10 Artikel ,
01.12.2019 :
Pressespiegel überregional
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Übersicht:
Salzburger Nachrichten Online, 01.12.2019:
Zehntausende bei Demos gegen rechtsradikale Lega
Der Standard Online, 01.12.2019:
Parteiausschluss / Straches Recht und seine Rache
Neue Westfälische am Abend, 01.12.2019:
Kommentar / AfD-Parteitag in Braunschweig / "Flügel"-Strippenzieher obenauf
Spiegel Online, 01.12.2019:
Gestärkter AfD-"Flügel" / Scharfmacher an vorderster Front
die tageszeitung Online, 01.12.2019:
Nachfolger Gaulands als AfD-Chef / Das harmlose Gesicht
Norddeutscher Rundfunk, 01.12.2019:
AfD-Parteitag: Gegenwind in Braunschweig
Deutschlandradio, 01.12.2019:
Braunschweig / AfD beendet Bundesparteitag
Der Tagesspiegel Online, 01.12.2019:
Nach Neonazi-Skandal bei KSK / Ministerium will Entlassung extremistischer Soldaten erleichtern
die tageszeitung Online, 01.12.2019:
Rechtsextremismus in der Bundeswehr / Unteroffizier unter Verdacht
Der Tagesspiegel Online, 01.12.2019:
Ermittlungen nach Foto-Aktion / Hinterließen Polizisten aus Cottbus Kürzel einer rechten Gruppe?
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Salzburger Nachrichten Online, 01.12.2019:
Zehntausende bei Demos gegen rechtsradikale Lega
01.12.2019 - 18.45 Uhr
Zehntausende Demonstranten haben am Sonntag in Mailand im strömenden Regen gegen die rechte Lega und ihren Chef Matteo Salvini demonstriert. Sie folgten einem Aufruf der spontan entstandenen Anti-Lega-Bewegung der "Sardinen". Bereits am Samstag waren tausende Protestierende in Florenz gegen die Lega auf die Straße gegangen.
Die Demonstration war ursprünglich auf dem zentralen Mercanti-Platz geplant. Angesichts des starken Menschenzustroms versammelten sich die Demonstranten auf dem Mailänder Domplatz. Bei der Protestkundgebung wurden Artikel der italienischen Verfassung verlesen. Die Demonstranten sangen das Partisanenlied "Bella Ciao", um gegen Salvinis Rechtspopulismus zu protestieren. Zu den Demonstranten zählte der Bestseller-Autor und Anti-Mafia-Experte Roberto Saviano, der seit jeher die Lega scharf kritisiert
Bereits am Samstagabend demonstrierten in Florenz zehntausende Menschen gegen Salvini. Studenten, junge Berufstätige und Familien mit Kindern beteiligten sich am Samstag an dem Demonstrationszug, zu dem die sogenannte Sardinen-Bewegung aufgerufen hatte. Sie demonstrierten gegen die Lega, die sich an den in der Toskana im Frühjahr geplanten Regionalwahlen beteiligen will. Die Toskana gilt als traditionell linke Region in Italien.
"Populisten, die Party ist zu Ende!", lautet der Slogan der Sardinen. Lokale Gruppen der Bewegung sind in mehreren italienischen Städten entstanden. Auf Facebook wurde die Liste der Anti-Lega-Demonstrationen veröffentlicht, die die "Sardinen" in den nächsten Wochen planen. Protestveranstaltungen sind auch außerhalb der nationalen Grenzen geplant. Gegründet wurde die Bewegung vor drei Wochen von dem 32-Jährigen Mattia Santori aus Bologna zusammen mit drei Ex-Studienkollegen.
Die Bewegung hat inzwischen ihr "Manifest gegen die Populisten" veröffentlicht. "Jahrelang habt ihr Populisten Lügen und Hass über uns ausgeschüttet. Ihr habt Lügen und Wahrheit vermischt und eine Welt geschildert, die euren Interessen entspricht. Ihr habt unsere Ängste und Schwierigkeiten ausgenutzt, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Eure politische Botschaften sind leer", heißt es im auf Facebook veröffentlichten Manifest. Die "Sardinen" seien eine friedliche Bewegung aus "normalen Personen", die sich für die Gemeinschaft einsetzen wollen und jede Form von Rassismus und Nationalismus verwerfen.
Bildunterschrift: Lebhafte Demonstrationen gab es auch in Florenz.
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Der Standard Online, 01.12.2019:
Parteiausschluss / Straches Recht und seine Rache
01.12.2019 - 17.03 Uhr
Heinz-Christian Strache hält die FPÖ in Atem. Er will sich vor Zivilgerichten wehren. Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ist der Bogen längst überspannt.
Wien. Heinz-Christian Strache will sich wegen des "Vernichtungsfeldzugs" gegen seine Person nun an die Zivilgerichte wenden. Der ehemalige FPÖ-Chef kündigte am Wochenende via Facebook an, er werde "die an Kriminalität nicht zu überbietenden Angriffe" nicht länger hinnehmen. In einem selbst aufgezeichneten Video spricht Strache von seiner bevorstehenden Rückkehr in die Politik und der daraus entstehenden Verunsicherung seiner Gegner, die er offenbar in seiner eigenen Partei sieht. Die ringt noch mit sich, ob sie Strache, der bereits suspendiert ist, auch tatsächlich ausschließen soll, wie das mittlerweile eine Vielzahl an führenden Funktionären fordert.
Strache bezieht sich in seinem jüngsten Rundumschlag auf Berichte, wonach er Privatausgaben in dienstliche Rechnungen habe umwandeln lassen, womit sie dann auch von der FPÖ bezahlt wurden. Dieser Verdacht steht seit Wochen im Raum, das wird parteiintern und von der Staatsanwaltschaft untersucht. Dazu gibt es Aussagen von seinem ehemaligen Leibwächter und seiner ehemaligen Assistentin, beide wurden einvernommen.
Haltlose Vorwürfe
Strache stellt deren Glaubwürdigkeit in Frage: "Hier handelt es sich nämlich nicht um Behauptungen von unbelasteten und daher glaubwürdigen Zeugen, sondern um Behauptungen von Personen, die selbst beschuldigt sind und die in ihrer Vernehmung versuchen, sich selbst zu entlasten, indem sie mich belasten." Die Vorwürfe seien haltlos. Er werde beweisen, dass die FPÖ beruflich veranlasste oder genehmigte Ausgaben übernommen habe, während private Ausgaben von ihm selbst getragen oder von ihm erstattet worden seien.
Nach Monaten, in denen er um Frieden bemüht war, werde er die Angriffe nicht mehr hinnehmen. Er werde nicht nur die Staatsanwaltschaft unterstützen, sondern auch die Zivilgerichte befassen.
Herbert Kickl, Klubobmann der FPÖ und lange Zeit einer der engsten Weggefährten von Strache, erhöht den Druck, Strache nun endlich aus der Partei auszuschließen. Er wandte sich am Wochenende mit einem Schreiben - ebenfalls über Facebook - an die "lieben Freunde" der Partei. "Dass in unserer FPÖ kein Platz mehr für Heinz-Christian Strache ist, das hat er sich selber zuzuschreiben. Alles andere ist unrichtig und wehleidig. Es nützt nichts, sich in eine "Wirklichkeit" zu flüchten, die nicht den Tatsachen entspricht."
Schlechtes Licht
Ibiza sei zwar eine Falle gewesen, erklärt Kickl, es sei aber die Verantwortung von Strache, "dort so gesprochen zu haben, dass es ein schlechtes Licht auf alle Freiheitlichen wirft". Die FPÖ habe alles unternommen, um Strache zu unterstützen und zu rehabilitieren, dieser habe sich aber wiederholt nicht an geltende Abmachungen gehalten und daher der FPÖ immer wieder geschadet.
Kickl: "Ich habe nie gedacht, eines Tages zu einer solchen Einschätzung kommen zu müssen. Aber all diese und viele weitere Aktionen, die Heinz-Christian Strache seit Ibiza gesetzt hat, sind in meinen Augen parteischädigend. Für mich und für die FPÖ stellt das einen massiven Vertrauensbruch dar, der eine weitere Zusammenarbeit ausschließt. Noch dazu, wo wir wissen, dass Heinz-Christian Strache sich seit längerem - wenn auch relativ erfolglos - bei Freund und Feind um Unterstützung dafür bemüht, mit einer eigenen Liste gegen die FPÖ antreten zu können. Rache statt Verantwortungsbewusstsein scheint die Triebfeder."
Das Kapitel Strache müsse daher in der FPÖ geschlossen werden. "Wenn Strache sein Ehrgefühl nicht sagt, was der einzig mögliche Schritt ist, dann müssen andere die Entscheidung für ihn und für die Partei übernehmen."
Wiener unter Druck
Zuständig für einen Parteiausschluss Straches wären die Wiener Freiheitlichen, die von den anderen Landesparteien und auch von der Bundespartei bereits gehörig unter Druck gesetzt werden. Die Wiener Partei hat allerdings ihrerseits ein parteiinternes Schiedsgericht mit der Causa beauftragt und wartet nun selbst auf ein Ergebnis.
Wann dieses vorliegen könnte, geschweige denn wie es aussehen könnte, konnte oder wollte am Sonntag niemand sagen. Das wisse man nicht, hieß es seitens der Parteiführung. Das Schiedsgericht tagte das erste Mal am vergangenen Mittwoch, es müssten noch Akten gesichtet und Zeugen einvernommen werden. Wiens aktueller FPÖ-Chef Dominik Nepp sprach sich dafür aus, im Zuge eines objektiven Verfahrens auch Strache anzuhören. Also scheint ein schneller Abschluss des Verfahrens eher unwahrscheinlich.
Vorsitzender des Schiedsgerichts wäre ursprünglich Casinos-Austria-Finanzvorstand Peter Sidlo gewesen, er erklärte sich allerdings für befangen. Für ihn sprang Friedrich Stefan ein.
Bildunterschrift: Heinz-Christian Strache will den Klagsweg beschreiten, um sich gegen Vorwürfe zu wehren. Derweil prüft ein internes Schiedsgericht, ob man den Ex-Chef aus der FPÖ ausschließen kann.
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Neue Westfälische am Abend, 01.12.2019:
Kommentar / AfD-Parteitag in Braunschweig / "Flügel"-Strippenzieher obenauf
Jan Sternberg, Berlin
Die AfD ist auf ihrem Braunschweiger Parteitag nicht noch weiter nach Rechts gerückt. Der Antisemit Wolfgang Gedeon wurde bei seiner Bewerbung ausgebuht und abgestraft. Der wiedergewählte Parteichef Jörg Meuthen bekam viel Applaus für den Satz, er gebe sein Gesicht nicht für eine Partei her, die in den Rechtsextremismus abdrifte. Aber: Die eigentlichen Strippenzieher des radikalen "Flügels" haben sich durchgesetzt. Es sind Björn Höcke und Andreas Kalbitz, die auch einen Meuthen und einen Kompromisskandidaten Chrupalla an der Spitze dulden - wenn sie im Gegenzug den letzten konservativen Kräften eine Niederlage beibringen können. Höcke-Kritiker gingen in Braunschweig unter, "Flügel"-Kandidaten wurden gewählt. Die AfD rückt nur deshalb nicht weiter nach Rechts, weil sie sich längst fest im rechtsradikalen Milieu etabliert hat. Sie ist eine Partei, in der antidemokratische Strömungen eine kritische Größe erreicht haben.
Die AfD will an die Regierung. Sie will aber nicht wirklich regierungs-, also kompromissfähig werden. Sie will warten, so sagen es Meuthen und Gauland, bis "der CDU gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als mit uns zu koalieren". Sie wartet also auf die Implosion des Parteiensystems. Und richtet sich am rechten Rand ein.
jan.sternberg@ihr-kommentar.de
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Spiegel Online, 01.12.2019:
Gestärkter AfD-"Flügel" / Scharfmacher an vorderster Front
01.12.2019 - 19.11 Uhr
Auf dem AfD-Parteitag verfestigt der völkische "Flügel" seine Macht. Er ist stärker denn je im Bundesvorstand vertreten, Kritiker flogen raus. Doch die Parteivorderen wollen von Rechtsruck nichts wissen.
Aus Braunschweig berichtet Ann-Katrin Müller
Andreas Kalbitz lässt sich umarmen und klopft auf Schultern, ohne Unterlass. "Da wird das Gewinnen glatt anstrengend, wa?", scherzt einer aus der langen Schlange der Gratulanten. Sie alle wollen dem AfD-Mann aus Brandenburg, der als Strippenzieher des völkischen "Flügels" einer der mächtigsten Männer der Partei ist, ihre Aufwartung machen. Björn Höcke, immer noch Gallionsfigur, aber längst nicht mehr so einflussreich, steht mit verschränkten Armen dahinter und schaut zu. Die Versammlungsleitung muss zwei Mal darum bitten, dass sich die Menschentraube auflöst, damit der Parteitag weitergehen kann.
Wenige Momente zuvor war Kalbitz wieder in den Bundesvorstand gewählt worden. Der Scharfmacher mit 25-jähriger Karriere in rechtsextremen Kreisen, der während seiner Bundeswehr-Zeit im Visier des Militärischen Abschirmdienstes MAD war, hatte gegen Kay Gottschalk gewonnen, ausgerechnet.
Gottschalk, zuvor ebenfalls Vorstandsmitglied, ist einer der letzten lauten Kritiker des "Flügels" innerhalb der AfD. Er hatte in seiner Rede auch auf die Vergangenheit von Kalbitz angespielt, indem er über Parteimitgliedschaften bei den rechtsextremen "Republikanern" sprach. Doch schon im ersten Wahlgang hatte Kalbitz mehr Stimmen als er, in der Stichwahl setzte Kalbitz sich dann mit 42 Stimmen mehr gegen Gottschalk durch. Gottschalk trat an diesem Sonntag in Braunschweig gegen einen weiteren "Flügel"-Vertreter an - und verlor wieder.
Und so zeigt der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestufte "Flügel" auf diesem Parteitag in Braunschweig einmal mehr, wie mächtig er ist. Der Rechtsruck, den die Partei schon seit Monaten durchmacht, er ist nun sichtbar.
Denn neben Gottschalk sind auch die anderen Kritiker der Völkischen nicht gewählt worden: Georg Pazderski und Albrecht Glaser verloren ihren Posten im Bundesvorstand, Uwe Junge, der den Appell gegen Höckes Führerkult maßgeblich betrieben hatte, schaffte es nicht hinein, ebenso wenig Dana Guth. Auch Roland Hartwig, den die "Gemäßigten" zu ihrem Lager zählen und der für das Thema Verfassungsschutz zuständig ist, bekam keinen Platz.
Nichtangriffspakt mit dem "Flügel"
Zwar gab es auch Niederlagen für den "Flügel" bei einzelnen Personalien, doch am Ende wurden alle Kritiker abgestraft. Mit dem neuen Parteivize Stephan Brandner und den beiden Beisitzern Andreas Kalbitz und Stephan Protschka sind explizite "Flügelianer" an die Spitze der Partei gerückt.
Und der neue Parteichef Tino Chrupalla, der auch auf dem letzten Kyffhäuser-Treffen des "Flügels" war? Der weist von sich, Teil der parteiinternen Plattform zu sein, sagte dem Spiegel aber mal: "Ich habe kein Problem mit dem "Flügel", sehe zwischen mir oder Andreas Kalbitz keine inhaltlichen Unterschiede, ich drücke mich nur vielleicht manchmal etwas anders aus."
Mit Parteichef Jörg Meuthen und der neuen Vizechefin Alice Weidel hatte der "Flügel" schon länger Nichtangriffspakte geschlossen, auch wenn diese das von sich weisen.
Die weiteren neuen Mitglieder im Bundesvorstand sind weder am Parteitag noch sonst in den vergangenen Monaten mit sonderlich viel Kritik am "Flügel" aufgefallen, wenn deren Politiker durch Skandale oder besonders radikale Äußerungen von sich reden machten. Bis auf Joachim Paul, der den "Appell der 100" unterzeichnet hatte. Jene Unterschriftenliste, mit der etwas mehr als 100 AfD-Politiker den Personenkult von Björn Höcke beim Kyffhäuser-Treffen kritisiert hatten. Inhaltliche Kritik an Äußerungen Höckes oder des "Flügels" fanden sich aber auch dort nicht.
Gut organisiert
Der Erfolg des "Flügels" liegt auch daran, dass er wesentlich besser organisiert ist. So waren etwa die Fragen, die an Kalbitz aus dem Publikum gestellt wurden, Gefälligkeitsfragen von Sympathisanten. Und als "Flügel"-Unterstützer nach Kalbitz Wahl kurz rausgehen wollten, um zu rauchen, bat sein Büroleiter sie, direkt wiederzukommen: "Wir sind noch nicht durch, es gibt noch Abstimmungen von unseren Leuten." Schon bei den Delegierten-Parteitagen in den Ländern hieß es, dass der "Flügel" mächtig Einfluss genommen habe und entsprechend viele seiner Leute nach Braunschweig anreisen konnten, von SMS-Wahlempfehlungen und Absprachen ist die Rede.
Parteichef Meuthen will von einem "Rechtsruck" dennoch nichts wissen: "Den gibt es nicht." Es hätten sich doch die "gemäßigten Kräfte" durchgesetzt, Beatrix von Storch etwa sei nun auch Vize im Bundesvorstand, sagt er. Die "Flügelianer" wären dagegen oft nur knapp gewählt worden. Und: "Dass die verschiedenen Strömungen in einem Vorstand abgebildet werden, ist nicht Ausdruck einer Spaltung unserer Partei, sondern Ausdruck der Klugheit der Delegierten."
Andere aus dem Lager der "Gemäßigten" sehen das anders, sprechen von Niederlagen und der Sorge, was dies nun beim Verfassungsschutz auslöse. Nur wenige wollen dies allerdings zitiert wissen. Bis auf Gottschalk, der nach seiner Niederlage gegen Kalbitz sagt: "Das bürgerliche Lager hat auf diesem Parteitag einen deutlichen Rückschlag erlebt." Und: "Wir sind auf einem schlechten Weg." Auf die Frage, ob er noch einen Platz für sich in der Partei sehe, sagt er: "Noch."
Bildunterschrift: Andreas Kalbitz auf dem AfD-Parteitag in Braunschweig: Kritiker abgestraft.
Bildunterschrift: Scharfmacher gratuliert Scharfmacher: Björn Höcke (r.) und Kalbitz.
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die tageszeitung Online, 01.12.2019:
Nachfolger Gaulands als AfD-Chef / Das harmlose Gesicht
Der AfD-Bundesparteitag wählt Tino Chrupalla zum neuen Parteichef. Doch so gemäßigt, wie sich der Malermeister aus Sachsen gibt, ist er nicht.
Sabine am Orde
Es ist kurz vor sieben am Samstagabend, als Tino Chrupalla zum ersten Mal als AfD-Chef vor die versammelte Presse tritt. In einem Saal im ersten Stock der Braunschweiger Volkswagen Halle, deren Name an diesem Wochenende aus Protest verdeckt ist, ist ein Podium aufgebaut, unten in der Halle wird gerade über weitere Kandidatinnen / Kandidaten für den Bundesvorstand abgestimmt.
Chrupalla hat mit seinem wieder gewählten Co-Chef Jörg Meuthen und Alice Weidel, der neuen Stellvertreterin, auf dem Podium Platz genommen. Chrupalla, 44, schlanke Gestalt, dünnes, kurzes Haar, zuppelt den Kragen seines weißen Hemds unter dem Jackett zurecht, zieht am rechten Ärmel. Die Manschette lugt hervor, darauf ist "TC" aufgestickt, Chrupallas Initialien. Seinen Mund umspielt ein schelmisches Lächeln.
Nachdem Meuthen gesprochen hat, kommt Chrupalla zu Wort. Dies sei ein "richtungweisender Parteitag", sagt der Malermeister aus Görlitz in Sachsen. Und dass es ein "hartes Stück Arbeit" gewesen sei, "eine starke Stimme des Ostens in den Bundesvorstand zu bekommen". Auf Nachfragen, was die Richtungsentscheidung denn ausmache und was ihn von seinem unterlegenen Gegenkandidaten Gottfried Curio, dem innenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, unterscheide, führt Chrupalla seine ostdeutsche Herkunft an und dass er Handwerker und kein Akademiker sei. Am Ende schiebt er noch nach, dass er eher in der Wirtschaftspolitik, Curio in der Innenpolitik unterwegs sei. Inhaltlicher wird es nicht. Das schelmische Lächeln ist verschwunden.
Chrupalla, 44, Typ netter Schwiegersohn, Familienvater, ist in Ostsachen aufgewachsen, er nennt das den "letzten Zipfel Schlesiens, der heute noch zu Deutschland" gehört. Hier hat er ein kleines Unternehmen mit sechs Angestellten, das derzeit sein Schwager führt. Im Jahr 2017 zieht er mit einem Direktmandat in den Bundestag ein, das hat er Michael Kretschmer, heute CDU-Ministerpräsident, abgenommen. Er wird stellvertretender Fraktionschef, ist als Team-Player bekannt, auch gilt er als guter Netzwerker. Chrupalla kann im Gespräch charmant und zugewandt sein und hat dieses schelmische Lächeln. Doch wenn es kritisch wird, ist es mit dem Lächeln vorbei.
Für Gauland war klar, es soll jemand aus Ostdeutschland sein, denn dort sind die Erfolge der AfD besonders groß. Einer mit guten Kontakten zum extrem rechten "Flügel", aber bitte einer ohne größere Skandale.
Dass Chrupalla nun AfD-Parteichef ist, hat er seinem Vorgänger Alexander Gauland zu verdanken. Der 77-Jährige hat lange geplant, diesen Posten auf dem Braunschweiger Parteitag abzugeben und sich auf den Fraktionsvorsitz zu konzentrieren. Beide Ämter zusammen waren ihm zu viel, und die Fraktion ist das Machtzentrum der Partei, das wollte er behalten. Also musste ein Nachfolger her. Und weil er das nicht den parteiinternen Machtspielen überlassen wollte, machte Gauland sich auf die Suche. Denn der Übergang an der Parteispitze sollte geordnet ablaufen, zum ersten Mal in der Geschichte der Partei. Es bestehe die erfreuliche Aussicht, dass die AfD mit diesem Parteitag "erwachsen" werde, sagte Gauland in seiner Eröffnungsrede am Samstagvormittag. "Erwachsen heißt, dass wir einen teilweisen Generationswechsel solidarisch vollziehen."
Für Gauland war klar, es soll jemand aus Ostdeutschland sein, denn dort sind die Erfolge der AfD besonders groß. Einer mit guten Kontakten zum extrem rechten „Flügel“, aber bitte einer ohne größere Skandale. Und fähig zum Anschluss ans bürgerliche Lager. Denn Gaulands Ziel ist es, die AfD in die Regierung mit der Union zu führen. "Es wird der Tag kommen, an dem die CDU nur noch eine Option hat: uns" - auch das betonte er in seiner Eröffnungsrede. Die AfD, so Gaulands Logik, braucht an der Spitze also Personal, das der Union keine Argumente dafür liefert, sich einer Zusammenarbeit mit seiner Partei zu verweigern. Damit waren ganz viele Kandidatinnen / Kandidaten raus. Andreas Kalbitz zum Beispiel, der Brandenburger Landeschef mit rechtsextremer Biografie. Irgendwann landete Gauland bei Chrupalla, den er aus der Fraktion gut kennt.
Gauland lotete aus, wie viel Unterstützung für Chrupalla zu erwarten ist. Irgendwann stand fest: Chrupalla soll es machen. Doch dann warf Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, der wegen seiner so geschliffenen wie demagogischen Reden eine große Fan-Gemeinde an der Basis hat, seinen Hut in den Ring. Curio, als verschrobener Einzelgänger und wenig teamfähig bekannt, fiel bei der Wahl zum Fraktionsvorstand durch. Doch Parteitagsdelegierte ticken anders als Bundestagsabgeordnete. Zudem ist Curio über zahlreiche Wahlkampfauftritte und seine Bundestagsreden, die regelmäßig auf YouTube hochgeladen werden, in der Partei bekannt. Chrupalla dagegen kennt man gerade in den westlichen Landesverbänden kaum. Von dort aber kommen die meisten Delegierten. Gauland erwog, selbst noch einmal anzutreten, um Curio zu verhindern. Erst am Dienstagabend entschied er sich anders.
Am Samstagnachmittag also steht Chrupalla, blauer Anzug, weißes Hemd, gestreifte Krawatte, am Rednerpult der Volkswagen Halle und weiß, dass es jetzt um alles geht. Gauland selbst hat ihn wenige Minuten zuvor für den zweiten Chefposten vorgeschlagen, Meuthen ist zu diesem Zeitpunkt ohne größere Blessuren längst wiedergewählt. Jetzt also kommt die Erneuerung dran. Das Los-Verfahren hat ergeben, dass Chrupalla als Erster spricht, danach ist Curio dran, dann Dana Guth, die auch antritt. Guth, die bis zur Wende im Osten gelebt hat, ist Fraktions- und Landeschefin aus Niedersachsen. Fünf Minuten hat jede Kandidatin, jeder Kandidat, danach sind drei Fragen erlaubt.
Chrupalla setzt ganz auf seine Biografie: "Wir haben heute die Möglichkeit, ein historisches Zeichen zu setzen", ruft er in den Saal. "Eine Doppelspitze aus Ost und West, eine Doppelspitze, mit der sich Akademiker und Nichtakademiker identifizieren können." Applaus. Er spricht die Wahlerfolge im Osten an, dankt den Westlern, die es ja "viel schwerer" haben, für ihren Einsatz und fordert dann eine "starke Stimme für den Osten" im Bundesvorstand. Chrupalla sagt, dass er oft für zu jung befunden worden sei, egal ob es ums Kinderkriegen, seinen Hausbau oder die Unternehmungsgründung gegangen sei. "Am Ende hat sich aber meine Zuversicht immer durchgesetzt gegen die Stimmen der Zweifler und Bedenkenträger." Das dürfte an jene in der Partei gerichtet sein, die hinter vorgehaltener Hand anzweifeln, dass Chrupalla das intellektuelle Format für den Parteivorsitz hat und vor der Hauptstadtpresse bestehen kann.
Der Sachse zählt seine Erfolge auf: Dass er den Kreisverband Görlitz leitet, einen der erfolgreichsten der Republik, wo es fast einen AfD-Oberbürgermeister gegeben habe. Das Direktmandat. Den Fraktionsvizeposten. "Ich bin kein Mann der vielen Worte", ruft Chrupalla in den Saal, "ich bin ein Mann der Tat". Und dann sagt er noch, dass er das größte Wählerpotenzial im "bürgerlichen Lager" sehe, bei Handwerkern und Mittelständlern, auch die Frauen werden erwähnt. "Die bürgerliche Mitte erreichen wir mit Vernunft und überzeugenden Inhalten." Dafür brauche es keine drastische Sprache, mit der erreiche man oft das Gegenteil. Das zielt auf Curio, auch wenn er den Namen nicht nennt. Es wird kräftig geklatscht, manche Delegierte, auch Gauland, stehen dabei auf.
Curios Plan geht nicht auf
Jetzt ist Curio dran. Doch der geübte Rhetoriker steht vor einem Problem. Denn zu scharf dürfen seine Worte hier wohl nicht sein. Doch sind es gerade seine demagogischen Reden, die seinen Erfolg in der Partei ausmachen. Und nur damit könnte er eine vielleicht eine Chance haben, Gaulands Plan zu durchkreuzen. So wie Doris von Sayn-Wittgenstein, die inzwischen aus der Partei ausgeschlossen ist, in Hannover vor zwei Jahren mit einer schmissigen Rede alle Absprachen sprengte. Was dazu führte, dass Gauland am Ende selbst als Parteichef geworden ist.
Curio hält sich zurück, betont, man solle die AfD als pragmatische Partei, als Problemlöser positionieren. Das reicht für kräftigen Applaus und eine Stichwahl mit Chrupalla, mehr aber nicht. Anders als Sayn-Wittgenstein vor zwei Jahren löst Curio nicht diese hemmungslose Begeisterung aus, zu der AfDler fähig sind. Am Ende bekommt er 41 Prozent der Stimmen, für Chrupalla aber votieren 55 Prozent der Delegierten. Knapp ist das nicht. Guth war trotz einer engagierten Rede und Ost-West-Biografie bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden.
Als sich Chrupalla durch die Menge wieder in Richtung Podium schiebt, um sich dort neben Meuthen an den Vorstandstisch zu setzen, ist einer der Ersten, die ihm mit einer Umarmung gratulieren, der Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz, der auch der starke Mann im "Flügel" ist. Kalbitz war in Gaulands Planungen einbezogen, große Teile des Flügels haben Chrupalla unterstützt. "Wir sagen Ja zu Tino Chrupalla", sagt auch Flügel-Anführer Björn Höcke am Rand des Parteitags zu Journalistinnen / Journalisten. Ohnehin ist Chrupalla, der selbst nicht zum Flügel gehört, nicht so gemäßigt, wie es in seiner Bewerbungsrede scheint.
Im Bundestag hat er jüngst, ausgerechnet bei der Debatte zum Jubiläum des Mauerfalls, die Kanzlerin scharf angegriffen. "Ich bedaure, dass sie uns nicht verrät, welche Herrschafts- und Zersetzungsstrategien sie damals bei der FDJ gelernt hat", sagte Chrupalla. Aber sie wisse daher offenbar, wie man "ein Volk mit Agitation und Propaganda in Schach" halte. Dafür hat er aus den anderen Fraktion Pfui- und Buhrufe kassiert und Applaus von der eigenen. Bei Wahlkampfveranstaltungen redet der Sachse aber auch schon mal von "Umvolkung", klar rechtsextremes Vokabular. Und auch im Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD taucht Chrupalla auf.
Es geht um seine Zusammenarbeit mit dem Rechtsextremisten Nikolai Nerling, der den YouTube-Kanal "Der Volkslehrer" betreibt. Dort war im Juni 2018 zu sehen, wie Nehring Chrupalla einige Fragen stellt. "Das Video soll den Anschein der Spontanität erwecken", heißt es in dem Gutachten. Doch Chrupalla sei in einer frühen Kameraeinstellung bereits wartend im Hintergrund zu sehen. Soll heißen: Das Ganze war abgesprochen und inszeniert, Chrupalla hat mit dem Rechtsextremisten gemeinsame Sache gemacht.
Chrupalla forderte die AfD-Parteimitglieder auf, ihm "Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten" mitzuteilen
Anfang des Jahres hat Chrupalla in einem Brief an die Mitglieder seines Kreisverbands zudem angekündigt, schwarze Listen mit den Namen von "unseriösen" Journalisten führen zu wollen. Diese sollten komplett vom Informationsfluss ausgeschlossen werden. Chrupalla forderte die AfD-Parteimitglieder auf, ihm "Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten" mitzuteilen. Regionalzeitungen berichten zudem von Streit im Kreisverband und scharfer Kritik ehemaliger Mitglieder. Chrupalla führe die AfD dort inzwischen "wie eine Sekte", alle, die nicht seiner Meinung seien, habe er kaltgestellt, so wird etwa Frank Großmann zitiert, der ehemalige Görlitzer Kreischef der AfD.
Am vergangenen Dienstag sitzt Chrupalla im Abgeordnetenrestaurant im Bundestag, er hat sich für ein kurzes Gespräch Zeit genommen und lächelt dabei sein schelmisches Lächeln. Im Plenum wird gerade der Haushalt des Verkehrsministeriums diskutiert, Minister Andreas Scheuer bekommt sein Fett weg. In den Sozialen Medien kursiert zeitgleich der Verdacht, Chrupalla habe mit einer Unterlassungserklärung das ZDF gezwungen, einen kritischen Beitrag, in dem es auch um den Kreisverband geht, nicht auszustrahlen.
Das stellt sich später als nicht ganz zutreffend heraus. Aber was Sie zu der Kritik aus Görlitz, Herr Chrupalla? Der AfD-Mann weist die Vorwürfe von Großmann zurück und erzählt, dass alles ganz anders gewesen sei. Das schelmische Lächeln, das gerade noch da war, verschwindet aus seinem Gesicht. Die Zitate dazu wird er später nicht freigeben.
Bildunterschrift: Hat seine Nachfolge lange geplant: Alexander Gauland, der Chef der Fraktion bleibt.
Bildunterschrift: Ein guter Parteitag für den "Flügel" und damit für Andreas Kalbitz und Björn Höcke.
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Norddeutscher Rundfunk, 01.12.2019:
AfD-Parteitag: Gegenwind in Braunschweig
01.12.2019 - 09.45 Uhr
Die etwa 600 Delegierten der AfD beenden heute in Braunschweig ihren Bundesparteitag. Weitere Wahlen stehen an, um den Bundesvorstand zu komplettieren. Am Sonnabendnachmittag wurde Jörg Meuthen als Vorsitzender im Amt bestätigt. Er bildet die Parteispitze künftig gemeinsam mit Tino Chrupalla, der am Abend gewählt wurde und damit Alexander Gauland nachfolgt. Die beiden neuen Vorsitzenden wollen heute den künftigen Kurs der Partei genauer skizzieren. Voraussichtlich werden die Delegierten Gauland zum Ehrenvorsitzenden wählen. Vor der Halle protestierten am Sonnabend zahlreiche Gegner der Partei. Die Veranstalter zählten nach eigenen Angaben 20.000 Menschen, die Polizei gab keine eigene Schätzung ab.
Andacht im Dom, Kundgebung am Schloss
Allein dem Braunschweiger "Bündnis gegen Rechts" hatten sich unter dem Motto "Stoppt die AfD" rund 160 Organisationen und Verbände angeschlossen. Die Auftaktkundgebung des Bündnisses startete am Sonnabendvormittag. Gegen Mittag gab es eine Andacht mit Landesbischof Christoph Meyns im Dom. An einer Großkundgebung vor dem Schloss nahmen am Nachmittag auch Prominente aus Politik, Kultur und Gesellschaft teil. Unter anderem hielt der israelische Autor Sally Perel eine Rede. Er forderte, nie wieder Faschismus und Krieg zuzulassen. Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) sagte, die AfD überschreite immer wieder rote Linien. Dagegen müssten sich die Bürger klar bekennen. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh warnte: "Die AfD befeuert Ängste vor Geflüchteten und anderen Menschen in Not, die aus dem Ausland zu uns kommen. Sie schürt Ängste vor dem Islam."
Polizei: Angriffe auf Einsatzkräfte
Die Polizei Braunschweig sprach von einem weitgehend friedlichen Verlauf der Protestaktionen. Es habe aber Zwischenfälle wie Blockaden gegeben, sagte Sprecher Stefan Weinmeister NDR 1 Niedersachsen. Kurz vor Beginn des Parteitags seien wichtige Zufahrtstraßen blockiert worden. Beim Beenden der Aktionen seien zudem Beamte angegriffen worden. Auf Grund von einzelnen Widerständen habe man "unmittelbaren Zwang" angewendet. Festnahmen gab es den Angaben zufolge nicht. Die Polizei ist eigenen Angaben zufolge an diesem Wochenende mit 1.000 Beamten aus Niedersachsen und weiteren Bundesländern im Einsatz.
Protestmarsch am Freitagabend
Die erste Kundgebung fand bereits am Freitagabend statt. Das Bündnis "Nationalismus ist keine Alternative" hatte zu einer Protestaktion aufgerufen. An dem Marsch durch die Braunschweiger Innenstadt beteiligten sich laut Polizei rund 900 Menschen. Nachdem Teilnehmer mehrfach Pyrotechnik abbrannten, wurde der Aufzug vorübergehend gestoppt. Kurz vor 23 Uhr wurde der Aufzug beendet. Volkswagen hatte auf Initiative des Betriebsrats seinen Schriftzug am Tagungsort - der Volkswagen-Halle - überdecken lassen.
Bildunterschrift: Protest gegen die AfD: Die Veranstalter sprechen von 20.000 Teilnehmern.
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Deutschlandradio, 01.12.2019:
Braunschweig / AfD beendet Bundesparteitag
Die AfD beendet heute ihren Bundesparteitag in Braunschweig mit weiteren Vorstandswahlen.
Gestern hatten die Delegierten den sächsischen Bundestagsabgeordneten Chrupalla zum Nachfolger von Parteichef Gauland gewählt. Dieser trat nicht wieder an. Zugleich bestätigte der Parteitag den Co-Vorsitzenden Meuthen in seinem Amt. Meuthen kündigte an, die AfD regierungswillig und -fähig zu machen. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden die Fraktionsvorsitzende Weidel sowie die Bundestagsabgeordneten Brandner und von Storch gewählt.
Am Rande des Parteitags demonstrierten mehr als 20.000 Menschen weitgehend friedlich gegen die AfD.
Bildunterschrift: AfD-Bundesparteitag.
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Der Tagesspiegel Online, 01.12.2019:
Nach Neonazi-Skandal bei KSK / Ministerium will Entlassung extremistischer Soldaten erleichtern
01.12.2019 - 17.04 Uhr
Hitlergruß und "faschistoide Gesinnung" - bei der Truppe gibt es noch einen Rechtsextremismus-Skandal. Das Verteidigungsministerium will Gesetze verschärfen.
Von Rainer Woratschka
Die Bundeswehr soll Extremisten in ihren Reihen künftig leichter loswerden können als bisher. Mit diesem Vorsatz reagierte das Verteidigungsministerium auf das Bekanntwerden eines neuerlichen Neonazi-Skandals in der Truppe. Man plane "gesetzgeberische Maßnahmen zur leichteren Entlassung von Personen, die derartig schwerwiegende Dienstvergehen begangen haben", sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel.
Wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Umtriebe wird derzeit gleich gegen drei Mitglieder der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) ermittelt, bestätigte das Ministerium. Einem der Soldaten sei die Ausübung seines Dienstes bereits untersagt worden. Bei einem zweiten seien dienstrechtliche Maßnahmen mit dem Ziel, ihn "schnellstmöglich aus dem KSK zu entfernen", eingeleitet worden. Ein dritter werde als Verdachtsfall geführt.
Hitlergruß und offene faschistoide Gesinnung
Auf Grund der Vorwürfe habe der Militärische Abschirmdienst (MAD) bereits vor Monaten eine "nachrichtendienstliche Operation" gestartet, berichtete der Sprecher. Diese habe zum Ziel gehabt, "gerichtsverwertbare Beweise zu sammeln und Erkenntnisse über weitere Verbindungen zu erlangen". Weil Informationen darüber an die Öffentlichkeit gelangt seien, habe man diese Operation nun aber "vorzeitig einstellen" müssen. Die dienstrechtlichen Maßnahmen seien nun "offen" eingeleitet worden. Gleichzeitig werde man auf Grund des Bekanntwerdens der Operation "Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats" stellen.
Um welche Vorwürfe es sich im Einzelnen handelt, ließ der Sprecher wegen der laufenden Ermittlungen im Dunkeln. Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" hat der Hauptverdächtige - ein Unteroffizier, der mehrfach in Afghanistan im Einsatz war - "offen eine faschistoide Gesinnung" gezeigt und sich als Neonazi zu erkennen gegeben. Die beiden anderen KSK-Soldaten - angeblich Stabsoffiziere - hätten auf einer privaten Feier des Unteroffiziers den Hitlergruß gezeigt.
Der Sprecher nannte es ein erklärtes Ziel des Ministeriums, "Extremisten und Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr fern zuhalten oder zu entfernen". Dazu habe man "in der Vergangenheit bereits zahlreiche Maßnahmen getroffen wie die Sicherheitsüberprüfung vor Einstellung, die Reform der Organisation des MAD und verstärkte Prävention innerhalb der Streitkräfte".
Verteidigungsministerin kündigt hartes Vorgehen an
Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte ein hartes Vorgehen gegen Rechtsradikale an. "Jeder, der in irgendeiner Art und Weise radikal bei der Bundeswehr auffällt, hat in dieser Bundeswehr keinen Platz", sagte die CDU-Chefin am Sonntag am Rande eines Besuch bei deutschen Soldaten im kosovarischen Pristina. Dies gelte besonders für das Kommando Spezialkräfte (KSK), das sich als Aushängeschild der Truppe verstehe und deshalb eine besondere Verantwortung habe, jeder Tendenz zur Radikalisierung entgegenzutreten.
"Wir nehmen jeden Fall sehr, sehr ernst, und wir untersuchen insbesondere auch, ob dahinter Netzwerke und Verbindungen liegen", sagte Kramp-Karrenbauer. Deshalb habe der Militärgeheimdienst MAD auch eine Arbeitsgruppe mit Blick auf das KSK eingerichtet.
20 Verdachtsfälle allein bei der Eliteeinheit KSK
Die Eliteeinheit KSK, zu deren Aufgaben Spezialoperationen wie Geiselbefreiungen im Ausland und der Antiterror-Kampf gehören, ist in der Vergangenheit immer wieder durch rechtsextreme Tendenzen aufgefallen. MAD-Präsident Christof Gramm berichtete kürzlich von rund 20 Verdachtsfällen bei der dieser Truppe.
Vor einem Jahr gab es einen Strafbefehl gegen einen KSK-Soldaten, der mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben soll. Und im April 2017 hatte der Fall des Oberleutnants Franco A. umfangreiche Ermittlungen ausgelöst. Der Offizier soll einen rechtsterroristischen Anschlag geplant haben, der dann einem fiktiven Flüchtling angelastet werden sollte. Gleichzeitig wurde bekannt, dass eine rechtsextreme Masterarbeit, die Franco A. im Studium verfasst hatte, kein Hinderungsgrund für dessen Beförderung waren.
Erst vor wenigen Tagen hatte sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) öffentlich für die Verbreitung eines Fotos über den Instagram-Account der Bundeswehr entschuldigt. Darauf war mit dem Hinweis auf aktuelle Modetrends eine Wehrmachtsuniform mit Hakenkreuz zu sehen.
Bildunterschrift: Verlässliche Truppe? Bei der Bundeswehr gibt es immer wieder Neonazi-Skandale.
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die tageszeitung Online, 01.12.2019:
Rechtsextremismus in der Bundeswehr / Unteroffizier unter Verdacht
Ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr soll suspendiert werden. Der Militärische Abschirmdienst verdächtigt ihn des Rechtsextremismus.
Berlin (dpa). Wegen des Verdachts auf rechtsextremistischer Umtriebe wird gegen einen Unteroffizier der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) ermittelt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) verdächtige den Unteroffizier in der Feldwebel-Laufbahn dringend, ein Rechtsextremist zu sein, schreibt die Bild am Sonntag (BamS). Seit Monaten laufe eine nachrichtendienstliche Ermittlung gegen ihn. Aus dem Verteidigungsministerium wurde der Vorgang auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.
Weil Informationen an die Öffentlichkeit gelangt seien, seien nun notwendige dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Soldaten offen eingeleitet worden, sagte ein Ministeriumssprecher der BamS. Er müsse schnellstmöglich aus dem KSK entfernt werden, die Ausübung des Dienstes müsse ihm verboten werden. Dem Bericht zufolge soll das spätestens nächste Woche geschehen. Nach Informationen der Zeitung war der Unteroffizier mehrmals in Afghanistan im Einsatz.
Dem Bericht zufolge hat der MAD zudem zwei Stabsoffiziere wegen Verdachts des Rechtsextremismus im Visier. Sie hatten nach Informationen der Zeitung auf einer privaten Feier des Unteroffiziers den Hitlergruß gezeigt. Einer der beiden sei vor ein paar Wochen suspendiert worden, der andere gelte beim MAD als "Verdachtsfall". Laut der Zeitung will das Ministerium zudem Strafanzeigen gegen Unbekannt "wegen Geheimnisverrates" stellen.
Es sind nicht die ersten Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen Soldaten der Bundeswehr. Ein KSK-Soldat soll mehrfach den Hitlergruß gezeigt haben. Im Januar hatte er einen Strafbefehl akzeptiert. Zudem hatte der Fall des Offiziers Franco A. im April 2017 umfangreiche Ermittlungen ausgelöst, weil es den Verdacht gab, er könne Teil einer größeren rechtsextremistischen Gruppe sein.
Auch der Soldat André S. alias Hannibal, der ein bundesweites Netzwerk mit teils rechtsextremen Mitgliedern aufgebaut hat, war lange beim KSK. Er hat die Bundeswehr inzwischen verlassen. Der MAD hatte jüngst erklärt, man wolle künftig auch solche Soldaten stärker in den Blick nehmen, bei denen die Schwelle zum Rechtsextremismus noch nicht überschritten sei.
Bildunterschrift: Vorführung des KSK beim Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf .
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Der Tagesspiegel Online, 01.12.2019:
Ermittlungen nach Foto-Aktion / Hinterließen Polizisten aus Cottbus Kürzel einer rechten Gruppe?
01.12.2019 - 20.10 Uhr
Erst ein Foto vor Symbolen der rechten Szene in Cottbus, nun prüft Brandenburgs Polizei einen weiteren Verdacht. Gegen neun Beamte laufen Disziplinarverfahren.
Von Alexander Fröhlich
Auch nach der Aktion des Klima-Bündnisses "Ende Gelände" in der Lausitz wirft eine Foto-Aktion von Brandenburger Polizisten vor einer mutmaßlich von Neonazis beschmierten Wand im Raum Cottbus weiter Fragen auf. Gegen die neun Beamten einer in Cottbus stationierten Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sind Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am Sonntag entdeckte die Polizei zudem ein rechtsextremes Kürzel auf dem Schriftzug.
Einige der Beamten mussten selbst die Wand überstreichen, das hatte der Einsatzführer entschieden. Jetzt wird ermittelt, ob sie dabei absichtlich die Symbole einer rechtsextremistischen Gruppe aus Cottbus an der Wand hinterlassen haben oder ob Neonazis noch einmal aktiv geworden sind.
Was war geschehen? Am Mittwoch war eine Wand einer Gärtnerei an der Straße von Cottbus nach Kolkwitz beschmiert worden. Auf schwarzem Grund stand: "Stoppt Ende Gelände".
Auf jeder Seite des Schriftzuges wurde ein Krebs auf die Wand gemalt. Das Tier, entlehnt dem Stadtwappen der Stadt Cottbus, ist ein bekanntes Symbol der rechtsextremistischen Szene in der Lausitz, die entsprechende Kampagne "Defend Cottbus" steht in enger Verbindung zur "Identitären Bewegung".
Die neun Polizeibeamten posierten am Donnerstag vor der Wand und ließen sich dabei fotografieren. Noch am selben Tag wurde das Foto in einem Kanal von "Defend Cottbus" beim Messenger-Dienst Telegram verbreitet. Von dort gelangte es in die Sozialen Netzwerke.
Beamte vom Einsatz abgezogen
Die Polizeiführung schritt sofort ein. Sie befürchtete, dass das Foto den Großeinsatz bei den Protesten der Klima-Aktivisten von "Ende Gelände" gegen die Verstromung von Braunkohle belasten könnte, die Stimmung war ohnehin aufgeheizt, weil die rechtsextremistische Szene gegen die Kohle-Gegner mobilisierte.
Die neun Beamten wurden vom Einsatz bei den Aktionen von "Ende Gelände" und den Gegenprotesten abgezogen. "Es handelt sich um einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot", sagte der Sprecher der Brandenburger Polizei, Torsten Herbst. "Das geht gar nicht."
Es wurden auch Disziplinarverfahren eingeleitet, die für solche Fälle zuständige interne Revision der Brandenburger Polizei ermittelt in dem Fall. Und die geht nicht nur der Frage nach, warum sich die Beamten vor der Wand fotografieren ließen, sondern ob sie danach selbst Zeichen der rechtsextremen Gruppe "Defend Cottbus" an der Wand hinterließen.
Denn der Leiter des Großeinsatzes rund um das Aktionswochenende von "Ende Gelände" hatte die Beamten dazu verdonnert, die Wand zu überstreichen. Bei einer Fahrzeug-Kontrolle waren zuvor sechs Männer im Alter von 19 bis 31 Jahren und Farbreste festgestellt worden. Unter den Tatverdächtigen, gegen die nun wegen Sachbeschädigung ermittelt wird, ist auch ein Mann, der wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeibekannt ist.
Jedenfalls mussten die Beamten den Schriftzug überstreichen, dann meldeten sie bei den Vorgesetzten, dass die Farbe verbraucht sei. Anschließend zogen sie ab. Die Krebse - also die Symbole von "Defend Cottbus" - und Reste von Zahlen und wenige Buchstaben waren noch zu sehen.
Am Sonntag entdeckte die Polizei dann, das auf der Wand noch stand "DC!" - also das Kürzel von "Defend Cottbus". Es handelte sich ursprünglich um die letzten beiden Großbuchstaben des Wortes "Gelände" - also "DE". Doch aus dem E muss jemand ein C gemacht haben.
Die Brandenburger Polizei prüft nun, ob dies die Polizisten selbst waren, als sie die Wand überstreichen musste - oder ob andere Personen sich an der Wand noch einmal zu schaffen machten. "Diese Frage wird im Rahmen des Disziplinarverfahrens geklärt", sagte Polizeisprecher Herbst.
Die Polizei beauftragte am Sonnabend einen Handwerker
Noch am Sonnabend beauftragte die Polizei einen Handwerker damit, die komplette Wand noch einmal komplett zu überstreichen. Strafrechtlich wird gegen die sechs aufgegriffenen Personen, die den ursprünglichen Schriftzug angebracht haben sollen, wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Sachbeschädigung ermittelt.
Vor etwa einem Jahr, im Dezember 2018, war auf derselben Wand mit demselben Symbol der Spruch angebracht worden: "Cottbus bleibt Deutsch".
Die Lausitz ist ein Hotspot der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg. Der Verfassungsschutz spricht von einem toxischen Gebilde in der Lausitz. Denn die Szene aus Hooligans, Neonazis, Kampf-Sportlern, Sicherheitsfirmen und Rechts-Rockern bis hin zu Identitären hat inzwischen eigene wirtschaftliche Strukturen etabliert - mit florierende Sicherheitsfirmen, Tattoo-Studios, Kleidungsmarken und Label für rechtsextremistische Musik. Ermittler sprechen auch von einer neuen Qualität der organisierten Kriminalität.
Bildunterschrift: Umstrittenes Foto: Polizisten posieren vor dem Spruch "Stoppt Ende Gelände".
Bildunterschrift: Der Schriftzug "Cottbus bleibt Deutsch" war im Dezember 2018 auf der Wand angebracht worden.
Bildunterschrift: Am Samstag entdeckte die Polizei, dass die Kürzel der rechtsextremen Gruppen "Defend Cottbus" noch zu sehen waren.
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