Westfalen-Blatt Online ,
23.06.2020 :
"Nordadler"-Verbot: Durchsuchung in Vlotho
23.06.2020 - 17.16 Uhr
Razzien in drei Bundesländern - 60 Polizisten setzen Verbot der Neonazi-Gruppe durch
Adolf Hitler als Vorbild und Hass auf Juden: Die Bundesregierung hat die Neonazi-Gruppe "Nordadler" verboten. Am Dienstagmorgen rückte die Polizei bei "Nordadler"-Mitgliedern in NRW an.
Von Westfalen-Blatt
Vlotho (dpa). 60 Polizisten haben in Nordrhein-Westfalen das Verbot der Neonazi-Gruppe "Nordadler" durchgesetzt. "Das sind klassische Neonazis, die unverhohlen Hitler und seine Schergen bewundern und versuchen, diese Ideologie in die heutige Zeit zu retten. Es ist gut, dass wir auf allen Ebenen, ob im Netz oder im realen Leben, diesem Spuk Einhalt gebieten", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).
Polizisten hätten am Dienstagmorgen zwei Privatwohnungen und einen Arbeitsplatz in Wuppertal, Vlotho und Sprockhövel durchsucht, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums in Düsseldorf. Zwei Mitgliedern der rechtsextremen Gruppe seien dabei Verbotsverfügungen übergeben worden. Bei den Durchsuchungen wurde den Angaben zufolge vor allem Propagandamaterial sichergestellt.
Das Verbot der Gruppe durch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war von Razzien in drei weiteren Bundesländern flankiert worden. "Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar für seine klare Linie gegen rechte Hetzer", sagte Reul. Durchsuchungen gab es neben Nordrhein-Westfalen auch in Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen.
In Brandenburg seien drei Stahlhelme, NS-Literatur, ein Laptop, Speichermedien und Mobiltelefone beschlagnahmt worden, teilte ein Sprecher des dortigen Polizeipräsidiums am Dienstag mit.
Die Gruppierung verfolgt nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums eine nationalsozialistische Ideologie und firmiert auch unter den Bezeichnungen "Völkische Revolution", "Völkische Jugend", "Völkische Gemeinschaft" und "Völkische Renaissance".
Siedlungsprojekt in Planung
Die Rechtsextremisten bekennen sich demnach zu Adolf Hitler und anderen wichtigen Vertretern des Nazi-Regimes und nutzen Symbole und Sprache des Nazi-Regimes. Dazu plane "Nordadler" ein nationalsozialistisches Siedlungsprojekt mit Gleichgesinnten im ländlichen Raum. Die Gruppierung richtet sich laut Ministerium gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.
"Nordadler" agiert demnach vor allem online. Laut Bundesregierung nutzt die Gruppierung offene und geschlossene Chat-Gruppen und Kanäle auf verschiedenen Plattformen im Internet und in sozialen Medien wie Telegram, Instagram und Discord. Sie betreibe auch eine eigene Website.
Die Gruppe wird als ausgeprägt antisemitisch beschrieben. Der Anführer der Gruppe habe in einer öffentlichen Gruppe des Messenger-Dienstes Telegram Sympathien für den Anschlag auf die Synagoge in Halle geäußert, so das Bundesinnenministerium. Die Gruppierung habe eine aggressive Grundhaltung, die sich etwa in Fantasien über Gewalt gegen Polizisten ausdrücke.
Beim Attentat von Halle hatte ein 28-jähriger Deutscher im vergangenen Oktober versucht, in ein jüdisches Gotteshaus einzudringen. Als das misslang, tötete er auf der Straße und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen. Er muss sich ab Juli vor Gericht verantworten.
Drittes Verbot in diesem Jahr
Das Verbot von "Nordadler" ist laut Ministerium das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch einen Bundesinnenminister und das dritte in diesem Jahr. Im Januar wurde der Verein "Combat 18" verboten und im März die Reichsbürger-Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme".
Die verbotene Neonazi-Gruppe "Nordadler" hatte nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehrere Dutzend Mitglieder. Die Hausdurchsuchungen in den Morgenstunden in vier Bundesländern hätten sich gegen sieben Führungsfiguren gerichtet.
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