14 Artikel ,
12.01.2021 :
Pressespiegel überregional
_______________________________________________
Übersicht:
Soester Anzeiger Online, 12.01.2021:
Antrag / Grüne wollen Straßen mit Namen von Nazi-Autoren umbenennen
Jüdische Allgemeine Online, 12.01.2021:
Interview / "Heute bin ich eine stärkere Persönlichkeit"
die tageszeitung Online, 12.11.2021:
Kein Bafög für Halle-Überlebende / Auf Todesangst folgt Existenzangst
die tageszeitung Online, 12.01.2021:
Plädoyers im Lübcke-Prozess: "Wo ist der wehrhafte Staat?"
Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 12.01.2021:
Lübcke-Prozess / Ein Komplettversagen der Behörden?
Neues Deutschland Online, 12.01.2021:
Korrektur als Zeichen der Stärke / Die Nebenklage im Lübcke-Prozess geht von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten aus
Süddeutsche Zeitung Online, 12.01.2021:
Wichtige Akten / Liegen Lübcke-Ausschuss nun vor
MDR Thüringen, 12.01.2021:
Ermittler: Motiv für Hirschgarten-Angriff konnte nicht geklärt werden
MiGAZIN, 12.01.2021:
"Nazi-Problem" / 475 Rechtsextremisten werden per Haftbefehl gesucht
Bayerischer Rundfunk, 12.01.2021:
Social Media / "Gab" ist neben "Parler" eine weitere Plattform für Rechtsextreme - und sie ist verstörend
Stuttgarter Nachrichten Online, 12.01.2021:
Präsenzveranstaltung trotz Corona / AfD-Parteitag in der Messe Stuttgart
Saarländischer Rundfunk, 12.01.2021:
Saar-AfD will Dieter Müller ausschließen
RedaktionsNetzwerk Deutschland, 12.01.2021:
Nach illegaler Party: Polizei ermittelt gegen Brandenburger AfD-Abgeordneten
Westfalen-Blatt, 12.01.2021:
Reichstagsgebäude ist gut geschützt
_______________________________________________
Soester Anzeiger Online, 12.01.2021:
Antrag / Grüne wollen Straßen mit Namen von Nazi-Autoren umbenennen
12.01.2021 - 15.04 Uhr
Die Grünen beantragen die Umbenennung von vier Wickeder Straßennamen. Deren Namensgeber seien "schillernde Vertreter der NS-Kultur und somit eine Schande und dürfen nicht weiterhin damit geehrt werden, das Straßen (Wege) in Wickede (Ruhr) ihren Namen tragen dürfen", schreibt Grünen-Vorsitzender Lothar Kemmerzell. Es geht um den Georg-Nellius-Weg, den Maria-Kahle-Weg, den Christine-Koch-Weg und den Heinrich-Luhmann-Weg.
Wickede. In ihrem Antrag machen die Grünen auch gleich Alternativ-Vorschläge. So soll der Georg-Nellius-Weg in Halit-Yozgat-Weg umbenannt werden, der Maria-Kahle-Weg in Marie-Curie-Weg, der Christine-Koch-Weg in Lise-Meitner-Weg und der Heinrich-Luhmann-Weg in Albert-Einstein-Weg.
Den Anwohnern dürften hierbei keine Kosten entstehen. Die Grünen: "Für die notwendige Umschreibung öffentlicher Dokumente wie Personalausweise, Führerscheine, Jagd- und Waffenscheine oder Kfz-Scheine erlässt oder übernimmt die Gemeinde Wickede (Ruhr) die anfallenden Gebühren für die Anwohner."
"Maria-Kahle, Christine Koch und Heinrich Luhmann waren Mitglied in dem von Georg Hermann Nellius gegründeten völkischen Sauerländischen Künstlerkreis (SKK)", erläutert Kemmerzell in dem Antrag, der mit Verweisen auf Internet-Quellen arbeitet.
Die Mitglieder des SKK hätten gegenüber der Öffentlichkeit bekundet, dass die "nationalsozialistische Revolution" sie "mit großer Freude" erfülle. Die Grünen: "Der SSK erklärte, "unserem Führer Adolf Hitler in seinem Kampf um die Wiedererweckung deutschen Geistes, deutscher Art und Sitte Helfer und Mitarbeiter zu sein"".
Georg Nellius sei unter anderem Mitglied im Nationalsozialistischen Lehrerbund und der NSDAP gewesen, sei als Hitler-Mann bezeichnet worden und habe "bei musikalischen Programmbeiträgen "Vollblutjuden" festzustellen versucht und Chorleiter anschließend unter Drohungen zur Programmänderung" aufgefordert.
Er habe nach dem Krieg zunächst nicht wieder lehren dürfen, zudem seien die Belege für Nellius völkische und nationalsozialistische Überzeugungen auch später nicht entkräftet worden.
Maria Kahle war eine Autorin und Propagandistin der Nazis, erläutert der Grünen-Antrag weiter. Sie habe das Regime unter anderem mit Reden und Vorträgen "noch bis in die Endphase des Zweiten Weltkriegs bedingungslos unterstützt", sei für ihre "volksdeutschen Bemühungen" ausgezeichnet worden und habe sich in einem Kriegsbekenntnis westfälischer Dichter zu "Soldaten des Wortes" erklärt. Ihre Werke seien "geprägt von ihrer völkisch-rassistischen Weltanschauung".
Auch Christine-Koch habe der völkischen Literaturszene angehört. "Ein Teil ihrer Gedichte haben völkisch-nationalsozialistische Tendenzen, sowie eine offene Parteinahme für Adolf Hitler und seine NSDAP", so die Grünen.
Heinrich Luhmann gab verschiedene Schriftenreihen heraus, "NS-ideologische Textkompilationen", heißt es im Antrag. "Die jüngeren Beiträge waren Texte "systemkonformer Hardliner" wie Heinrich Anacker, Hans Friedrich Blunck, Josefa Berens-Totenohl, Maria Kahle oder Will Vesper oder Führer-Reden."
Dass er diese Schriften herausgeben konnte, sei als "Auszeichnung für ideologische Zuverlässigkeit" zu sehen. Auch er habe sich zum "Soldaten des Wortes" ebenso wie zur Bücher-Verbrennung der Nazis bekannt.
Seine "nach 1933 entstandene Romane und Erzählungen enthalten ausgeprägt antisemitische, antiziganistische und sonstige rassistische Tendenzen", so der Grünen-Antrag. Innerhalb Westfalens sei Luhmann im Nationalsozialismus zu einem der führenden Autoren aufgestiegen. Im Rahmen der Entnazifizierung sei er aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden, die Pensionszahlung war "sofort einzustellen".
Auch die alternativ vorgeschlagenen Straßenpaten stellen die Grünen im Antrag vor. Halit Yozgat sei Betreiber eines Internet-Cafés gewesen und am 6. April 2006 in Kassel durch zwei Kopfschüsse getötet worden. Laut Grünen-Antrag war der 21-jährige Deutsche türkischer Abstammung "das neunte und letzte Todesopfer der rechtsextremen Terror-Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und ihrer Mordserie von 2000 bis 2006 in deutschen Großstädten".
Er besuchte die Abendschule, um sein Abitur nachzumachen. "Halit Yozgat kann als vorbildlich in seinem Werdegang und seiner Zukunftsplanung angesehen werden", so der Grünen-Antrag.
Marie Curie war Physikerin, Chemikerin und mehrfache Nobelpreisträgerin. Lise Meitner war Kernphysikerin, lieferte 1939 mit ihrem Neffen Otto Frisch die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung, die ihr Kollege Otto Hahn und dessen Assistent Fritz Straßmann am 17. Dezember 1938 ausgelöst hatten.
Die Rolle Albert Einsteins, "einer der bedeutendsten theoretischen Physiker der Wissenschaftsgeschichte und weltweit bekanntester Wissenschaftler der Neuzeit", ist hinlänglich bekannt.
Bildunterschrift: Der Heinrich-Luhmann-Weg in der Siedlung "Ziegenhude": Auch diese Straße soll nach dem Antrag der Grünen umbenannt werden.
_______________________________________________
Jüdische Allgemeine Online, 12.01.2021:
Interview / "Heute bin ich eine stärkere Persönlichkeit"
12.01.2021 - 09.10 Uhr
Agata Maliszewska über ihren Umgang mit den Folgen des Halle-Attentats und die Streichung ihres BAföG
Von Eugen El
Frau Maliszewska, Sie haben das Attentat auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 überlebt. Im Sommer 2020 wurde Ihnen das BAföG gestrichen. Wie kam es dazu?
Mein BAföG wurde gestrichen, da ich die Voraussetzungen für den Erhalt der Gelder nicht erfüllte. Als EU-Ausländerin bin ich verpflichtet, mindestens zehn Stunden in der Woche zu arbeiten, was ich im Sommer 2020 nicht machen konnte.
Sie konnten nicht arbeiten, da Sie damals am Prozess gegen den Halle-Attentäter teilnahmen und als Nebenklägerin aussagten. Was hat der Prozess in Ihnen ausgelöst?
Als der Prozess begann, traten bei mir wieder Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung auf. Es war aufreibend, mit der Person, die mich töten wollte, im gleichen Saal zu sein. Ich hatte wieder Schlafstörungen, war benommen und konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Ich hatte Blackouts und Flashbacks.
Wie haben Sie den Tag Ihrer Aussage erlebt?
Der Tag meiner Aussage war für mich sehr stressig. Ich fühlte mich aber in gewisser Weise erleichtert, nachdem ich Zeugnis abgelegt hatte. Es war eine starke Erfahrung, im Gerichtssaal zu sein und die Geschehnisse aus meiner Perspektive zu schildern. Heute bin ich eine stärkere Persönlichkeit.
Ist das BAföG-Amt auf Ihren Widerspruch gegen die Streichung eingegangen?
Aus meiner Sicht hat das BAföG-Amt meinen Widerspruch überhaupt nicht berücksichtigt. Ich habe mich vergessen gefühlt und war bestürzt. Ich hatte mit dem Wiederauftreten des Traumas und stressigen Situationen zu tun. Ich erhielt die Antwort, dass das von mir eingereichte medizinische Statement keine Grundlage für einen besonderen Umgang bezüglich der BAföG-Regeln darstelle.
Sind Sie enttäuscht über den unsensiblen Umgang der Behörde mit Ihrem Anliegen?
Ja, das bin ich. Für mich persönlich war es sehr schwer, irgendeine Art von Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, wurde ich weggeschickt und gebeten, die letzte Rate vom Juli zu zahlen. Ich konnte nicht glauben, dass das wirklich geschieht. Ich war am Boden zerstört.
Haben Sie Zuspruch und Unterstützung in dieser Sache erhalten?
Dank der wunderbaren Mitarbeiter der Beratungsstelle OFEK und der Mobilen Opferberatung erhielt ich finanzielle Unterstützung und Beratung zu den BAföG-Unterlagen.
Wie bewältigen Sie die traumatischen Folgen des Attentats?
Seit dem Anschlag ist mehr als ein Jahr vergangen. Der Prozess ist beendet. Im Dezember habe ich zusätzlich im Landtag von Sachsen-Anhalt Zeugnis abgelegt und hoffte, dass ich diese ganze Sache hinter mir lassen und nach vorn blicken kann.
Ist das Ihnen gelungen?
Seit Anfang Januar bin ich immer noch dabei, die BAföG-Angelegenheit zu lösen, die in ihrem Hintergrund mit dem Anschlag von Halle verknüpft ist. Diese Situation löst viele Emotionen aus und stiehlt meine Zeit. Ich glaube, dass ich erst durchatmen kann, wenn eine Einigung in der BAföG-Sache erzielt ist.
Mit der Potsdamer Studentin der jüdischen Theologie und Überlebenden des Halle-Attentats sprach Eugen El.
Bildunterschrift: Agata Maliszewska studiert jüdische Theologie in Potsdam.
_______________________________________________
die tageszeitung Online, 12.11.2021:
Kein Bafög für Halle-Überlebende / Auf Todesangst folgt Existenzangst
Eine Studentin wurde Opfer des Terroranschlags in Halle. Nun wurde ihr das Bafög gestrichen, weil sie nicht mehr arbeiten kann.
Konrad Litschko
Berlin (taz). Agata Maliszewska war am 9. Oktober 2019 in der Synagoge in Halle, als ein Rechtsextremist versuchte, diese zu stürmen. Er warf Sprengsätze, schoss auf die Tür - und scheiterte an ihr. Anschließend zog der Angreifer weiter, tötete eine Passantin und kurz darauf einen Mann in einem Döner-Imbiss. Maliszewska litt damals unter Todesangst, sie verfolgt seitdem eine posttraumatische Belastungsstörung.
Und nun hat die Studentin der Jüdischen Theologie an der Universität Potsdam noch ein Problem. Das zuständige Studentenwerk strich der Polin laut ihres Anwalts bereits im Sommer 2020 das Bafög, gut 700 Euro monatlich - weil sie wegen ihrer Erkrankung momentan keiner Arbeit mehr nachgehen kann.
Als ausländische Studierende muss Maliszewska aber eine geringfügige Beschäftigung nachweisen, um die Förderung zu erhalten. Zuvor arbeitete sie als Babysitterin. Eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft verlor sie auf Grund der Corona-Pandemie.
Maliszewska selbst äußert sich zu ihrem Fall momentan nicht, aber ihr Rechtsanwalt Mark Lupschitz tut es. Und laut ihm hat das gestrichene Bafög existenzielle Folgen für die Mittzwanzigerin: Bleibt es dabei, müsse sie ihr Studium abbrechen und zurück nach Polen gehen.
Attest über Traumatisierung konnte Amt nicht umstimmen
Auch ein ärztliches Attest über ihre Traumatisierung habe das Bafög-Amt nicht umgestimmt, so Lupschitz. "Die Entscheidung fiel vielleicht am Gesetz entlang, aber am Menschen vorbei. So mit einer Anschlagsbetroffenen umzugehen, geht nicht."
Das Studentenwerk Potsdam äußerte sich auf Nachfrage auf Grund des "Sozialdatenschutzes" nicht. Eine Sprecherin teilte aber mit, man könne davon ausgehen, dass das Bafög-Amt "im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten immer versucht, das Bundesausbildungsförderungsgesetz zum Wohle der Studierenden anzuwenden".
Deutlicher wird Brandenburgs Forschungsministerin Manja Schüle (SPD). "Das ist wirklich eine schlimme Geschichte, für die man sich nur entschuldigen kann", erklärte sie öffentlich via Twitter. "Nach einigen Gesprächen bin ich aber sicher, dass es eine Lösung geben wird."
Auch Anwalt Lupschitz bestätigt die Gespräche. Er sei "vorsichtig optimistisch", dass es tatsächlich zu einer Lösung komme. Noch aber sei nichts fix. Für Lupschitz sollte der Fall Anlass sein, grundsätzlich zu prüfen, wie die Bafög-Ämter mit Härtefällen umgehen. "Es kann nicht sein, dass es hier keine Möglichkeiten für Härtefälle gibt, nicht einmal für Anschlagsbetroffene. Eventuell sollte das Gesetz hier überarbeitet werden."
"Entscheidung am Menschen vorbei"
Druck kommt inzwischen auch aus der Politik. Nicole Gohlke, die hochschulpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, fordert in einem offenen Brief, Agata Maliszewska wieder ihr Bafög zu gewähren. Die Studentin sei wegen des Anschlags "vollkommen unverschuldet" in ihre Notsituation geraten, die Ablehnung lasse "jegliche soziale Verantwortung vermissen", heißt es darin.
Im Prozess zum Terroranschlag in Halle hatte Maliszewska als Zeugin ausgesagt. Mehrere andere Betroffene beklagten dort, dass sie von der Polizei oder Behörden rücksichtslos behandelt wurden. Der Betreiber des angegriffenen Kiez-Döners berichtete von fehlenden staatlichen Hilfen für sein in Existenznot geratenes Geschäft.
Der Attentäter wurde Ende Dezember zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er legte dagegen keine Revision ein. Die Verurteilung ist damit inzwischen rechtskräftig.
Bildunterschrift: Die Tür der Synagoge in Halle, an welcher der Rechtsextremist scheiterte.
_______________________________________________
die tageszeitung Online, 12.01.2021:
Plädoyers im Lübcke-Prozess: "Wo ist der wehrhafte Staat?"
Im Prozess zum Mord an Walter Lübcke rechnet dessen Familie mit dem Staat ab. Die Hinterbliebenen fordern die Höchststrafe für die beiden Angeklagten.
Konrad Litschko
Frankfurt am Main (taz). Es ist eine Abrechnung, die Holger Matt am Dienstag im Saal des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vollzieht. Der Anwalt der Familie Lübcke erinnert daran, wie vor dem Mord an Walter Lübcke gegen diesen folgenlos im Internet gehetzt wurde. Wie die zwei Rechtsextremen, die für den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten angeklagt sind, völlig ungestört mit Waffen trainieren konnten. Wie Politikerinnen, Politiker wie Erika Steinbach die Hass-Postings gegen Lübcke teilten und so einen Nährboden für die spätere Tat schufen. "Da fragt man sich: Wo ist der wehrhafte Staat?"
Matt beantwortet die Frage gleich selbst: Es habe ihn nicht gegeben. Dem Verfassungsschutz attestiert er hier ein "Komplettversagen", dem Staat eine Mitschuld an dem Mord, weil er die Hetze gegen den CDU-Mann nicht unterbunden hat. Bitter bemerkt der Anwalt: "Und da dachte man nach dem NSU, der Staat sei aufgewacht."
Es ist ein fast wütender Auftakt des Plädoyers der Nebenklage im Prozess zum Mord an Walter Lübcke, der in der Nacht zum 2. Juni 2019 vor seinem Haus in Istha bei Kassel ermordet wurde. Seit Juni 2020 läuft dazu nun der Prozess, der sich nun in der Schlussphase befindet. Ende Januar soll ein Urteil fallen. Der Anwalt trat bisher eher zurückgenommen auf.
Die Familie von Walter Lübcke macht in ihrem Plädoyer am Dienstag klar: Sie wollen die Höchststrafe für den Hauptangeklagten Stephan E. Und sie wollen sie auch für einen zweiten Mann, weil er - anders als es die Anklage sieht - gleichwertig Mittäter gewesen sei: der Mitangeklagte Markus H., ein früherer Kumpel von E. und ebenso Rechtsextremist. Anwalt Matt spricht von einer "abscheulichen" und "historischen" Tat, der ersten Ermordung eines Politikers durch Rechtsextreme seit Jahrzehnten. Dies müsse sich auch in der Höhe des Urteils niederschlagen. Er fordert lebenslange Haft, mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, für beide.
Dass Stephan E. am Mord beteiligt war, ist unstrittig. An Tatort und Tatwaffe fand sich seine DNA. Der 47-Jährige gestand zunächst die Tat - aus Wut über die Kritik von Lübcke an Geflüchteten-Gegnern auf einer Kasseler Bürgerversammlung 2015. Dann aber behauptete er, sein Kamerad Markus H. habe geschossen, man sei zu zweit vor Ort gewesen. Im Prozess die erneute Kehrtwende: Man sei zwar zu zweit gewesen, aber Stephan E. habe doch selbst geschossen.
Diese Version hält Matt am Dienstag für die glaubwürdigste. Auch er sei am Anfang davon ausgegangen, dass Stephan E. allein am Tatort gewesen sei. Über Monate habe man im Prozess aber die Wahrheit herausgeschält, ganz am Ende auch mit spontanen, unverstellten Aussagen von Stephan E. "Wir glauben, dass E. uns die Wahrheit gesagt hat."
Matt verweist auf zahlreiche Indizien, die Markus H. belasteten. So habe dieser nach der Bürgerversammlung einen Videoausschnitt von Lübckes Aussage verkürzt ins Netz gestellt. Er habe Stephan E. mit zu Schießtrainings und AfD-Demos genommen, mit ihm Istha ausgekundschaftet und sofort nach der Tat seine Threema-Chats mit E. gelöscht.
Auch sei nur mit einer Doppeltäterschaft erklärbar, warum der Todesschuss auf Lübcke von der Seite erfolgte: weil das Opfer durch eine zweite Person von vorne abgelenkt war - von H. "Ohne H. hätte es den Mord an Walter Lübcke nicht gegeben", ist Matt überzeugt.
Nur: Das Gericht sieht es anders und entließ H. schon im Oktober aus der U-Haft. Einen dringenden Tatverdacht gebe es nicht mehr. Die Aussagen von E. seien "äußerst detailarm", widersprüchlich und "nicht glaubhaft". Und tatsächlich gibt es von H. keine DNA-Spuren am Tatort.
Institutioneller Rassismus bei den Ermittlerinnen, Ermittlern??
Auch die Bundesanwaltschaft hielt es in ihrem Plädoyer vor Weihnachten nicht für nachweisbar, dass Markus H. am Tatort war. Die Ankläger forderten für ihn dennoch eine Haftstrafe von neun Jahren und acht Monaten, da er Stephan E. zum Mord angestachelt habe, eine psychische Beihilfe. Für E. verlangte es die Höchststrafe: lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Die Anklage listet aber noch einen Vorwurf: Bereits im Januar 2016 soll Stephan E. in Kassel einen irakischen Geflüchteten niedergestochen haben, Ahmed I. Das Gericht hat auch hier Zweifel, die Beweislage ist erneut nicht ganz klar.
Stephan E. bestreitet die Tat. Alexander Hoffmann, der Anwalt von Ahmed I., verweist in seinem Plädoyer aber auf ein bei E. gefundenes Messer mit teilweisen DNA-Spuren von Ahmed I., einen früheren Messerangriff auf einen türkischen Imam, der auch hinterrücks erfolgte und auf die von Stephan E. selbst geschilderte Wut über die Kölner Silvesternacht am damaligen Tattag. Er selbst hatte den Ermittlern damals berichtet, an dem Tag einen "Ausländer" bedroht zu haben.
"Wenn der Senat seine Arbeit ernst meint, muss er auch diese Tat verurteilen", fordert Hoffmann. Und er wirft den Ermittler institutionellen Rassismus vor: Statt mit Empathie seien diese Ahmed I. mit Vorurteilen gegenübergetreten. Auch der 27-Jährige tritt noch einmal kurz ans Mikrofon, bedankt sich beim Senat für die Prozessführung. "Ich hoffe, dass die Gerechtigkeit siegt und die Verbrecher bestraft werden."
Bildunterschrift: Die Familie von Walter Lübcke im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt am 12.01.2021.
_______________________________________________
Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 12.01.2021:
Lübcke-Prozess / Ein Komplettversagen der Behörden?
12.01.2021 - 20.06 Uhr
Von Marlene Grunert, Frankfurt
Im Lübcke-Prozess greift der Anwalt der Hinterbliebenen den Verfassungsschutz scharf an. Wieder geht es um die Rolle des Mitangeklagten H., den die Nebenkläger für schuldig halten.
Es sind die letzten Sekunden im Leben ihres Mannes und Vaters, über die sie Klarheit brauchen. Die letzten Sekunden, ehe ihn der tödliche Schuss traf. Immer wieder haben die Angehörigen von Walter Lübcke dieses Bedürfnis zum Ausdruck gebracht. Emotional habe diese Frage für seine Mandanten im Vordergrund gestanden, sagt Holger Matt am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Er vertritt die Angehörigen des Kasseler Regierungspräsidenten, der in der Nacht auf den 2. Juni 2019 ermordet wurde; sie nehmen an dem Verfahren als Nebenkläger teil. Nachdem die Bundesanwaltschaft vor Weihnachten ihr Plädoyer hielt, haben nun sie das Wort.
Darüber hinaus verkörpere die Nebenklage die "wehrhafte Zivilgesellschaft", sagt Matt. In diesem "historischen Prozess" gelte es, die Werte hochzuhalten, für die Walter Lübcke eingetreten sei. Den Ermordeten symbolisch zu unterstützen habe der Familie Kraft gegeben, vor allem für die direkte Konfrontation mit den Angeklagten. Neben E. steht Markus H. vor Gericht. Er soll zu dem Mord Beihilfe geleistet haben, so sieht es die Bundesanwaltschaft; die Angehörigen halten ihn für einen Mittäter. Ihr wichtigster Zeuge ist der mutmaßliche Mörder Stephan E.
Holger Matt trifft zunächst einige politische Feststellungen. Nach dem Auffliegen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" habe man gedacht, der Staat sei aufgewacht. Wie aber stehe es um einen Rechtsstaat, in dem Hass und Rechtsextremismus so offen zutage träten? "Wo ist der Verfassungsschutz?" So viele Bedrohungen habe es nach der Veranstaltung in Lohfelden gegeben, "irgendwie hat es niemand bemerkt".
"Diese Menschen machen sich mitschuldig"
Im Herbst 2015 hatte Walter Lübcke dort die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft angekündigt. Einige Mitglieder der rechten Szene tauchten auf und provozierten ihn während der gesamten Veranstaltung, bis der Regierungspräsident schließlich sagte: "Es lohnt sich, in diesem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." H. und E. filmten das Geschehen und stellten einen verkürzten Ausschnitt ins Internet. Daraufhin brach eine Hetzkampagne los, an der sich etwa auch Erika Steinbach beteiligte. "Diese Menschen", so Matt, "machen sich mitschuldig".
Unbehelligt hätten die Angeklagten mit Waffen hantieren können; selbst eine Waffenbesitzkarte sei H. nach einem gerichtlichen Verfahren ausgestellt worden, sagt Matt. Vergangenes Jahr war bekanntgeworden, dass der Landesverfassungsschutz damals nicht alle Erkenntnisse zu H.s rechtsextremistischen Umtrieben geteilt hatte. Der Anwalt spricht, "ex post", von einem "Komplettversagen" - das aber nicht Gegenstand des Strafprozesses sei.
Die Angehörigen sind überzeugt, dass H. und E. gemeinsam den Plan fassten, Walter Lübcke zu ermorden. Zusammen hätten sie ihn auf der Terrasse "gestellt", ehe E. schoss. So schildert dieser es inzwischen, nachdem er zuerst angegeben hatte, die Tat allein begangen zu haben. Zwischenzeitlich behauptete er, von H. begleitet worden zu sein, der versehentlich geschossen habe.
Bis zuletzt verstrickte sich E. in Widersprüche. Seine jüngsten Angaben zum "Kerngeschehen" halten die Hinterbliebenen, anders als die Bundesanwaltschaft, aber für "wahrhaftig". Vor allem die Fragen der Familie habe E. "authentisch" und "spontan" beantwortet. Für H.s Anwesenheit am Tatort ist aus Sicht der Familie vor allem die DNA-Spur entscheidend, die am Hemd des Ermordeten gefunden wurde. Sie stammt von E., der angibt, es sei auf der Terrasse zunächst zu einer Diskussion zwischen ihm, H. und Walter Lübcke gekommen. Als dieser sich habe aufrichten wollen, habe er ihn in den Stuhl gedrückt.
Die Bundesanwaltschaft hält das aus verschiedenen Gründen nicht für glaubhaft und geht davon aus, dass E. sein Opfer nach der Tat berührte, um zu sehen, ob es noch lebe. Folgt man dagegen Matt, so war die "einzig sinnvolle und rationale Reaktion" nach der Tat die Flucht. Wesentlich seien auch die Angaben von E.s Frau, die sagte, zwei Autos vor dem Haus gehört zu haben, als ihr Mann in der Tatnacht zurückgekehrt sei. Im Sinne "staatlicher Gerechtigkeit" seien E. und H. wegen mittäterschaftlichen Mordes zu verurteilen.
Der Anwalt von Ahmed I hält E. für schuldig
Am Nachmittag hält auch der Vertreter von Ahmed I. sein Plädoyer. Dieser wurde im Januar 2016 nahe der Lohfeldener Flüchtlingsunterkunft hinterrücks niedergestochen. Der junge Mann überlebte den Angriff mit schweren Verletzungen; noch heute leidet er an den Folgen. Erst kurz vor der Tat war er vor dem "Islamischen Staat" nach Deutschland geflohen. Schon die Bundesanwaltschaft zeigte sich überzeugt davon, dass E. die Tat beging. Auch der Anwalt Alexander Hoffmann beantragt, E. wegen versuchten Mordes zu verurteilen. Maßgeblich sei vor allem ein Messer, das bei E. gefunden worden war. Daran fanden sich DNA-Sputen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Iraker stammen. Hoffmann hebt zudem hervor, dass E. "praktisch ein Geständnis" abgelegt habe. Der Angeklagte hatte den Tattag selbst ins Spiel gebracht. Die Silvesternacht in Köln bezeichnete E. als "Schlüsselereignis", nach dem er völlig "außer sich gewesen" sei und sich in eine Vorstellung von Kontrollverlust "reingesteigert" habe. "Schreiend" sei er durch die Straßen gezogen und habe Wahlplakate der SPD und Grünen abgetreten. Dabei sei er einem "Ausländer" begegnet, den er angebrüllt habe, Leuten wie ihm müsse man den Hals abschneiden.
Hoffmann glaubt nicht, dass er den Senat von der Schuld des Angeklagten überzeugen kann. Das Plädoyer halte er für seinen Mandanten. Der ergreift schließlich selbst das Wort. Er hoffe auf Gerechtigkeit, sagt Ahmed I. und fügt hinzu: Er wolle seine Solidarität mit der Familie Lübcke zum Ausdruck bringen.
_______________________________________________
Neues Deutschland Online, 12.01.2021:
Korrektur als Zeichen der Stärke / Die Nebenklage im Lübcke-Prozess geht von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten aus
12.01.2021 - 17.50 Uhr
Von Johanna Treblin, Frankfurt am Main
Er spricht sie direkt an: die Richterinnen und Richter, den Oberstaatsanwalt, den Hauptangeklagten. Allein über Markus H., der fast ununterbrochen "grinst", den Mitangeklagten im Mordfall Walter Lübcke, spricht Holger Matt, Vertreter der Familie des Toten, in der dritten Person. Es ist der erste Verhandlungstermin im neuen Jahr. Er beginnt mit den Plädoyers der Nebenklage. Nach Matt wird am Dienstag Alexander Hoffmann sprechen. Er vertritt den zweiten Nebenkläger, Ahmed I., den Stephan Ernst im Januar 2016 mit einem Messer angegriffen haben soll.
Matt dankt den Richtern, dem Staatsanwalt und sogar Ernst. Doch er übt auch Kritik. Von Schwächen, Irrtümern, gar Fehlern spricht er. Vor allem appelliert er an das Gericht: Auch er habe lange an die Alleintäter-These geglaubt; auch bei ihm habe es lange gedauert, bis er seine bisherigen Überzeugungen überdenken und sich davon verabschieden konnte. "Die Korrektur zum Richtigen ist ein Zeichen der Stärke."
Der Vorsitzende Richter hat in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main deutlich gemacht, dass er nicht überzeugt davon ist, dass Markus H. am Tatort war, als der Kasseler Regierungspräsident am 1. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses ermordet wurde. Im Oktober entließ er H. aus der Untersuchungshaft. Damit könnte H. allein wegen Verstoßes gegen das Waffenrecht verurteilt werden. Die Bundesanwaltschaft plädiert immerhin auf Beihilfe - so wie in der Anklageschrift formuliert -, nicht aber auf Mittäterschaft.
Matt will das Gericht von H.s Mittäterschaft überzeugen. Wichtig ist dafür, das Gericht auch von Stephan Ernsts Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Nachdem dieser drei verschiedene Geständnisse abgelegt hatte - erst war er alleine Täter, dann sollte Markus H. Lübcke ermordet haben, schließlich war es doch Ernst, aber H. war nun mit vor Ort -, gab es Zweifel am Wahrheitsgehalt irgendwelcher Aussagen. Doch für Matt war offensichtlich: Auch wenn Ernst vor Beginn des Prozesses, teils unter Einfluss früherer Anwälte, falsche Aussagen gemacht hatte - im Gericht sagte er "nach bestem Wissen und Gewissen" die Wahrheit. Deswegen sagte er auch in seinem dritten Geständnis die Wahrheit, als er H. beschuldigte, mit ihm am Wohnort von Lübcke gewesen zu sein. Diese Zeugenaussage sei "untechnisch gesprochen" ein Beweis, dass es sich so zugetragen habe, sagt Matt. Dies werde von vielen Indizien bestätigt. Insgesamt 30 zählt Matt in seinem Plädoyer auf. Das wichtigste sei die am Hemd von Lübcke gefundene DNA von Ernst. Dass Ernst sein Opfer angefasst habe, sei nur dadurch zu erklären, dass es einen zweiten Täter vor Ort gab. Ernst hatte ausgesagt, dass H. Lübcke angesprochen hatte, dieser sich daraufhin aus dem Stuhl erheben wollte, woraufhin Ernst ihn zurückdrückte.
Ein weiteres Indiz sei das Einschussloch. Lübcke schaute weg von Ernst, möglicherweise in Richtung von H., als Ernst ihn "von der Seite heimtückisch ermordete", so Matt. Er wies noch auf die Position von Tisch und Stühlen hin. Ernst habe später ausgesagt, den Tisch, aber keinen zweiten Stuhl wahrgenommen zu haben. Das erkläre sich so, dass Ernst - anders als in der Alleintäter-These des Gerichts angenommen - über den Tisch hinweg geschossen habe, der Stuhl aber nicht in seinem Blickwinkel war. Beides erkenne man, verabschiede man sich von der These, nur ein Täter sei vor Ort gewesen. Matt kritisierte, dass weder Tisch noch Stühle auf Schmauchspuren untersucht worden seien. Schließlich forderte er eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Anerkennung einer besonderen Schwere der Schuld beider Angeklagten.
Nicht äußern wollte sich Matt zum Nebenkläger Ahmed I.: "Weil wir das nicht für opportun halten." Er erklärte nur, sollte es zu einer Verurteilung Ernsts wegen des Angriffs auf I. kommen, dann käme auch eine Sicherungsverwahrung in Betracht. I. war am 6. Januar 2016 von hinten von einem Radfahrer mit einem Messer attackiert worden und leidet noch heute an den Folgen. Bei einer Hausdurchsuchung nach dem Mord an Walter Lübcke war bei Ernst ein passendes Messer gefunden worden. DNA-Spuren darauf konnten nicht eindeutig I. zugeordnet werden, wiesen aber einige Merkmale auf, die darauf hindeuteten, dass sie von I. stammen.
Verteidiger Alexander Hoffmann kritisierte in seinem Plädoyer den Umgang von Polizei und Justiz mit seinem Mandanten. Er sei nach dem Überfall nach dem Aufwachen aus der Narkose befragt worden, ohne dass dann schnelle Ermittlungen eingeleitet wurden. Später sei er ohne Vorladung zu einer weiteren Zeugenaussage abgeholt worden. Vor Gericht habe er keine Gelegenheit zu einer umfassende Aussage erhalten. Die Beweise gegen Ernst nannte Hoffmann "deutlich belastend" und forderte, Ernst wegen des Messerangriffs zu verurteilen. Der Prozess wird am 14. Januar mit dem Plädoyer der Verteidigung von Ernst fortgesetzt. Am 26. Januar wird das Urteil erwartet.
_______________________________________________
Süddeutsche Zeitung Online, 12.01.2021:
Wichtige Akten / Liegen Lübcke-Ausschuss nun vor
12.01.2021 - 16.59 Uhr
Wiesbaden (dpa/lhe). Der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag zum Mordfall Lübcke hat eine wichtige Akten-Lieferung für seine Arbeit erhalten. Nach der Freigabe durch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sei inzwischen eine Festplatte mit angeforderten Akten zu dem Strafverfahren gegen Stephan Ernst angekommen, sagte der Ausschussvorsitzende Christian Heinz (CDU) am Dienstag in Wiesbaden. "Die Voraussetzungen für eine intensive inhaltliche Arbeit des Ausschusses im neuen Jahr 2021 sind gegeben."
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde im Juni 2019 erschossen - mutmaßlich aus rechtsextremen Gründen. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gibt es Kritik an den Sicherheitsbehörden. Im Fokus steht dabei der mutmaßliche Haupttäter, der Deutsche Stephan Ernst.
Ernst war zwar als Rechtsextremist aktenkundig, aber zum Tatzeitpunkt nicht mehr unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes. Er muss sich derzeit wegen Mordes vor dem OLG Frankfurt verantworten, der mutmaßliche Mittäter Markus H. ist wegen Beihilfe angeklagt. Der U-Ausschuss will unter anderem beleuchten, ob Ernst auf Grund von Behördenpannen vom Radar des Verfassungsschutzes verschwinden konnte.
Die Ausschussmitglieder haben sich am Dienstag darauf verständigt, die Akten zum Strafverfahren gegen Ernst möglichst bis Ostern zu lesen. Zudem erwartet das Gremium noch rund 1.600 Akten zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Dabei geht es um die Frage, ob es Verbindungen zwischen Ernst und dem NSU gab. Bei seiner nächsten Sitzung am 3. Februar will der Ausschuss den weiteren Zeitplan besprechen - etwa für die öffentlichen Sitzungen, wie Heinz ankündigte.
_______________________________________________
MDR Thüringen, 12.01.2021:
Ermittler: Motiv für Hirschgarten-Angriff konnte nicht geklärt werden
12.01.2021 - 11.36 Uhr
Nach dem Überfall auf eine Personengruppe im Erfurter Hirschgarten im Juli bleibt das Motiv offen. Staatsanwalt Hannes Grünseisen sagte, das Motiv habe bei den Ermittlungen nicht geklärt werden können. Es seien 15 Tatverdächtige identifiziert worden - allesamt Männer. Demnächst werde über Anklagen entschieden.
Fünf Personen verletzt
Auf dem Platz Hirschgarten in Erfurt direkt vor der Staatskanzlei hatten die Männer am 18. Juli 2020 eine Gruppe vorwiegend junger Menschen scheinbar anlasslos angegriffen. Die Opfer sollen getreten und geschlagen worden sein. Nach Polizeiangaben von damals wurden fünf Personen verletzt, eine davon schwer. Eine große Blutlache direkt vor der Eingangstür der Staatskanzlei zeugte von der Brutalität der Attacke. Drei der mutmaßlichen Angreifer waren festgenommen worden. Sie wurden wieder auf freien Fuß gesetzt, auch die übrigen Beschuldigten sind frei.
Wohnungen durchsucht
Im Zuge der Ermittlungen waren im August mehrere Wohnungen in Erfurt und im Saale-Holzland-Kreis durchsucht worden. Ermittler waren auf der Suche nach den Mobiltelefonen der Beschuldigten und nach Kleidungsstücken, die sie bei der Tat getragen haben sollen. Danach erklärten die Ermittler, es seien umfangreiche Beweismittel sichergestellt worden.
Initiative gegen Rechtsextremismus kritisiert Ermittlungsbehörden
Die Initiative gegen Rechtsextremismus Mobit (Mobile Beratung in Thüringen) erklärte am Dienstag, einige der mutmaßlichen Täter seien seit Jahren durch Aktivitäten in der extrem rechten Szene bekannt. Dass dieser Tathintergrund von den Ermittlungsbehörden nicht anerkannt worden sei, stelle ein katastrophales Signal an die Betroffenen dar und verschleiere das Problem extrem rechter Gewalt.
Nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft sind einige der Beschuldigten wegen rechtsextrem motivierter Straftaten polizeibekannt oder wegen Gewaltstraftaten vorbestraft. In die Ermittlungen war auch die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts einbezogen worden, die bei politisch motivierten Straftaten tätig wird. Die Thüringer Opferberatung Ezra bezeichnet den Übergriff auf ihrer Website als "gezielten Angriff durch 20 Rechtsextreme". In vergleichbaren Fällen hatte es in der Vergangenheit immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ermittlern und Opferschutz-Organisationen gegeben, ob Gewaltstraftaten Rechtsextremer aus einem rechtsextremen Motiv heraus begangen worden sind.
Bildunterschrift: 18. Juli 2020: Polizeibeamter macht Fotos von der Blutlache auf dem Boden vor dem Eingang der Staatskanzlei.
_______________________________________________
MiGAZIN, 12.01.2021:
"Nazi-Problem" / 475 Rechtsextremisten werden per Haftbefehl gesucht
12.01.2021 - 05.24 Uhr
Körperverletzung, Volksverhetzung, Beleidigung: Hunderte Haftbefehle gegen Rechtsextremisten sind derzeit unvollstreckt. Die Bundesregierung nehme "das Nazi-Problem noch immer nicht ernst genug", kritisiert die Linke.
In Deutschland werden Hunderte Rechtsextremisten per Haftbefehl gesucht. Zum Stichtag 30. September bestanden Haftbefehle gegen 475 Personen, die dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen sind, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, die dem MiGAZIN vorliegt. In allen Fällen wurden demnach polizeiliche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet.
Damit ist die Zahl der offenen Haftbefehle seit 2014 deutlich gestiegen. Damals waren 253 Rechtsextremisten zur Fahndung ausgeschrieben.
Jelpke: Regierung nimmt Nazi-Problem nicht ernst
Zumeist fahndete die Polizei nach den Rechtsextremisten wegen Gewalttaten (125 Personen), darunter Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, wie es weiter hieß. 109 Verdächtige wurden wegen eines politisch motivierten Delikts wie Volksverhetzung, Beleidigung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gesucht, einer wegen eines Terroraktes.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, kritisierte: "Ein großer Teil der gesuchten Neonazis entzieht sich seit zwei Jahren oder noch länger der Verhaftung." Das werfe nicht nur Fragen nach der Intensität der polizeilichen Fahndung auf, sondern auch danach, ob hier ein rechtsextremer Untergrund entstehe. "Insgesamt drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Bundesregierung das Nazi-Problem noch immer nicht ernst genug nimmt." (epd/mig)
_______________________________________________
Bayerischer Rundfunk, 12.01.2021:
Social Media / "Gab" ist neben "Parler" eine weitere Plattform für Rechtsextreme - und sie ist verstörend
Große Plattformen wie Twitter sperren Verschwörungs-Accounts, beispielsweise von Anhängern der Alt-Right-Bewegung. Darum bekommen alternative Plattformen massiven Zulauf. Eine davon ist "Gab". Wir haben uns dort angemeldet - und waren schockiert.
Von: Ferdinand Meyen
So, das sieht erst mal relativ harmlos aus. Profil, Name, E-Mail-Adresse, Passwort, Passwort bestätigen. Willkommen bei Gab!
Auf den ersten Blick wirkt Gab wie ein ganz normales Soziales Netzwerk. Die Benutzeroberfläche - eine Mischung aus Reddit und Twitter - und zusätzlich zu einem Newsfeed gibt es auch Gruppen, denen ich beitreten kann.
Ab in den Kaninchenbau
"Find your people. Gab groups are a great way to connect with people, who share your interests", heißt es. Nun: Gruppen wie QAnon and the Great Awakening gibt’s hier gleich mit 134.000 Mitgliedern. Rock und Metal gibt`s auch. Hier ist noch eine: Trump 2020 QAnon Supporters, aber auch Gamer. Oh, Christian Music! Ja, das werde ich auch direkt mal joinen. Ich bemühe mich um eine recht diverse Auswahl, betrete die größte Gab-Gruppe: QAnon, the Great Awakening, dazu noch eine Kochrezepte-Gruppe und eine, die den Titel "Manly Men of Gab" trägt - und fertig ist meine Registrierung.
Wo Männer noch Männer sein dürfen
So jetzt bin ich drin! Null Beiträge, das sieht ein bisschen aus wie bei Twitter. Null Follower, aber ich folge drei Personen, nämlich: Gab Help, How May I Help You und Andrew Torba. Andrew Torba ist der Gründer von Gab, noch keine 30 Jahre alt und ziemlich rechtskonservativ - mindestens. Sein Titelbild: Ein Gemälde mit zwei Kreuzrittern. Und er begrüßt mich in meinem Gab-Feed auch gleich mal mit einem 20-minütigem "Welcome to Gab"-Video:
"Für alle, die noch nicht so viel über uns wissen: Ich habe mit Gab im August 2016 angefangen, kurz vor der Wahl von Präsident Trump. Ich habe damals im Silicon Valley gelebt und gearbeitet und da habe ich den Aufstieg der Online-Zensur hautnah miterlebt."
Mit dem Sturm aufs US-Kapitol wollen sie aber nichts zu tun haben
Andrew Torba präsentiert Gab als Plattform, auf der man noch sagen darf, was man denkt, als "Home of free speech". Und schon im Begrüßungs-Video thematisiert er den Marsch auf das Kapitol und rechtfertigt sich: Er behauptet, dass Gab nichts damit zu tun hatte:
"Wisst ihr die Medien, die beschuldigen sofort Gab. Obwohl sie gar keine Beweise haben, tun sie so, als ob Gab der Ort sei, an dem Gewalt organisiert wird. Aber das stimmt überhaupt nicht. Wir tolerieren keine Gewalt. Das war schon immer so. Und wir gehen sofort gegen sie vor."
Welche User tummeln sich auf "Gab"?
Gab, so scheint es, ist die knallharte Alternative für alle, die von Twitter und Facebook angepisst sind, seitdem die Silicon Valley Trump aus "stumm" geschaltet haben. Laut Torba haben sich allein in der vergangenen Woche fünf Millionen Menschen auf Gab neu registriert haben. Aber wer sind DIE?
Ich scrolle mich ein bisschen durch die Posts - und suche erst mal nach deutschen Gruppen. Die größte heißt: "DEUTSCH!" Alles groß geschrieben.
Der erste Post ist von einem Account namens "DEUTSCHER" und lautet so: "Ein herzliches Willkommen in der Deutsch-Group bei Gab an die fast 2.000 Vertriebenen, die den digitalen Holocaust überlebt haben. Hier könnt ihr erst mal Ruhe finden und über dieses neue Phänomen digitaler Faschismus nachdenken."
Ohne Holocaust-Vergleiche geht nichts
Keine zwei Minuten drin und schon muss ich also den ersten miesen Holocaust-Vergleich aushalten. Die meisten Gab-Nutzer sind mit Pseudonymen unterwegs - kein Wunder, wenn man eine Sperre auf Twitter mit der Ermordung von sechs Millionen Juden vergleicht. Auf Gab postet aber auch das Who-is-Who der rechten Szene: Politiker von der AfD und der Republikanischen Partei, Identitäre wie Martin Sellner, rechte Blogger, Netz-Aktivisten, ein paar Proud Boys und viele, viele anonyme Profile mit Nationalflaggen, Jesus-Bildern oder QAnon-Symbolen. Der größte Gab-Account trägt den Namen von Donald Trump. Und was posten diese Accounts so? "Noah galt auch als Verschwörungstheoretiker. Doch dann hat es angefangen zu regnen." Oder zum Beispiel: "Bill Gates hat es bestätigt: Der Corona-Impfstoff wird dabei helfen, die Weltbevölkerung zu dezimieren."
Irre Parallelwelten
Und so geht der Irrsinn weiter. George Floyd sei nur ein Krimineller, der den Tod verdient hat. Die Black-Lives-Matter-Bewegung eigentlich anarchistische Kommunisten, Amerika ist am Rande des Zusammenbruchs.
Nach zwei Stunden stecke in einer mir völlig fremden Parallelwelt fest. Wenn Twitter Accounts von Rechten sperrt, die andere Menschen mit Hass oder Gewaltandrohung überziehen, dann gehen sie einfach woanders hin. Viele feiern sich sogar noch für ihren Ausstieg, präsentieren die Anzahl der Sperrungen durch Silicon-Valley-Konzerne wie Medaillen auf ihren Profilen.
Die Vernetzung geht weltweit
Martin Sellner, Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, bettelt auf Gab um Gefolgschaft. Er postet: "#Deutsche Gab - ich folge jedem, der das liked." Immerhin: die rechte Vernetzung auf Gab dauert sehr lange. Denn die Gab-Server sind, zumindest im Moment noch, extrem langsam und ständig überlastet. Jeder Klick braucht fünf Minuten - und am Ende meines Tages auf Gab heißt es: Sorry, die Server sind down, wir machen gerade Wartungsarbeiten. Ich logge mich erleichtert aus und hoffe, dass das noch eine ganze Weile so bleibt.
_______________________________________________
Stuttgarter Nachrichten Online, 12.01.2021:
Präsenz-Veranstaltung trotz Corona / AfD-Parteitag in der Messe Stuttgart
12.01.2021 - 22.42 Uhr
Christine Keck
Die Südwest-AfD will im Februar einen Präsenz-Parteitag in Stuttgart abhalten – trotz der grassierenden Corona-Pandemie. Die Hygiene-Regeln können laut AfD eingehalten werden.
Stuttgart. Die baden-württembergische AfD veranstaltet am 6. und 7. Februar einen Präsenz-Parteitag in der Messe Stuttgart. Auf der Tagesordnung steht die Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl im September. Man könne alle vorgeschriebenen Hygiene-Regeln einhalten, versichert der Sprecher der Südwest-AfD, Markus Frohnmaier, und sieht es als unproblematisch, mitten in der Pandemie eine Präsenz-Veranstaltung abzuhalten. Die Messe Stuttgart kann die Veranstaltung nur dann ablehnen, wenn die Hallen ausgebucht sind oder die Inhalte gegen das Gesetz verstoßen, heißt es vonseiten der Messe. Beides ist bei dem Parteitag nicht der Fall. Nicht stattfinden konnte dagegen ein AfD-Parteitag in Göppingen im Vorfeld der Landtagswahl. Der Hallenbetreiber hatte den Vertrag gekündigt.
Bildunterschrift: In der Messe Stuttgart soll Anfang Februar ein Parteitag der AfD stattfinden. Ein Online-Format lehnt die Partei ab.
_______________________________________________
Saarländischer Rundfunk, 12.01.2021:
Saar-AfD will Dieter Müller ausschließen
12.01.2021 - 19.46 Uhr
Thomas Gerber
Auch unter der neuen Parteispitze um Landeschef Christian Wirth gehen die parteiinternen Auseinandersetzungen bei der Saar-AfD weiter. Der Landesvorstand hat nach SR-Informationen beschlossen, den Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Dieter Müller, aus der Partei auszuschließen. Gegen den 65-Jährigen soll zudem Strafanzeige erstattet werden.
Müller bestätigte dem SR, dass er ein Schreiben des AfD-Landesvorstands erhalten habe, in dem ihm der Parteiausschluss angekündigt werde. In dem Schreiben werde ihm als ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzenden Unterschlagung vorgeworfen. Nach SR-Informationen hat der Landesvorstand am Montagabend zudem beschlossen, gegen Müller eine Strafanzeige zu erstatten. Er soll Gelder der Partei veruntreut haben.
Vertrauter von Ex-Chef Dörr
Dabei soll es um rund 6.000 Euro gehen, für die angeblich keine Belege vorliegen. Müller, der als Vertrauter von Ex-Parteichef Josef Dörr gilt, bestritt gegenüber dem SR die Vorwürfe. Er habe in seiner Zeit als stellvertretender Landesvorsitzender zwar über eine Kreditkarte der Partei verfügt, Bargeld habe er aber immer nur auf Anweisung des Landesvorstands abgehoben und in dessen Auftrag auch verwendet.
Bei dem beantragten Parteiausschluss und der geplanten Strafanzeige handele es sich ganz offenbar um eine Kampagne gegen ihn und den ehemaligen Landesvorsitzenden Josef Dörr. Müller kündigte an, seinerseits Strafanzeige zu erstatten.
Vorstand will Vorgänge aufarbeiten
Der Landesvorstand wollte sich zu den Vorgängen zunächst nicht äußern. Der stellvertretende Landesvorsitzende Lutz Hecker erklärte lediglich, dass man bemüht sei, die Vorkommnisse aus der Zeit des ehemaligen Landesvorstands um Josef Dörr aufzuarbeiten. Parteiordnungsmaßnahmen seien dabei nicht auszuschließen.
_______________________________________________
RedaktionsNetzwerk Deutschland, 12.01.2021:
Nach illegaler Party: Polizei ermittelt gegen Brandenburger AfD-Abgeordneten
12.01.2021 - 14.42 Uhr
Nach Weihnachten war die Polizei in Cottbus wegen einer illegalen Party gerufen worden.
Bei der Geburtstagsfeier der AfD-Kommunalpolitikerin Monique Buder war offenbar auch der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Freiherr von Lützow zu Gast.
Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts der Nötigung und Bedrohung von Polizeibeamten ermittelt.
Cottbus / Potsdam. Nach einer illegalen Geburtstagsparty in Cottbus im Dezember wird gegen den Brandenburger AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Freiherr von Lützow ermittelt. Das bestätigte die Polizeidirektion Süd am Dienstag. Es gehe um den Tatverdacht der Nötigung und Bedrohung von Polizeibeamten, sagte Sprecherin Ines Filohn der Nachrichtenagentur dpa.
Von Lützow soll demnach entgegen eigener Darstellungen doch bei der Party dabei gewesen sein und Polizisten bedroht haben. Zu Details wollte sich Filohn mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. Zuvor hatten die "Potsdamer Neuesten Nachrichten" über die Vorfälle bei der Feier berichtet.
Wie die "Märkische Allgemeine Zeitung" berichtet, soll von Lützow laut Einsatzdokument der Polizei den Beamten zudem den Zugang zu einem Zimmer verwehrt haben. Als Grund habe er demnach angegeben, darin befänden sich seine Lebensgefährtin und sein Kind. Aus dem Protokoll gehe hervor, der Abgeordnete habe gedroht, er werde "jeden alle machen", der sich Zutritt zu dem Zimmer verschaffen wolle. Dabei soll er gesagt haben, er habe "acht Jahre im Kosovo seinen Arsch hingehalten für das Grundgesetz".
Von Lützow selbst sagte der dpa am Dienstag auf Anfrage, er werde einen Anwalt einschalten, der "die Sachen" klären werde. Er selbst wolle sich zu den laufenden Ermittlungen zunächst nicht äußern und liege mit einer Erkältung im Bett. Daher könne er am Mittwoch an der Sitzung des Innenausschusses nicht teilnehmen.
Innenausschuss befasst sich mit Vorfällen
Der Innenausschuss des Landtags wollte sich an diesem Mittwoch auf Antrag der Linksfraktion mit den Vorgängen beschäftigen. "Ich mache mir Sorgen um die Integrität des Ausschusses", sagte der Ausschussvorsitzende Andres Büttner (Linke) der dpa. Von Lützow ist Mitglied des Innenausschusses. Büttner forderte eine Stellungnahme vom AfD-Politiker im Ausschuss. Es stünden erhebliche Vorwürfe im Raum.
Der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" zufolge habe von Lützow Ende des Jahres gegenüber der Zeitung geäußert, lediglich im Eingangsbereich der Wohnung gestanden zu haben, um zu gratulieren. Von einer Auseinandersetzung wolle er nichts mitbekommen haben. Laut Bericht hat er diese Angaben nun wiederholt. "Ich habe niemanden bedroht, die Vorwürfe sind hanebüchen", sagte er der Zeitung. Zudem will er auch bislang nichts davon gewusst haben, bei der Polizei inzwischen als Beschuldigter geführt zu werden.
Auch die angebliche Aussage, er habe acht Jahre in Kosovo gedient, bestritt er gegenüber der Zeitung. Er habe gewiss nicht von acht Jahren im Kosovo gesprochen, da er nur ein halbes Jahr dort bei der Bundeswehr im Dienst gewesen sei.
_______________________________________________
Westfalen-Blatt, 12.01.2021:
Reichstagsgebäude ist gut geschützt
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hält das Reichstagsgebäude in Berlin für ausreichend geschützt. "Was auf dem Kapitol passiert ist, ist im Reichstag unmöglich", sagte der FDP-Politiker der "Berliner Zeitung" (Montag). "Wir haben hier ein System, das es in Washington nicht gibt. Wir haben ein Lockdown-System. Bei uns werden mit einer Schaltung alle Zugänge zum Deutschen Bundestag verriegelt. Die Glasscheiben sind Panzerglas. Das geht rasend schnell. Niemand kommt rein und niemand raus."
Bildunterschrift: Wolfgang Kubicki.
_______________________________________________
|