Lippische Landes-Zeitung ,
27.06.2020 :
Leserbriefe / Dieser Freispruch ist kein Freibrief
Zum Urteil des Amtsgerichtes "Trecker-Angriff wegen blutigem Tampon"
Tampons sind eine tolle Sache, seit ihrer Einführung haben sie uns Frauen ein deutliches Plus an Lebensqualität und Freiheit geschenkt. Anlass einer Gerichtsverhandlung dürfte ein Tampon noch nicht allzu oft gewesen sein. Nun hat ein Tampon beim Detmolder Amtsgericht sogar einen Freispruch generiert, einen Freispruch, den wir allerdings so nicht unkommentiert hinnehmen wollen. In der langen Verhandlung erhielten der Angeklagte und seine Zeugen sehr viel Raum, ihre stets wortgleiche Version des Vorganges darzustellen. Der Nebenkläger konnte auf Grund des Tatherganges keine Augenzeugen präsentieren, deswegen hätte die Staatsanwaltschaft in der Verhandlung besonderes Augenmerk auf Tathintergründe, Begleitumstände, Indizien sowie technische Details und Beweisaufnahmen richten müssen. Die diesbezüglichen Einlassungen des Nebenklägers fanden bei der Anklage und bei der Urteilsfindung offensichtlich keine Berücksichtigung. Ein Verfahren, in dem die Richterin während der Verhandlung äußert, dem Nebenkläger zu glauben und dann den Angeklagten freispricht, nachdem sein Anwalt nach mehr als sechsstündiger Verhandlungsdauer mit Revision droht, scheint doch sehr fragwürdig. Gedanken und Gesinnungen sind in unserem Land frei. Es gibt jedoch auch Gesinnungen, die Drohungen und Gewalt als angemessenes Mittel zum Erreichen ihrer Ziele betrachten. Hier beginnt eigentlich die Aufgabe der Gerichte. Wir haben schon in der Schule gelernt, dass die Freiheit des eigenen Handelns da endet, wo Freiheit und Unversehrtheit der Anderen verletzt werden. Dieser Freispruch ist kein Freibrief! Als Gruppe von Menschen, die sich für ein gewaltfreies, tolerantes und buntes Fromhausen engagieren, in dem wir uns alle sicher bewegen können, erwarten wir, dass Gewalt und Drohungen in jeglicher Form in unserem Dorf nicht mehr zum Einsatz kommen. Wir hoffen, dass wir bei zukünftigen Urteilen unser Vertrauen in die engagierte und sorgfältige Arbeit der Justiz wiederfinden können. Nicht zuletzt hoffen wir natürlich auch, dass alle Tampons zukünftig sachgerecht entsorgt werden.
Eva Hermannsdörfer für die Gruppe "Fromhausen für ein gewaltfreies Miteinander"
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Blick nach Rechts, 10.06.2020:
Völkischer Familienverband
Von Andrea Röpke
In Horn-Bad Meinberg stehen Vater und Sohn in Verdacht, gewaltsam gegen einen Nachbarn vorgegangen zu sein, den sie im gegnerischen politischen Lager verorten. Anders als der Betroffene rechter Gewalt lieferte die einschlägig bekannte Familie vor dem Amtsgericht Detmold wenig glaubhafte Zeugenaussagen ab - und erhielt doch einen Freispruch.
In völkisch gesinnten Familien geht der Vater voran und die Söhne haben zu folgen. Das patriarchale System ist Teil der Weltanschauung, es hat unter anderem zum Ziel die politische Gesinnung ohne Brüche auf die nächste Generation zu übertragen. Gehorsam und Opferbereitschaft sind Voraussetzungen dieser Erziehung. Als Andreas H. aus Horn-Bad Meinberg sich Ende Mai 2019 wütend seinem Nachbarn in den Weg stellte und verletzt wurde, waren die drei Söhne nicht weit. Der Zweitälteste sprang über Häcksler und Zapfwelle von hinten auf den Traktor des Nachbarn, während der Vater auf der Haube hockte und mit den Füßen gegen dessen Windschutzscheibe trat. Verletzt wurden nicht die beiden, sondern der 44-jährige Martin H., der versuchte auf den Hof eines befreundeten Nachbarn zu gelangen. Von dort aus wurde Anzeige bei der Polizei erstattet. Jetzt kam es am 5. Juni zum Prozess gegen Andreas H. wegen versuchter Nötigung und versuchter Sachbeschädigung. H. rückte forsch an und lieferte eine völlig andere Geschichte - die seine Söhne bestätigten.
Angeklagter aus der rechtsextremen Szene bekannt
Es habe sich mehr oder weniger um einen "Nachbarschaftsstreit" gehandelt, heißt es in der Lokalzeitung. Auch die Vorsitzende Richterin Lena Böhm postulierte die Auseinandersetzung in Fromhausen, einer Gemeinde von Horn-Bad Meinberg, so. In dem sechsstündigen Verfahren inszenierten sich der angeklagte H. nebst seinem Verteidiger Hendrik S. und dem Nachwuchs äußerst theatralisch als die eigentlichen Opfer des Vorfalls. In "Todesangst" seien sie gewesen, "vom Tode bedroht", weil der verängstigte Nebenerwerbslandwirt den Trecker nicht stoppen wollte, als sie es von ihm verlangten. "Du bringst mich um", habe er geschrien und sehr viel Angst gehabt, behauptet der Angeklagte. Doch die Polizei riefen weder Andreas H. noch seine Söhne. Sie gingen einfach nach Hause, nachdem der Betroffene Martin H. verletzt Zuflucht gesucht hatte. Für seine Verteidigung wählte H. einen in der braunen Szene beliebten Anwalt, der unter anderem den als gewaltbereit geltenden Dortmunder Rechtsextremisten Robin Schmiemann vertreten hatte.
Dass es bei dieser Auseinandersetzung keineswegs nur um einen Privatkrieg ging, bleibt im Verfahren weitestgehend außen vor. Dabei berichtete nicht nur das ostwestfälische Infoportal "www.hiergeblieben.de" oftmals über die politischen Aktivitäten des 50-jährigen Andreas H., der seit Jahren aus der rechtsextremen Szene bekannt ist. Die Initiatoren von "hiergeblieben" weisen darauf hin, dass die Ehefrau des verletzten Nachbarn Martin H. die ehemalige Lehrerin eines Sohnes von Andreas H. ist.
Festlich angezogen im HDJ-Lager
In Fromhausen lebt man entlegen und eng beieinander. H. genießt dort seit 2006 einen gewissen Ruf. Niemand mag gerne über die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) sprechen, die dort in dem Jahr etwa eine Woche lang ein großes Sommerlager auf dem Nachbargrundstück der H.s abhielt. Andreas H. legt viel Wert darauf, dass er mit dem Lager nichts zu tun habe, es ebenso wie andere Nachbarn nur einfach besucht habe. Heimlich gemachte Filmaufnahmen zeigen ihn mehrfach zwischen den Zelten, in normaler Alltagskleidung, aber auch festlich angezogen mit der Ehefrau im Dirndl. Immerhin wurde die Jugenderziehungsorganisation HDJ vor allem auch wegen erschreckender Bilder aus Fromhausen 2009 verboten. Das Schild "Führerbunker" an einem der Zelte, Kinder-Drill in Uniform. Die HDJ gilt als militant und verfassungsfeindlich.
H. berichtet vor Gericht nicht davon, dass er zudem 2007 an einem Pfingstlager der HDJ im niedersächsischen Eschede teilnahm, auf Filmmaterial ist er mehrfach zu sehen unter anderem mit Szene-Größen der NPD. Dieses besagte Lager in der Lüneburger Heide war dem ehemaligen AfD-Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz zum Verhängnis geworden, weil er die Teilnahme beim Eintritt in die Partei verschwiegen haben soll. Andreas H. ist zudem lange mit dem immer noch aktiven ehemaligen Leiter der "Einheit Hermannsland" der HDJ, Gerd Ulrich, eng befreundet. Dessen Tochter ist mit seinem Ältesten liiert. Gemeinsam besuchten die Väter im Mai 2018 eine Solidaritätsdemonstration für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel in Bielefeld. 2009 fand die Polizei auf dem Gelände von H. in einem verborgenen Erdloch zehn Kilogramm Schwarzpulver und Zündschnüre. Der Sportschütze habe alles "sachfremd" aufbewahrt, lautete der behördliche Vorwurf. Weniger glimpflich kam Kamerad Ulrich davon, der war bereits 1999 wegen Sprengstoffbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Geburtsanzeige in der "Nordischen Zeitung"
H. scheint ein Vater zu sein, der stolz darauf ist, mit seinen Söhnen - auch den beiden damals minderjährigen - für die nationale Sache auf die Straße zu gehen. Als der wütende rechte Mob am 1. September 2018 in Chemnitz tobte, befanden sich H., sein Nachwuchs sowie der ehemalige HDJ-Anführer Gerd Ulrich unter den Demonstrierenden. Fotos zeigen die altmodisch gekleideten Gruppen inmitten tausender Rechtsextremer. Einmal sind die beiden Väter neben besonders Aufgebrachten und Drohenden zu sehen, die die Fäuste in die Luft recken.
In der Waldorfschule in Detmold gefiel es dagegen wenig, dass H. den 13-jährigen und den 16-jährigen Sohn in Chemnitz dabei hatte. Der ältere der beiden soll zuvor bereits wegen Aggressivitäten und antisemitischer Sprüche aufgefallen sein, heißt es aus der Elternschaft. Es kam zum Eklat, der 17-Jährige ging von der Schule ab und der jüngere Sohn wechselte schließlich im gemeinsamen Einvernehmen die Einrichtung. H. gab an, nicht zur HDJ zu gehören, seinen Aussagen wurde wenig Glauben geschenkt. Hatte seine Familie doch bereits die Geburt des ältesten Sohnes mit einer Anzeige in der "Nordischen Zeitung", der rassistischen "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft", Ausgabe 1 im Jahr 2000, begrüßt.
"Trotz Todesangst direkt nach Hause"?
Vor dem Amtsgericht Detmold geben H. und seine beiden aussagenden Söhne schließlich sehr wortgleich an, es sei nur um einen "weggeworfenen blutigen Tampon" gegangen, den Gäste des Nachbarn nach einem Mädchen-Pfadfinderlager wenig zuvor am Rande ihres Grundstücks wohl hinterlassen hätten. Dieser Müll habe die deutsche Familie sehr aufgeregt. Sie wollten den auf der Wiese arbeitenden Martin H. zur Rede stellen. Andreas H., Brille gebügeltes Hemd, schwarze Schuhe, schildert die Eskalation wortreich. Der Auftritt zweier Söhne und der Schwiegertochter in spe ist ähnlich. An entscheidenden Stellen versagt die Erinnerung. Auf Fragen des Gerichtes, warum sie den Nachbarn auf derartig aggressive Weise ansprachen, blieb die Zeugenfamilie die Erklärung schuldig. Der Anwalt der Nebenklage, Sebastian Nickel, fasst es so zusammen: "Keiner der Zeugen der Familie habe erklären können, wie der Geschädigte so verletzt werden konnte."
Insgesamt fünf sehr ähnlich klingende Aussagen belasten hingegen Martin H. auf seinem Trecker, der habe Vater und Sohn nach dem Leben getrachtet. "Meine Reaktion wäre es dann aber, die Polizei zu rufen", insistiert Richterin Lena Böhm. Doch niemand, weder H. noch seine drei Söhne und die Freundin des Ältesten, wollen ein Handy dabei gehabt haben, zu Hause seien sie nicht auf die Idee gekommen, den Notruf zu tätigen. Auch die Staatsanwältin macht dieses Verhalten stutzig, sie fragt: "Trotz Todesangst direkt nach Hause?" Für sie klinge die Aussage des Angeklagten eher unglaubwürdig.
Bereits vor dem Angriff am Waldrand "gestellt" worden
Nebenkläger Martin H. jedoch hat keinen Zeugen. Er saß alleine auf dem Traktor. Seine Angst ist ihm noch anzumerken. Auch vor Gericht. Er wurde im Mai 2019 an Kopf und Rücken verletzt. Sehr zurückhaltend sagt er aus. Immer wieder muss er eine Pause machen und einen Schluck Wasser trinken. Den Angeklagten und die Zeugen mag er kaum anschauen, blickt viel auf den Boden. Er sagt, er sei bereits vor diesem Angriff, wenige Monate zuvor, bei der Jagd von seinem Nachbarn am Waldrand "gestellt" worden. Und wieder: "H. voran, seine Söhne hinterher". H. habe ihm deutlich gemacht, was "Eindringlinge" auf seinem Grundstück zu erwarten hätten. Einen weiteren Zwischenfall habe es beim Martinssingen im Dorf gegeben. Martin H. hatte die kleine Tochter gerade an der Hand, als er von dem Angeklagten angeschrien und dafür verantwortlich gemacht wurde, dass der jetzt Probleme auf der Arbeit und die Söhne Ärger in der Schule hätten.
"Ich möchte schon selber entscheiden, wann ich mit jemanden spreche", sagt Martin H. immer wieder. Als sich Andreas H. ihm schließlich an jenem Sonntagabend immer wieder in den Weg stellte, habe er noch nicht mit einer handfesten Auseinandersetzung gerechnet. Er umfuhr den aufgebrachten Rechten mehrmals. Dann sei der schließlich auf das Zugmaul vorne am Traktor aufgesprungen, habe sich am Bügel festgehalten und ihn immer wieder lautstark zum Halten aufgefordert. Martin H. bekam es richtig mit der Angst zu tun, als auch noch der mittlere Sohn von hinten heraneilte und ihn schließlich im Führerhaus malträtierte. Er habe das Haus eines befreundeten Nachbarn angesteuert, der ihm zu Hilfe eilen könnte. In seinem Plädoyer bekräftigte Anwalt Nickel, die politische Vorgeschichte des Angeklagten, die seinem Mandanten bekannt sei, lasse durchaus darauf schließen, dass sehr wohl eine Gefahr von ihm ausgehe. Nötigung sei daher gegeben.
"Bitteres Signal für die Opfer rechter Gewalt"
Doch das Urteil am Ende der langen Verhandlung unter Corona-Bedingungen mit nur vier Pressevertretern und vier Zuschauern, lautete Freispruch. In ihrer Begründung gab Böhm zu verstehen, dass sie dem Geschädigten glaube, "dass er Angst um Leib und Leben hatte", aber die Anklage der Nötigung sei nicht ausreichend bestätigt. Auch sei die "Entlastungstendenz" seitens der Kinder als Zeugen "wahrnehmbar" gewesen.
Für einen Sprecher des Infoportals "www.hiergeblieben.de" ist das Urteil ein "bitteres Signal für die Opfer rechter Gewalt". Dem Nebenklagevertreter Sebastian Nickel erscheint es, als seien die Kinder des Angeklagten "instrumentalisiert" worden. "Die haben ihre Version hier abgespult, das ist von vorne bis hinten einstudiert", so Nickel. Sein Mandant und er prüfen zur Zeit, ob sie Berufung gegen den Freispruch einlegen.
Bildunterschrift: HDJ-Lager 2006 in Fromhausen. Die militante, verfassungsfeindliche Gruppierung wurde 2009 verboten.
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Lippische Landes-Zeitung, 06./07.06.2020:
Freispruch nach sechs Stunden
Großes Interesse an Prozess um Nachbarschaftsstreit
Detmold (sb). Lange Schlange vor dem Detmolder Gerichtsgebäude: Das Interesse an einem scheinbar unscheinbaren Verfahren am Amtsgericht ist riesig. Dabei geht es nur um einen Nachbarschaftsstreit wegen eines weggeworfenen blutigen Tampons. Doch in Wahrheit geht es um etwas ganz anderes.
Der eigentliche Vorfall, wegen dem sich der 50-Jährige vor Gericht zu verantworten hat, ist schnell erzählt: Ende Mai 2019 will er seinen Nachbarn zur Rede stellen, der gerade auf seiner Wiese in Fromhausen mäht. Er ärgert sich, so sagt er, über den Müll, den Pfadfinder, die auf seines Nachbarn Wiese campieren, immer auf seinem Grundstück hinterlassen: "Ich bin ein ordnungsliebender Mensch."
Der Nachbar aber sitzt auf seinem Trecker und will nicht reden. Er hätte schon mehrfach negative Erfahrungen mit dem Angeklagten gemacht, deshalb habe er Angst gehabt. Und dann seien auch noch die drei Söhne des Angeklagten und die Freundin des Ältesten dabei gewesen.
Vom eigentlichen Geschehen gibt es zwei Versionen: Der Angeklagte sagt, der Nachbar sei mit dem Trecker nebst Mulcher auf ihn zugefahren und habe ihn so sehr bedrängt, dass er sich nicht mehr zu helfen wusste. Deshalb sei er auf die Haube des Traktors gesprungen und habe in Todesangst auf die Frontscheibe eingetreten, als das Fahrzeug beschleunigte. Sein Sohn sei von hinten in das Fahrerhaus eingedrungen - aus Notwehr, um den Treckerfahrer zum Anhalten zu bewegen. Dafür wartet der Verteidiger mit vier Zeugen im Alter zwischen 14 und 22 Jahren auf - den Kindern des Angeklagten plus Freundin.
"Die Kinder wurden instrumentalisiert"
Die Version des Tischlers, der Nebenkläger im Verfahren ist: Der 50-Jährige sei absichtlich auf seine Haube gesprungen, um das Gespräch zu erzwingen. Und der mittlere Sohn, damals 17, sei von hinten auf ihn losgegangen und habe ihn mit Tritten traktiert. Verletzungen sind ärztlich dokumentiert. Der Nebenkläger hat keine Augenzeugen, nur seinen Nachbarn, zu dem er sich flüchtet. Der ruft die Polizei und fährt ihn in die Klinik.
"Für uns sitzt der falsche auf der Anklagebank", sagt der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft hingegen glaubt dem Nebenkläger und fordert eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung. Viele Details in den Aussagen der Zeugen seien nicht eindeutig. Und: Wenn der Angeklagte und seine Kinder solche Todesangst gehabt hätten, warum riefen sie dann nicht die Polizei?
Auch der Nebenklagevertreter glaubt den Aussagen der Zeugen nicht: "Die haben ihre Version hier abgespult, das ist von vorne bis hinten einstudiert - die Kinder wurden instrumentalisiert."
Das Wesentliche bringt die Richterin auf den Punkt: "Der Streit rührt doch daher, dass im Dorf das Gerücht geht, dass der Angeklagte und seine Söhne der rechtsradikalen Szene angehören." Daher auch das große mediale Interesse. Im Verfahren spielt diese politische Dimension an sich keine Rolle, doch sie kommt latent immer wieder zur Sprache. Zum Beispiel, als es um Ausgrenzung der Familie in Kirche, Dorf und Schule geht. Oder als das Foto zur Sprache kommt, das die ganze Familie bei der Pegida-Demo in Dresden zeigt - danach bekamen die Kinder Probleme in der Schule und mussten letztlich wechseln.
Das halbe Dorf scheint auf den Beinen, um den Prozess zu verfolgen - dabei gibt es Corona-bedingt nur acht Plätze im Saal - vier davon für die Presse. Viele Besucher bleiben trotzdem auf dem Flur und warten geduldig. Nach sechs Stunden, um kurz vor 19 Uhr, verkündet Richterin Lena Böhm dann das Urteil - Freispruch: "Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Im Zweifel für den Angeklagten."
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Lippische Landes-Zeitung Online, 05.06.2020:
Großes Interesse an Detmolder Prozess um Nachbarschaftsstreit
05.06.2020 - 21.47 Uhr
Silke Buhrmester
Detmold. Lange Schlange vor dem Detmolder Gerichtsgebäude: Das Interesse an einem scheinbar unscheinbaren Verfahren am Amtsgericht ist riesig. Dabei geht es nur um einen Nachbarschaftsstreit wegen eines weggeworfenen blutigen Tampons. Doch in Wahrheit geht es um etwas ganz anderes.
Der eigentliche Vorfall, wegen dem sich der 50-Jährige vor Gericht zu verantworten hat, ist schnell erzählt: Ende Mai 2019 will er seinen Nachbarn zur Rede stellen, der gerade auf seiner Wiese in Fromhausen mäht. Er ärgert sich, so sagt er, über den Müll, den Pfadfinder, die auf seines Nachbarn Wiese campieren, immer auf seinem Grundstück hinterlassen: "Ich bin ein ordnungsliebender Mensch."
Zwei Versionen vom eigentlichen Geschehen
Der Nachbar aber sitzt auf seinem Trecker und will nicht reden. Er hätte schon mehrfach negative Erfahrungen mit dem Angeklagten gemacht, deshalb habe er Angst gehabt. Und dann seien auch noch die drei Söhne des Angeklagten und die Freundin des Ältesten dabei gewesen.
Vom eigentlichen Geschehen gibt es zwei Versionen: Der Angeklagte sagt, der Nachbar sei mit dem Trecker nebst Mulcher auf ihn zugefahren und habe ihn so sehr bedrängt, dass er sich nicht mehr zu helfen wusste. Deshalb sei er auf die Haube des Traktors gesprungen und habe in Todesangst auf die Frontscheibe eingetreten, als das Fahrzeug beschleunigte. Sein Sohn sei von hinten in das Fahrerhaus eingedrungen - aus Notwehr, um den Treckerfahrer zum Anhalten zu bewegen. Dafür wartet der Verteidiger mit vier Zeugen im Alter zwischen 14 und 22 Jahren auf - den Kindern des Angeklagten plus Freundin.
Staatsanwaltschaft glaubt dem Nebenkläger
Die Version des Tischlers, der Nebenkläger im Verfahren ist: Der 50-Jährige sei absichtlich auf seine Haube gesprungen, um das Gespräch zu erzwingen. Und der mittlere Sohn, damals 17, sei von hinten auf ihn losgegangen und habe ihn mit Tritten traktiert. Verletzungen sind ärztlich dokumentiert. Der Nebenkläger hat keine Augenzeugen, nur seinen Nachbarn, zu dem er sich flüchtet. Der ruft die Polizei und fährt ihn in die Klinik.
"Für uns sitzt der falsche auf der Anklagebank", sagt der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft hingegen glaubt dem Nebenkläger und fordert eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung. Viele Details in den Aussagen der Zeugen seien nicht eindeutig. Und: Wenn der Angeklagte und seine Kinder solche Todesangst gehabt hätten, warum riefen sie dann nicht die Polizei? Auch der Nebenklagevertreter glaubt den Aussagen der Zeugen nicht: "Die haben ihre Version hier abgespult, das ist von vorne bis hinten einstudiert - die Kinder wurden instrumentalisiert."
Großes mediales Interesse wegen der Gerüchte im Dorf
Das Wesentliche bringt die Richterin auf den Punkt: "Der Streit rührt doch daher, dass im Dorf das Gerücht geht, dass der Angeklagte und seine Söhne der rechtsradikalen Szene angehören." Daher auch das große mediale Interesse. Im Verfahren spielt diese politische Dimension an sich keine Rolle, doch sie kommt latent immer wieder zur Sprache.
Zum Beispiel, als es um Ausgrenzung der Familie in Kirche, Dorf und Schule geht. Oder als das Foto zur Sprache kommt, das die ganze Familie bei der Pegida-Demo in Dresden zeigt - danach bekamen die Kinder Probleme in der Schule und mussten letztlich wechseln. Das halbe Dorf scheint auf den Beinen, um den Prozess zu verfolgen - dabei gibt es Corona-bedingt nur acht Plätze im Saal - vier davon für die Presse.
Viele Besucher bleiben trotzdem auf dem Flur und warten geduldig. Nach sechs Stunden, um kurz vor 19 Uhr, verkündet Richterin Lena Böhm dann das Urteil - Freispruch: "Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Im Zweifel für den Angeklagten."
Bildunterschrift: Medienrummel und großes Interesse der Bürger an dem Prozess vor dem Detmolder Amtsgericht, in dem es um einen Nachbarschaftsstreit im Mai 2019 in Fromhausen geht.
Bildunterschrift: Vor dem Prozess am Amtsgericht Detmold: Verteidiger Hendrik Schnelle mit seinem Mandanten.
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Lippische Landes-Zeitung, 05.06.2020:
Angriff auf Trecker vor Gericht
Kreis Lippe (sb). Das Detmolder Amtsgericht verhandelt heute Mittag in einem Nachbarschaftsstreit, der sich im Mai 2019 zugetragen haben soll. Die Anklage klingt wenig spektakulär - es geht um versuchte Nötigung und versuchte Sachbeschädigung. Doch im Hintergrund scheint es zu schwelen.
Wie Oberstaatsanwalt Ralf Vetter gegenüber der LZ sagte, habe sich der Angeklagte angeblich über eine Lappalie - Müll auf einem öffentlich Platz - geärgert und seinen Nachbarn zur Rede stellen wollen, als dieser auf dem Feld arbeitete. Der Streit eskalierte, der Mann soll auf den Traktor seines Kontrahenten gesprungen und mit einer Plastikbox auf das Fahrzeug geschlagen haben. Dafür muss er sich nun vor Gericht verantworten.
Im Schlepptau hatte er unter anderem seine drei Söhne. Einer davon - damals noch minderjährig - soll den Treckerfahrer angegriffen und getreten haben. Das Verfahren gegen den Sohn wurde laut Vetter abgetrennt.
Weil die Polizei nach den Vernehmungen einen rechtsextremen Hintergrund nicht ausschließen konnte, wurde der Staatsschutz eingeschaltet.
Als Zeugen werden unter anderem ein weiterer Nachbar, die Söhne des Angeklagten und ein Polizist gehört.
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Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold, 11.07.2019:
Pressemitteilung / Vortrag "Völkische Landnahme und rechtsextreme Gewalt"
Resümee und Wiederholungsveranstaltung
Der Vortrag von Andrea Röpke und Jan Raabe am 9. Juli war aus Sicht der Veranstalterinnen ein Erfolg: Ungefähr 150 Menschen konnten den Ausführungen der Expertin / des Experten in der Papiermühle in Berlebeck zuhören. Leider blieb jedoch vielen weiteren Angereisten der Zutritt auf Grund der Raumgröße verwehrt. Wegen dem hohen Andrang waren Sitz- und Stehplätze bis in den Flur schnell besetzt und einige fanden keinen Platz mehr. Nun soll es eine Wiederholung der Veranstaltung geben.
Dario Schach von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus fasst den Abend aus Sicht der Veranstalterinnen zusammen: "Die Mobile Beratung, Argumente und Kultur und die Referentin / der Referent freuen sich über den großen Zuspruch für dieses aktuelle und wichtige, auch regionale Thema. Wir haben nicht mit so vielen Besucherinnen / Besuchern gerechnet und der Raum in der Berlebecker Papiermühle erwies sich schlicht als viel zu klein. Die Mobile Beratung entschuldigt sich bei allen, die an diesem Abend keinen Platz mehr gefunden haben und dem Vortrag deswegen fern bleiben mussten und bedankt sich für das Verständnis."
Schon vor Beginn des Vortrags stand für die Referentin / den Referenten und die Veranstalterinnen sofort fest: Es muss eine Wiederholungsveranstaltung geben. Schließlich sollen alle Interessierten die Möglichkeit bekommen, sich im Rahmen dieses Vortrags zu informieren, auszutauschen und zu vernetzen.
Die Mobile Beratung befindet sich mit der Referentin / dem Referenten bereits in der Planung dieses Termins, der in den nächsten Wochen feststehen soll. Im Gespräch ist auch, diesmal einen anderen, größeren Raum anzusteuern.
Der Termin für die Wiederholungsveranstaltung kann, sobald er feststeht, der lokalen Presse und der Website der Mobilen Beratung unter mobile-beratung-owl.de entnommen werden.
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Lippische Landes-Zeitung, 11.07.2019:
Die Rechtsextremen "haben dazugelernt"
Vortrag in der Papiermühle: Journalistin Andrea Röpke warnt vor den Strategien der völkischen Bewegung / "Organisierte Kindererziehung" finde mittlerweile im Verborgenen statt, gefährde weiter das Kindeswohl
Kreis Lippe (an). Auf große Resonanz ist am Dienstagabend der Vortrag der Rechtsextremismus-Experten Andrea Röpke und Jan Raabe in der Berlebecker Papiermühle gestoßen. Am Ende waren sich die Anwesenden offenbar einig: "Wir müssen wachsam sein und Flagge zeigen."
In Scharen strömen an diesem Abend Menschen in Richtung Papiermühle. An der Einfahrt zum Parkplatz steht ein Mann und hält ein Pappschild hoch: "Sichere Grenzen - Heimat und Zukunft!" steht dort. Gerd Ulrich, der mit seiner Familie tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt ist, hat sich hier postiert. Warum er hier steht? "Ich habe dort drinnen ja Hausverbot", sagt er der LZ. "Und da drinnen soll gleich über mich und meine Familie hergezogen werden."
Derweil platzt der Saal aus allen Nähten. Die beiden Referenten und Dario Schach von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechts, die als Veranstalterin auftritt, sind etwas ratlos: So ist die Sicherheit gefährdet, 250 Zuhörer passen nicht in den Saal. "Wir können das so nicht verantworten, aber wir wiederholen die Veranstaltung." Ein Teil der Zuhörer geht wieder, zeigt aber Verständnis.
In ihren Vorträgen werfen Journalistin Andrea Röpke und Jan Raabe, Kenner der ostwestfälisch-lippischen rechten Szene, ein Licht auf die Aktivitäten, die ihrer Meinung nach noch immer von damaligen Mitgliedern der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend organisiert werden. Röpke ist überzeugt, dass die "organisierte Kindererziehung" mit Drill und Indoktrination im Sinne einer rassistischen, völkischen Ideologie nach wie vor weitergehe. "Aber das passiert im Verborgenen, denn die haben dazugelernt", fügt sie hinzu.
Eine der Säulen der Bewegung sei aus ihrer Sicht der Berlebecker Gerd Ulrich. In seiner Familie werde die gefährliche Ideologie nachweislich bereits in der dritten Generation weitergegeben - Ulrichs Vater und er selbst seien bereits bei der verbotenen Wiking-Jugend aktiv gewesen, einer Nachfolgeorganisation der Hitler-Jugend. Verherrlichung des Nationalsozialismus und Intoleranz prägten deren Ideologie. Hass und Feindbilder würden ungefiltert an die eigenen Kinder weitergegeben.
Dass Lippes extrem Rechte auch Minderjährige mit zu Demos wie 2018 in Chemnitz oder in Bielefeld zur Solidaritätsdemo für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck genommen haben, bezeugt auch Jan Raabe. Die beiden Referenten verstünden nicht, dass trotz der Verbotsverfügung gegen die HDJ und ihre Funktionäre anscheinend nichts gegen deren mögliche Weiterbetätigung unternommen werde. Immer wieder lieferten Szene-Eltern aus der Region ihre Kinder in Berlebeck ab, sagen beide. "Wenn nichts unternommen wird, dann fühlen sich die Rechtsextremen im Recht - das trifft dann besonders die Kinder", so Röpke.
Ostwestfalen-Lippe mit den Externsteinen, dem Hermannsdenkmal und der Wewelsburg ziehe Rechte an, sagt Raabe: "Man kann einem Nazi bei einem Ostwestfalen-Besuch durchaus was bieten."
Ein zweiter Veranstaltungstermin wird noch bekanntgegeben.
Fromhausen
Der Streit zwischen zwei Nachbarsfamilien auf einer Wiese bei Fromhausen, der in Handgreiflichkeiten endete ("Staatsschutz ermittelt in Fromhausen", LZ vom 6. / 7. Juli 2019, S. 9) kam während der Versammlung ebenfalls zur Sprache. Ausgerechnet auf dieser Wiese hatte 2006 das Zeltlager der 2009 verbotenen rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) stattgefunden. Auch einer der Kontrahenten, der laut Polizei bereits seit August 2006 HDJ-Mitglied war, ist auf alten Fotos von dem Zeltlager zu sehen. In einem Schreiben an die Redaktion weist der Kontrahent darauf hin, dass er kein Mitorganisator des berüchtigten Zeltlagers war.
Bildunterschrift: Referierte in Berlebeck: Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stellte die Gefahren dar, die aus ihrer Sicht der Gesellschaft von Rechts drohen.
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Lippische Landes-Zeitung, 11.07.2019:
Rechte Bewegung in Lippe wächst
Kreis Lippe. Die Journalistin Andrea Röpke kennt die rechtsextreme Szene. Sie warnt vor der völkischen Bewegung, die auch in Lippe Anhänger habe und im Verborgenen wachse.
Seite 10
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Lippische Landes-Zeitung Online, 10.07.2019:
Journalistin warnt: Die Rechtsextremen "haben dazugelernt"
10.07.2019 - 21.28 Uhr
Von Marianne Schwarzer
Kreis Lippe. Auf große Resonanz ist am Dienstagabend der Vortrag der Rechtsextremismus-Experten Andrea Röpke und Jan Raabe in der Berlebecker Papiermühle gestoßen. Am Ende waren sich die Anwesenden offenbar einig: "Wir müssen wachsam sein und Flagge zeigen."
In Scharen strömen an diesem Abend Menschen in Richtung Papiermühle. An der Einfahrt zum Parkplatz steht ein Mann und hält ein Pappschild hoch: "Sichere Grenzen - Heimat und Zukunft!" steht dort. Gerd Ulrich, der mit seiner Familie tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt ist, hat sich hier postiert. Warum er hier steht? "Ich habe dort drinnen ja Hausverbot", sagt er der LZ. "Und da drinnen soll gleich über mich und meine Familie hergezogen werden."
Derweil platzt der Saal aus allen Nähten. Die beiden Referenten und Dario Schach von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechts, die als Veranstalterin auftritt, sind etwas ratlos: So ist die Sicherheit gefährdet, 250 Zuhörer passen nicht in den Saal. "Wir können das so nicht verantworten, aber wir wiederholen die Veranstaltung."
Ein Teil der Zuhörer geht wieder, zeigt aber Verständnis.
In ihren Vorträgen werfen Journalistin Andrea Röpke und Jan Raabe, Kenner der ostwestfälisch-lippischen rechten Szene, ein Licht auf die Aktivitäten, die ihrer Meinung nach noch immer von damaligen Mitgliedern der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend organisiert werden. Röpke ist überzeugt, dass die "organisierte Kindererziehung" mit Drill und Indoktrination im Sinne einer rassistischen, völkischen Ideologie nach wie vor weitergehe. "Aber das passiert im Verborgenen, denn die haben dazugelernt", fügt sie hinzu.
Eine der Säulen der Bewegung sei aus ihrer Sicht der Berlebecker Gerd Ulrich. In seiner Familie werde die gefährliche Ideologie nachweislich bereits in der dritten Generation weitergegeben - Ulrichs Vater und er selbst seien bereits bei der verbotenen Wiking-Jugend aktiv gewesen, einer Nachfolgeorganisation der Hitler-Jugend. Verherrlichung des Nationalsozialismus und Intoleranz prägten deren Ideologie. Hass und Feindbilder würden ungefiltert an die eigenen Kinder weitergegeben.
Dass Lippes extrem Rechte auch Minderjährige mit zu Demos wie 2018 in Chemnitz oder in Bielefeld zur Solidaritätsdemo für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck genommen haben, bezeugt auch Jan Raabe. Die beiden Referenten verstünden nicht, dass trotz der Verbotsverfügung gegen die HDJ und ihre Funktionäre anscheinend nichts gegen deren mögliche Weiterbetätigung unternommen werde. Immer wieder lieferten Szene-Eltern aus der Region ihre Kinder in Berlebeck ab, sagen beide. "Wenn nichts unternommen wird, dann fühlen sich die Rechtsextremen im Recht - das trifft dann besonders die Kinder", so Röpke.
Ostwestfalen-Lippe mit den Externsteinen, dem Hermannsdenkmal und der Wewelsburg ziehe Rechte an, sagt Raabe: "Man kann einem Nazi bei einem Ostwestfalen-Besuch durchaus was bieten."
Ein zweiter Veranstaltungstermin wird noch bekanntgegeben.
Information / Fromhausen
Der Streit zwischen zwei Nachbarsfamilien auf einer Wiese bei Fromhausen, der in Handgreiflichkeiten endete ("Staatsschutz ermittelt in Fromhausen", LZ-Artikel) kam während der Versammlung ebenfalls zur Sprache. Ausgerechnet auf dieser Wiese hatte 2006 das Zeltlager der 2009 verbotenen rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) stattgefunden. Auch einer der Kontrahenten, der laut Polizei bereits seit August 2006 HDJ-Mitglied war, ist auf alten Fotos von dem Zeltlager zu sehen. In einem Schreiben an die Redaktion weist der Kontrahent darauf hin, dass er kein Mitorganisator des berüchtigten Zeltlagers war.
Bildunterschrift: Referierte in Berlebeck: Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stellte die Gefahren dar, die aus ihrer Sicht der Gesellschaft von Rechts drohen.
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Lippische Landes-Zeitung, 08.07.2019:
Vortrag über rechte Szene
Detmold-Berlebeck (sk).Zum Vortrag "Völkische Landnahme und rechtsextreme Gewalt" mit Andrea Röpke und Jan Raabe laden die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus sowie "Argumente und Kultur" ein. Beginn ist am morgigen Dienstag im Haus des Gastes "Papiermühle" um 19 Uhr. Die Journalistin Andrea Röpke und der Autor Jan Raabe berichten über völkische Strukturen in der extremen Rechten, sowohl überregional als auch in OWL. Die Veranstalter behalten sich vor, bei Bedarf von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.
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Lippische Landes-Zeitung, 06./07.07.2019:
Staatsschutz ermittelt in Fromhausen
Streit unter Nachbarn: Der eine wirft dem anderen gefährliche Körperverletzung vor, der andere aus dem rechtsradikalen Milieu kontert mit dem Vorwurf des versuchten Totschlags / Noch ist nicht juristisch geklärt, ob es einen politischen Hintergrund gibt
Von Marianne Schwarzer
Kreis Lippe. "Völkische Landnahme und rechtsextreme Gewalt" - so lautet der Titel einer Vortragsveranstaltung, zu der die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus für nächste Woche nach Berlebeck einlädt. Zur Sprache kommen wird dabei auch ein aktueller Streitfall, der sich am 26. Mai auf einer Wiese im Horn-Bad Meinberger Ortsteil Fromhausen ereignet hat. Hier ermittelt der Staatsschutz.
"Nachdem es Ende Mai in Fromhausen zu einem gewalttätigen Übergriff aus dem rechten Milieu gekommen ist, hat sich eine Gruppe engagierter Bürger zusammengeschlossen", heißt es in der Ankündigung der Beratungsstelle. Die Gruppe empfehle den Vortrag, dort könne sich jeder informieren, "wie sich rechte Strukturen in unseren Dörfern verfestigen".
Purer Zufall: Passiert ist der Übergriff nach LZ-Informationen ausgerechnet auf jener Wiese, auf der 2006 das berüchtigte Zeltlager der 2009 verbotenen rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) stattgefunden hat. Allerdings: Ein Mitorganisator des damaligen Zeltlagers, der wegen seiner rechten Aktivitäten bekannt ist, war mit seinen drei Söhnen in die jüngste Auseinandersetzung verwickelt.
Es gibt zwei Versionen der Ereignisse: Laut seinem Anwalt Sebastian Nickel war der Eigentümer dabei, seine Wiese für den Himmelfahrtsgottesdienst vorzubereiten, als sein Nachbar ihn zur Rede stellen wollte. Doch er fuhr mit dem Mäher weiter, darauf habe der Nachbar seine Söhne geholt. Er habe sich dem Traktor in den Weg gestellt, bis sein Mandant abstieg. Weil der aber nicht habe reden wollen, soll sein Kontrahent versucht haben, von vorn die Windschutzscheibe einzutreten. "Mein Mandant hat sich bedroht gefühlt und versucht, mit der Maschine den Nachbarhof zu erreichen. Während der Fahrt ist einer der Söhne von hinten auf den Trecker gesprungen und hat angefangen, meinen Mandanten zu treten, so dass er mehrfach mit dem Kopf aufs Lenkrad geschlagen ist", berichtet Anwalt Sebastian Nickel. Auf dem Hof sei es zu einem Wortgefecht gekommen, bei dem es kurz um einen Müll-Konflikt gegangen sei, dann aber um die Probleme, die die Familie seit Bekanntwerden ihrer rechten Aktivitäten habe. Dafür mache wohl der Nachbar den Wieseneigentümer verantwortlich.
Sofort nach dem Streit habe dieser Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gestellt. Die Polizei nahm den Fall auf und fotografierte die Verletzungen, während der Nachbar samt der Söhne bereits das Grundstück verlassen habe. Weil sie einen rechtsradikalen Hintergrund vermutete, hat die Detmolder Polizei den Fall dem Staatsschutz übergeben, bestätigte die Polizei Bielefeld gestern.
Hendrik Schnelle, Anwalt des Kontrahenten, hat eine komplett andere Version der Ereignisse: "Dies ist ein Streit unter Nachbarn, das hat keinerlei politischen Hintergrund." Sein Mandant habe Strafanzeige wegen versuchten Totschlags gestellt, weil der Wiesenbesitzer versucht habe, ihn zu überfahren. In seiner Aussage, die der LZ vorliegt, heißt es, er habe versucht, dem Traktor auszuweichen, bis er nur noch habe hinaufklettern können, weil der Fahrer die Geschwindigkeit nicht gedrosselt habe und das Häckselwerk lief. "Er fuhr Hals über Kopf wie von Sinnen mit mir über die holprige nicht gemähte Wiese." Sein Sohn habe versucht, ihm zu helfen und später abspringen können.
Nickel sieht den Vorwurf des versuchten Totschlags entspannt: "Das ist die Masche von Rechten, sich als Opfer darzustellen." Laut Polizei dauern die Ermittlungen an, ob zum Gerichtsverfahren kommt, ist unklar.
Der Vortrag
Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stellt am Dienstag ab 19 Uhr im Berlebecker Haus des Gastes ihr Buch "Völkische Landnahme" vor. Sie berichtet, dass die Akteure nach dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend weitermachen und ihre Kinder entsprechend erziehen. Autor Jan Raabe aus Bielefeld gibt Einblicke in die regionale Szene und ihre Aktivitäten.
Bildunterschrift: Ort des Geschehens: Auf genau dieser Wiese, auf dem im Jahr 2006 das Lager der Heimattreuen Deutschen Jugend stattgefunden hat, soll sich im Mai dieses Jahres die Auseinandersetzung zwischen Grundstücksnachbarn ereignet haben.
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Lippische Landes-Zeitung, 06./07.07.2019:
Kreis Lippe: Staatsschutz ermittelt in Fromhausen
Kreis Lippe. Ende Mai hat ein Streit unter Nachbarn zu einer Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung auf der einen und versuchten Totschlags auf der anderen Seite geführt.
Seite 9
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Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold, 04.07.2019:
Pressemitteilung / "Völkische Landnahme und rechtsextreme Gewalt"
Vortrag mit Andrea Röpke und Jan Raabe zu extrem rechten Strukturen in OWL und darüber hinaus
Am Dienstag, 9. Juli 2019, laden die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold und Argumente und Kultur zu einem Vortrag mit dem Titel "Völkische Landnahme und rechtsextreme Gewalt" in das Haus des Gastes "Papiermühle" Berlebeck ein. Die Journalistin Andrea Röpke und der Autor Jan Raabe berichten über völkische Strukturen in der extremen Rechten, sowohl überregional als auch in OWL.
Im ersten Teil der Veranstaltung wird Andrea Röpke aus ihrem neuen Buch "Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" vortragen, das Ende Mai erschienen ist. In dem Buch arbeiten Andrea Röpke und Andreas Speit die Bedeutung der "nationalen Graswurzelarbeit" völkischer Großfamilien für die extreme Rechte in Deutschland heraus. Sie analysieren die überkommenen Geschlechterbilder, die autoritären Erziehungsmuster und die gegen die Demokratie gerichteten Positionen in der extremen Rechten. Die Akteurinnen und Akteure dieses Milieus sind seit Generationen in der neonazistischen Szene aktiv und widmen sich der Hintergrundarbeit: Der "Weltanschauungsschulung", der Kindererziehung und der Kulturarbeit.
Im zweiten Teil der Veranstaltung liefert Jan Raabe Einblicke in die regionale Szene und ihre Aktivitäten. Dazu gehört insbesondere die 2009 verbotene Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ), die trotz des Verbots als Nachfolgestruktur ihre Aktivitäten fortsetzt. Der gegenwärtige Einzugsbereich der ehemaligen HDJ-"Einheit Hermannsland" umfasst im Wesentlichen die Landkreise Vechta und Schaumburg, die Kreise Osnabrück, Minden-Lübbecke, Höxter, Paderborn, Soest, Lippe und die Stadt Bielefeld. Diese - bundesweit und zum Teil auch europaweit vernetzte - Nachfolgestruktur dient dazu, mit Drill, NS-Ideologie und Gewalt den eigenen völkischen Nachwuchs heranzuziehen. Fast jedes Wochenende finden Treffen mit Kindern aus völkischen (großen) Familien ("Sippen") aus den Reihen von HDJ, "Artgemeinschaft" sowie der NPD statt.
Nachdem es Ende Mai in Fromhausen zu einem gewalttätigen Übergriff aus dem rechten Milieu gekommen ist, hat sich eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger zusammengeschlossen. Die Gruppe weist ausdrücklich auf den Vortrag hin: "Diese Veranstaltung bietet jedem die Möglichkeit, sich selbst darüber zu informieren, wie sich rechte Strukturen in unseren Dörfern verfestigen."
Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, der Eintritt ist kostenlos. Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
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- Dienstag, 9. Juli 2019 um 19.00 Uhr -
Vorträge: Völkische Landnahme und neonazistische Gewalt - "Heimattreue Deutsche Jugend"
Veranstaltungsort:
Haus des Gastes Berlebeck
"Papiermühle"
Paderborner Straße 165
32760 Detmold
www.papiermuehle-berlebeck.de
Im ersten Teil der Veranstaltung wird die Journalistin Andrea Röpke aus ihrem neuen Buch "Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" vortragen. Im zweiten Teil liefert der Autor Jan Raabe Einblicke in die regionale Szene und ihre Aktivitäten.
Ende Mai 2019 erschien das Buch "Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" der Fachjournalistin Andrea Röpke und des Fachjournalisten Andreas Speit. Diese arbeiten in ihrem Werk die Bedeutung der "nationalen Graswurzelarbeit" völkischer Großfamilien für die extreme Rechte in Deutschland heraus. Sie analysieren die überkommenen Geschlechterbilder, die autoritären Erziehungsmuster und die gegen die Demokratie gerichteten Positionen in der extremen Rechten. Die Akteurinnen und Akteure dieses Milieus sind seit Generationen in der neonazistischen Szene aktiv und widmen sich der Hintergrundarbeit: Der "Weltanschauungsschulung", der Kindererziehung und der Kulturarbeit. Im Schatten des positiv besetzen Begriffs "Ökologie" breiten sich diese Strukturen von der Öffentlichkeit wenig beachtet aus. Dabei bilden sie das ideologische und organisatorische Rückgrat der organisierten Szene zwischen NPD und militantem Neonazismus.
"Heimattreue Deutsche Jugend"
2009 wurde die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) in der ideologischen Nachfolge der Hitler-Jugend verboten. Die Aktivistinnen und Aktivisten erzogen nicht nur Kinder im Sinne des Nationalsozialismus, sondern waren auch in Waffenhandel und andere Straftaten verwickelt. Die Einheit "Hermannsland" der HDJ in Lippe war eine der aktivsten Gruppen in ganz Deutschland. Dieser Personenkreis macht auch nach dem Verbot weiter. Ohne Namen aber mit ungebremster Aktivität.
Fast jedes Wochenende finden Treffen mit den Kindern der ostwestfälischen Neonazi-Szene statt. Als Organisation im Hintergrund dient dabei die "Artgemeinschaft", eine neofaschistische / germanophile Religionsgemeinschaft.
Das Buch:
Andrea Röpke, Andreas Speit:
"Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos"
Ch. Links Verlag
ISBN: 978-3-86153-086-5
Ausschlussklausel:
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die extrem rechten Parteien oder Organisationen angehören, der extrem rechten Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
Eine Veranstaltung von "Argumente und Kultur gegen rechts e.V." und "Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold".
www.argumente-und-kultur.org
www.mobile-beratung-owl.de
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Lippische Landes-Zeitung, 02.06.2017:
"Da machen die einfach weiter"
Neonazis in Lippe: Die Journalistin Andrea Röpke glaubt, dass die verbotene Heimattreue Deutsche Jugend längst im Verborgenen weitergeführt wird / Treffen der Rechten wie das jüngste in Berlebeck sind für sie klare Indizien / Sie sorgt sich vor allem um die Kinder
Detmold-Berlebeck. Immer wieder tummeln sich Größen der ostwestfälischen Rechten in Berlebeck, wo mit Gerd Ulrich einer der einschlägig bekannten - und vorbestraften - Neonazis wohnt. Die Journalistin Andrea Röpke, die sich dem Kampf gegen Rechts verschrieben hat, kennt die Szene gut. Sie fordert ein härteres Vorgehen der Staatsmacht.
Frau Röpke, wer in der rechten Szene recherchiert, lebt nicht unbedingt sicher. Sie offenbar auch nicht.
Röpke: Gewalt gehört bei der Neonazi-Szene dazu. Sie wird nicht nur propagiert, sondern auch angewandt. 2006 stießen die Kollegen und ich bei den Recherchen zur organisierten braunen Kindererziehung auf ein heimliches, großes Sommerlager der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) an den Externsteinen. Die Anführer reagierten äußerst aggressiv. Es ist noch heute so, dass die Kinder in der Szene schon mit Feindbildern heranwachsen, davon berichten Aussteiger. Ich bin eins dieser Feindbilder. Neulich auf der Leipziger Buchmesse kam ein junges Mädchen zu mir und beschimpfte mich. Mit mir reden wollte sie nicht. Die Kinder und Jugendlichen der Neonazis sind kaum zu erreichen.
Was wissen Sie über die rechtsextreme Szene in Ostwestfalen?
Röpke: Die Heimattreue Deutsche Jugend wurde 2009 zwar verboten und damit auch die "Einheit Hermannsland", doch deren Anführer und Akteure machen weiter. Die Netzwerke arbeiten jetzt noch konspirativer, im kleineren, unübersichtlichen Stil, meist ohne auffällige Fahnen und Uniformen. Besonders dreist sind sie in Berlebeck. Trotz Verbotes werden die Kinder weiter in HDJ-ähnliche Kluft gesteckt und so wie vor knapp drei Wochen bis spät abends durchs Land kutschiert. Kinder der Neonazis lernen früh, dass demokratische Richtlinien für sie keinen Wert haben. Ihre Autoritäten sind die Kameradenkreise der Eltern.
Und was wissen Sie über die Familie Ulrich, außer zur Rolle, die Gerd Ulrich bei der HDJ gespielt hat?
Röpke: Wenig. Ulrich selbst wuchs in der militanten Wiking-Jugend heran. Nach außen führt er ein unauffälliges, fast bürgerliches Leben. Natürlich fällt aber auch vor Ort auf, dass die Familie eine andere Sprache spricht, sich anders kleidet, sehr vorsichtig agiert und rückwärtsgewandt auftritt.
Wenn sich wie kurz vor Ostern mehr als ein Dutzend einschlägig bekannter Rechtsextremer in einem Privathaus treffen: Was sollten die Ordnungskräfte tun?
Röpke: In der HDJ-Verbotsverfügung steht ausdrücklich, dass auch Nachfolgestrukturen verboten sind. Wenn so ein Verbot erlassen wird und nicht einmal der Staatsschutz der Polizei genau hinzugucken scheint, was nützt es dann? Immer mehr Neonazis geben ihre Kinder in Berlebeck ab, quasi unter den Augen der Behörden. Da steht die Polizei meines Erachtens in der Pflicht.
Also wäre zumindest eine Feststellung der Personalien möglich gewesen?
Röpke: Ja, das hätte die Polizei im Hinblick auf das Verbot auf jeden Fall machen können. Präsenz zeigen, Aufmerksamkeit signalisieren.
Warum stufen Sie solche Treffen, die laut Augenzeugen fast wie Familienfeiern wirken, als gefährlich ein?
Röpke: Die Polizei scheint die Dimension nicht erfasst zu haben: Kinder sind im Neonazi-Jargon "kleine Kameraden". Sie lernen früh, unsere Grundwerte abzulehnen. Die HDJ wurde unter anderem wegen ihrer Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus und militärischem Drill verboten und da machen die einfach weiter. Die stecken ihre Kinder wieder in die Kluft und lassen sich nicht abhalten. Ignoranz ist keine Lösung.
Bei der jüngsten Zusammenkunft in Berlebeck wollen Augenzeugen gesehen haben, dass Kinder und Jugendliche blaue Hemden und schwarze Hosen getragen, sich später aber wieder bunt angezogen haben. Kann das sein?
Röpke: Das passt. Uniformität ist sehr wichtig. Diese Kinder sollen lernen, dass Individualität sich dem Ganzen, der reinen "Volksgemeinschaft" unterzuordnen hat. Nach dem Motto: "Du bist nichts, dein Volk ist alles!" Dafür ist gleichartige Kleidung wichtig. In der Öffentlichkeit vermeiden diese Gruppen, erkannt zu werden.
Ist vor diesem Hintergrund ein Verbot überhaupt sinnvoll?
Röpke: Das Verbot hat immerhin bewirkt, dass keine großen bundesweiten Lager mehrmals im Jahr abgehalten werden können. Leider wissen wir grundsätzlich über die Aktivitäten im Verborgenen viel zu wenig. Es gibt leider nicht überall so aufmerksame Mitmenschen wie in Berlebeck.
Die Mobile Beratung gegen Rechts fürchtet um das Kindeswohl in Bezug auf derlei Treffen und die illegal abgehaltenen Camps. Wie sehen Sie das?
Röpke: Ich pflichte den Beratern bei. Es ist erschreckend. Diese Eltern vertreten ein absolut biologistisches Weltbild: Mädchen haben frühzeitig die Mutterrolle zu übernehmen und Jungen sollen starke Kämpfer werden. Die Kinder haben kaum eigenen Spielraum. Sie wachsen frühzeitig mit Unterordnung, Drill und einem absoluten Anderssein auf. Es wird von ihnen ein Spagat verlangt. Sie sollen einerseits die Lieder der Hitler-Jugend singen und andererseits in unserer modernen Welt funktionieren, ohne aufzufallen. Das hat Folgen. Wir bekommen immer mehr Rückmeldungen aus Kindergärten und Schulen, die Probleme mit rechten Familien haben.
Familie Ulrich lebt seit Jahren in Berlebeck. Wie sollte eine Dorfgemeinschaft damit umgehen, dass Rechtsextreme in ihrer Mitte leben? Würde es helfen, das Gespräch mit der Familie zu suchen?
Röpke: Wichtig ist Aufklärung und klares Verhalten unsererseits. Die Umgebung sollte wissen, was da vor sich geht, was das Ziel solcher brauner Erzieher ist. Wir sollten zu unseren humanistischen und sozialen Werten stehen, damit ziehen wir Grenzen für die, die diese nicht beachten. Gespräche mit überzeugten Neonazis wie Gerd Ulrich kann man suchen, aber sie werden wenig bringen. Für die Kinder dagegen sollten wir immer offen sein.
Die Fragen stelle LZ-Redakteurin Marianne Schwarzer.
Kommentar Seite 10
Persönlich
Andrea Röpke ist 1965 geboren, Politologin und Publizistin. Sie schreibt seit den Neunzigern gegen Rechts. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat ihr 2015 den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage verliehen. Die AfD schloss sie 2016 als Berichterstatterin vom Parteitag aus.
Bildunterschrift: Deutliche Sprache: Welcher Geist hinter der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gestanden hat, dokumentieren die Fotos von dem Zeltlager, das sie 2006 in Fromhausen abhielt. Die Fachjournalistin Andrea Röpke war damals vor Ort. Sie glaubt, dass die Organisation im Geheimen weiter existiert.
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Lippische Landes-Zeitung, 02.06.2017:
Kreis Lippe: Beobachterin warnt vor rechtsextremen Umtrieben
Kreis Lippe. Obwohl die Heimattreue Deutsche Jugend seit 2009 verboten ist, machen die Rechten im Verborgenen weiter, sagt die Journalistin Andrea Röpke. Als ein Indiz sieht sie die Treffen bei dem Neonazi Gerd Ulrich in Berlebeck.
Seite 22
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Blick nach Rechts, 13.04.2017:
Völkische "Kinderlager"
Von Andrea Röpke
Es gibt sie noch die organisierte braune Kindererziehung. Ehemalige HDJ-Aktivisten führen in Ostwestfalen weiter Kinderlager durch und der nicht verbotene "Sturmvogel - deutscher Jugendbund", ein Ableger der militanten "Wiking Jugend", schickt seinen Nachwuchs zur Osterfahrt ins Ausland.
Kaum haben die Osterferien begonnen, geht es für die Kinder des völkischen "Sturmvogels - deutscher Jugendbund" schon auf große Fahrt. Nach Medienberichten über deren Verflechtung mit AfD und "Identitärer Bewegung" scheut die konspirative Organisation die Öffentlichkeit anscheinend noch mehr und flüchtet ins europäische Ausland. Bereits das letzte Sommerlager fand 2016 in Südschweden statt.
Diesmal ging es anscheinend Richtung Österreich. Wie der "Presseservice Rathenow" berichtete, traf sich ein Teil der "Sturmvogel"-Gruppe am Samstagmorgen am Hauptbahnhof in Dresden. Die Kinder und Jugendlichen waren unschwer erkennbar. Fotos zeigen sie mit schweren Gepäck, zum Teil altertümlich gekleidet, einige tragen die grünen Hemden des Bundes, der sich gern verharmlosend in der Tradition des "Wandervogels" verortet. Doch Drill und Ideologie spielen auch in deren Reihen eine Rolle.
Drill und NS-Ideologie für den rechtsextremen Nachwuchs
Die HDJ scheint dagegen in Ostwestfalen aufzuleben. Etwa 60 Personen versammelten sich Anfang April auf dem Berlebecker Anwesen des ehemaligen Leitführers der HDJ-"Einheit Hermannsland", darunter viele Kinder. Das Treffen sei eines der größten in einer langen Reihe von Aktivitäten gewesen, berichten Beobachter des antifaschistischen Portals "hiergeblieben.de" aus Bielefeld. Unter den Besuchern bei Gerd Ulrich seien mindestens 15 polizeibekannte Neonazis aus den Kreisen Osnabrück und Schaumburg, Minden-Lübbecke, Höxter, Paderborn, Soest, Lippe und aus Bielefeld gewesen. Zeugen sahen Kinder in schwarzen Hosen und blauen Hemden. "Das ähnelt stark der Uniform der HDJ", sagte Frederic Clasmeier von der "Beratungsstelle gegen Rechts" gegenüber der "Lippischen Landes-Zeitung". Die Experten von der "Beratungsstelle" sehen auch das Kindeswohl in Gefahr. Die HDJ und mögliche Nachfolgestrukturen dienten dazu, mit Drill, NS-Ideologie und Gewalt den eigenen rechtsextremen Nachwuchs heranzuziehen.
Tatsächlich scheinen etwa 30 Aktivisten aus den Reihen von HDJ, "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft" sowie der NPD ihren Nachwuchs in zeitlichen Abständen immer wieder in Berlebeck abzugeben. Ulrich hatte dieses Mal einen Sichtschutz um das Grundstück am Bergrücken Hohe Warte errichtet. Dennoch wurden Bogenschießübungen und eine Auseinandersetzung im militärischen Tonfall von Zeugen beobachtet. "Steh endlich auf", sei befohlen worden, danach soll ein Junge den Hang hinauf geschleift worden sein. Das war kein Spaß, keine Spielerei, zitieren Verantwortliche von "hiergeblieben.de" Zeugen. Das Portal listet - ebenso wie "Blick nach Rechts" - eine ganze Reihe von Kindertreffen über die Jahre bei den Ulrichs auf.
Seit dem HDJ-Verbot wenig geläutert
Dabei sollte es die eigentlich nicht mehr geben, denn die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) war vor acht Jahren vom Bundesinnenministerium verboten worden. Ihr Ziel sei die kompromisslose "Heranbildung einer neonazistischen Elite", stand in der Verbotsverfügung zu lesen. Es bedeutete auch das Aus für die "Einheit Hermannsland" und "Leitstelle West", beide zuvor per Postfach in Detmold erreichbar. Eines der größten Treffen, das "Bundessommerlager" fand 2006 bei den Externsteinen statt, mitorganisiert von dem Berlebecker Neonazi Gerd Ulrich. Ulrich war zuvor bereits "Gauführer Westfalen" in der 1994 verbotenen, militanten "Wiking-Jugend". Außerdem war er jahrelang im gewaltbereiten Ordnungsdienst der NPD tätig.
Seit dem Verbot der HDJ und damit auch seiner "Einheit Hermannsland" scheint Ulrich wenig geläutert. Im Dezember 2016 besuchte er gemeinsam mit NPD-Größen und anderen ehemaligen HDJ-Aktivisten die Trauerfeier für den früheren "Wiking-Jugend"-Kader Sepp Biber (Blick nach Rechts berichtete am 29.12.2016). Auf seinem Anwesen empfängt er immer wieder Neonazis, darunter eine Frau aus dem Vorstand der "Artgemeinschaft", so "hiergeblieben.de". Ulrichs Ehefrau betreute Anfang September 2016 während eines Gerichtsprozesses vor dem Amtsgericht Detmold die angeklagte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel aus dem nahen Vlotho.
Behörden können Uniformierung nicht erkennen
Bereits 2004 warnte das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer internen Broschüre vor der "Gruppe Ulrich" in Detmold, die seit etwa 1993 Wehrsportübungen durchführen würde. Die Mitglieder würden sich Sprengmittel besorgen, Erddepots anlegen und Sprengübungen durchführen, hieß es. Ulrich wurde rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt. Vor den Aktivitäten der HDJ-Einheit "Hermannsland" warnten die Schlapphüte erst, nachdem investigative Medienrecherchen deren Aktivitäten offen legten. Die Bilder vom Lager in Fromhausen in Ostwestfalen schockierten die Öffentlichkeit. "Führerbunker" war auf einem Zelt zu lesen. Drei Jahre später erfolgte das Verbot.
Staatsschutz und lippische Polizei, die vergangene Woche am späten Sonntagnachmittag noch vor Ort in Berlebeck erschienen, konnten laut "Lippischer Landes-Zeitung" von einer Uniformierung nichts mehr erkennen. "Die Kinder waren bunt angezogen", sagte ein Staatsschutz-Sprecher auf Nachfrage der LZ. So sahen die Behörden juristisch wieder einmal keine Handhabe. Es hieß nur: "Es ist nicht verboten, sich zu treffen."
Bildunterschrift: Der "Sturmvogel" trifft sich am Dresdner Bahnhof.
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Lippische Landes-Zeitung, 06.04.2017:
Rechtsradikale treffen sich in Berlebeck
Mobile Beratung gegen Rechts: Eine Zusammenkunft auf dem Anwesen von Gerd Ulrich spricht aus Sicht der Experten für eine Fortführung der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) im Verborgenen
Von Marianne Schwarzer
Detmold-Berlebeck. Ein Treffen bekannter Rechtsradikaler aus der Region in Berlebeck hat die Mobile Beratung gegen Rechts auf den Plan gerufen. "Wir gehen davon aus, dass die Aktivitäten der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend im privaten Rahmen weitergeführt werden", sagt Frederic Clasmeier von der Beratungsstelle.
Ebenso wie ihn haben auch die LZ Berichte über die Veranstaltung erreicht, die am vergangenen Wochenende auf dem Gelände der Familie Ulrich in Berlebeck stattgefunden hat.
Gerd Ulrich war von 2005 bis zum Verbot im Jahr 2009 Leiter der "Einheit Hermannsland", einer Gruppe innerhalb der HDJ. Nach einem Bericht der Beratungsstelle gegen Rechts versammelten sich extrem rechte Familien aus der Region in dieser Einheit.
Blaue Hemden und schwarze Hosen
Von Freitag bis Sonntag sollen sich mehr als 50 Personen auf dem Ulrichschen Anwesen getroffen haben, darunter auch viele Kinder. Beobachter wollen unter den Gästen "mindestens 15" polizeibekannte Rechtsradikale aus den Kreisen Osnabrück und Schaumburg, Minden-Lübbecke, Höxter, Paderborn, Soest, Lippe und aus Bielefeld ausgemacht haben. Das Treffen der Szene in Berlebeck sei eines der Größten seit langem gewesen. Am Sonntag sahen mehrere Zeugen 13 Kinder und Jugendliche in schwarzen Hosen und blauen Hemden. "Das ähnelt stark der Uniform der HDJ", sagt Frederic Clasmeier, als ihn die LZ mit dem Bericht konfrontiert. "Solche Merkmale sind Hinweise darauf, dass hier eine Wiederbetätigung stattfindet." Kenner der Szene sind fest davon überzeugt, dass eine Nachfolgeorganisation der HDJ im Verborgenen längst existiere.
Staatsschutz und die lippische Polizei, die am späten Sonntagnachmittag vor Ort waren, konnten allerdings von dieser Uniformierung nichts erkennen. "Die Kinder waren bunt angezogen", sagte ein Staatsschutz-Sprecher auf Nachfrage der LZ. Juristisch sähen die Behörden keine Handhabe: "Es ist nicht verboten, sich zu treffen." Die Experten von der Beratungsstelle gegen Rechts sind vor allem deshalb so besorgt, weil sie auch das Kindeswohl in Gefahr sehen. Die HDJ und mögliche Nachfolgestrukturen dienten dazu, mit Drill und Gewalt den eigenen rechtsradikalen Nachwuchs heranzuziehen.
Die LZ hätte Familie Ulrich gern zu den Vorwürfen befragt. Sie ist allerdings telefonisch nicht zu erreichen. Auch der Versuch, mit anderen lippischen Teilnehmern des Treffens in Kontakt zu treten, scheiterte: Es wurde einfach der Hörer aufgeknallt.
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Blick nach Rechts, 18.11.2015:
Völkischer Kinder-Drill im Verborgenen?
Von Andrea Röpke
Obwohl die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) 2009 auf Grund ihrer Verfassungsfeindlichkeit und NS-Wesensverwandtschaft verboten wurde und es eigentlich keine Fortführung der Aktivitäten geben darf, scheinen einige Anhänger der Organisation in Ostwestfalen weiterhin aktiv.
Knapp 20 Kinder tummelten sich am vergangenen Wochenende auf dem Gelände des ehemaligen Anführers der HDJ-"Einheit Hermannsland", Gerd Ulrich im ehemaligen HDJ-"Schulungszentrum" in Berlebeck bei Detmold. Die meisten von ihnen waren zuvor von Eltern aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen abgeliefert worden. Bereits seit Jahren fallen unzählige Treffen des HDJ-Umfeldes in Ostwestfalen auf, zuletzt an Pfingsten und eines im Sommer wie das Informationsportal "hiergeblieben.de" recherchierte.
Ziel der im Jahr 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" war es, eine soldatisch-geprägte nationale Jugend nach den Idealen des Dritten Reiches zu formen. Die Kinder wuchsen mit NS-Gedankengut, Affinitäten zu Waffen und Gewalt sowie SS-Verherrlichung heran. Ulrich selbst besuchte die Lager der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend". 2006 organisierte er das Pfingstlager der HDJ in Fromhausen nahe den Externsteinen mit. Im selben Jahr verteilten Mitglieder seiner "Einheit" Flugblätter in Briefkästen oder sprachen Pfadfinder an einem Infostand an. Im Herbst 2006 gab es dann ein "Kletterwochenende" bei Ulrich auf dem Anwesen. Zu dieser Zeit gehörte der Neonazi auch zum NPD-Ordnungsdienst und beteiligte sich an Aufmärschen oder dem "Pressefest" des Deutschen Stimme-Verlags.
Kontakt zu ehemaligen HDJ-Aktivisten
Schon Mitte der 1990er Jahre hatte der MAD dafür gesorgt, dass die Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe gegen Ulrichs Gruppe wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Die Ermittlungen wurden eingestellt, aber Ulrich 1999 wegen Sprengstoff-Verstoßes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ulrich blieb im Visier der Behörden. 2003 registrierte der Verfassungsschutz Treffen bei ihm zuhause in Detmold-Berlebeck. Dann wurde die "Einheit Hermannsland" gegründet und Ulrich einer der aktivsten Kader in der HDJ.
Ulrich hält Kontakt nicht nur zu ehemaligen HDJ-Aktivisten wie Jörg Fischer aus Vechta oder Tobias Heinekamp aus Altenbeken, sondern auch zu früheren militanten Neonazis wie Holger Steinbiß. Dessen Auto wurde ebenfalls am vergangenen Wochenende in Berlebeck gesehen. Steinbiß, der in Lippstadt ein Versandantiquariat mit Schwerpunkt NS-Zeit betreibt und 2009 für die NPD zur Bundestagswahl kandidierte, zählte Mitte der 1990er Jahre zu den Anführern der Szene im Umfeld des Weitlingkiezes in Berlin. Kameraden brachten ihn damals in ihren Aussagen gegenüber den Behörden mit Waffen in Verbindung.
Ahnungslose Detmolder Polizei
Auch zum Gründer der verbotenen "Nationalistischen Front" (NF), Meinolf Schönborn soll Steinbiß Kontakt gehabt haben. 2003 nahm er ebenso wie der Vater von Gerd Ulrich an einer Sommersonnenwende der rassistischen "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft" im thüringischen Ilfeld teil. Bei eBay bot Steinbiß kürzlich folgendes an: "Panzerplatten für Schusssichere Weste - Stück 2 Euro" - "Aus NVA/Sowjet- Beständen zum Basteln und Testen".
Der Staatsschutz des Regierungsbezirkes Detmold bestätigte Nachfolgeaktivitäten in der Region bisher nicht. Im September 2015 hieß es gegenüber den Lokalmedien man habe "keine konkreten Hinweise, dass im Umfeld der ehemaligen HDJ mit der Sektion Hermannsland weiterhin Kinder oder Jugendliche in rechtsradikaler Weise geschult oder ausgebildet werden". Nicht so ahnungslos zeigte sich das niedersächsische Innenministerium Mitte Dezember 2014 bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Landtag. Es verwies darauf, dass "auf dem Gelände des ehemaligen HDJ-Einheitsführers Hermannsland in der Nähe von Detmold in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Wochenendtreffen für Kinder" stattfanden, an denen auch Familien aus Niedersachsen teilnahmen. Auch von dem erneuten Treffen in Berlebeck könnte die Detmolder Polizei nichts mitbekommen haben.
Bildunterschrift: Kindertreffen Anfang 2014 bei ehemaligem HDJ-Führungskader.
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Blick nach Rechts, 14.01.2014:
HDJ-Ableger weiter aktiv?
Von Andrea Röpke
In Detmold-Berlebeck finden auch nach dem Verbot der "Heimattreuen Deutschen Jugend" im Jahr 2009 immer noch einschlägige Kindertreffen statt.
Die kleinen Jungen tragen "Landser"-Mütze oder Holzgewehre, die Mädchen Blusen oder lange Röcke. Etwa 20 Kinder tummeln sich am zweiten Januarwochenende dieses Jahres auf dem Gelände des ehemaligen Anführers der HDJ-"Einheit Hermannsland" Gerd Ulrich. Trotz Verbotes der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) 2009 durch das Bundesinnenministerium finden in Detmold-Berlebeck immer noch einschlägige Kindertreffen statt. Rechte Eltern aus Osnabrück, Vechta, Stadthagen, Paderborn, Soest oder dem Kreis Lippe bringen ihren Nachwuchs bei dem ehemaligen HDJ-Führungskader vorbei. Auch völkische Familien aus Hessen und Brandenburg halten scheinbar den Kontakt.
Ziel der HDJ war es, eine soldatisch-geprägte nationale Jugend nach den Idealen des Dritten Reiches zu formen. Ulrich selbst wuchs in der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" heran. 2006 organisierte er das große Pfingstlager der HDJ in Fromhausen nahe der Externsteine mit. Im selben Jahr verteilten Mitglieder seiner "Einheit" Flugblätter in Briefkästen oder sprachen Pfadfinder an einem Infostand an. Im Herbst 2006 gab es dann ein "Kletterwochenende" bei Ulrich auf dem Anwesen, Seile wurden unter dem Dachfirst in sechs Metern Höhe drapiert. Zu dieser Zeit gehörte der Neonazi auch zum NPD-Ordnungsdienst und beteiligte sich an Aufmärschen oder dem "Pressefest" des Deutschen Stimme-Verlags.
Im Visier der Behörden geblieben
Bereits 2004 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz in dem Geheimbericht "Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten" intern gewarnt, dass Ulrich gemeinsam mit Kameraden, zu denen auch Andreas Theißen, heute NPD-Chef in Westmecklenburg zählte, Wehrsportübungen ausübte. Die Gruppe spähte demnach Polizeiunterkünfte und eine Bundeswehrkaserne aus. Sie besorgten sich Sprengmittel, legten Erddepots an und planten Sprengübungen, heißt es.
Schon Mitte der 1990er Jahre hatte der MAD dafür gesorgt, dass die Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe gegen Ulrichs Gruppe wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Die Ermittlungen wurden eingestellt, aber Ulrich 1999 wegen Sprengstoff-Verstoßes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ulrich blieb im Visier der Behörden. 2003 registrierte der Verfassungsschutz Treffen bei ihm zuhause in Detmold-Berlebeck. Dann wurde die "Einheit Hermannsland" gegründet und Ulrich einer der aktivsten Kader in der HDJ.
Konspirative Kerntruppe "IG Fahrt und Lager"
Im Mai 2009 prüfte die Bundesanwaltschaft erneut Waffenfunde im Umfeld von Ulrich. Diesmal waren unter anderem 10 Kilogramm Schwarzpulver in einem Erdloch auf dem Grundstück eines nahen HDJ-Aktivisten gefunden worden, auf dessen Gelände 2006 auch das große Pfingstlager mit rund hundert Kindern von der HDJ stattgefunden hatte. Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen bewerteten die Aufbewahrung von Zündmitteln und Munition als nicht sachgemäß und kamen zu dem Schluss, es handele sich nicht um eine politisch motivierte Tat. Der Prüfvorgang wurde 2010 eingestellt. Kurz zuvor war die HDJ wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit und aggressiv-kämpferischen Haltung verboten worden.
Seit 2009 fanden immer wieder Kindertreffen statt (Blick nach Rechts berichtete). Unter denen, die mit ihrem Nachwuchs nach Detmold-Berlebeck fahren, sind unter anderem Christian Fischer aus Vechta sowie Matthias Ries aus Osnabrück. Beide nahmen wie auch Ulrich bereits an Zusammenkünften der "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft" teil und gelten als Aktivisten der konspirativen Kerntruppe "IG Fahrt und Lager" der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten. Gegen die "IG Fahrt und Lager" ermittelten die Behörden in Osnabrück wegen einer möglichen Fortführung der HDJ. Auch einer der ehemaligen Neonazi-Anmelder der Bad Nenndorf-Aufmärsche, Kristoff Huxhold aus dem Landkreis Schaumburg, hält scheinbar Kontakt nach Berlebeck. Ein ebenso enger Draht besteht nach Meinung von Szenekennern aus der Region auch zu dem Verleger Burkhard Weecke, dem stellvertretenden Vorsitzenden des völkischen "Thule-Seminars" aus Horn-Bad Meinberg.
Bildunterschrift: Kindertreffen am vergangenen Wochenende bei ehemaligen HDJ-Führungskader.
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Polizeipräsidiums Bielefeld / Polizeilicher Staatsschutz, 24.03.2010:
( ... )
3.2.2 Straftat nach dem Sprengstoffgesetz
Am 02.05.2009 meldete sich ein anonymer Anrufer bei der Polizei und wies auf eine Hütte im ländlichen Bereich bei Detmold hin, in der ein "Rechter" angeblich Munition und Sprengstoff gelagert habe.
Die Hütte wurde durchsucht. Es wurden ca. 4,3 Kg Schwarzpulver, eine Art Luntenschnur sowie ein 10-Liter-Kanister mit einer leicht entzündlichen Flüssigkeit aufgefunden. Auf Grund des zunächst unklaren Sachverhalts wurde der Beschuldigte festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung wurden 2 Kg Nitrocellulose (zur Herstellung von Treibladungen) sowie sieben Schusswaffen gefunden, die der Beschuldigte allerdings legal in seinem Besitz hatte. Er gab an, die Materialien für seine Aktivitäten in einem Schützenverein und zum Laden seiner Vorlader-Pistole zu nutzen. Er war mit der Einziehung und Vernichtung der Munitions- und Sprengmittel einverstanden. Er wurde nach Abschluss der Maßnahmen entlassen. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
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Netz gegen Nazis, 09.12.2008:
So organisieren sie sich
Ferien im Führerbunker
Die Ideologie und soldatische Kindererziehung der neonazistischen "Heimattreuen Deutschen Jugend" sorgte in den vergangenen Monaten immer wieder für Schlagzeilen. Politiker aller etablierten Parteien forderten ihre Auflösung, das Innenministerium prüft ein Verbot.
Von Andrea Röpke
"Aufrecht gehen, korrekt gekleidet sein, sauber daherkommen", mit kernigen Worten stellt die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) den Lesern des "Funkenflug" ihre "innere Haltung" vor. Demnach ist Erziehung von Kindern und Jugendlichen stets Gemeinschaftssache, denn "wo keine Führung, da keine Gemeinschaft, da keine Erziehung". Individuelles Verhalten, Kreativität, unabhängiges Denken, antiautoritäre Struktur oder Unangepasstheit, alles Begriffe, die nicht zur größten deutschen Neonazi-Jugendorganisation passen wollen. Nach der Parole "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" wird in der HDJ gelebt. "Der Führung" obliegt dabei die Aufgabe, so die HDJ, "der Kopf und das Herz dieses Organismus zu sein und das Wollen in die gewünschte Richtung zu lenken".
Seit 1945 gab es mit Unterbrechungen organisierte völkische Jugendarbeit, die in ihrer Auslegung und Zielsetzung zwischen bündischer und NS-Tradition schwankte. Hervorzuheben sind hier die "Wiking-Jugend" und der "Bund heimattreuer Jugend". Während sich die WJ relativ ungehemmt in die Tradition der Hitlerjugend und damit im Sinne der nationalsozialistischen Jugendarbeit stellte, versuchte sich der BHJ mehr oder weniger überzeugend davon abzusetzen, ohne aber seine völkischen und bündischen Traditionen aufzugeben. Die WJ ist inzwischen verboten und der BHJ agiert heute unter der Bezeichnung "Der Freibund". Im Visier dieser Organisationen stand zweifelsohne ein gemeinsames Ziel: die deutsche Jugend.
Offiziell entstand der Verein "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V." im Oktober 2000, als während eines "Bundesjugendtages" am Prenzlauer Berg in Berlin die Umbenennung von "Die Heimattreue Jugend e.V." (DHJ) in "Heimattreue Deutsche Jugend" unter der Leitung von Alexander Scholz beschlossen wurde. Als Grund wurde die banale Tatsache angegeben, dass man "Die Heimattreue Jugend" nicht "gescheit abkürzen konnte, ohne das Kürzel einer seit `45 in Deutschland verbotenen Organisation zu nutzen". Aber intern sollen schon die Kürzel "Heimattreue Jugend" oder HJ grassieren. Um eine ungestörte Arbeit im Verborgenen zu gewährleisten, dürften noch andere Gründe eine Rolle eine Rolle gespielt haben. So war die vormalige DHJ mit Sitz im schleswig-holsteinischen Plön bisher kaum aufgefallen, hatte eine ordnungsgemäße Satzung und dieser Verein existierte bereits vor dem Verbot der "Wiking-Jugend" 1994, galt daher als weniger angreifbar.
16 Jahre ungestörtes Treiben
Weitaus bekannterer Vorläufer der HDJ war der rechtsextremistische "Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ), eine langjährige Parallelorganisation der "Wiking-Jugend", die aber nicht verboten wurde. Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz verfolgt die These, dass die HDJ 1990 nach einem Richtungsstreit sogar als Abspaltung des rechtsextremistischen "Bundes heimattreuer Jugend" (BHJ) entstanden sei und sich 2001 nur umbenannt habe.
"16 Jahre gibt es nun die HDJ", feierte sich die Organisation im Kalender "Unser Leben 2008". "Viele Jahre, eines Marsches durch Kampf und Freude. Jahre, in denen wir zusammengewachsen sind, in denen wir uns beweisen mussten und die Gegner Deutschlands auf uns einschrien und einschlugen. Wohlweislich verschweigen rechte Betrachter die verbotene "Wiking-Jugend" in historischen Rückblenden, gerade so, als hätte niemals jemand etwas mit ihnen zu tun gehabt. Doch auch wenn die HDJ-Spitze beteuert, der direkte Ursprung ihrer Organisation sei in den Strukturen von BHJ und DHJ zu suchen, so gibt es aus deren Reihen auffällig wenig Führungskräfte, die in der heutigen Gruppierung eine Rolle spielen.
Die personellen Verflechtungen zwischen der HDJ und der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" hingegen scheinen weitaus intensiver. Mittlerweile räumt auch die Bundesregierung hinsichtlich der bekannt gewordenen Aktivitäten und der Zielgruppe von HDJ und WJ durchaus "Parallelen" ein. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen erkannte bereits im September 2006, dass es "Überschneidungen hinsichtlich der ideologischen Zielsetzung (völkisch-nationalistisch) und der Zielgruppe (Kinder und Jugendliche)" zwischen WJ und HDJ gäbe. Dennoch lägen der Behörde in Düsseldorf "keine Erkenntnisse vor, die die Annahme begründen, bei der HDJ handle es sich um eine Ersatzorganisation der verbotenen Wiking-Jugend". Die Landesregierung beabsichtige nach eigenen Bekunden auch nicht, "derzeit" in Richtung eines Vereinsverbotes "initiativ" zu werden.
Seit 2007 unter Beobachtung des VS
Das könnte die Bundesregierung in Berlin mittlerweile anders sehen. Auf die Kleine Anfrage einiger Grünen-Abgeordneten, ob das Bundesinnenministerium rechtliche Schritte gegen die HDJ, "etwa ein Verbot", erwäge, kommt die abweichende Antwort: "Mit einer Erörterung von Verbotsverfahren in der Öffentlichkeit ist jedoch die Gefahr verbunden, deren Erfolg zu schmälern. Deshalb nimmt die Bundesregierung aus operativen Gründen grundsätzlich zu Fragen im Zusammenhang mit Verbotsverfahren nicht öffentlich Stellung."
Tatsächlich ist die "Heimattreue Deutsche Jugend" seit spätestens 2007 Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Bis dato hatten von 16 Landesämtern für Verfassungsschutz lediglich Berlin und Brandenburg vor den Gefahren durch die Aktivitäten der HDJ gewarnt - inzwischen allerdings hat die Anzahl der Warnungen zugenommen.
Gegenüber Spiegel-Online fand das Bundesinnenministerium im Sommer 2008 klare Worte über die HDJ. Sie sein "fester Bestandteil des rechtsextremistischen Spektrums und verfügt über umfangreiche szeneübergreifende Kontakte" sowohl zur NPD als auch zur "neonazistischen Kameradschaftsszene". Zu möglichen Verbotsverfahren nehme die Bundesregierung grundsätzlich nicht Stellung: "Jeder, der öffentlich über das Ob und Wann eines konkreten Vereinsverbotes spricht, schadet der Sache einer effektiven Bekämpfung des Rechtsextremismus."
"Lebensformen aus der Zeit des NS praktiziert"
Eindeutige Worte finden sich Anfang August in einer Presseerklärung der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern wieder. Nachdem die zuständige Polizei ein HDJ-Lager mit rund 50 Personen, darunter 39 Kindern, in Hohen Sprenz bei Güstrow durchsucht und später aufgelöst hatte, fasste die Presseabteilung die Eindrücke zusammen: "Es gab ein geregeltes Zeltlagerleben mit Fahnenmast, wobei Verhaltensweisen und Lebensformen aus der Zeit des Nationalsozialismus praktiziert wurden." Die bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen würden belegen, dass "die gezielte Verbreitung rechtsextremistischer Inhalte den Tagesablauf der Teilnehmer bestimmte und die Kinder mit nationalsozialistischem Gedankengut regelrecht beschult wurden."
Alexander Scholz aus Berlin, 2001 erster Bundesführer der HDJ, hatte deren Ziele bereits vor sieben Jahren unmissverständlich formuliert: "Wir verpflichten uns Deutschland, indem wir geistige und körperliche Wehrhaftigkeit ausbilden ( ... ) Jeder ist aufgefordert ( ... ) am Aufblühen einer deutsch-nationalen Jugendarbeit mitzuhelfen."
"Kampfschrift" dieser Jugendbewegung ist der "Funkenflug - jung - stürmisch - volkstreu", die Zeitschrift der HDJ. Sie erscheint seit 2000 mit drei bis vier Ausgaben jährlich. Im Anzeigenteil der NPD-nahen "Deutschen Stimme" wirbt die HDJ für ihre Publikation im reißerischen Ton: "Wer dem Fernsehen etwas glaubt, dem hat man das Gehirn geklaut! Funkenflug, die Kampfschrift der Heimattreuen Deutschen Jugend, gegen drei Euro anzufordern". Nach eigenen Angaben wurden bereits "mehr als 288.000 Papierseiten" bedruckt. Die Schriftleitung rühmt sich stolz damit, "daß wir Strafbefehle, Anzeigen und Ermittlungen an unsere Pinwand heften konnten" und "daß wir hunderte Leser außerhalb der Reihen der Heimattreuen Jugend werben konnten".
Zielgruppe der HDJ sind Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 29 Jahren. In einem Interview mit der NPD-Zeitung betonte Bundesführer Sebastian Räbiger im Februar 2007, dass auch "Kleinstkinder" bereits in die Aktivitäten eingebunden würden. Nach Erkenntnissen des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz ist das Ziel der HDJ "die frühzeitige rechtsextremistische Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen"
Alle drei Wochen irgendwo ein Zeltlager
Über 29-Jährige sind nicht von der Arbeit in der Gruppe ausgeschlossen, sondern können sich in die Vereinsleitung oder in die Familien- und Freundeskreise einbringen bzw. im Technischen Dienst (TD) tätig werden. Der TD sorgt für die Organisation und den Aufbau von Lagern und besteht überwiegend aus jungen Männern, von denen einige auch in der NPD aktiv sind. Die HDJ hat ihren Vereinssitz nicht in Berlin, wie lange Zeit von den Verfassungsschutzbehörden angenommen sondern offiziell im schleswig-holsteinischen Plön.
Zuständig ist das Amtsgericht Kiel, Vereinsregisternummer VR 672930. In der Satzung von 2001 heißt es im Paragraph 3: "Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S. der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24.12.1953 ( ... ) durch Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Zu diesem Zweck führt der Verein Jugendlager, Jugendfahrten ins In- und Ausland sowie Sport- und Bildungsveranstaltungen durch." Nach eigener Bekräftigung sieht es der Verein als seine Aufgabe an "die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranzubilden". Auch bekennt sich die HDJ als Verein zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Beim zuständigen Finanzamt in Kiel wird die HDJ nicht als gemeinnütziger Verein geführt, d.h. Spenden können nicht steuerlich abgesetzt werden.
Die Zeltlager der "Heimattreuen Deutschen Jugend" finden in Abständen von etwa drei Wochen bundesweit im Verborgenen statt. Nach Außen sollen sie wie harmlose Pfadfinderlager wirken. Die gehisste schwarz-weiß-rote Fahne mit der roten Flamme in der Mitte erregt dabei nur selten Argwohn. Erst bei genauerer Betrachtung sind klare politische Symbole, oftmals mit NS-Bezug, erkennbar. Beim Sommerlager der HDJ im westfälisch-lippischen Fromhausen in der Nähe von Detmold prangten an den weißen Rundzelten Schilder mit Aufschriften wie "Führerbunker", "Germania" oder "Alemania". Neben dem Wimpel mit dem Flammensymbol der HDJ wehte auch eine so genannte "Reichsfahne".
Mitgliedschaften baut die HDJ nach dem Familienprinzip auf. Offiziell heißt es dazu im Verfassungsschutzbericht 2004 des Landes Berlin: "Ähnlich wie bei der seit 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" zielt das Lebensbund-Konzept der HDJ darauf ab, ein rechtsextremistisches lebensweltliches Freizeitangebot für die ganze Familie zu bieten."
Die Familie ist nach völkischen Vorstellungen von Gemeinschaft die kleinste Einheit von Personen. Die Partnerwahl findet oft innerhalb der Gemeinschaft der HDJ statt. Der "Gedanke der Familiengemeinschaft" wird an einigen Familien in den Strukturen der HDJ deutlich, diese engagieren sich seit Generationen in der völkischen Jugendarbeit, sei es im BHJ, der WJ, Freibund oder in der HDJ. Als Beispiele lassen sich die Familien Nahrath (Stolberg), Börm (Lüneburg-Handorf), Berg (Toppenstedt), Mörig (Braunschweig) oder Ulrich (Detmold) nennen. "Manche Ehepaare sind schon als Kinder gemeinsam auf Fahrt und Zeltlager gefahren. Eltern, die früher selbst einmal bei uns gewesen sind, schicken heute ihre Kinder auf unsere Lager. So wuchs und wächst die volkstreue Familie in Deutschland seit Generationen", wirbt die HDJ im Internet auf ihrer Seite unter dem Titel "Wir tun was! Schicken Sie Ihre Kinder zu uns!"
Trotz braunem Parallelleben sind viele HDJ-Anhänger fest im außer-politischen gesellschaftlichen Leben integriert. Sie engagieren sich in Fußballvereinen, Kampfsportclubs oder in musikalischen Einrichtungen. Beruflich sind die HDJler überwiegend dem Mittelstand zuzuordnen, sie arbeiten als Rechtsanwälte und Ingenieure, studieren oder erlernen soziale Berufe. Das Bildungsniveau scheint eher hoch zu sein.
"Heldengedenken" und Leistungsmärsche
( ... ) Aufgrund von Unkenntnis der Behörden und Kommunen gelingt es HDJ-Anhängern immer wieder auf kommunale Einrichtungen wie Jugendherbergen, Selbstversorgerhäuser oder Grillhütten für ihre politischen Zwecke zurückgreifen zu können. Der militärische Hintergrund von "Heldengedenken" für deutsche Soldaten, Leistungsmärschen mit Gepäck oder Morgenandachten mit Antreten und Strammstehen wurde von Herbergsbetreibern nicht mal kritisch hinterfragt. Man ließ die HDJ gewähren. Dabei sprechen die Worte des jetzigen Bundesführers, Sebastian Räbiger aus Reichenwalde, einem ehemaligen Gauführer der "Wiking-Jugend", eine deutliche Sprache: "Wenn für Dich Dein Volk alles ist und Du bereit bist, für das, was Du liebst, aufzustehen, alles zu wagen und zu kämpfen, dann ist Dein Platz bei uns! ( ... ) Denn wenn Du nicht kämpfst, siegt der Schutt, der Neid und der Untergang. Damit die Schlechten nicht siegen, kämpfe mit uns an unserer Seite!"
Die "Heimattreue Deutsche Jugend" führte seit 2001 zahlreiche Zeltlager durch. An den größeren, dem Bundessommer- und Winterlager, nehmen wie zu WJ-Zeiten rund zweihundert Jugendliche und Erwachsene teil. Regional finden zahlreiche weitere Treffen statt. Nach einer vorläufigen Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden sollte die HDJ nur etwa 100 Mitglieder haben. Experten aber gingen von einer weitaus höheren Zahl aus. Im März 2008 legte auch die Berliner Senatsverwaltung nach und gab die geschätzte Mitgliederzahl der HDJ mit ca. 400 Personen an und betonte: "In dieser Zahl sind nicht die Mitglieder des der HDJ angegliederten Familien- und Freundeskreises (FFK) enthalten." Nach Erkenntnissen der Stuttgarter Landesregierung vom September 2008 hat die HDJ "einige Hundert" Anhänger.
Insbesondere bei den größeren Lagern zu Pfingsten und während der Sommerferien werden auch regelrechte ideologische Schulungen für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Einen wesentlichen Punkt nimmt dabei immer wieder die Erhaltung der deutschen Sprache ein. HDJler lehnen Anglizismen auch im Privatleben ab. Ihre Kinder sprechen von T-Hemden, wenn sie T-Shirts meinen. "Die allumfassende Umerziehung nach dem letzten Krieg hat dazu geführt, daß unser Volk nicht mehr die mindeste Liebe und Achtung für seine Sprache empfinden kann.( ... ) Daher liegt eine große Verantwortung bei uns HDJlern, wenn wir uns in Wort und Schrift an einen großen Kreis von Zuhörern und Lesern wenden. Beherzigt stets den alten Leitsatz der Sprachpflege: "Kein Fremdwort für einen treffenden deutschen Ausdruck!" So wird den Kindern beigebracht, dass es anstatt "Tabelle" "Übersicht" heißen muss oder sie nicht "korrekt" sagen sollen, sondern "richtig".
( ... ) In Punkto "Weltanschauung" sollen Kinder und Jugendliche nach der Prämisse "Dem Leben dienen" von SS-Dichtern wie Kurt Eggers lernen. Demnach sei Revolution im Sinne von Eggers gleich Evolution: "Um das langfristige Wachsen zu ermöglichen ist eine Umwälzung, ein kämpferisches Abschütteln von Verkrustetem, Feigem, Falschem und Fremdbestimmtem notwendig." In "Vom mutigen Leben und tapferen Sterben" und "Die Heimat der Starken" besinne sich Eggers "zum kleinsten Ereignis jeglichen Werdens, zur Geburt und darüber hinaus zur kleinsten Keimzelle des Volkes, zu Ehe und Familie".
Aber auch in der "Welt der Starken" würden Irrtümer vorkommen, heißt es im "Funkenflug" zum Thema Scheidung, daher müssten sich die beiden Menschen trennen und "in einer zweiten Ehe die Erfüllung zur Gemeinschaft" finden. Eggers "Gedanken zur Frage des Lebens und der Evolution im Kleinen" lassen die HDJler zu dem Schluss kommen, dass der einzige Sinn des Strebens und Lebens sei, "dem deutschen Leben Zukunft" zu geben. In diesem Zusammenhang werden Abtreibungen als Mord an Kleinstkindern bezeichnet und rigoros abgelehnt. Die Ablehnung "andersartiger" Menschen werde auch nicht von Hass getragen, sondern sei "naturgesetzlich, evolutionär". Denn "schließlich kann kein Fremder uns diese Aufgabe abnehmen und in gleicher Weise wie wir in Tat und Wort für unser Volk zeugend wirken". Als immer wiederkehrendes Mantra wird den Kindern dabei eingetrichtert: "Wir Deutschen werden wieder auferstehen! Das ist ein Eid, der kräftigt!"
Der Text ist der neu aufgelegten Broschüre "Ferien im Führerbunker. Die neonazistische Kindererziehung der heimattreuen Deutschen Jugend" der Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt entnommen. Wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.
Zum Thema:
Die Broschüre plus DVD-Dokumentation "Ferien im Führerbunker" kann bestellt werden unter:
Bildungsvereinigung Arbeit und Leben
Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt
Bohlweg 55
28100 Braunschweig
E-Mail: info@arug.de
ISBN 978-3-932082-32-0
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Blick nach Rechts, 21.11.2008:
Braune Erzieher-Truppe
Der Druck auf die Bundesregierung, Maßnahmen zu einem möglichen Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend zu ergreifen, wächst
Von Andrea Röpke
Am 12. November hat der Innenausschuss des Bundestags den Antrag der Fraktionen von SPD und CDU/CSU beschlossen, ein Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) zu prüfen. Der Bundestag wird den Antrag dann voraussichtlich Anfang Dezember verabschieden. Seit Juni 2008 läuft bereits ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den beim Amtsgericht Kiel eingetragenen Neonazi-Verein. Am 9. Oktober durchsuchten Beamte aller Landeskriminalämter (außer Bremen und Saarland) bundesweit bei 88 Anhängern Privat- und Büroräume im Auftrag des Bundesinnenministeriums. Sie beschlagnahmten unter anderem 100 PCs, 50 Handys und 60 kleinere Datenträger. Insgesamt seien "16 Terabyte Daten" gesichert worden - die nun ausgewertet werden müssen. Im Landkreis Ludwigslust indessen, wo einige der aktivsten HDJ-Erzieher leben und als NPD-Funktionäre wirken, fanden überhaupt keine Hausdurchsuchungen statt, wie Polizeibehörden bestätigen.
Frühzeitig distanzierte sich das Ministerium in einer Pressemitteilung von der Annahme, die HDJ könnte eine Ersatzorganisation der 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" (WJ) sein. Denn dagegen spräche der Umstand, dass die HDJ "im Jahr 1990 gegründet" wurde. Später ruderten die Behörden etwas zurück. Der Berliner "Tagesspiegel" wusste am 16. Oktober über gefundenes "belastendes Material" zu berichten. Demnach seien die Sicherheitsbehörden auf Beweise dafür gestoßen, dass der Verein doch eine Nachfolgeorganisation der WJ sein könnte. Immerhin wurden auch die Räume des ehemaligen Vorsitzenden in Birkenwerder von Beamten durchsucht.
Bei genauer Betrachtung der HDJ-Vereinsregisterakte VR 672930 in Kiel ist zu sehen, dass der Verein zunächst "Die Heimattreue Jugend e.V." (DHJ) hieß und erst im Oktober 2000 in HDJ umbenannt worden war. Mit der Ernennung von Alexander Scholz aus Berlin zum "Bundesführer" tauchen die meisten der heutigen Anführer namentlich in den Reihen des Vereins auf, unter anderem Sebastian Räbiger (ehemaliger "Gauführer Sachsen" der WJ), Thomas Eichler oder Friedrich Kugler aus Franken. Nur sehr wenige von ihnen werden vorher im Zusammenhang mit der Vorläuferorganisation DHJ genannt, so Michael Gellenthin und Laurens Nothdurft. Die DHJ wurde in den 90er Jahren eher im gemäßigteren Lager verortet. Zudem distanzierte sich einer der ehemaligen Vorstandsmitglieder, Thomas G. aus Kiel, von der jetzigen Erzieher-Truppe HDJ.
Mit der Neubenennung wird 2002 auch eine neue Satzung verabschiedet. Weitaus auffälliger als die personellen Überschneidungen zwischen neu entstandener HDJ und DHJ sind nach wie vor die zur ehemaligen "Wiking-Jugend". Eine gezielte "Übernahme" des DHJ könnte auch als mögliches strategisches Kalkül gesehen werden. Dafür spricht, dass sich ein Teil der vorherigen DHJ-Aktivisten aus dem Geschehen nach der Umbenennung zurückzogen.
"Nur richtig Weißes macht glücklich"
Nach Erkenntnissen des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz ist das Ziel der "Heimattreuen Deutschen Jugend" "die frühzeitige rechtsextremistische Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen". Im Visier des bundesweit agierenden rund 400 Mitglieder starken Vereins sind Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 29 Jahren. In einem Interview mit der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" 2007 betonte HDJ-"Bundesführer" Sebastian Räbiger aus dem brandenburgischen Reichenwalde, auch "Kleinstkinder" würden bereits in die Aktivitäten der Organisation eingebunden. 2008 fanden unter anderem HDJ-Veranstaltungen in der Nähe von Güstrow, Demmin, im Vogtland, im sächsischen Muldentalkreis, in Rheinland-Pfalz, in Ostwestfalen, in Franken und am Rhein statt.
Die selbst ernannten HDJ-Pädagogen greifen ein ins Familienleben nationalistischer Familien, um deren Kinder noch fester an die Szene zu binden. Kinder wachsen mit einer Verehrung für die NS-Zeit und deren militärische Anführer auf. SS-Männer wie Herbert Schweiger, Otto Ernst Remer oder Kurt Eggers werden als Vorbilder dargestellt. Kleinkinder malen ihre Familie auf einer Landkarte in den Grenzen von 1937 vor einem schwarz-weiß-roten Hintergrund. In eigens angefertigten Kreuzworträtseln haben sie den "Führer des letzten Deutschen Reiches" oder die "Hauptstadt Schlesiens" einzutragen. In der HDJ wird der Zweite Weltkrieg als "großdeutscher Freiheitskampf" heroisiert, die Hitlerjugend gilt als vorbildlich. Eine im "Funkenflug" abgebildete Fotoanzeige zeigte einen Jungen in HDJ-Kluft mit Kompass. Der Text dazu lautet: "Seine Mitschüler lernen in Erdkunde gerade die 16 Bundesländer." - "Er hat sie nicht nur auf zahlreichen Lagern und Fahrten bereist, sondern kennt sich auch in Ostpreußen, Pommern und Schlesien ganz gut aus."
Ein weiteres Foto zeigt zwei hellhäutige Kleinkinder, die fröhlich lachen. Das Bild im "Funkenflug" scheint einer Waschmittelwerbung entnommen zu sein, denn am Rande steht noch "Persil". Über der manipulierten Anzeige ist zu lesen: "Nur richtig Weißes macht glücklich." In kleinerer Schrift steht als zynischer HDJ-Kommentar darunter: "Werbung lügt nicht unbedingt immer." Es werden Texte publiziert, "in denen der Nationalsozialismus verherrlicht wird sowie antisemitische Einstellungsmuster deutlich werden", warnen inzwischen auch Verfassungsschützer.
Glorifizierung des paramilitärischen "Wehrwolfs"
Zahlreiche Ermittlungen laufen seit 2006 gegen Anhänger der HDJ unter anderem wegen verbotenen Uniformstragens, wegen "Bildung einer bewaffneten Gruppe", wegen Verletzungen des Jugendschutzgesetzes nach der Durchführung einer so genannten "Rasseschulung" auch vor Minderjährigen und wegen Körperverletzung.
Hinzu kommt ein Faible für historische rechte Untergrundgruppen wie die ehemaligen prodeutschen "Südtirol-Bomber", die vor Jahrzehnten italienische Sendemasten in die Luft sprengten oder für den in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts aktiven paramilitärischen "Wehrwolf - Bund deutscher Männer und Frontkrieger". Der Untergrundgruppe, die angeblich 30.000 Mann stark gewesen sein soll, wird 2008 in einer zweiteiligen Serie im "Funkenflug" gehuldigt. Demnach sah sich der "Wehrwolf" als "soziale Bewegung" mit dem Ziel: "Wir wollen aus diesem korrupten, faulen, von Demokraten und Kapitalistenknechten gebildeten und regierten Staat durch Revolution ein neues Reich mit nationalistischer Grundlage bauen." 1930 explodierten die ersten Bomben gegen Behörden und Einrichtungen der Weimarer Republik. Die HDJ glorifiziert deren "Wehrhaftigkeit", wohl wissend, dass ein "diktatorisches Wehrwolfregime" angestrebt wurde.
Der Mythos "Wehrwolf" hält sich in der rechtsextremen Szene hartnäckig. "Ohne dauernde Betätigung im Wehrsport erfüllt kein Kamerad seine Aufgabe", dieser Satz gehört zum historischen "Wehrwolf", findet aber heute noch Gehör. Im "Funkenflug", den auch viele Kinder und Jugendliche lesen, wird weiter unkritisch zitiert: "Ein Wehrwolflied lautete treffend: Unser Glaube sind Gewehre, Gerechtigkeiten gibt es nicht - wir kämpfen im schwarzen Heere, das einmal Deutschlands Ketten bricht." Gefährliche Ideale – auch im Hinblick auf ein mögliches Verbot.
Angeblich harmlose "Pfadfinderlager"
Die in Bedrängnis geratene Organisation ist auch im eigenen Lager nicht unumstritten, vielen agiert sie zu provokativ oder gilt als autoritär und militant. Dennoch gibt sie sich kämpferisch: "HDJ-Verbot – ihr könnt uns mal". Die Verantwortlichen höhnen im "Funkenflug" über "den mächtigsten Rollstuhlfahrer der Republik" und "Pressekreaturen", die ihnen die Arbeit schwermachen. "Das sind fanatische Neonazis, sie werden auf jeden Fall weitermachen", warnt Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt in Braunschweig, "nur in welcher Form, das bleibt abzuwarten".
Es gibt zahlreiche Spekulationen über mögliche Alternativen wie den neu-rechten "Freibund – Bund heimattreuer Jugend", den bündischen "Sturmvogel" oder die Jungen Nationaldemokraten, die bereits nach dem Aus der Wiking-Jugend zunächst als Auffangbecken dienten. Möglich sind auch locker vernetzte, namenlose Zellenstrukturen oder harmlos klingende Tarnvereine, wie der Hamburger "Kutterfreunde e.V.". Unrechtsgefühle scheint es in den HDJ-Reihen nicht zu geben. So kettete sich deren "Spendenbeauftragter", der Lüneburger UWL/Bündnis Rechte-Stadtrat Christian Berisha, kürzlich am Haupteingang der Polizeiinspektion in Lüneburg an, um gegen die HDJ-Razzia und die Beschlagnahmung seiner Firmencomputer zu demonstrieren. Berisha, der ein kleines Unternehmen für Kommunikationsmanagement betreibt, stellt sich auf einem Pappschild als "Opfer der Demokratie" dar. Die HDJ verharmlost er als "zugelassenen patriotischen Verein", der "Pfadfinderlager" organisiere.
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Kulturinitiative Detmold e.V., 12.10.2008:
Fünfter Sonntagsspaziergang gegen die HDJ-"Einheit Hermannsland" und ihren NPD-Funktionär Gerd Ulrich
Zu dem fünften Sonntagsspaziergang rufen auf:
AfA - Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (Kreisverband Lippe)
Aktionsbündnis gegen Rechts der Vereine, Kirchen, Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden Heiligenkirchen und Berlebeck
Aktion Sozialer Widerstand Lemgo
amnesty international-Jugendgruppe Detmold
Antifa Lemgo
Antifaschistische Initiativen aus Ostwestfalen-Lippe
Antifaschistischer Arbeitskreis Detmold
Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock
Arbeitskreis gegen Nazis in Horn-Bad Meinberg
Arbeit und Lernen Detmold
Attac-Regionalgruppe Detmold
Bündnis 90/Die Grünen - Ortsverband Detmold
Detmolder Alternative - Opposition von unten
Deutscher Gewerkschaftsbund Region Paderborn-Lippe-Höxter
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - Detmold
Grüne Jugend Detmold
Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Kulturinitiative Detmold e.V.
Ökumenisches Friedensgebet Detmold
Plenum der Detmolder Antifa-Gruppen
Jusos Minden-Lübbecke
ver.di Herford-Minden-Lippe
Weitere Unterstützerinnen bitte an: info@hiergeblieben.de
Bundesweite Razzia
Es wird enger für die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ). Mit einer Großrazzia ist die Polizei am Donnerstag, den 09.10.2008, gegen die neonazistische HDJ vorgegangen. Bei den bundesweit durchgeführten Maßnahmen gegen die Vereinsorganisation, sind rund 100 Wohn- und Büroobjekte von Einsatzkräften der Polizei durchsucht worden. Von den Durchsuchungen betroffen waren rund 100 Mitglieder und Anhänger des Vereins.
Elf Objekte waren nach Angaben des Landesinnenministeriums in Nordrhein-Westfalen auf der Liste. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, das die Razzia veranlasst hatte, bezeichnet NRW sogar als einen der Schwerpunkte. Die letzten Aktivitäten der HDJ verzeichnen die Behörden laut der Nachrichtenagentur ddp im Raum Detmold mit der örtlichen "Leitstelle West".
In Ostwestfalen-Lippe richteten sich die Durchsuchungen gegen folgende Mitglieder der HDJ-"Einheit Hermannsland": Anna-Maria und Gerd Ulrich aus Detmold-Berlebeck, Marcel Neubauer aus Bad Salzuflen, den NPD-Aktivist Eugen Krüger aus Bad Driburg und das NPD-Mitglied Tobias Heinekamp aus Altenbeken. Wie aus Ermittlerkreisen verlautete, haben die Fahnder in deren Wohnungen "rechtsextremes Schulungsmaterial" gefunden.
Ein alter Bekannter
Das HDJ-Verbots-Fass zum Überlaufen brachte ein ehemaliger Berlebecker: Martin Götze, der 2006 im Hahnbruchweg 24 wohnte und damals mit Gerd Ulrich und anderen das Zeltlager in Fromhausen organisierte. Götze war der Leiter des im August aufgelösten HDJ-Lager in Hohen Sprenz in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatten Polizeiangaben zufolge 39 Jungen und Mädchen zwischen 8 und 14 Jahren unter Anleitung von rund 50 Erwachsenen Verhaltensweisen und Lebensformen des Nationalsozialismus praktiziert.
Nach Angaben des NRW-Innenministerium finden in Berlebeck "Veranstaltungen der HDJ mit bis zu 20 Personen statt.“ Diese Veranstaltungen finden nach wie vor im Hahnbruchweg 24 ungeniert statt. Dort wurden und werden bereits Kinder im Zeichen nationalsozialistischer und antisemitischer Ideologien nach einem "Führerprinzip" autoritär erzogen. Die braune Kampfstiefel-Truppe macht weiter - bis wir sie stoppen.
Erfahrungen mit der "Wiking-Jugend"
Die gefährlichsten deutschen Neonazi-Anführer sind durch die braune Schule der "Wiking-Jugend" gegangen. Die sehr konkrete Erfahrung mit Gerd Ulrich, unter anderem wegen Sprengstoffbesitzes und Propaganda für eine verbotene Organisation vorbestraft, und seinen “Kameraden“ mit der "Wiking-Jugend" hat gezeigt, dass die systematische politische Kindererziehung auch nach einem Verbot weitergehen wird.
HDJ vor dem Verbot
Wir wissen: Erstens: Die HDJ wird verboten. Zweitens: Die HDJ macht weiter. Und drittens: Der Widerstand gegen die neonazistischen HDJ-Ersatzstrukturen muss weiter gehen!
Um dem Treiben der Neonazis etwas entgegenzusetzen, sind wir weiterhin alle gefragt. Wir werden die Aktivitäten der "Einheit Hermannsland" noch genauer beobachten und an die Öffentlichkeit bringen.
Auch wenn uns an dieser Stelle der Ruf nach dem Staat und seiner Justiz sinnvoll und gerechtfertigt erscheint, ist er kein Allheilmittel. Ein Verein kann verboten werden, aber seine Mitglieder und ihre politischen Anschauungen bleiben bestehen. Gegen sie hilft nur eins: stetes antifaschistisches Engagement!
Wir alle sollten weiter öffentlich zeigen, dass diese militanten Neonazis keine Akzeptanz finden, bei keiner Gelegenheit und nirgendwo. Nicht in Berlebeck und auch nichts anderswo. Die HDJ mit ihrer menschenverachtenden und rassistischen Ideologie muss erkennen, dass es wir sind, die Zivilgesellschaft ist, die ihr Grenzen auferlegt und deutlich macht: bis hierher und nicht weiter!
Fünfter Sonntagsspaziergang gegen die HDJ-"Einheit Hermannsland" und ihren NPD-Funktionär Gerd Ulrich:
Sonntag, 16. November 2008 um 15.00 Uhr
Auftaktkundgebung:
Parkplatz vor dem Hotel "Kanne"
Paderborner Straße 155
32760 Detmold
Ortsteil Berlebeck
Ansprache: Annelie Buntenbach, Bundesvorstand Deutscher Gewerkschaftsbund
Redebeiträge: Aktionsbündnis gegen Rechts Heiligenkirchen und Berlebeck, Antifaschistischer Arbeitskreis Detmold, Kulturinitiative Detmold e.V., Ökumenisches Friedensgebet Detmold
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Kulturinitiative Detmold e.V., 13.02.2008:
Sonntagsspaziergang gegen die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) und ihren Funktionär Gerd Ulrich
Sonntag, 2. März 2008 um 15.00 Uhr: Erster Sonntagsspaziergang gegen die HDJ-"Einheit Hermannsland" und ihren Funktionär Gerd Ulrich
Auftaktkundgebung:
Parkplatz vor dem Hotel "Kanne"
Paderborner Straße 155
32760 Detmold
Ortsteil Berlebeck
Gefährliche Neonazis:
Während einer Informationsveranstaltung über die regionalen Aktivitäten der HDJ in der "Papiermühle" im Detmolder Ortsteil Berlebeck am 6. September 2007 warfen Neonazis mehrere Rauchbomben in die Nähe einer Gruppe von Menschen vor dem Gebäude: Verschiedene Organisationen hatten zur Aufklärung über die HDJ-"Einheit Hermannsland" und ihrer Funktionäre geladen. Diese Gruppe um den NPD-Ordner Gerd Ulrich, der bereits als "Gauführer Westfalen" der verbotenen "Wiking-Jugend" fungierte, gilt als eine der aktivsten innerhalb der HDJ. Bis heute finden immer wieder Treffen, Ausmärsche in Uniform oder Klettercamps auf dem Gelände von Ulrich in Berlebeck statt.
Seit vielen Jahren agiert Gerd Ulrich, unter anderem wegen Sprengstoffbesitzes und Propaganda für eine verbotene Organisation vorbestraft, vom Hahnbruchweg 22 aus für bundesweit tätige neonazistische Organisationen. Ulrichs HDJ-Einheit versucht zudem zur Zeit verstärkt auch Kinder von Nichtmitgliedern anzuwerben.
Wir meinen:
Ob sich die HDJ in Berlebeck weiter festsetzt und die Möglichkeit bekommt, ihre Propaganda zu verbreiten, bleibt eine politische Frage, eine Frage der Nichtakzeptanz im Ort. Das heißt auch, dass die politisch Verantwortlichen in Detmold und die Verwaltung versuchen sollten, ihre Möglichkeiten der Unterbindung von HDJ-Aktivitäten so weit wie möglich auszuschöpfen. Auch wenn das häufig ohne Erfolg bleibt, ist es ein politisches Zeichen, das gesetzt werden muss.
Es reicht aber nicht aus, sich darauf zu verlassen. Um dem - in der Tradition der "Wiking-Jugend" stehenden - Treiben der HDJ etwas entgegenzusetzen, sind wir alle gefragt. Das bedeutet in erster Linie, die Aktivitäten der "Einheit Hermannsland" genau zu beobachten, ihr gefährliches Innenleben zu enttarnen und an die Öffentlichkeit zu bringen.
Das bedeutet außerdem, immer wieder öffentlich zu zeigen, dass diese militanten Neonazis keine Akzeptanz finden, bei keiner Gelegenheit und nirgendwo. Die HDJ mit ihrer menschenverachtenden und rassistischen Ideologie muss erkennen, dass die Zivilgesellschaft ihr Grenzen auferlegt: bis hierher und nicht weiter!
Denn: Die gefährlichsten deutschen Neonazi-Anführer sind durch die braune Schule der "Wiking-Jugend" gegangen. Die Erfahrung mit der "Wiking-Jugend" hat gezeigt, dass die systematische politische Kindererziehung auch nach einem Verbot weitergeht.
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Zu der Demonstration rufen auf: Antifaschistische Initiativen aus Ostwestfalen-Lippe, Kulturinitiative Detmold e.V., Antifaschistischer Arbeitskreis Detmold, Detmolder Alternative - Opposition von unten, Plenum der Detmolder Antifa-Gruppen (Stand: 13. Februar 2008)
Vortrag und Buchvorstellung:
Am Mittwoch, den 27. Februar stellt die Journalistin Andrea Röpke um 19.00 Uhr ihr neues Buch "Ferien im Führerbunker / Die neonazistische Kindererziehung der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)" vor:
Veranstaltungsort:
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Hintergrund: Gerd Ulrich und die "Einheit Hermannsland"
Die "Leitstelle West" sowie die "Einheit Hermannsland" haben ein gemeinsames Postfach in Detmold. Vor Jahren lag die Postanschrift dieser Leistelle noch in 32110 Hiddenhausen. Die HDJ findet in den Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen bisher keine Erwähnung, weil nach aktueller Bewertung der Landesregierung keine "hinreichend gewichtigen" Anhaltspunkte "für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung vorliegen". In einer Beantwortung einer Kleinen Landtagsanfrage vom 23. August 2006 heißt es dennoch, dass die HDJ eine "völkisch-nationalistische Ideologie" vertrete und zur Weltanschauung ein "Bekenntnis zum Neuheidentum" gehöre. Außerdem wolle die HDJ Kinder und Jugendliche für ihre Ideologie gewinnen. Insgesamt liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor, "die auf eine Intensivierung der Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen hindeuten".
Antifaschistische Recherchen ergeben jedoch ein anderes Bild: demnach scheint die "Einheit Hermannsland" ihre Aktivitäten sehr wohl stabilisiert, wenn nicht intensiviert zu haben. Am 17. Juli 2005 fand bei Gerd Ulrich ein größeres HDJ-"Familientreffen" mit ca. 40 Personen statt. Viele der Teilnehmer erschienen in der üblichen HDJ-Kluft. Später am Abend wurden Lieder gesungen. Vom 9. bis zum 11. September 2005 "absolvierte" die Einheit ein Lager zum Thema "Überleben im Gelände".
Nicht nur das Bundeswinterlager 2005 / 2006 wurde im Bergischen Land abgehalten, sondern auch das große Bundessommerlager 2006 fand in der Nähe von Detmold statt. Eine Vielzahl kleinerer Aktivitäten belegt den regen Betrieb in der HDJ-Gruppe um Anna-Maria und Gerd Ulrich aus Detmold-Berlebeck. Zur "HDJ Hermannsland" zählt auch Martin Götze, der aus Hannover stammt und heute im baden-württembergischen Eberbach wohnt, sowie ein NPD-Anhänger aus Frommhausen bei Horn-Bad Meinberg. Aus Paderborn nimmt das NPD-Mitglied Tobias Heinekamp (2005 Bundestagskandidat) und aus Ostwestfalen-Lippe Marcel Neubauer an zahlreichen Treffen der HDJ teil. Weitere Anhänger der HDJ-Sektion stammen aus dem Kreis Höxter, unter ihnen ist NPD-Aktivist Eugen Krüger. Auch der Alt-Nazi Franz Hölzel fand sich unter anderem im Oktober 2005 bei Gerd Ulrich ein. Hölzel ist Mitglied der "Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e.V." und organisierte bis zum Verbot der Trägervereine 1998 zahlreiche Veranstaltungen im damaligen Neonazi-Zentrum in Hetendorf. Franz Hölzel ist engagiert in der größten deutschen extrem rechten Kulturorganisation "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP), bei denen im Raum Bückeburg/Minden unter anderem Horst Mahler und Peter Neumann referierten.
Im März 2005 wurde die Gründung der "Einheit Hermannsland" in der HDJ-Zeitung "Funkenflug" bekanntgegeben. Sie umfasst die Gebiete Westfalen und Westniedersachsen. Kurze Zeit später wanderten bereits acht Kameraden der Einheit zum Hermannsdenkmal, der Burgruine Falkenburg und den Externsteinen. Im Sommer 2005 radelten Anhänger der Einheit durch die Lüneburger Heide. Am 23. Juli nahm die HDJ-Sektion an einem Sportfest "befreundeter nationaler Gruppen" teil. Zum Sommerbeginn gab es bereits eine Kanufahrt, "Boote auf der Lippe" hieß der darauf folgende Bericht im "Funkenflug". Im Februar 2006 trafen sich Anhänger der "Einheit Hermannsland" bei Gerd Ulrich und marschierten von dort aus in den nahegelegenen Wald. Dort wurde Marschieren, Aufstellen und Exerzieren geübt.
Im April 2006 nahm eine Abordnung der HDJ unter Beteiligung von Kameraden der Hermannsländer-Einheit am Maibaum-Fest der extrem rechten belgischen "Vlaams National Jeugverbaond" (VNJ) teil, unter anderem waren Christian von Velsen aus Osnabrück und Christian Fisher aus Vechta dabei. Im Sommer wurde eine gemeinsame Kanufahrt mit hessischen und saarländischen Kameraden auf dem Möhnestausee unternommen und Ende August ein Kletterwochenende auf dem Grundstück von Gerd Ulrich. Das Bundessommerlager für Anhänger bis 16 Jahren eine Woche lang Mitte August 2006 im Teutoburger Wald, in Frommhausen bei Horn-Bad Meinberg unter dem Motto "Auf den Spuren der Germanen" statt. An einem der weißen Alex-Zelte war ein Holzschild geheftet, "Führerbunker" stand darauf. Überall liefen Mädchen in langen blauen Röcken und weißen Blusen umher. Die Jungen standen am Rande des Zeltplatzes und schleppten Holzblöcke heran. An ihren Gürteln hingen Dolche. Einmal kurz waren sie zum Appell angetreten. Über der Wiese am Lammberg in Frommhausen, fast in Reichweite der Externsteine flatterte die Fahne mit der roten Flamme, dem Emblem der HDJ, im Wind. Kleine schwarz-weiß-rote Wimpel rundeten das völkische Bild ab. Mit einem selbstgebauten Fort aus Holzstämmen signalisierten die etwa 100 anwesende Kinder, Jugendliche und Erwachsene zugleich Kampf- als auch Abwehrbereitschaft, über dem Eingang hing ein Schild mit dem Spruch: "Der Heimat und dem Volke treu".
Eine Woche langt zelteten Anhänger der HDJ, unter Führung der Sektion "Hermannsland" unbehelligt im Weserbergland. Teilnehmer waren aus Bayern, Berlin, Quedlinburg, Werningerode, Höxter, Vechta und Mecklenburg-Vorpommern angereist. Ähnlich wie die "Wiking-Jugend" scheut die HDJ die Öffentlichkeit. Mehrere Journalisten, die das Zeltlager filmten, wurden von Gerd Ulrich verfolgt. Er versuchte ihr Fahrzeug von der Straße zu drängen. Skandalöser Weise wurde Ulrich am 16. August 2007 vom Amtsgericht Detmold lediglich zu einer Geldstrafe wegen eines Straßenverkehrsdelikts verurteilt.
Weitere geplante "Körperertüchtigungen" der HDJ am Lammberg hat der Besitzer der Wiese jetzt untersagt. Der Landwirt hatte zunächst, wie übrigens auch die Polizei in Detmold, an ein "ganz normales Pfadfinderlager" geglaubt.
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Blick nach Rechts, 25.05.2007:
Braune Kinderfänger
Die rechtsextreme "Heimattreue Deutsche Jugend" veranstaltet völkische Freizeitlager für Kinder und Jugendliche und übt mit ihnen militärischen Drill. In der Organisation sind auch zahlreiche NPD-Funktionäre aktiv.
Pfingsten steht vor der Tür. Freie Schulzeit, die Aktivisten der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) nutzen wollen, um vom 25. bis zum 28. Mai Kindern und Jugendlichen in einem bundesweiten Pfingst-Zeltlager "ein Leben mit Tradition und Werten" für ein "unabhängiges Deutschland" anhand von "körperlicher und geistiger Lebensführung" beizubringen.
Viele Hunderte von Schulkindern und jungen Erwachsenen schlüpfen seit Jahren Wochenende für Wochenende in ihre dunkelblaue HDJ-Kluft, tauschen Kinderzimmer mit weißen Jurten und tauchen in eine konspirative völkisch-nationalistische Parallelwelt ab. Allein in diesem Jahr plant die rechtsextreme Jugendorganisation bundesweit über 25 Zeltlager, Seminare, Märsche und einschlägige Feiern. Die Ziele der HDJ formulierte der erste Bundesführer Alexander Scholz so: "Wir verpflichten uns Deutschland, indem wir geistige und körperliche Wehrhaftigkeit ausbilden." Dafür erziehen HDJ-Funktionäre wie der jetzige Bundesführer Sebastian Räbiger aus Reichenwalde Jugendliche mit Themen wie Menschenführung, Rhetorik oder Lagersicherheit. Streng getrennt nach Geschlechtern werden die jungen Leute in völkischer Kleidung geschult und trainiert. Frühsport, 150-Kilometer-Märsche mit Gepäck und eine so genannte "Mutprobe" gehören zum Programm der einschlägigen Lager.
Die Heimattreue Deutsche Jugend – Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. existiert unter diesem Namen als eingetragener Verein beim Amtsgericht in Kiel seit sieben Jahren. Ihre Wurzeln sieht sie offiziell im Bund Heimattreuer Jugend beziehungsweise in der weit weniger bekannten Organisation Die Heimattreue Jugend. Aus taktischen Gründen versucht die HDJ insbesondere, bestehende Kontinuitäten zur 1994 verbotenen Wiking-Jugend zu verschweigen, denn im Erlass des Bundesinnenministeriums hieß es damals ausdrücklich: "Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Wiking-Jugend zu bilden."
"Ersatzorganisation für die Wiking-Jugend"
Doch genau darum scheint es sich bei der Heimattreuen Deutschen Jugend zu handeln: um einen Ersatz der Wiking-Jugend (WJ). Experte Günther Frankenberg von der Goethe-Universität in Frankfurt bestätigte gegenüber dem ARD-Magazin "Panorama", die HDJ sei aus seiner Sicht "eine Ersatzorganisation für die Wiking-Jugend". Dem anerkannten Juristen ist unverständlich, warum das Bundesinnenministerium "in diesem Fall nicht handelt". Die Aussteigerin Tanja P. schickte zwei ihrer Kinder in HDJ-Lager und urteilt heute im Fernseh-Interview: "Die Kinder werden dort vorbereitet auf den zu erwartenden Straßenkampf, auf Demonstrationen. Und in diesem Sinne, im Sinne des Dritten Reiches, werden sie mit dieser Ideologie herangezogen."
Tatsächlich beobachten nur drei der insgesamt 16 Landesämter für Verfassungsschutz die Aktivitäten der rechten Kinderfänger. Im Fall des aktuell vorgestellten Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern kann aber kaum von einer ernsthaften Warnung gesprochen werden, denn im Text wird nur von "sportlichen Aktivitäten und Spielen" und davon, dass "mit Fanfaren und Trommeln musiziert" wird, gesprochen. Immerhin ist den Schlapphüten in Schwerin aufgefallen, dass "zahlreiche Funktionäre und Aktivisten aus der NPD" in der HDJ "mitwirken" und Einfluss nehmen. Tatsächlich sind auffällig viele aus der Führungsriege der NPD in Mecklenburg-Vorpommern in der HDJ-"Einheit Mecklenburg und Pommern" gezählt.
Auch die Landesämter für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen und Thüringen sehen anscheinend keine Notwendigkeit, nach der HDJ zu sehen. So heißt es in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Landtag in Düsseldorf im Herbst 2006 lapidar, es lägen "keine Erkenntnisse vor", die die Annahme begründen würden, bei der HDJ handele es sich um eine Ersatzorganisation der verbotenen Wiking Jugend. Gleichwohl sieht die Behörde auf Anfrage "Überschneidungen hinsichtlich der ideologischen Zielsetzung ("völkisch-nationalistisch") und der Zielgruppe ("Kinder und Jugendliche"). Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beabsichtigt deshalb auch nicht, "derzeit" in Richtung eines Vereinsverbotes "initiativ" zu werden. Dabei gehört gerade die HDJ-Einheit "Hermannsland" um den ehemaligen WJ-Gauführer Gerd Ulrich in Detmold zu den aktivsten Gruppen innerhalb der rechtsextremen Organisation. Zudem wurden in letzter Zeit Zeltlager im Bergischen Land und im Sauerland durchgeführt und die Einheit versucht verstärkt, Kinder aus dem nicht-politischen Spektrum anzuwerben.
In Thüringen registrieren die Behörden keine besonderen Vorkommnisse, obwohl dort bereits 2003 einer der 150-Kilometer-Märsche über den Rennsteig absolviert worden war, ein großes Pfingstlager mit 200 Teilnehmern in Sonneberg stattfand und kürzlich die Gründungsfeier der "Deutsch-Russischen Friedensbewegung-Europäischen Geistes e.V." in Pfersdorf bei Hildburghausen von der HDJ Thüringen mitorganisiert wurde. Auffällig viele ehemalige WJ-Unterstützer trafen sich dort, unter anderem Frank Rennicke, Jürgen Rieger, Thorsten Heise und Gerd Ulrich. In den HDJ-Einheiten Schwaben, Hessen und Franken sind routinierte Neonazis aktiv. So saß zum Beispiel Christine Ringmayer aus Alzenau für die NPD im Frankfurter Römer oder Petra Müller aus Calw, langjährige Anhängerin der "Artgemeinschaft", gehörte zu den Mitbegründerinnen des "Ring Nationaler Frauen" (RNF). Obwohl es auch immer wieder Straftaten aus den Reihen der HDJ gibt, ist wenig über deren bundesweites Netzwerk bekannt.
"Freizeitangebot für die ganze Familie"
Einzig die Verfassungsschützer in Berlin und Brandenburg warnen seit Jahren vor den Aktivitäten der HDJ, dort heißt es unter anderem: "Ähnlich wie bei der seit 1994 verbotenen Wiking-Jugend zielt das Lebensbund-Konzept der HDJ darauf ab, ein rechtsextremistisches lebensweltliches Freizeitangebot für die ganze Familie zu bieten." Der "Gedanke der Familiengemeinschaft" wird an einigen Familien innerhalb der HDJ besonders deutlich, denn diese agieren bereits seit Generationen innerhalb der völkisch-nationalistischen Jugendarbeit, dabei handelt es sich beispielsweise um die Familien Nahrath und Börm. "Manche Ehepaare sind schon als Kinder gemeinsam auf Fahrt und Zeltlager gefahren. Eltern, die früher selbst einmal bei uns gewesen sind, schicken heute ihre Kinder auf unsere Lager", schwadroniert die HDJ auf ihrer Internet-Homepage. Welche "frühere" Organisation gemeint ist, darüber schweigt die HDJ sich wohlweislich öffentlich aus.
Viele der Funktionäre, die heute innerhalb der HDJ Kinder und Jugendliche schulen, waren schon in der Wiking-Jugend aktiv. Sebastian Räbiger, der heutige Bundesführer war bereits 1994 Gauführer Sachsen der WJ. Zur Zeit läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft Potsdam. In der Vereinszeitung "Funkenflug" appelliert Räbiger an die Kinder: "Wenn für Dich Dein Volk alles ist und Du bereit bist, für das, was du liebst, aufzustehen, alles zu wagen und zu kämpfen, dann ist Dein Platz bei uns! ( … ) Denn wenn Du nicht kämpfst, siegt der Schutt, der Neid und der Untergang. Damit die Schlechten nicht siegen, kämpfe mit uns an unserer Seite!"
1952 wurde die Wiking-Jugend von der Familie Nahrath, damals in Wilhelmshaven, später in Stolberg bei Aachen, angeführt. Bis zum Verbot blieb das Zepter in der Sippe. Dirk Nahrath aus Miltenberg, früher "Gauführer Franken" der WJ, gehört heute zu den führenden Aktivisten der HDJ-"Einheit Franken". Wolfram Nahrath, der letzte Bundesführer der WJ, hält sich bei der HDJ eher im Hintergrund. Dennoch scheint er wichtige Fäden zu ziehen, so gehört er zu den Organisatoren des alljährlichen "Märkischen Kulturtages" der HDJ und anderer Gruppen. Auch Nahraths Schwager Manfred Börm aus Handorf, Mitglied im Bundesvorstand der NPD und Leiter des Ordnerdienstes war bereits als "Gauführer Nordmark" bei der WJ, heute ist die ganze Familie des vorbestraften Politakteurs in der "Einheit Niedersachsen" aktiv. Sohn und Tochter organisierten kürzlich einen Besuch des Salzmuseums in Lüneburg in Kluft mit HDJ-Fahne. Auch die HDJ- und NPD-Aktivisten Stefan Köster, Andreas Theissen und Eric Kaden aus Dresden waren Anhänger der WJ. Neben ihnen marschierte auch der heutige NPD-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, der heute gern Werbung für die HDJ macht.
"Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer"
Nicht nur personell, sondern auch Inhaltlich drängen sich zahlreiche Parallelen zwischen Wiking-Jugend und HDJ auf. So ist die HDJ nicht weniger kämpferisch, im "Funkenflug" heißt es 2005 unter anderem: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. ( … ) Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer." In der Vereinszeitung wird dafür die Taktik preisgegeben: "Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muss sie in die Mitte des Volkes hinein … “ "Mein Glaube ist der Kampf" gilt als eine der Parolen der HDJ. Ebenso wie die WJ idealisiert die HDJ die Hitler-Jugend, verehrt NS-Größen. So sei der große Traum von der "Volksgemeinschaft" 1945 zerplatzt und aus "dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter", heißt es im "Funkenflug". Zwei Jahre lang versuchte die HDJ, die verbotene Odalrune als Vereinszeichen juristisch einzufordern, ohne Erfolg. Die Rune war nicht nur Symbol der WJ, sondern auch der Hitler-Jugend. Manfred Börm hat sie sich aus Trotz gleich ins Haus eingemauert. Obwohl von der Straße gut sichtbar, wurde der Bauunternehmer bisher nicht belangt. Der fränkische HDJ-Aktivist Sven Ringmayer dagegen wurde für das Zeigen seiner verehrten Symbole 2006 zu einer Geldstrafe von 2.700 Euro verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es unter anderem: "Ein Bild von Adolf Hitler in Ihrer Küche bringt Ihre Gesinnung ganz gut zum Ausdruck."
Ähnlich wie die WJ verwendet die HDJ Abzeichen wie den Adler mit ausgebreiteter Schwinge; Rangabzeichen wie Pfeifenschnüre in verschiedenen Farben oder Ansprachen wie "Heil Dir!". Vorbilder werden zumeist aus der NS-Zeit zitiert, so die BDM-Führerin und überzeugte Nationalsozialistin Jutta Rüdiger, der ehemalige SS-Sturmbannführer Erich Kern, Hitlers Lieblingspilotin Hanna Reitsch oder der SS-Dichter Kurt Eggers. Die HDJ pflegt auch bei allem scheinbaren Pfadfinder-Habitus einen militärischen Charakter. So wird von der Ostsee bis nach Franken allerorts Marschieren, Exerzieren und Strammstehen mit Kindern und Jugendlichen geübt. Bei Fackelschein schwören sie Treue, ehren deutsche Wehrmachtssoldaten und auch Angehörige der verbrecherischen Waffen-SS.
"Paramilitärisches Sommercamp"
Ein besonders militanter Ableger der HDJ zeigte sich bei Angehörigen im Nordwesten Niedersachsens. Als 200 Beamte Ende April über 20 Wohnungen von NPD-Aktivisten durchsuchten, fanden sie ein reichhaltiges Waffenarsenal, darunter nicht funktionsfähiges Kriegsgerät. Ausschlaggebend für die Razzia waren Fotos, die bereits im Herbst 2006 bei Angehörigen der "Freien Nationalisten Vechta" um den Neonazi Christian Fischer, sichergestellt worden waren. Die Fotos dokumentierten ein "paramilitärisches Sommercamp" der Neonazis in Wilsum an der holländischen Grenze, dort waren auch Scheinhinrichtungen nachgestellt worden. Unter dem Motto "Leben ist Kampf" hatten neben anderen die beiden HDJ-Aktivisten Christian Fischer und Christian von Velsen an diesem Lager teilgenommen, dessen Ziel es sei: "jungen Nationalisten neue Kraft" zu geben, "um sich dem maroden System der BRD weiterhin entgegen zu stellen". Auf dem Stundenplan standen Frühsport, völkische Lieder, Schulungen, Überleben in der freien Natur, ein Nachtmarsch, eine Morgenfeier bei der die Fahne "feierlich gehisst" wird sowie Spiele für den "Kampfgeist". Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen die 25 Teilnehmer des rechten Camps wegen Bildung bewaffneter Gruppen.
Rund zwei Wochen nach diesem Wehrsportlager halfen die HDJ-ler von Velsen und Fischer dann wieder, rund 80 Kinder und Jugendliche beim Sommerlager in Fromhausen bei Detmold völkisch auf Trab zu bringen. Die Szenekennerin Tanja P. weist auf die Gefahr hin, dass diese Kinder durch Druck und Drill der HDJ "irgendwann zwangsweise explodieren" müssten. Experte Frankenberg beklagt gegenüber der ARD, es könne doch nicht angehen, dass "wir überall in der Schule, im Kindergarten, aufpassen, wer unsere Kinder erzieht", aber, so Frankenberg, dann treten "im Freizeitbereich Leute auf, die Straftaten begangen haben, sich immer noch dazu bekennen" - und Fazit: die schulen dann jahrelang ungehindert Hunderte von Kindern.
Andrea Röpke
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14.12.2006: Aufruf zur Kundgebung in Detmold:
Samstag, 16. Dezember 2006 um 10.30 Uhr auf dem Bruchberg / Ecke Ameide
Antifaschistische Gruppen aus Lippe fordern: Keine "Weihnachtsfeier" der "Heimattreuen Deutschen Jugend"
Die neonazistische "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) ist weiterhin im Kreis Lippe aktiv. In einem Einladungsschreiben zu einer "Weihnachtsfeier" der HDJ heißt es: "Ort: Raum Lippe". Anmeldungen sollen dabei an ein Detmolder Postfach geschickt oder telefonisch bei dem bundesweit aktiven NPD-Kader Gerd Ulrich in Berlebeck vorgenommen werden. Datum ("16. Dezember"), Kosten ("aufgrund der Saalmiete") nennt die HDJ - näheres zum Ort jedoch erst "nach der Anmeldung".
HJ - WJ - HDJ - Die "Heimattreue Jugend" in NRW
"Lagermannschaft aufstehen, fertig machen zum Frühsport", tönt eine Stimme "nach einem Fanfarenruf", heißt es in einem Bericht über ein Sommerlager. Gemeint ist jedoch kein Hitlerjugend-Lager 1933, sondern ein Sommerlager der HDJ im Jahre 2006. Vom 5. bis zum 13. August lagert die HDJ in Fromhausen bei Detmold, unweit der Externsteine. Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein Pfadfindercamp. Ungefähr 120 Personen - die Hälfte davon Kinder. Doch die sehr strenge Kleiderordnung irritiert: Mädchen und Frauen tragen lange Röcke, die Jungen kurze Hosen, oftmals auch bündische Jugendschaftsjacken. Alles wirkt überkommen und teilweise militärisch. Der zweite Blick sorgt für Klarheit: überall schwarz-weiß-rote Wimpel und an den Zelten Schilder mit Aufschriften wie "Führerbunker" oder "Germania".
Was die Optik schon erahnen lässt, ist bei der HDJ Programm: Man will das Rad der Geschichte zurückdrehen, am liebsten bis zur Zeit des Nationalsozialismus. Damit steht die HDJ in der Tradition der 1994 verbotenen "Wiking Jugend" (WJ), die ebenfalls nach dem Vorbild der Hitlerjugend (HJ) den Nachwuchs der extremen Rechten erzog und schulte.
"Sturmjugend"
"Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer", fasst "Sebastian" in einem programmatischen Artikel unter dem Titel "Sturmjugend" die Vorstellungen der HDJ zusammen. "Volk", "Vaterland", "Opferbereitschaft", "Treue", "Gehorsam" und "Gefolgschaft" sind die aus dem Nationalsozialismus bekannten Schlagworte. Der Nationalsozialismus ist ideologischer Bezugspunkt. Jener habe einen "neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen" erziehen wollen, behauptet die HDJ. Doch dieser große Traum "ging 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter". Man ist sich trotzdem sicher, dass "die neuen Methoden der Jugenderziehung ( ... ) grundlegend richtig waren". Die HDJ versucht, wie die 1994 verbotene "Wiking Jugend" zuvor, die Tradition der nazistischen Jugendorganisationen und der HJ wieder aufzunehmen. Um einem möglichen Verbot vorzubeugen, bezieht sich die HDJ bewusst nicht auf die WJ. Dabei gibt es eine Menge Gemeinsamkeiten: Wie die "Wiking Jugend" richtet sich die HDJ vor allem an Eltern aus der extremen Rechten, die ihre Kinder nach nationalsozialistischen Prinzipien erzogen sehen wollen. Und auch im Bereich Strukturen und Personen befinden sich Kontinuitäten zur WJ.
Leitstellen, Einheiten und Familienkreise
Eigenangaben zufolge haben Mitglieder des "Bundes Heimattreuer Jugend" (BHJ) und der WJ die HDJ 1990 in Berlin gegründet. Als Symbol führt sie heute ein stilisiertes, rotes Lagerfeuer vor schwarz-weißem Hintergrund, so dass die alten "Reichsfarben" schwarz, weiß und rot enthalten sind. An der Spitze der HDJ steht der "Bundesführer" Sebastian Räbiger, der auch schon Mitglied in der WJ war. Die "Bundesführung" ist das oberste Gremium. Ihr unterstehen die "Leitstellen" Ost, West, Nord, Süd und Mitte. Regional ist die HDJ in "Einheiten" gegliedert, die entweder Bundesländer abdecken, wie die "Einheiten" in Hessen und Schleswig-Holstein oder nach regionalen, politischen oder völkischen Bezügen benannt sind, wie "Franken", "Preußen" oder "Hermannsland". Daneben existieren "Freundes- und Familienkreise" (FKK), in denen die Eltern und das politische Umfeld organisiert sind und die die Arbeit der "Einheiten" unterstützen. Die FKK werden zumeist dann eingebunden, wenn altersübergreifende Aktivitäten angeboten werden. Dazu kommen überregional organisierte Abteilungen wie der "Technische Dienst" oder die "Abteilung Beschaffung und Kultur und Bildung". Zusätzlich gibt es einen Fanfarenzug.
HDJ in NRW
"Die HDJ ist eine bekannte rechtsextreme Organisation, die in der gesamten Bundesrepublik agiert, aber in Ostwestfalen-Lippe bislang nicht in Erscheinung getreten ist", zitiert die Bielefelder "Neue Westfälische" Dirk Butenuth, Chef des örtlichen Polizeilichen Staatsschutzes. Mit dieser Einschätzung liegt er weit daneben. Schon seit längerer Zeit entwickeln sich Strukturen der HDJ auch in NRW und das vor allem in Ostwestfalen. Das Postfach der Leitstelle West ist in Detmold und auch die "Einheit Hermannsland" ist dort angesiedelt. Nach dem Pfingstlager 2004 nahe dem thüringischen Sonneberg gründete sich zudem der "Freundes- und Familienkreis Westfalen", der über ein Postfach in Hiddenhausen zu erreichen ist. Im März 2005 wurde dann die "Einheit Hermannsland" gegründet. Eine ihrer ersten Aktivitäten war die Wanderung zum Hermannsdenkmal und den Externsteinen am 14. März 2005. Anfang Juni 2005 führte sie eine Kanufahrt auf der Lippe durch. Das HDJ-Bundeswinterlager 2006 fand in der Jugendherberge in Bergneustadt, im Bergischen Land, statt. Die "Hermannsländer" sind auch überregional aktiv. So war es diese Einheit, die zum traditionellen "Meiboomplanting" (Aufstellen des Maibaums) des "Vlaams Nationaal Jeugdverbond" ("Flämischer Nationaler Jugendverband") am 1. Mai 2006 ins belgische Antwerpen fuhr. Ende Mai marschierten die Kameraden der HDJ bei einem Leistungsmarsch vier Tage lang und 150 Kilometer weit durch die Lüneburger Heide. Der Marsch wurde ebenfalls von der "Einheit Hermannsland" organisiert. Anfang Juli führte die Einheit ein Wochenendlager nahe Arnsberg durch. Zum Programm gehörten neben Stadtbesichtigung und Wandern auch Kanufahrten auf der Möhnetalsperre. An der Fahrt beteiligten sich circa 25 Kinder und Heranwachsende im Alter zwischen 12 und 22 Jahren. Das wohl größte von der "Einheit" mitorganisierte Lager war das schon erwähnte Bundessommerlager in Fromhausen. Ihre bis dato letzte Aktivität war ein Kletterwochenende vom 26. bis zum 27. August 2006, das in Detmold stattfand und für das Gerd Ulrich sein Haus zur Verfügung stellte. Er war einer der Aktivisten des Bundessommerlagers und fungiert regelmäßig als Ordner bei Aktionen der NPD, so zum Beispiel beim "Deutsche-Stimme-Pressefest" im August 2006. Der bundesweit agierende Neonazikader Ralph Tegethoff aus dem Rhein-Sieg-Kreis, ehemaliger WJ-Funktionsträger, steht der HDJ zumindest nahe. So hielt er 2005 beim "5. Märkischen Kulturtag", der federführend von der HDJ organisiert wurde und nahe Berlin stattfand, das Hauptreferat zum Thema "Politisches Soldatentum".
Die HDJ arbeitet konspirativ. Über die Mitglieder und Aktivisten ist nur sehr wenig bekannt und Informationen dringen nur vereinzelt an die Öffentlichkeit. Nur durch das Sommerlager wurden einige Personen bekannt. Den Lagerplatz beispielweise organisierte Martin Götze aus Detmold.
Fazit
Auf eine "Kleine Anfrage" im Landtag, die nach dem Bekannt werden des HDJ-Lager in Ostwestfalen im August 2006 gestellt wurde, ließ die Landesregierung verlautbaren, es lägen "keine Erkenntnisse vor, die auf eine Intensivierung der Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen hindeuten". Die zunehmenden Aktivitäten belegen das Gegenteil. Auch dass "der Landesregierung ( ... ) bisher keine Erkenntnisse vorliegen, die die Annahme begründen, bei der HDJ handle es sich um eine Ersatzorganisation der verbotenen `Wiking Jugend`", ist verwunderlich. Zwar gibt die Landesregierung zu, dass "es Überschneidungen hinsichtlich der ideologischen Zielsetzung (völkisch-nationalistisch) und der Zielgruppe (Kinder und Jugendliche)" gibt, die personellen und strukturellen Kontinuitäten werden jedoch ausgeblendet. Auch die Größe der Organisation lässt sich durchaus mit der der Wiking Jugend vergleichen: Am HDJ-Pfingstlager 2006 nahmen rund 300 Personen teil. Außerdem zeigen Übergriffe auf recherchierende Journalisten, zuletzt am 4. Oktober am Rande des "6. Märkischen Kulturtages", dass es sich bei der HDJ um eine hochgradig militante Organisation handelt.
Mit der HDJ hat die extreme Rechte wieder eine Organisation, in der sie ihren Nachwuchs ideologisch schulen und im Sinne des Nationalsozialismus erziehen kann. Noch heute ist festzustellen, dass die Wiking Jugend es geschafft hat, viele Funktionäre und Kader für die extremen Rechten hervorzubringen. Gerade das belegt die Bedeutung einer Jugendorganisation wie der HDJ für die organisierte extreme Rechte.
Wir rufen zum Protest gegen die braune "Weihnachtsfeier" am 16. Dezember in Lippe auf. Wir appellieren an alle Gastwirte in der Region, der HDJ keine Räume zur Verfügung zu stellen.
Gerade die HDJ-Bemühungen, eine größere Anzahl von Kindern und Jugendlichen zu erreichen, sollte für Antifaschistinnen und Antifaschisten ein wichtiger Anlass sein ihren Widerstand zu artikulieren.
Kein Fußbreit der HDJ!
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Neue Westfälische, 21.08.2006:
Rechtes Jugendcamp sorgt für Wirbel
Organisation HDJ hatte Zeltlager in Lippe
Horn-Bad Meinberg (rv). Viele Fragen hinterlässt der Auftritt der ultrarechten so genannten "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) im lippischen Fromhausen, einem Ortsteil von Horn-Bad Meinberg. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten rund 100 Teilnehmer, darunter viele Kinder und Jugendliche, auf dem idyllisch gelegenen Lammberg eine Woche lang ein Zeltlager aufgeschlagen, das mittlerweile wieder geräumt ist.
Die freie Journalistin Andrea Röpke dokumentierte die HDJ-Aktivitäten in Lippe; sie hatte schon vielfach Veröffentlichungen zum Thema Nationalsozialismus, etwa im Spiegel, Focus oder Stern. Bei Recherchen in Mecklenburg-Vorpommern erhielt Röpke Hinweise auf das Zeltlager im Kreis Lippe und sah sich vor Ort um.
Ein Fotograf des auf Rechtsextremismus spezialisierten Journalisten-Teams "Recherche Nord" hielt das Zeltlager auf Bildern fest. Schilder mit Aufschriften wie "Der Heimat und dem Volke treu" oder auch "Führerbunker" sind zu erkennen. "Die HDJ ist eine bekannte rechtsextreme Organisation, die in der gesamten Bundesrepublik agiert, aber in Ostwestfalen-Lippe bislang nicht in Erscheinung getreten ist", sagt Dirk Butenuth, Chef des Staatsschutzes in Bielefeld. Andrea Röpke indes ist sicher, dass sich die HDJ in der Region ausbreiten will. Sie berichtet, dass die Organisation versucht habe, in der unmittelbaren Umgebung Jugendliche anzuwerben.
Röpke beschreibt gegenüber dieser Zeitung, wie sie das Zeltlager mit Kollegen aus einem Waldstück heraus beobachtet habe. Als die Menschenansammlung zu groß geworden sei, habe man sich entschlossen, das Gelände zu verlassen. Dabei sei das Journalistenteam von einem in der Region bekannten Rechten und zwei weiteren Personen verfolgt worden. "Eine regelrechte Verfolgungsjagd", so Röpke, deren Kollegen die Szene im Film festhielten. Die Polizei wurde eingeschaltet. Die vernommenen Personen bestritten die Vorwürfe, sagten aus, man sei den Journalisten lediglich nachgefahren. Eindeutige Anzeichen rechtsextremer Aktivitäten konnte der Staatsschutz vor Ort nicht finden; die Polizei schloss nicht aus, dass diese vorher beiseite geräumt worden seien.
Perplex vom Hintergrund des Camps zeigte sich der Eigentümer des Grundstücks. Er habe sie für eine Wandergruppe gehalten, sagte er gegenüber dieser Zeitung.
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Lippische Landes-Zeitung, 21.08.2006:
Kein Berg der Lämmer
In Fromhausen hatte die rechtsextreme HDJ ein Zeltlager für Kinder und Jugendliche aufgeschlagen
Horn-Bad Meinberg/Fromhausen. Im Örtchen Fromhausen hatte eine rechtsextreme Gruppierung eine Woche lang ein Zeltlager aufgeschlagen. Dabei kam es zu einer Konfrontation mit einem Journalisten-Team, das an einer Dokumentation zu den Aktivitäten der "Heimattreuen Deutschen Jugend - HDJ" arbeitet. Der Eigentümer kannte den politischen Hintergrund des Lagers offenbar nicht, in dem Kinder und Jugendliche an die Ideologien der HDJ herangeführt werden sollen.
Von Rafael Vries
Ruhig ist es jetzt auf dem Lammberg, der sich ziemlich genau in der Mitte zwischen der Bundesstraße 239 und der Externsteiner Straße erhebt. Bleiche Baumstämme liegen wie große Mikadostäbe am Rand der sattgrünen Wiese. Vielleicht haben sie vor kurzem vielen jungen Menschen als Sitzgelegenheit gedient. Wer weiß? Die Holzrinde erzählt keine Geschichten aus der allerjüngsten Vergangenheit. Nicht wie die Halme der Wiese.
Mit der geometrischen Präzision von Kornfeldkreisen sind sie niedergedrückt worden. Die runden Flecken sind die letzten Spuren eines parallel in zwei Reihen zum Südhang ausgerichteten Zeltlagers. Die Ziele dieses Lagers aber waren nicht so harmlos unpolitisch, wie es der verlassene Platz als trügerisches Idyll darstellt: ein Ort am Busen der Natur, bis vor gut einer Woche aber auch am rechtsextremen Rand der Gesellschaft.
Die Bilder eines Fotografen, der zu dem auf Rechtsextremismus spezialisierten Journalisten-Team "Recherche Nord" gehört, zeigen die Zelte in Reih und Glied und einen Eingang, über dem ein Schriftzug erklärt: "Der Heimat und dem Volke treu". Die Zelte, berichtet er, hätten Namensschilder getragen. Auf einem Bild ist ein Begriff zu erkennen: "Führerbunker".
Mädchen tragen lange, dunkelblaue Röcke oder trachtenartige Kostüme, Jungen helle Hemden und akkurate Frisuren. Die Kleidung wirkt farblos, nicht so bunt wie das übliche Jugend-Outfit im 21. Jahrhundert; stattdessen wie ein Mode-Zitat vergangener Tage.
Die Fotos aber sind am 12. August entstanden - auf dem Lammberg in Fromhausen. Dort war der Fotograf zusammen mit drei weiteren Journalisten an diesem Tag vor Ort.
Zu dem Quartett, das nach Fromhausen fuhr, um die Aktivitäten "aus dem Hintergrund" zu beobachten, zu fotografieren und zu filmen, gehörte auch Andrea Röpke, eine Fachfrau in Sachen Nationalsozialismus und Rechtsextremismus mit Veröffentlichungen im Spiegel, Focus und Stern.
Die freie Journalistin beobachtet seit geraumer Zeit die Aktivitäten der HDJ, die sich nach ihrer Aussage derzeit im ganzen Bundesgebiet ausbreitet, und sagt: "Für die Behörden stellt die HDJ oftmals noch ein Rätsel dar."
Bei Recherchen in Mecklenburg-Vorpommern hatte die Journalistin einen Hinweis auf das Zeltlager in Fromhausen erhalten. Mittlerweile hat Andrea Röpke auf der Internetseite "Blick nach Rechts", die im Verlag des Berliner Vorwärts erscheint, einen Artikel veröffentlicht, in dem sie das Szenario auf dem Lammberg beschreibt. Danach zelteten etwa 100 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet auf dem malerisch gelegenen Gelände, HDJ-Flaggen waren aufgezogen worden.
Die ausgewiesene Rechtsextremismus-Expertin spricht später von zahlreichen bekannten Gesichtern radikaler Gruppierungen - darunter auch Rechtsextremisten aus der lokalen Szene, die womöglich an der Organisation der Veranstaltung und der Wahl des Lagerortes beteiligt gewesen seien. Wie üblich, habe die HDJ auch in Fromhausen versucht, einheimische Jugendliche anzuwerben.
Staatsschutz-Chef Dirk Butenuth aus Bielefeld sagt über die Gruppierung: "Die HDJ ist eine bekannte rechtsextreme Organisation, die in der gesamten Bundesrepublik agiert, aber in Ostwestfalen-Lippe bislang nicht in Erscheinung getreten ist."
Im Visier der Verfassungsschützer
Auch Verfassungsschutzberichte verschiedener Bundesländer beschreiben die HDJ. So heißt es unter anderem in der Berliner Ausgabe von 2004, dass sie ein neonazistischer Jugendverband sei, entstanden im Jahre 1990 als Abspaltung des rechtsextremistischen "Bundes Heimattreuer Jugend". "Ähnlich wie bei der seit 1994 verbotenen "Wiking-Jugend" zielt das Lebensbund-Konzept der HDJ darauf ab, ein rechtsextremistisches lebensweltliches Freizeitangebot für die ganze Familie zu bieten", steht dort geschrieben. Kinder und Jugendliche sollten bereits in jungen Jahren durch vorgeblich unpolitische Aktivitäten - wie beispielsweise Zeltlager - für die rechtsextremistische Szene gewonnen werden.
Andrea Röpke schildert eine Eskalation: "Wir haben das Lager aus einem Waldstück heraus beobachtet. Als dort immer mehr Menschen zusammenkamen, erschien uns die Situation derart bedrohlich, dass wir die Polizei anriefen. Schließlich haben wir uns entschieden, den Ort zu verlassen." Ein bekannter Rechter aus der Region und zwei seiner Kameraden hätten jedoch die Verfolgung aufgenommen und dabei versucht, das Team von der Straße abzudrängen. "Eine regelrechte Verfolgungsjagd."
"Ich war selbst überrascht von der Aggressivität", erzählt Andrea Röpke, die Anzeige erstatten wird und für die Ermittlungen ein Beweismittel vorlegen kann: "Meine Kollegen haben alles gefilmt." Im Übrigen seien die alarmierten Polizeibeamten noch eingetroffen und hätten mit einem der Anführer gesprochen.
Das bestätigt auch Dirk Butenuth: "Die Beamten haben das Zeltlager aufgesucht, um den Beschuldigten zu vernehmen." Dieser habe die Vorwürfe allerdings bestritten und zu Protokoll gegeben, dass man den Journalisten lediglich nachgefahren sei. Der Staatsschutz-Chef berichtet aus dem Protokoll: "Die Beamten haben keine eindeutigen Anzeichen rechtsextremer Aktivitäten wahrgenommen." Dirk Butenuth räumt aber die Möglichkeit ein, dass eventuelle Hinweise vorher weggeräumt worden seien.
Eigentümer glaubte an Wandergruppe
Dass die Abteilung Staatsschutz, die üblicherweise für politisch motivierte Vorfälle zuständig ist, überhaupt in einer vordergründig als schweres Verkehrsvergehen erscheinenden Angelegenheit aktiv geworden ist, begründet Dirk Butenuth mit der Person des vernommenen Mannes: "Er ist ein uns bekannter Rechtsextremist, der seit Jahren bundesweit bei Veranstaltungen mit rechtsradikalem Hintergrund auf sich aufmerksam macht."
Mittlerweile zeugen nur noch einige beige-braune Kreise auf der Wiese von dem Zeltlager. Nach Ansicht von Andrea Röpke wird die Veranstaltung nicht die einzige ihrer Art in der Region bleiben: "Die HDJ scheint sich dort ausbreiten zu wollen. Die werden wiederkommen."
Nicht aber an dieselbe Stelle. Der Eigentümer beteuert in einem Gespräch: "Ich bin selbst Pfadfinder und froh, wenn ich irgendwo zelten darf." Deshalb habe er zugesagt, als man ihn vor etwa einem halben Jahr nach der Möglichkeit eines Zeltlagers auf seinem Grund gefragt habe. Er erzählt: "Sie wirkten wie eine naturverbundene Wandergruppe. Erst nach einigen Tagen fielen mir einige Merkwürdigkeiten auf."
Der Eigentümer recherchierte daraufhin im Internet und zog Konsequenzen: "Sie fragten mich nach einer Woche, ob sie wiederkommen könnten. Das lehnte ich in einem sachlichen Gespräch ab. Sie haben es akzeptiert."
So ist der Lammberg wieder nur ein beschauliches Fleckchen mit Blick auf Holzhausen-Externsteine. Die Spuren verblassen, wohl ohne Chance auf Erneuerung.
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Blick nach Rechts, 17.08.2006:
"Ideologische Erziehung"
Ex-Kader der verbotenen Wiking Jugend und NPD-Ordner beim Zeltlager der Heimattreuen Deutschen Jugend
Von Andrea Röpke
Existiert die 1994 verbotene Wiking Jugend seit Jahren weiter? Bei Betrachtung eines konspirativ organisierten und als "Pfadfinder"-Lager getarnten Kinder- und Jugendlagers der nationalistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) in Fromhausen bei Detmold Anfang August 2006 fallen einem Ähnlichkeiten beider Neonazi-Organisationen ins Auge. Etwa 100 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zelteten eine Woche lang an einem Berghang im Weserbergland, mit Blick auf das Gebiet der Externsteine. "Allemania", "Germania" oder auch "Führerbunker" stand an den weißen Zelten. Am Eingang prangte das Schild: "Der Heimat und dem Volke treu". Auf der Wiese wehten neben der HDJ-Fahne auch noch schwarz-weiß-rote Wimpel.
Die Teilnehmer, darunter über 50 Kinder und Jugendliche kamen unter anderem aus Quedlinburg, Berlin, Werningerode, Höxter, Vechta, Ostwestfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Frauen und Mädchen trugen lange Haare und blaue Röcke, die bis zum Boden reichten. Die Jungen waren in Knickerbocker gekleidet. In ähnlichem Outfit waren Wiking Jugend-Anhänger bis zum Verbot der Gruppe durch die Lüneburger Heide marschiert. Zu den Anführern des HDJ-Zeltlagers zählten denn auch alte WJ-Kader wie Gerd Ulrich aus Detmold, der gemeinsam mit seinem Vater den ehemaligen "Gau-Westfalen" geleitet haben soll. Ulrich stand unter anderem wegen Propaganda für eine verbotene Organisation und Sprengstoffbesitzes vor Gericht. Er gehört zum NPD-Ordnerdienst von Manfred Börm aus Lüneburg. Börm selbst galt als Leiter der Wiking-Sektion "Nordmark". Auch andere Ordner aus den Reihen der NPD nahmen am HDJ-Lager teil. Von den "Freien Nationalisten Vechta" war Christian Fischer dabei, der als ausgewiesener "Militär-Freak" gilt.
Nach Aussagen einer Aussteigerin gehört es "zum guten Ton" innerhalb der rechtsextremen Szene, Kinder zur "ideologischen Erziehung und körperlichen Ertüchtigung" in HDJ-Zeltlager zu schicken. Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bayern ist die völkische Organisation Beobachtungsobjekt des Bundesamtes. Besondere Aktivitäten der HDJ sind zur Zeit in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen. In Demmin fand vor kurzem eine Tanzveranstaltung statt, an der auch der NPD-Kandidat Nr. 2 Tino Müller aus Ückermünde teilnahm. Im Bereich Ludwigslust soll der NPD-Direktkandidat und Angehörige des Ordnerdienstes Andreas Theißen Jugendlager durchführen, er gilt als früherer WJ-Anhänger. Auch in Quaal in Nordwestmecklenburg fand kürzlich ein HDJ-Zeltlager statt, die Anwohner informierten die Polizei.
Die völkische Truppe geht gezielt auf Jugendlichen-Fang, in Fromhausen wurde ebenfalls versucht, örtliche Jugendliche anzuwerben. Ähnlich wie die damalige Wiking Jugend, scheut die HDJ ansonsten die Öffentlichkeit. Mehrere Journalisten, die das Zeltlager filmten, wurden von Ulrich und Kameraden verfolgt. Die Rechtsextremisten versuchten, das Fahrzeug der Medienleute von der Straße zu drängen. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf.
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Lippische Rundschau, 25.01.2002:
Demonstration in Berlebeck
Sprengstoff an V-Mann übergeben
Detmold (sts). Etwa 30 Aktivisten vor allem aus dem linksautonomen Spektrum haben nach Polizeiangaben am Mittwochabend in Berlebeck gegen einen dort wohnenden Mann demonstriert. Zu Störungen sei es bei der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration am Hahnbruchweg nicht gekommen.
Die Demonstranten werfen Gregor S. (Name von der Redaktion geändert) vor, er sei ein bundesweit agierender Neonazi. Er soll, wie zu erfahren war, seit Jahren für die Organisation von Demonstrationen gegen die umstrittene Wehrmachtsausstellung mitverantwortlich und bis 1993 "Gauleiter" der mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend gewesen sein. Zudem habe er Kontakte zur ebenfalls verbotenen Nationalistischen Front gehabt.
Freude am Wehrsport
Auch für den Staatsschutz in Bielefeld ist der Detmolder schon lange kein Unbekannter mehr. Wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz war der damals 27-Jährige im November 1998 vom Schöffengericht Detmold zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Damals hatte Gregor S. sich vor Gericht als "treudeutsch" bezeichnet.
Der Sohn eines ehemaligen Wehrmachtsoffiziers bekundete zudem seine Liebe zu Uniformen und militärischen Ausrüstungsgegenständen sowie seine Freude an wehrsportlichen Übungen. Wegen seiner Zugehörigkeit zur Wiking-Jugend war der junge Mann, der nach dem Abitur als Zeitsoldat in der Bundeswehr diente, von dieser vorzeitig entlassen worden.
Verurteilt worden war der Detmolder vor knapp drei Jahren, weil er einem zeitweiligen NPD-Mitglied, ebenfalls Zeitsoldat, im August 1994 in Gütersloh einen 223 Gramm schweren TNT-Sprengkörper und einen elektrischen Sprengzünder zur Aufbewahrung übergeben hatte. Der vermeintliche Gesinnungsfreund war allerdings inzwischen Vertrauensmann des Militärischen Abschirmdienstes geworden – und hatte das Treffen dem MAD verraten.
Ein gegen S. zu einem früheren Zeitpunkt ergangenes Urteil wegen Verbreitung von Propagandamaterial verbotener Organisationen war zum Zeitpunkt des Urteils im November 1998 noch nicht rechtskräftig gewesen.
Anmerkung: Artikel über Gerd Ulrich.
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Lippische Rundschau, 04.11.1998:
27-Jähriger zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt
Detmolder übergibt Sprengstoff an V-Mann
Detmold (hf). Wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ist gestern der 27 Jahre alte Gregor S. (alle Namen von der Redaktion geändert) vom Schöffengericht Detmold zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Ihm wurde die Ableistung von 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit zur Auflage gemacht. Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink hatte ebenfalls auf eine einjährige Haftstrafe plädiert, die Möglichkeit der Bewährung jedoch "im Interesse der Verteidigung der demokratischen Rechtsordnung" verneint.
Gregor S. bezeichnete sich selbst als "treudeutsch". Der Detmolder, Sohn eines ehemaligen Offiziers der Wehrmacht, bestritt nicht seine Liebe zu Uniformen und militärischen Ausrüstungsgegenständen sowie seine Freude an wehrsportlichen Übungen. Die Tatsache, dass er von seiner deutschnationalen Gesinnung nicht abzurücken gedenkt, unterstrich er mit der Aussage, dass er sich auch nach dem Verbot der Wiking-Jugend, der er aktiv angehörte, noch immer mit seinen Gesinnungsfreunden trifft. Wegen der Zugehörigkeit zu dieser Organisation war der junge Mann, der nach dem Abitur als Zeitsoldat in der Bundeswehr diente, von dieser vorzeitig entlassen worden. Mit Sprengstoff will er nie etwas zu tun gehabt haben. Er bestritt die ihm zur Last gelegte Tat.
Christoph G. (30), der den Angeklagten bei Treffen der Wiking-Jugend kennengelernt hatte, hatte das Strafverfahren ausgelöst. Er, der selbst zeitweise der rechtsradikalen NPD angehörte und ebenfalls als Zeitsoldat dient, hat die Fronten gewechselt und arbeitet inzwischen als Vertrauens-Mann für den Militärischen Abschirmdienst. Den MAD informierte er über die über einen Code vereinbarten Treffen mit Gregor S. Dazu gehörte auch eine Begegnung am 22. August 1994 in einem Biergarten unweit der Autobahnraststätte Gütersloh. Dort übergab ihm der vormalige Gesinnungsfreund einen 223 Gramm schweren TNT-Sprengkörper und einen elektrischen Sprengzünder zur Aufbewahrung. Die Übergabe war im Vorfeld angekündigt worden. Christoph G. wusste jedoch nicht, dass sie am fraglichen Tag erfolgen würde. Er informierte dennoch den MAD über das Treffen, meldete diesem unverzüglich die erfolgte Übergabe und händigte wenig später den Sprengstoff an den Abschirmdienst aus.
Vom Gericht danach befragt, räumte Christoph G. ein, er sei für den MAD auch tätig geworden, um seine Dienststellung bei der Bundeswehr nicht zu gefährden. Er sei aber keinerlei Druck ausgesetzt gewesen. Zu keiner Zeit sei es zu Zerwürfnissen zwischen ihm und Gregor S. gekommen, die ihn zu einer Falschanzeige hätten veranlasst haben können.
Während der Verteidiger des Angeklagten die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen in Frage stellte, bestätigte dessen Vorgesetzter beim MAD die Zuverlässigkeit des Informanten. Er sei auch nicht bezahlt worden, sondern habe lediglich "eine großzügige Entschädigung für seine Auslagen und seinen in der Freizeit erbrachten Arbeitsaufwand" erhalten.
Auch Vorsitzende Richterin Freya de Vries hielt den Zeugen für "absolut glaubwürdig". Die Bewährung habe das Gericht Gregor S. zugestanden, weil er bisher strafrechtlich unbescholten sei. Ein gegen ihn früher ergangenes Urteil wegen Verbreitung von Propagandamaterial verbotener Organisation ist bislang nicht rechtskräftig.
Anmerkung: Artikel über Gerd Ulrich.
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Lippische Antifa-Gruppen, 21.06.1993:
Informationsabend / Die Brandstifter von Solingen, Mölln, Rostock, Hoyerswerda, Hünxe, Hattingen, Konstanz, Bad Oldesloh, Wülfrath ... wohnen nebenan!
Einer von ihnen ist Gerd Ulrich, Gauleiter der faschistischen "Wiking-Jugend" in Ostwestfalen-Lippe, wohnhaft in Heidenoldendorf.
Hierzu zeigen wir einen Film und geben nähere Informationen. Am Montag, den 5. Juli 1993 um 19.30 Uhr im Plantagen-Eck, Ecke Kiefernweg, Detmold-Heidenoldendorf.
Keine Ruhe für die Täter!
Faschistische Gruppen und Einzelpersonen, die Andersdenkende und Minderheiten angreifen - Schreibtischtäterinnen / Schreibtischtätern, die rassistische Strukturen schaffen und aufrechterhalten; viel zu oft können sie unbemerkt agieren. Fern ab von jeder Öffentlichkeit haben diese Menschen nichts zu befürchten. Auf der anderen Seite gibt es in diesem Land Tausende, die nicht nur weil sie nicht "deutsch" sind, weil sie Flüchtlinge sind oder irgendeiner diskriminierten Minderheit angehören, nicht mehr ruhig schlafen können. Diesen Zustand wollen wir beenden und einen Faschisten öffentlich machen: Gerd Ulrich aus Detmold-Heidenoldendorf ist Mitglied der "Wiking-Jugend" (WJ). Er arbeitet seit geraumer Zeit in dieser faschistischen Organisation, die sich selbst in der Tradition der Hitlerjugend sieht. Die WJ, die 1952 gegründet wurde, hat zur Zeit etwa 500 Mitglieder. In ihr werden neben Jugendlichen auch schon Kinder zur absoluten Unterwürfigkeit und zum Militarismus erzogen. Die WJ gilt als Nachwuchsorganisation für neofaschistische Parteien, wie die "Nationalistische Front" (NF). Mit einer Veranstaltung wollen wir dazu beitragen, einen der Täter aus der sicheren Anonymität herauszuholen. An diesem Abend werden wir unter anderem über die WJ berichten, aber auch Aktivitäten anderer neofaschistischer Organisationen werden dargestellt.
Gruppierungen, wie die "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP), "Deutsche Volksunion" (DVU), "Nationaldemokratische Partei Deutschlands" (NPD), aber auch die Nachfolgeorganisationen der NF (zum Beispiel das "Förderwerk der Mitteldeutschen Jugend"), dürfen ihre menschenverachtende Arbeit nicht ungestört weiter fortsetzen. Das Beispiel der NF zeigt, dass Verbote, vor allem wenn sie nicht konsequent durchdacht und durchgeführt werden, wirkungslos bleiben. Die Verbote dienen eher der Imagepflege der Bundesregierung dem Ausland gegenüber. Den rassistischen Terror haben sie auf jeden Fall nicht gestoppt. Es entsteht der Eindruck, dass diese Wirkungslosigkeit bewusst eingeplant ist. Gibt es eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Staat und Faschisten? Verfolgen beide nicht gelegentlich ähnliche Ziele, nur mit verschiedenen Mitteln? Sind sie sich nicht einig in dem Ziel "Asylanten raus"? Und würde sich dann nicht die Duldung und Unterstützung faschistischer Pogrome und Anschläge durch staatliche Repressionsorgane von selbst erklären? Die sogenannte "Ausländerfreundlichkeit" dieses Staates bezieht sich nur auf die billigen Arbeitskräfte, ohne den Menschen, die hier teilweise seit Jahrzehnten leben auch nur die geringsten Bürgerrechte zu geben.
Während die faschistischen Banden die Drecksarbeit auf der Straße erledigen und offen militant Menschenleben gefährden, tragen die Schreibtischtäterinnen / Schreibtischtäter mit immer neuen rassistischen Paragraphen und Gesetzesänderungen zur Arbeitsteilung bei. Die Schreibtischtäterinnen / Schreibtischtäter sind die Politikerinnen / Politiker von CSU bis SPD, die das "Asylanten-Problem" sauber regeln wollen. Aber wo liegt da noch ein Unterschied für die betroffenen Menschen? Das Ergebnis ist dasselbe; ob in Rostock erschlagen von Skinheads oder in einem x-beliebigen Land von staatlichen Folterern getötet!
Es wird Zeit, den Brandstifterinnen / Brandstiftern das Handwerk zu legen! Wehren wir uns gegen rassistischen Terror auf der Straße und in den Behörden; greifen wir ein!
Diese Veranstaltung wird organisiert von mehreren lippischen Antifa-Gruppen. Eingeladen sind alle, die sich informieren und den rassistischen Konsens in der Gesellschaft nicht mehr hinnehmen willen!
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Am 5. Juni 2020 wurde ein Neonazi aus Fromhausen, seit 2006 als "rechtsextremer HDJ-Aktivist bekannt" (Staatsschutz), vom Amtsgericht Detmold von dem Vorwurf der "versuchten Nötigung" u.a. freigesprochen.
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27./28.06.2020
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