kastration von Pädophilen und lebenslange Haft für Mörder und Kindesmissbrauch.
Mit AfD "in unserem Appell vereint"
2019 führte Ventura aus: "Die AfD beschwert sich, dass Flüchtlinge und Migranten völlig unkontrolliert in Scharen nach Deutschland kommen und manchmal gar keine Berechtigung dafür haben. Diese Kritik kann ich nachvollziehen. Natürlich spielen AfD und "Chega" auf zwei verschiedenen Plätzen, weil Fragen nach Justiz, Migration und Flüchtlingen in unseren beiden Ländern ganz unterschiedlich behandelt werden. Aber wir sind in unserem Appell vereint: Wir haben genug von diesem Zustand!"
Zum Eintritt in "Chega" aufgerufen hat Mário Machado, Anführer der Neonazi-Gang "Nova Ordem Social" ("Neue Soziale Ordnung" / NOS). Der knasterfahrene Machado war zeitweilig Chef des portugiesischen Chapters des Neonazi-Netzwerkes "Hammerskins" (PHS) und gilt als bekanntester Neonazi in Portugal. Machado ist seit Jahrzehnten in Neonazi-Zusammenhängen aktiv. 2004 gründete Machado die Neonazi-Partei "Frente Nacional" (FN), die er als Redner im Februar 2005 beim braunen "Trauermarsch" in Dresden repräsentierte.
Beim 2. NPD-"Fest der Völker - Für ein Europa der Vaterländer" im Juni 2006 in Jena wurde Machado als Vorsitzender der FN, "der größten nationalen Organisation in Portugal" sowie als "Repräsentant und Sprecher der Freien Nationalisten" angekündigt. Zu dieser Zeit war Machado auch Domaininhaber der Webseite des "Nationalen Widerstandes Jena" (NWJ), der Keimzelle des rechtsterroristischen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), und pflegte Kontakte zu dem thüringischen "Hammerskin" Thomas Gerlach.
Bildunterschrift: Parteichef André Ventura sieht Gemeinsamkeiten mit der AfD.
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MiGAZIN, 01.02.2021:
Corona-Pandemie / Besucherzahlen in KZ-Gedenkstätten eingebrochen
01.02.2021 - 05.20 Uhr
Mehrmonatige Schließungen und Einbrüche im Tourismus haben 2020 dazu geführt, dass weit weniger Menschen die Erinnerungsorte für die Opfer der NS-Verbrechen besucht haben als in den Jahren zuvor. Das Minus liegt bei 50 Prozent und mehr. Vor allem Schulklassen sind ausgeblieben.
Die KZ-Gedenkstätten in Deutschland haben 2020 deutlich weniger Besucher gezählt als in den Jahren zuvor. Grund ist die Corona-Pandemie, wie eine Umfrage des "Evangelischen Pressedienstes" ergab. Die Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen in Niedersachsen besuchten im vergangenen Jahr rund 145.000 Menschen, nur etwas mehr als halb so viele wie 2019. Auch in der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar wurde mit 250.000 Besuchern nur etwa die Hälfte der Gästezahl eines gewöhnlichen Jahres erreicht. Ähnlich deutlich waren die Folgen der Pandemie in weiteren KZ-Gedenkstätten sowie an anderen Orten bundesweit, an denen an den NS-Terror erinnert wird.
So besuchten im "Ort der Information" unter dem Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin nur rund 105.000 Menschen die Ausstellung, weniger als ein Viertel des Vorjahres. 2019 war mit 480.000 Besuchern ein neuer Rekord seit der Eröffnung 2005 erreicht worden. In das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in der Hauptstadt kamen etwa 417.000 Besucher. Das war etwa ein Drittel des Vorjahres.
Die Träger der Gedenkstätten, Ausstellungen und Erinnerungsorte führen die starken Besucherrückgänge zum einen auf längere Schließzeiten wegen der Corona-Schutzmaßnahmen im Frühjahr und ab November zurück. Zum anderen kamen wegen der Pandemie selbst in den Sommermonaten weniger Menschen vor allem aus dem Ausland.
Vor allem Schulklassen ausgeblieben
Aus der KZ-Gedenkstätte Dachau bei München hieß es zudem, dass vor allem Schulklassen ausgeblieben seien. So gab es 2020 etwa 1.700 geführte Angebote wie Rundgänge und Seminare mit rund 26.000 Teilnehmern. Im Jahr zuvor waren es etwa 4.500 Angebote mit 105.000 Besuchern.
In der nationalsozialistischen "Euthanasie"-Gedenkstätte Hadamar im hessischen Landkreis Limburg-Weilburg ging 2020 die Zahl der Besucher um zwei Drittel zurück. Im vergangenen Jahr hätten lediglich rund 7.300 Menschen die ehemalige Landesheilanstalt besucht, fast 14.800 weniger als 2019, teilte die Gedenkstätte mit. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Hamburg zählte rund 56.300 Besucher, ein Minus von mehr als 50 Prozent. Ähnlich groß war der Einbruch bei der KZ-Gedenkstätte in Ladelund in Schleswig-Holstein, in die nur etwas mehr als 2.000 Menschen kamen.
Gedenkstunde im Bundestag
In Deutschland gibt es Dutzende KZ-Gedenkstätten, hinzu kommen viele weitere Erinnerungsstätten für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Rund sechs Millionen europäische Juden wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Verfolgt und in großer Zahl getötet wurden auch Regime-Gegner, überzeugte Christen, Sinti und Roma und Homosexuelle.
Rund um den Holocaust-Gedenktag Ende Januar finden alljährlich zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz in Polen befreit. Seit 1996 wird zu diesem Datum der Holocaust-Gedenktag begangen. Bei einer Gedenkstunde im Bundestag sprachen am Mittwoch die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, und die Publizistin Marina Weisband. (epd/mig)
Bildunterschrift: Besucher im NS-Konzentrationslager Auschwitz.
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MiGAZIN, 01.02.2021:
"Kein Schlussstrich!" / Bundesweites Theaterprojekt erinnert an Opfer des NSU
01.02.2021 - 05.21 Uhr
Mit Kulturveranstaltungen will das bundesweite Projekt "Kein Schlussstrich!" an die NSU-Opfer erinnern. Im Zentrum sollen die Perspektiven der Opfer und migrantischen Communities stehen.
Das bundesweite Projekt "Kein Schlussstrich!" will mit Kulturveranstaltungen und Diskussionen an die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erinnern. Von 21. Oktober bis 7. November sind Theateraufführungen, Lesungen, Konzerte, Diskussionen und Workshops vorgesehen, wie der Verein "Licht ins Dunkel" am Freitag in Dortmund mitteilte. Beteiligt sind 13 Städte, in denen Menschen vom NSU ermordet wurden, sowie Städte, in denen die Täter aufwuchsen. Wegen der Corona-Pandemie planen die Veranstalter sowohl digitale als auch analoge Formate.
Im Zentrum des Projekts sollen vor allem die Perspektiven der Opfer und migrantischen Communities stehen, hieß es. Auch der Anschlag in Halle oder die Morde in Hanau sollen thematisiert werden. Anlass ist das öffentliche Bekanntwerden des NSU und dessen Mitglieder vor zehn Jahren. Im November 2011 wurden die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden.
Regionale Eigenproduktionen
Die Theater präsentieren für das Projekt regionale Eigenproduktionen. In Dortmund, wo im April 2006 Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk vom NSU ermordet wurde, beteiligt sich das Dietrich-Keuning-Haus. Zum Programm gehört auch die Wanderausstellung "Offener Prozess" und das Oratorium "Manifest(o)" von Marc Sinan und Ayşe Güleç. Beteiligt sind ferner unter anderem die Hamburger Kulturfabrik Kampnagel sowie Theater in Heilbronn, Jena, Kassel, Köln, Nürnberg und Plauen. Auch Theater in Rostock, Rudolstadt-Eisenach und Weimar gehören dem Projekt an. Träger von "Kein Schlussstrich!" ist der im September 2020 gegründete Verein "Licht ins Dunkel". Gefördert wird das Projekt unter anderem durch die Kulturstiftung des Bundes.
Solange rassistische Haltungen weit hinein in den Institutionen präsent seien, dürfe kein Schlussstrich gezogen werden, sagte Amelie Deuflhard vom Vereinsvorstand. Der Kurator Simon Meienreis verwies auch auf das Urteil zum Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Es vergehe keine Woche ohne Hinweise auf Übergriffe, die Entdeckung rechter Netzwerke oder diskriminierender Sprache, sagte er. Die Veranstalter riefen dazu auf, die Erinnerung an die Opfer der NSU-Morde wachzuhalten und den strukturellen und institutionellen Rassismus in der Gesellschaft zu bekämpfen. (epd/mig)
Bildunterschrift: Theaterbühne.
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MiGAZIN, 01.02.2021:
Mordfall Lübcke / Ausschuss untersucht Rolle des Verfassungsschutzes, gelöschte Akten und Verbindungen zum NSU
01.02.2021 - 05.25 Uhr
Der Lübcke-Prozess hat sich nur auf die Tat der Angeklagten konzentriert. Ein Untersuchungsausschuss soll auch das Umfeld der Täter und ein mögliches Versagen des Verfassungsschutzes prüfen. Erneut stehen viele Fragen im Raum: Verbindungen zum NSU und gelöschte Akten.
Von Jens Bayer-Gimm
Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mordfall Walter Lübcke will möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden nachgehen. Der Prozess gegen Stephan E. und Markus H. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt habe sich nur auf die Aufklärung der Tat der Angeklagten konzentriert, sagte der Mitinitiator und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Hermann Schaus (Linke), dem "Evangelischen Pressedienst". Der im vergangenen Jahr konstituierte Untersuchungsausschuss wolle hingegen das Umfeld der rechtsradikalen Szene in Nordhessen und ein mögliches Versagen des Verfassungsschutzes überprüfen.
Die Vertreter der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags von 2014 bis 2018 seien schon 2015 auf Stephan E. und Markus H. aufmerksam geworden, sagte Schaus. Sie hätten beide als besonders gefährlich eingeschätzt. "Warum sind E. und H. uns schon damals als gefährlich aufgefallen, dem Verfassungsschutz aber nicht?", fragte er.
Verfassungsschutz löschte Akten
Die Linken hätten deshalb im Juni 2015 den Antrag gestellt, die Erstellerin eines Dossiers des Verfassungsschutzes über nordhessische Neonazis zu befragen, was der Ausschuss auch im Juli beschlossen habe. Als die Befragung im Dezember 2015 stattfand, habe die Autorin nur lückenhaft berichten können. Die Personenakten von E. und H. seien "im System nicht mehr verzeichnet".
"Wir kämpften um jedes Blatt Papier", sagte Schaus über das Ringen des NSU-Untersuchungsausschusses mit den hessischen Sicherheitsbehörden. Im Nachhinein sei auf beharrliche Fragen des Ausschusses herausgekommen, dass der Verfassungsschutz die Akten von E. und H. genau im Juni 2015 intern löschte und die beiden Rechtsradikalen als "abgekühlt" einstufte. Das zeitliche Zusammenfallen mit dem Auskunftsbegehren des Untersuchungsausschusses sei auffällig, sagte Schaus. Der neue Lübcke-Untersuchungsausschuss wolle nun erfahren, ob der Verfassungsschutz die Personenakten direkt vor oder nach dem Antrag des Ausschusses unzugänglich machte und warum. Eine rechtliche Notwendigkeit dazu habe nicht bestanden.
Verfassungsschutz hält Akten zurück
Außerdem stelle sich die Frage, warum der Verfassungsschutz die Personenakten von E. und H. nicht schon von sich aus dem NSU-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hat. "Warum hat der Verfassungsschutz den Ausschuss am ausgestreckten Arm verhungern lassen?", fragte Schaus. Die Linke gehe davon aus, dass die NSU-Mörder von Halit Yozgat 2006 in Kassel einen Unterstützerkreis von lokalen Rechtsradikalen hatten. Es stelle sich die Frage, ob bei mehr Transparenz des Verfassungsschutzes der Mord an Lübcke hätte verhindert werden können.
Erst der neue Lübcke-Untersuchungsausschuss erhält nach den Worten von Schaus die Personenakten von E. und H. Sie gehörten zu einem Berg von mehr als 2.000 Aktenordnern, die dem Ausschuss von Polizei, Justiz, Verfassungsschutz und anderen Behörden überstellt würden. Jede Fraktion habe eine Stelle eigens für die Untersuchung genehmigt bekommen, bei der Linken seien zwei Mitarbeiter damit beauftragt. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende äußerte die Hoffnung, dass nach Ostern die ersten Zeugen befragt werden können. Die Dauer des Untersuchungsausschusses endet spätestens mit der Legislaturperiode im Januar 2024. (epd/mig)
Bildunterschrift: NSU und Umfeld, eine geschredderte Akte.
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Soester Anzeiger Online, 01.02.2021:
Reaktionen auf SS-Banner-Aktion / Nach Nazi-Provokation: So reagieren Vereine und Parteien
01.02.2021 - 20.00 Uhr
Nazis provozierten am Wochenende mit einer Aktion in Welver: Ein Plakat, das für Vielfalt in der Gesellschaft wirbt tauschten sie aus gegen eines mit NS-Symbolik. Der Aufschrei groß, die Diskussion teilweise schockierend. Das haben die demokratischen Kräfte in der Gemeinde nun vor.
Welver. Die Rats-Parteien und der Schützenverein Horrido wollen sich die Nazi-Provokation mit dem Totenkopf-Banner am Bahnhof nicht bieten lassen und sich auf ein gemeinsames Zeichen dagegen verständigen. Eine gute Idee könnte sein: Das zweite Schützen-Banner mit dem Slogan "Bunt statt Braun", das bislang an der Börde-Halle hing, nun direkt vors Rathaus zu platzieren und somit ins Blickfeld der Öffentlichkeit am Markt.
In der Nacht zum Samstag hatten Unbekannte ein solches Bunt-statt-Braun-Transparent, das am Bahngeländer angebracht war, gestohlen. Mit dem Banner wollten die Schützen Farbe bekennen gegen Rassismus und für Toleranz in der Gesellschaft. Für die Vermutung, dass Neonazis hinter dem Diebstahl stecken, spricht vor allem die Fahne mit dem SS-Totenkopf-Symbol, die in derselben Nacht an derselben Stelle aufgehängt worden ist. Die Polizei ermittelt gleich in doppelter Mission gegen die Handlanger: wegen Diebstahls und der Verbreitung verbotener Nazi-Symbole (siehe Infokasten).
Auch Zustimmung in Kommentaren
Die Anzeiger-Berichterstattung hat bei Facebook vielfache Reaktionen ausgelöst. Doch nicht alle empören sich über die Aktion, manche Einträge zeugen auch von Zustimmung und klammheimlicher Freude. "Wo bekommt man so eine Flagge her?", erkundigt sich etwa Michael F. und fügt hinzu, die Frage stelle er angeblich nur "für einen Freund". Thomas S. empfiehlt dem Schützenverein, künftig auf "politische Agitation" zu verzichten und sich lieber dem "heimischen Brauchtum widmen". Und Danne L. äußert Verständnis für die Totenkopf-Botschaft: "Die Leute haben halt die Schnauze voll von Ideologien wie der Regenbogen tutti frutti Idioten."
Doch nicht minder groß ist die Empörung über die Neonazi-Aktion. "Ich kann nicht so viel essen, wie ich gerade kotzen möchte", erklärt Kay Lucky S. "Auffallend viele Nazi-Köppe hier unterwegs", stellt Juli W. fest. Chris G. gar findet: "War schon immer so in Welver."
Einige Schreiber indes halten überhaupt nichts von den Reaktionen und der Berichterstattung, man bereite den "Idioten" nur unnötig eine Bühne. Genau in dem Dilemma steckt auch der Schützenverein, sagt sein Kommandeur Stefan Pake. Natürlich wolle "Horrido" den Rechten keine Plattform bieten, aber einfach klein beizugeben oder darüber hinwegzusehen und es zu verschweigen, sei "genau so falsch". Pake will sich deshalb mit anderen Vereinen und der Politik austauschen, wie in Welver mit solchen Tendenzen am besten umzugehen ist.
Den Hinweis, Schützen sollten sich nur ums Brauchtum kümmern, weist der Kommandeur zurück: "Wir dürfen durchaus unsere Meinung äußern und über den Tellerrand hinausschauen, dafür leben wir in Deutschland."
Nicht der erste Vorfall in Welver
"Es ist ja nicht das erste Mal", sagt FDP-Fraktionschefin Monika Korn. Erst im vergangenen Jahr sei der Bahnhof mit unsäglichen Flyern zugeworfen worden. Die unappetitliche braune Soße darin sei den meisten übel aufgestoßen. Auf die Frage, was sie über die rechte Szene in Welver weiß, muss Korn passen: "Man kennt keinen persönlich." Immerhin habe sie schon mal einen jungen Kerl in der Fußgängerzone angesprochen, der ein T-Shirt mit Nazi-Parolen offen zur Schau trug. Auf ihre Frage "Geht’s noch?!" habe sie nur ein breites Grinsen zur Antwort bekommen, so die Ratsfrau.
Wichtig sei jetzt, dass alle Kräfte im Gemeinderat an einem Strang ziehen, sagt Korn. Es werde Zeit, das Thema im Rat anzusprechen und nicht länger auszublenden. CDU-Fraktionschef Michael Schulte bewegt sich auf derselben Linie: "Es soll eine gemeinsame Erklärung geben."
SPD-Fraktionschef Udo Stehling hatte die Totenkopf-Geschichte gleich nach Bekanntwerden am Samstagnachmittag nicht gleichgültig gelassen. Er schickte den Ratsmitgliedern (aller Parteien) eine WhatsApp-Nachricht, den Vorfall nicht auf sich beruhen zu lassen. Die Antworten waren eindeutig: "Eine gute Idee", hieß es da und "viele Daumen hoch". Von Stehling stammt auch der Vorschlag, das zweite, bislang nicht gestohlene Bunt-statt-Braun-Transparent von der Schützenhalle weg jetzt direkt vors Rathaus zu hängen. Dort würden es viele sehen, dort erfülle es die Botschaft: Hier steht gerade eine ganze Gemeinde auf.
Keine Erkenntnisse über braune Szene
Aber auch Stehling muss passen, wenn man ihn nach Erkenntnissen über eine braune Szene in Welver befragt. Er kennt niemanden, den er mit den Neonazis in Verbindung bringen würde. "Wenn ich es wüsste, wäre ich der Erste, der es der Polizei meldet."
Der SPD-Fraktionschef würde auch selber gern das Gespräch mit den Akteuren der Nacht-und-Nebel-Aktion suchen, um sie im besten Fall davon zu überzeugen, dass sie auf dem Holzweg seien. So aber bleibe nur als erste Reaktion: "Das macht mich unheimlich traurig und wütend."
Bürgermeister Garzen: "Das hat in Welver nichts zu suchen"
"Das geht gar nicht und hat in Welver nichts zu suchen!" Bürgermeister Camillo Garzen ist empört, dass Unbekannte am Wochenende das Banner des Schützenvereins "Horrido" mit der Aufschrift "Bunt statt braun" entfernt und durch eine Totenkopf-Flagge ersetzt hatten, die an Symbole der SS in der Nazi-Zeit erinnerte. Gleich nach Bekanntwerden der Untat hatte sich Garzen mit den Schützen in Verbindung gesetzt. "Ich habe Verständnis, dass sie ihr zweites Plakat jetzt erst einmal sichern wollen", kann er nachvollziehen, dass das zweite Banner von "Horrido" am Sportplatz erst einmal abgehängt worden ist.
"Wir werden diese Aktion nicht hinnehmen, werden den Tätern keine Bühne bieten", kündigt der Bürgermeister eine mit den Vertretern aller Parteien und Fraktionen angestimmte Antwort an, die schon gestern Abend auf der Tagesordnung einer ohnehin anberaumten Zusammenkunft werden sollte. "Wir werden ein klares Signal setzen, lassen uns nicht von unserem Kurs abbringen." Ein spezielles Problem von Welver in Sachen Rechtsradikalismus sieht Garzen nicht. "Solche Vorkommnisse gibt es leider überall, nicht nur in Welver", erinnert er daran, dass es in seiner rheinländischen Heimat schon einmal notwendig geworden war, Aktionen gegen den Rechtsradikalismus zu starten.
Totenkopf
Das Totenkopf-Symbol, das Unbekannte ans Bahngeländer gehängt hatten, war in der Nazi-Zeit das Erkennungszeichen der SS-Division "Totenkopf". Der Frontverband hatte im Krieg unter anderem den Auftrag, die Konzentrationslager zu betreiben und zu bewachen, also den millionenfachen Mord an den Juden zu organisieren. Auf Wikipedia heißt es dazu: "Die SS-Division zählte zu den "Eliteverbänden" des deutschen Heeres und war eine stark vom Nationalsozialismus geprägte Frontdivision der Waffen-SS, deren Fanatismus sich auf ihren ersten Kommandeur Theodor Eicke zurückführen ließ.
So ging beispielsweise das erste Kriegsverbrechen der jungen Waffen-SS (1940) auf Angehörige der SS-Totenkopf-Division zurück. Aber auch in den Folgejahren war diese Division durch eine besonders rücksichtslose Kriegsführung gekennzeichnet und an mehreren Kriegsverbrechen aktiv beteiligt." Die heutige Verwendung des Totenkopf-Truppensymbols ist strafbar.
Bildunterschrift: "Bunt statt braun" stand auch auf dem Banner, dass Unbekannte in Welver durch eine Nazi-Flagge ersetzt haben.
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tagesschau.de, 01.02.2021:
AfD wird Verdachtsfall für Verfassungsschutz in Sachsen
01.02.2021 - 20.26 Uhr
Im mehreren Bundesländern, darunter Thüringen und Sachsen-Anhalt, wird die AfD schon vom Verfassungsschutz überwacht. Auch in Sachsen wird die Partei jetzt wegen rechtsextremistischer Bestrebungen zum Verdachtsfall.
Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen führt die AfD im Freistaat fortan als Verdachtsfall. Entsprechende Informationen liegen sowohl MDR Sachsen als auch der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuvor hatte die "Bild" darüber berichtet.
Eine Bestätigung durch das Landesamt gab es am Montag nicht. Die Behörde hatte schon früher darauf verwiesen, dass ihr in diesem Punkt die Hände gebunden seien. Nach dem sächsischen Verfassungsschutzgesetz dürfen sowohl das Innenministerium als auch das Landesamt nur über erwiesene extremistische Bestrebungen unterrichten. Damit sei in Sachsen im Gegensatz zum Bund und einigen Bundesländern die öffentliche Kommunikation über Einstufungen zu Prüf- oder Verdachtsfällen von Gesetzes wegen nicht zulässig, hieß es.
AfD kann jetzt nachrichtendienstlich überwacht werden
Zwei Jahre lang haben Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz öffentliche Aussagen, Zeitungsartikel und Reden von sächsischen AfD-Mitgliedern ausgewertet und nun offenbar "hinreichend gewichtige Anhaltspunkte" dafür gefunden, dass die Partei rechtsextrem sein könnte.
Auf Fraktionsmitglieder im Landtag hat dies erst mal keine Auswirkung. Mandatsträger sind rechtlich geschützt. Der Verfassungsschutz kann die AfD aber von nun an mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, also Telefongespräche abhören und V-Leute einsetzen.
Landesvize kündigt juristische Mittel an
Der AfD-Bundesvorsitzende und sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla sprach von einem "wahltaktischen Manöver". Er sagte: "Dabei geht es dem Verfassungsschutz und der Landesregierung allein darum, die AfD als größte Oppositionspartei in Sachsen im politischen Wettbewerb zu diskreditieren."
Der sächsische AfD-Landesvize Siegbert Droese sprach von einem "politischen Skandal ersten Ranges". Die Partei werde sich mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen. Allein der Umstand, dass die Information an die Öffentlichkeit gelangte, sei bedenklich. Auf Teufel komm raus werde versucht, die AfD in eine schlechtes Licht zu rücken.
Mehrere Landesverbände bereits als Verdachtsfälle geführt
Die Thüringer AfD war als erster Landesverband der Partei vom Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet worden. Ihr Vorsitzender ist Björn Höcke, der Gründer des formal inzwischen aufgelösten "Flügels", den der Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft hat. Seit Juni 2020 ist auch die AfD Brandenburg als Verdachtsfall eingestuft, seit kurzem wird auch der Landesverband in Sachsen-Anhalt nach dpa-Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht. Auch der Bundesverfassungsschutz steht vor der Entscheidung, die AfD-Bundespartei als Verdachtsfall einzustufen. Die AfD hat dagegen rechtliche Mittel eingelegt.
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ntv.de, 01.02.2021:
Im Auge des Verfassungsschutzes / AfD Sachsen wird zum Verdachtsfall
In mehreren Bundesländern steht die AfD bereits im Visier der Verfassungsschützer. Medienberichten zufolge wird nun auch der Landesverband in Sachsen zum Verdachtsfall und könnte somit überwacht werden. Bundesparteichef Chrupalla sieht darin ein "wahltaktisches Manöver".
Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Sachsen führt die AfD nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun als Verdachtsfall. Zuvor hatte die "Bild" darüber berichtet. Damit könnte die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, etwa durch Telefonüberwachung oder den Einsatz verdeckter Ermittler. Eine Bestätigung durch das Landesamt gab es bisher nicht. Die Behörde hatte schon früher darauf verwiesen, dass ihr in diesem Punkt die Hände gebunden seien.
Nach dem sächsischen Verfassungsschutzgesetz dürfen sowohl das Innenministerium als auch das LfV nur über erwiesene extremistische Bestrebungen unterrichten. Damit sei in Sachsen im Gegensatz zum Bund und einigen Bundesländern die öffentliche Kommunikation über Einstufungen zu Prüf- oder Verdachtsfällen von Gesetzes wegen nicht zulässig, hatte das Landesamt noch vergangene Woche erklärt. Die "Bild"-Zeitung hatte als Quelle "das Umfeld" des LfV angegeben.
"Wahltaktisches Manöver"
Eine Reaktion des AfD-Landesverbandes gab es bislang nicht. Der AfD-Bundesvorsitzende und sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla sprach von einem "wahltaktischen Manöver". Er sagte: "Dabei geht es dem Verfassungsschutz und der Landesregierung allein darum, die AfD als größte Oppositionspartei in Sachsen im politischen Wettbewerb zu diskreditieren." Die Bürger im Freistaat seien aber in der Lage, dies zu erkennen.
Die AfD in Sachsen ist die größte Oppositionspartei. Sie hat rund 2.600 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl 2017 lag sie als stärkste Kraft mit 27,0 Prozent hauchdünn sogar vor der CDU. Bei der Landtagswahl 2019 landete sie mit 27,5 Prozent auf dem zweiten Platz.
Die Thüringer AfD war als erster Landesverband der Partei vom Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet worden. Ihr Vorsitzender ist Björn Höcke, der Gründer des formal inzwischen aufgelösten "Flügels", den der Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft hat.
Seit Juni 2020 ist auch die AfD Brandenburg als Verdachtsfall eingestuft, seit kurzem wird auch der Landesverband in Sachsen-Anhalt nach dpa-Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht.
Bildunterschrift: Jörg Urban ist der Vorsitzende der AfD in Sachsen.
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Blick nach Rechts, 01.02.021:
Studie: Mehrheit der AfD-Wähler denkt rechtsextrem
Von Kai Budler
Mit einer Studie hat die Bertelsmann-Stiftung das rechtsextreme Weltbild von Wählern der Parteien im Bundestag untersucht. Sie kommt zum Schluss: Mehr als jeder zweite AfD-Wähler vertritt geschlossen oder latent rechtsextreme Ansichten.
Der Anteil von Wählern mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild ist in der AfD knapp viermal so hoch wie im Durchschnitt aller Wahlberechtigten in Deutschland. Zu diesem Schluss kommt jetzt die Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel "Rechtsextreme Einstellungen der Wähler vor der Bundestagswahl 2021".
Demnach ist fast jeder dritte AfD-Wähler rechtsextrem eingestellt, weitere 27 Prozent vertreten latent rechtsextreme Einstellungen. Damit ist mehr als die Hälfte aller AfD-Wähler latent oder manifest rechtsextrem eingestellt. Im Bundesdurchschnitt vertreten laut Studie knapp 8 Prozent aller Wahlberechtigten ein geschlossen rechtsextremes Weltbild.
Die Forscher folgern, seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland sei die AfD "die erste mehrheitlich rechtsextrem eingestellte Wählerpartei im Deutschen Bundestag". Dies belegt auch ein Blick auf die abgefragten sechs Dimensionen rechtsextremer Einstellungen mit jeweils drei Fragen. 15 Prozent aller AfD-Wähler befürworten eine rechts-gerichtete Diktatur, 13 Prozent verharmlosen den Holocaust und ebenfalls 13 Prozent sind manifest antisemitisch eingestellt. Knapp zwei Drittel der Wähler sind fremdenfeindlich eingestellt, mehr als die Hälfte weisen eine manifest chauvinistische Einstellung auf. Sozialdarwinistische Einstellungen finden die Forscher bei 8 Prozent der AfD-Wähler.
Rechtsextreme dominiert ursprünglich eher rechtspopulistische Orientierung
Hinzu kommen in allen Dimensionen noch die Prozentpunkte für latente Einstellungen. Bei der Dimension "Fremdenfeindlichkeit" beispielsweise weisen insgesamt 94 Prozent aller AfD-Wähler manifest und latent fremdenfeindliche Einstellungen auf. Der Autor der Studie, Robert Vehrkamp, kommt zum Schluss, die AfD sei "tief im Segment rechtsextrem eingestellter Wähler verankert. Ihr ideologisches Wählerprofil ähnelt mehrheitlich eher der rechtsextremen NPD als dem der etablierten Parteien".
Die Wählerstimmen bei der Bundestagswahl 2017 mag "noch vor allem ein Erfolg rechtspopulistischer Wählermobilisierung im Schatten der Flüchtlingskrise gewesen sein", so Vehrkamp. Hingegen zeige sich die AfD vor der Bundestagswahl 2021 "als eine mehrheitlich durch rechtsextreme Einstellungen ihrer Wähler geprägte Partei, deren rechtsextreme ihre ursprünglich eher rechtspopulistische Orientierung inzwischen dominiert". Basis der Studie ist eine repräsentative Online-Umfrage aus dem Juni 2020 mit rund 10.000 Teilnehmern.
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Welt Online, 01.02.2021:
Bertelsmann-Stiftung / 29 Prozent der AfD-Wähler laut Studie klar rechtsextrem eingestellt
01.02.2021 - 06.11 Uhr
Die AfD zieht laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung mehr latent oder manifest rechtsextrem eingestellte Wähler an als die etablierten Parteien. Am seltensten finden sich solche Einstellungen bei den Anhängern der Grünen.
Unter den Wählern der AfD sind Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit und ein gewisser Hang zum Autoritären deutlich stärker verbreitet als unter den Anhängern der anderen Parteien im Bundestag. Zu diesem Ergebnis kommt die Bertelsmann-Stiftung in der Auswertung einer Studie, die auf einer repräsentativen Online-Umfrage vom Juni 2020 beruht.
Um rechtsextreme Einstellungen zu messen, waren die 10.055 Teilnehmer der Umfrage aufgefordert worden, sich zu Aussagen wie "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert" oder "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet" zu positionieren.
Den Angaben zufolge fanden sich "manifest rechtsextreme" Einstellungen bei 29 Prozent der Befragten, die beabsichtigten, die AfD zu wählen. Unter den Anhängern von CDU und CSU äußerten sich demnach sechs Prozent entsprechend. In der Wählerschaft von Linke und FDP lag der Anteil laut Bertelsmann Stiftung bei jeweils fünf Prozent. Niedriger war der Wert für die SPD-Wähler (vier Prozent) und die Wähler der Grünen (zwei Prozent).
Eindeutig oder zumindest teilweise populistische Einstellungen wurden darüber hinaus laut Bertelsmann-Stiftung von fast drei Viertel (73 Prozent) der AfD-Wählerschaft vertreten. Der Autor der Studie, Robert Vehrkamp, schlussfolgert: "Mag ihr Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2017 noch vor allem ein Erfolg rechtspopulistischer Wählermobilisierung im Schatten der Flüchtlingskrise gewesen sein." Vor der Bundestagswahl 2021 zeige sich die AfD als eine Partei deren Wählerschaft mehrheitlich manifest oder latent rechtsextrem eingestellt sei.
Mit Blick auf Medienberichte zu einem neuen Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD betonte die Stiftung, das von ihr verwendete wissenschaftliche Konzept zur Messung von Wähler-Einstellungen sei nicht gleichzusetzen mit den Kategorien der Sicherheitsbehörde.
Unter allen Wahlberechtigten in Deutschland vertreten der Untersuchung zufolge 7,7 Prozent ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Deutlich weiter verbreitet sind chauvinistische Einstellungen.
Dazu zählen Forscher beispielsweise den Wunsch nach mehr "Mut zu einem starken Nationalgefühl", nach einem "harten und energischen Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland" und dem Ziel, "Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht" als oberste Maxime deutscher Politik.
Unter den Wählern der Unionsparteien und der FDP stimmen solchen Aussagen bei der Befragung etwas mehr als 60 Prozent ganz oder teilweise zu. Unter den Wählern der AfD waren es 90 Prozent. Auch hier bildeten die Grünen den Gegenpol: Unter ihren Anhängern ist dieser Chauvinismus-Wert mit 34 Prozent geringer als bei allen anderen Parteien.
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