Westfalen-Blatt ,
24.06.2020 :
Seehofer verbietet "Nordadler"
Erneuter Schlag gegen die rechtsextreme Szene
Berlin (dpa). 60 Polizisten haben in Nordrhein-Westfalen das Verbot der Neonazi-Gruppe "Nordadler" durchgesetzt. Sie haben am Dienstagmorgen zwei Privatwohnungen und einen Arbeitsplatz in Wuppertal, Vlotho und Sprockhövel durchsucht, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums in Düsseldorf auf Anfrage. Zwei Mitgliedern der rechtsextremen Gruppe seien dabei Verbotsverfügungen übergeben worden.
Das Verbot der Gruppe durch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war von Razzien in drei weiteren Bundesländern flankiert worden. Durchsuchungen gab es neben NRW auch in Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen. In Brandenburg seien drei Stahlhelme, NS-Literatur, ein Laptop, Speichermedien und Mobiltelefone beschlagnahmt worden, teilte ein Sprecher des dortigen Polizeipräsidiums am Dienstag mit. Die Hausdurchsuchungen in den Morgenstunden haben sich gegen sieben Führungsfiguren gerichtet.
Die Gruppierung verfolgt nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums eine nationalsozialistische Ideologie und firmiert auch unter den Bezeichnungen "Völkische Revolution", "Völkische Jugend", "Völkische Gemeinschaft" und "Völkische Renaissance".
Die Rechtsextremisten bekennen sich demnach zu Adolf Hitler und anderen wichtigen Vertretern des Nazi-Regimes und nutzen Symbole und Sprache dieses Regimes. Dazu plane "Nordadler" ein nationalsozialistisches Siedlungsprojekt mit Gleichgesinnten im ländlichen Raum. Die Gruppierung richtet sich laut Ministerium gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.
"Nordadler" agiere demnach vor allem online. Laut Bundesregierung nutze die Gruppierung offene und geschlossene Chat-Gruppen und Kanäle auf verschiedenen Plattformen im Internet und in Sozialen Medien wie Telegram, Instagram und Discord. Sie betreibe auch eine eigene Website.
Die Gruppe wird als ausgeprägt antisemitisch beschrieben. Ihr Anführer habe in einer öffentlichen Gruppe des Messenger-Dienstes Telegram Sympathien für den Anschlag auf die Synagoge in Halle geäußert, so das Bundesinnenministerium. Die "Nordadler" haben eine aggressive Grundhaltung, die sich etwa in Fantasien über Gewalt gegen Polizisten ausdrücke.
Beim Attentat von Halle hatte ein 28-jähriger Deutscher im vergangenen Oktober versucht, in ein jüdisches Gotteshaus einzudringen. Als das misslang, tötete er auf der Straße und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen. Er muss sich ab Juli vor Gericht verantworten. Das Verbot der "Nordadler" ist laut Ministerium das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch einen Bundesinnenminister und das dritte in diesem Jahr. Im Januar wurde "Combat 18" verboten und im März die Reichsbürger-Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme".
"Nordadler": Klein und radikal
Die verbotene Neonazi-Gruppe "Nordadler" umfasst nach Angaben des Bundesinnenministeriums ein paar Dutzend Mitglieder. Die Durchsuchungen in vier Bundesländern haben sich gegen sieben Führungsfiguren in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen gerichtet. Mehr als 130 Polizisten seien im Einsatz gewesen. Innerhalb der ersten Stunden wurden laut Ministerium keine Waffen gefunden. "Beschlagnahmt wurden in erster Linie PCs, Laptops und Handys", sagte ein Sprecher. "Darüber hinaus wurden NS-Literatur, Reichskriegsflaggen und andere Devotionalien wie Stahlhelme gefunden." Es gab weder Festnahmen noch Zwischenfälle.
Bildunterschrift: Zu allem entschlossen. Neonazis bei einem Aufmarsch in Berlin. Die Gruppe "Nordadler" wollte den Nationalsozialismus wiederbeleben.
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