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8 Artikel , 16.09.2019 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Jüdische Allgemeine Online, 16.09.2019:
Litauen / Hakenkreuz aus Blumenerde vor jüdischer Gemeinde

Blick nach Rechts, 16.09.2019:
Haider-Anhänger stellen sich zur Wahl

MiGAZIN, 16.09.2019:
Runder Tisch in Berlin / Grütters fordert härtere Strafe für antisemitische Straftaten

MiGAZIN, 16.09.2019:
Zentralrat fordert Polizeischutz / Erneute Bombendrohung gegen Moscheen

hessenschau.de, 16.09.2019:
Nach Lübcke-Mord / Weitere Drohschreiben an Frankfurter Anwältin aufgetaucht

Störungsmelder, 16.09.2019:
Innenminister wollen rechtsextremistische Gruppe Combat 18 verbieten lassen

die tageszeitung Online, 16.09.2019:
Debatte um rechte Gruppe Combat 18 / Her mit dem Verbot!

Blick nach Rechts, 16.09.2019:
AfD im Visier

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Jüdische Allgemeine Online, 16.09.2019:

Litauen / Hakenkreuz aus Blumenerde vor Jüdischer Gemeinde

16.09.2019 - 12.10 Uhr

Gemeindevorsitzende Faina Kukliansky beklagt mangelnden Schutz seitens der Behörden

Unbekannte Täter haben in Litauen ein aus Blumenerde geformtes Hakenkreuz auf dem Bürgersteig nahe des Sitzes der litauischen Jüdischen Gemeinde in Vilnius angebracht. "Wir haben seit langem keinen so deutlich zum Ausdruck gebrachten Antisemitismus mehr gesehen", sagte Gemeindevorsitzende Faina Kukliansky einem Bericht der Agentur BNS vom Montag zufolge.

Sie verwies darauf, dass sich der Vorfall am Sonntag gut eine Woche vor dem Holocaust-Gedenktag in Litauen zugetragen habe. Sie beklagte mangelnden Schutz seitens der Behörden. Litauens Außenminister Linas Linkevicius verurteilte den "bedauerlichen Vorfall", die Polizei leitete Untersuchungen ein.

Kontroversen

Die litauische Jüdische Gemeinde hatte zuvor Anfang August angesichts von Drohbriefen zwischenzeitlich ihren Sitz und die Choral-Synagoge geschlossen - die einzige nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten gebliebene und noch genutzte Synagoge in Vilnius.

Litauens Außenminister Linas Linkevicius verurteilte den "bedauerlichen Vorfall"

Vorausgegangen waren Kontroversen um zwei Entscheidungen der Stadtverwaltung Vilnius, das Andenken an zwei gleichermaßen als Nationalhelden und Nazi-Kollaborateure geltende Litauer aus dem Stadtbild verschwinden zu lassen.

Beide Beschlüsse sorgten für Aufsehen in dem baltischen EU-Land und spalteten die öffentliche Meinung. Unterstützung fanden sie bei der litauischen Jüdischen Gemeinde und Kritikern, die seit Langem die Glorifizierung der beiden Mittäter am Holocaust anprangerten. Gegner der Entscheidungen verweisen auf den Einsatz der beiden Männer im Freiheitskampf gegen die Sowjetunion und Nazi-Deutschland.

NS-Zeit

Litauen wurde im Zweiten Weltkrieg abwechselnd von der Sowjetunion und Nazi-Deutschland besetzt. Während der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944 ermordeten die Nationalsozialisten und einheimische Helfer mehr als 90 Prozent aller damals rund 200.000 in Litauen lebenden Juden.

Nach Kriegsende wurde der Baltenstaat bis 1990 unfreiwillig Teil der Sowjetunion. dpa

Bildunterschrift: Zentrum des jüdischen Lebens in Litauen: die Synagoge von Vilnius.

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Blick nach Rechts, 16.09.2019:

Haider-Anhänger stellen sich zur Wahl

Von Anton Maegerle

Bei der Wahl zum österreichischen Nationalrat am 29. September tritt im Bundesland Kärnten die extrem rechte Splitterpartei "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) an.

Der vormalige FPÖ-Parteiobmann Jörg Haider hatte 2005 das BZÖ als Abspaltung der FPÖ gegründet und zunächst auch erfolgreich parlamentarisch angeführt. Zwischenzeitlich tendiert die politische Bedeutung der Anti-EU-Partei sowohl bundesweit als auch in Kärnten gegen Null. Zuletzt löste sich im Juli 2019 das BZÖ Wien auf. Damit ist das BZÖ nur noch in Kärnten bedingt politisch funktionsfähig.

Der 2008 tödlich verunglückte Haider ist nach wie vor das Aushängeschild der untoten Partei. Gebetsmühlenartig wird vom BZÖ behauptet, dass Haider nicht betrunken in den Tod gerast, sondern am 11. Oktober 2008 bei einem "politischen Mord" in der Ortschaft Lambichl im Süden Klagenfurts "verunfallt" sei.

An der Spitze der Partei, die sich als "Bewegung" versteht, steht ein männliches Trio: Als BZÖ-Landesparteiobmann amtiert seit 2017 Helmut Nikel. Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl ist Martin Rutter. Das Amt des Generalsekretärs hat Karlheinz Klement inne.

Unterstützung durch Martin Sellner

Im Vorfeld des Wahlkampfes wollte das BZÖ Kärnten den im deutschsprachigen Raum führenden Aktivisten der rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB), Martin Sellner, als Spitzenkandidaten gewinnen. "Wir haben uns getroffen und festgestellt, dass wir in sehr vielen Bereichen ähnlich denken", zitiert die Zeitung "Kurier" den Generalsekretär Klement. Sellner lehnte zwar ab, unterstützt die Partei aber. Sellner, Dauerkolumnist des rechtspopulistischen "Compact"-Magazins ist ins Visier der Justiz geraten, weil er eine Spende vom rechtsterroristischen Christchurch Attentäter in Neuseeland erhalten hatte. Vor Jahren musste sich Sellner zu Hilfsarbeiten auf einem Jüdischen Friedhof verpflichten, da er zuvor Plakate mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Legalisiert es" an der Außenmauer der Synagoge in Baden angebracht hatte.

Bekanntester BZÖ-Politiker ist Karlheinz Klement, ehemals Generalsekretär der Bundes-FPÖ und geschäftsführender FPÖ-Landeschef in Kärnten. Klement kann drei Ausschlüsse aus der FPÖ und eine Verurteilung wegen Verhetzung vorweisen. Vom Oberlandesgericht Graz wurde Klement am 9. April 2010 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt. Klement hatte auf seiner Website von Oktober bis Dezember 2008 "verhetzende Textpassagen, in denen das jüdische Volk in einer die Menschenwürde herabsetzende Art beschimpft wird" (Anklageschrift), veröffentlicht.

Redner bei der "Gesellschaft für freie Publizistik"

In dem offen antisemitischen Text, der ursprünglich auf der neonazistischen Website "Altermedia" erschienen war, holte ein anonymer Schreiberling anlässlich der Kritik in israelischen Medien an der Massenhysterie angesichts von Jörg Haiders Unfalltod zum Rundumschlag aus. Sind einmal alle Jüdinnen und Juden tot, würde "sich gerade im deutschen Sprachraum ein Gefühl der Erleichterung und Genugtuung" einstellen. Schließlich wird offen mit Vernichtung oder einer "zweiten Lektion" gedroht, da die Jüdinnen und Juden "nichts aus der Geschichte gelernt" hätten.

Klement, der der Auffassung ist, dass Homosexualität eine "Kultur des Todes" ist, war 2016 Hauptredner beim rechtsextremen Ulrichsbergtreffen ehemaliger Wehrmachtssoldaten und Angehörigen der Waffen-SS bei Klagenfurt. In seiner Rede erklärte der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete: "Die Frontkämpfer waren nicht verantwortlich für den Krieg. Sie haben ihre Pflicht erfüllt", beendete er seine mit großem Beifall bedachte Ansprache. Im August 2018 war Klement einer der Redner beim Jahreskongress der rechtsextremen "Gesellschaft für freie Publizistik" im thüringischen Kirchheim. In seinem Vortrag wärmte Klement die Mär der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung auf.

Aus dem Team Kärnten ausgeschlossen

BZÖ-Spitzenkandidat Rutter, vormals zeitweilig Landtagsabgeordneter des Teams Kärnten vormals Team Stronach, schwadronierte beim Ulrichsbergtreffen 2017 zum Thema "Migrationslüge" und dem angeblich bewusst geplanten "Bevölkerungsaustausch". Zuvor war er bereits immer wieder mit der Verbreitung rechtsextremer Verschwörungstheorien auf Facebook aufgefallen. Als Konsequenz erfolgte der Ausschluss aus dem Team Kärnten.

Den Wahlkampf zur 27. Nationalratswahl in Österreich will das BZÖ mit Forderungen wie "Remigration statt Integration", "Austritt aus der EU" und "Umweltschutz statt Klimawahn" bestreiten. "Echter Umweltschutz", so das BZÖ, "hat nichts mit dem hysterischen Klimagetöse zu tun, das derzeit medial aufgebauscht wird".

"Mit den giftigen Gedanken der linken und grünen Chaoten verseucht"

Ganz im Stil von Verschwörungstheoretikern lehnt das BZÖ eine Impfpflicht "strikt" ab, da diese einen "Eingriff in Persönlichkeitsrechte" darstelle. Die politische Landschaft Österreichs ist aus Sicht des BZÖ "verseucht mit den giftigen Gedanken der linken und grünen Chaoten". Dagegen stehe man selbst "für einen Staat von Recht und Ordnung und bündele die positiven Kräfte dieses Landes".

Trotz der ausgegebenen Parole "Wir sind nicht tot!" beim Kärntner Landtagswahlkampf 2018 erzielte das BZÖ lediglich schlappe 0,37 Prozent. 2009, nach Haiders Tod, waren es noch 44,89 Prozent gewesen. Das Ende der untoten Partei dürfte nach der Nationalratswahl absehbar sein.

Bildunterschrift: Letzte Chance für die Kärntner Rechtsaußen-Partei (Screenshot).

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MiGAZIN, 16.09.2019:

Runder Tisch in Berlin / Grütters fordert härtere Strafe für antisemitische Straftaten

Kulturstaatsministerin Grütters fordert gesetzliche Strafverschärfung bei antisemitischen Taten. Antisemitismus sei "hemmungsloser" geworden. Zuvor hat in Berlin erstmals ein Runder Tisch gegen antisemitische Gewalt getagt.

Nach den jüngsten judenfeindlichen Angriffen fordert Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) eine gesetzliche Strafverschärfung bei antisemitischen Taten. "Wenn wir ausdrücklich regeln, dass ein antisemitischer Hintergrund eine härtere Strafe nach sich zieht, können wir die Täter sichtbarer zur Rechenschaft ziehen", sagte Grütters der "Welt am Sonntag". Damit unterstütze sie ausdrücklich einen entsprechenden Vorschlag von Felix Klein, dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung.

Grütters betonte, der Antisemitismus sei "hemmungsloser" geworden. "Es ist etwas ins Rutschen geraten - daraus darf kein Erdrutsch werden", sagte die CDU-Politikerin. Dazu hätten auch die Sozialen Netzwerke beigetragen. "Weil die Verbreitung von Hass und Hetze dort - auch anonym - so leicht möglich ist, trauen sich die Menschen auf der Straße auch mehr als früher, ihren Antisemitismus öffentlich zu zeigen oder ihn sogar in Gewalt zu entladen."

Antisemitisch motivierter Übergriff

Hinzu komme, dass man viel stärker als früher mit "islamistischen Antisemitismus" zu tun habe. "Damit müssen wir uns noch stärker auseinandersetzen", forderte Grütters.

Zuletzt hatte vor rund einer Woche ein offenbar antisemitisch motivierter Übergriff für Schlagzeilen gesorgt. Dabei schlug ein Unbekannter einem 21-Jährigen ins Gesicht, der sich mit drei Freunden vor einer Diskothek in Berlin auf Hebräisch unterhalten hatte.

Runder Tisch in Berlin

Am Donnerstag hatte erstmals in Berlin ein Runder Tisch gegen antisemitische Gewalt getagt. Das von der Innenverwaltung initiierte 17-köpfige Gremium soll konkrete Sicherheitsfragen klären und den Betroffenen Hilfestellungen bieten, erklärte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) zum Auftakt. Berlin müsse auch in Zukunft für Juden eine sichere Heimatstadt bleiben. Hintergrund sind zunehmende juden- und israelfeindliche Attacken und Übergriffe in Berlin. Der Runde Tisch soll alle drei Monate tagen.

Teilnehmer des bundesweit einmaligen Projektes sind die Jüdischen Gemeinden, der Zentralrat der Juden, Vertreter der Zivilgesellschaft sowie behördliche und nicht-behördliche Sicherheitsexperten. Auch Polizei und Verfassungsschutz sind beteiligt. "Mit Sorge stellen wir fest, dass sich antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft offenbar verfestigen und Gewalttaten ansteigen", sagte Akmann. Auf offener Straße würden Juden angegriffen und beleidigt. "Dem können wir nicht tatenlos zusehen", sagte Akmann. (epd/mig)

Bildunterschrift: Antisemitismus.

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MiGAZIN, 16.09.2019:

Zentralrat fordert Polizeischutz / Erneute Bombendrohung gegen Moscheen

Erneut hat es gegen die Duisburger Merkez-Moschee eine Bombendrohung gegeben. Der Staatsschutz ermittelt. Derweil fordert der Zentralrat der Muslime mehr Polizeischutz für Moscheen.

Gegen die Duisburger Merkez-Moschee hat es erneut eine Bombendrohung gegeben. Am Freitagmorgen habe der Vorstand der Ditib-Gemeinde eine E-Mail von einem unbekannten Absender mit der Ankündigung erhalten, um 11 Uhr werde eine Bombe hochgehen, teilte die Duisburger Polizei am Freitag mit. Der Moschee-Vorstand habe sofort die Polizei alarmiert und eine Räumung des Gebäudes veranlasst, in dem sich zehn Menschen befanden.

Daraufhin wurde nach Polizeiangaben das Gebiet rund um die Moschee abgesperrt, Beamte und ein Sprengstoffspür-Hund suchten das Gelände und das Gebäude ab. Gegen Mittag wurde Entwarnung gegeben. Das Freitagsgebet habe ohne Verzögerung stattfinden können, hieß es. Der Staatsschutz der Duisburger Kriminalpolizei nahm Ermittlungen auf.

Einer Meldung von "Brandeilig" zufolge, haben am selben Tag auch die Ditib-Şehitlik-Moschee in Berlin und eine Ditib-Moschee in Köln Pulheim Bombendrohungen erhalten. In beiden Fällen wurde nach einer Durchsuchung von der Polizei Entwarnung gegeben. "Brandeilig" ist eine Internet-Plattform zur Erfassung von Übergriffen auf Moscheen.

Zentralrat der Muslime fordert mehr Polizeischutz

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland fordert angesichts von Übergriffen und Bombendrohungen mehr Polizeischutz für Moscheen. Der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", er plädiere für "ein neues Sicherheitskonzept, denn die Gefahrensituation für muslimische Einrichtungen hat sich grundlegend verändert".

Bundesweit seien in diesem Jahr nur wenige Fälle von Bombendrohungen gegen Moscheen öffentlich geworden, es gebe aber mehr, erklärte Mazyek. Sein Verband wisse von 18 Fällen, "die Dunkelziffer dürfte noch höher sein". Viele Moscheen wollten nicht, dass entsprechende Informationen nach außen drängen, denn sie fürchteten Trittbrettfahrer.

Politiker sollen Moscheen besuchen

Mazyek forderte Politiker auf, betroffene Moscheen zu besuchen. "Das ist zwar Symbolpolitik, aber es braucht Symbole in diesem Zusammenhang." Wenn dies ausbleibe, hätten alle verloren. Denn diejenigen, die Anschläge organisierten, setzten darauf, dass die Spaltung der Gesellschaft zunehme. "Und wenn eine Minderheit angegriffen wird, dauert es nicht lange, bis es die nächste Minderheit trifft." Der Zentralratsvorsitzende kritisierte: "Es ist fatal, wenn die öffentliche Empörung ausbleibt und diese Vorgänge nicht als Gefahr gegen die Demokratie als solche verstanden werden."

Bereits im Juli hatte die Merkez-Moschee im Stadtteil Marxloh eine Bombendrohung per E-Mail erhalten, verdächtige Gegenstände wurden jedoch nicht gefunden. Damals war das Schreiben mit "Combat 18" unterzeichnet. Die rechtsextreme Terrororganisation "Combat 18" gilt als militanter Arm des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour". (epd/mig)

Bildunterschrift: Moscheekuppel.

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hessenschau.de, 16.09.2019:

Nach Lübcke-Mord / Weitere Drohschreiben an Frankfurter Anwältin aufgetaucht

16.09.2019 - 16.43 Uhr

Rechtes Netzwerk oder Trittbrettfahrer? In einem jüngst bekannt gewordenen Schreiben an die Frankfurter Anwältin Basay-Yildiz bezieht sich ein rechtsextremer Verfasser auf den Lübcke-Mord - zu einem Zeitpunkt als noch gar nicht klar war, dass die Spur ins rechtsextremistische Milieu führt.

Von Frank Angermund

5. Juni 2019: In den Wohnzimmern läuft Aktenzeichen XY - ungelöst. Die Polizei sucht mit Hilfe der ZDF-Fernsehsendung Zeugen und Hinweise im Fall des ermordeten Kasseler Ex-Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Drei Tage sind seit dem Anschlag auf den CDU-Politiker vergangen. Es soll noch elf Tage dauern, bis der Rechtsextremist Stephan Ernst als Tatverdächtiger festgenommen wird.

Aber an diesem 5. Juni erhielt die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz nach hessenschau.de-Informationen ein Droh-Fax. Sie hatte zuvor schon mehrere Schreiben dieser Art erhalten. Dieses Fax wurde erneut mit NSU 2.0 unterschrieben. Der oder die Verfasser drohten sinngemäß: Wir haben Walter Lübcke getötet. Bald bist Du dran!

Rechtes Netzwerk oder Trittbrettfahrer?

Aus dem Drohschreiben wird nicht klar, ob der Verfasser tatsächlich über Täterwissen im Fall des ermordeten Lübcke verfügt. Es ist auch nicht ersichtlich, ob es Verbindungen nach Kassel gibt und ob sich eine rechte Struktur gebildet hat. Möglich wäre auch, dass ein rechter Trittbrettfahrer den Mord an Lübcke für seine Zwecke nutzt, um der Anwältin Angst zu machen. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft lässt sich in diesem Fall nicht in die Karten schauen. In einer schriftlichen Antwort hieß es: Die Ermittlungen dauern an.

Neben "NSU 2.0" wurde das Fax mit "Prinz Eugen SSOSTUBAF" unterzeichnet. Die Abkürzung soll wahrscheinlich für SS-Obersturmbannführer stehen. Prinz Eugen hieß eine SS-Division, die während des Zweiten Weltkriegs für zahlreiche Kriegsverbrechen in Jugoslawien verantwortlich war.

Mordaufruf im Darknet, Drohschreiben seit über einem Jahr

Öffentlich bekannt wurde die Frankfurter Anwältin Basay-Yildiz vor allem, weil sie sich als Nebenklagevertreterin beim NSU-Prozess für Angehörige des Blumenhändlers Enver Simsek aus Schlüchtern (Vogelsberg) engagierte. Er war das erste Opfer der rechtsextremistischen Mordserie geworden. Als Anwältin vertritt Basay-Yildiz unter anderem auch mutmaßliche Salafisten und Islamisten wie den Bin-Laden-Leibwächter Sami A.

Basay-Yildiz ist es gewohnt Droh- und Beleidigungs-Mails zu erhalten. Eine neue Qualität erhielten die Drohungen, als im Sommer 2018 gedroht wurde, man werde "ihre Tochter schlachten".

Inzwischen hat die Anwältin mindestens sechs Drohschreiben erhalten, die mit NSU 2.0 unterzeichnet wurden und alle verschlüsselt über das Darknet versandt wurden. Die Ermittlungen der Polizei führten in die eigenen Reihen, dort waren vertrauliche Daten über Basay-Yildiz von einem Polizeicomputer aus abgefragt worden. Bislang ist aber nicht klar, wer Absender der Drohbriefe ist.

Basay-Yildiz erhielt nach hessenschau.de-Informationen am 10. Juli das bisher letzte Droh-Fax. Zwei Tage danach rief eine Gruppierung im Darknet zum Mord an der Frau auf. Per Mail wurden einige Journalisten darüber informiert. Unterschrieben wurde die Mail mit "Sieg Heil und Heil Hitler! Mit freundlichen Grüßen Die Musiker des Staatsstreichorchesters".

SPD wirft Innenminister katastrophale Informationspolitik vor

Basay-Yildiz äußert sich öffentlich nicht mehr zu den Drohbriefen. Umso intensiver wird im Landtag über die Vorfälle diskutiert. Die SPD-Fraktionsvorsitzende warf Innenminister Peter Beuth (CDU) vor, die innenpolitischen Sprecher der Fraktionen nicht über das Droh-Fax an Basay-Yildiz vom 5. Juni informiert zu haben. Schließlich sei dies ein möglicher Hinweis auf einen rechtsextremen Hintergrund der Tat gewesen.

Damit setze der Minister seine "katastrophale Informationspolitik" zum Thema Rechtsextremismus fort, erklärte Faeser. "Das immer wieder vorgebrachte Argument, mit der Weitergabe von Informationen würden Ermittlungen gefährdet, erscheint uns an dieser Stelle nicht schlüssig."

Die CDU-Fraktion wies den Vorwurf zurück. Der Innenminister habe die Obleute des Innenausschusses "selbstverständlich" über das Fax informiert, teilte der Parlamentarische Geschäftsführer Holger Bellino mit.

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Hermann Schaus, forderte die suspendierten Frankfurter Polizeibeamten auf, ihr Schweigen zu dem Fall zu brechen. "Der oder die Polizisten, die schon vor mehr als einem Jahr vertrauliche Informationen aus einem Polizeicomputer über die Frankfurter Anwältin weitergegeben haben, tragen somit eine Mitverantwortung für diese schreckliche Bedrohungsserie."

Bildunterschrift: Die Anwältin Seda Basay-Yildiz erhält Drohbriefe per Fax.

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Störungsmelder, 16.09.2019:

Innenminister wollen rechtsextremistische Gruppe Combat 18 verbieten lassen

16.09.2019 - 10.58 Uhr

Mehrere Bundesländer fordern Innenminister Horst Seehofer auf, das gewaltbereite Neonazi-Netzwerk Combat 18 zu verbieten. Die Gruppe könnte in Zusammenhang mit dem Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke stehen.

Die Innenminister von Niedersachsen, Thüringen und Hessen fordern ein Verbot der rechtsextremistischen Gruppe Combat 18. "Wenn wir Combat 18 verfassungsfest verbieten können, sollten wir das so schnell wie möglich tun", sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) der tageszeitung (Montagsausgabe) aus Berlin. Das Bundesinnenministerium müsse ein Verbot "schnell und gründlich prüfen".

Auch der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) sagte der Zeitung, "sollte der Bund ein Verbotsverfahren auf den Weg bringen, begrüße und unterstütze ich dieses ausdrücklich". Wie die taz berichtete, schrieb zudem der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) einen Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit der Bitte um ein Verbot. Hessen "setzt sich dafür ein", heiße es darin.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der taz, zu Verbotsüberlegungen äußere sich das Ministerium grundsätzlich nicht. Combat 18 sei aber eine "neonazistische, rassistische, fremdenfeindliche, demokratiefeindliche und gewaltbereite Gruppierung".

Die Gruppierung gilt als bewaffneter Arm des bereits seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen rechtsextremistischen Netzwerks Blood and Honour. Derzeit wird geprüft, in welcher Beziehung Stephan E., der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, zu Combat 18 stand. Bundesinnenminister Seehofer hatte bereits angekündigt, ein Verbot der Gruppierung prüfen zu lassen.

(AFP)

Bildunterschrift: Das Bild von 2003 zeigt sichergestellte Waffen der Gruppe Combat 18 in Schleswig-Holstein.

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die tageszeitung Online, 16.09.2019:

Debatte um rechte Gruppe Combat 18 / Her mit dem Verbot!

Kommentar von Konrad Litschko

Das Verbot von Combat 18 lässt auf sich warten. Dabei stellt sich die Frage, warum die rechtsextreme Gruppierung nicht längst verboten ist.

Eigentlich gilt in den Sicherheitsbehörden bei Verboten eine eherne Regel: Nicht drüber reden, sondern machen. Im Fall Combat 18 läuft es diesmal anders. Da kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer bereits direkt nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke an, ein Verbot der rechtsextremen Truppe ins Auge zu fassen. Weil er Tatkraft zeigen wollte, Entschlossenheit. Mit der Folge nur, dass die Neonazis - wenn sie nicht noch bekloppter sind als ohnehin schon - seitdem alles zur Seite schaffen können, was ihnen brenzlig werden könnte.

Das tatsächlich Eigenartige aber ist, dass Combat 18 nicht längst verboten ist. Kaum eine Gruppe steht ideologisch dem zehnfach mordenden NSU so nahe wie diese, verherrlicht seit Jahren Terror und Untergrundkampf. Wurde das eng verbandelte "Blood and Honour"-Netzwerk bereits 2000 verboten, blieb Combat 18 - trotz seines Eigenverständnisses als militanter Ableger - seltsamerweise unangetastet.

Dabei gelten etliche Mitglieder bis heute als äußerst gewaltbereit, fuhren zu Schießtrainings, organisieren Rechtsrock-Konzerte, veröffentlichten zuletzt eine CD mit Hass-Aufrufen und Hakenkreuz auf dem Cover. Was gibt es da noch zu überlegen? Wen soll man überhaupt verbieten, wenn nicht diese Truppe?

Sind es wieder mal V-Leute, welche die Behörden nicht gefährden wollen und sie zögern lassen? Will man die Gruppe lieber so im Blick behalten, statt sie zu zerschlagen? Das dürfen keine Argumente sein. Auch nicht, dass die Neonazis ja sowieso weitermachen würden. Ja, viele der Combat-18-Leute stecken seit Jahren tief in der Szene, sie werden wohl auch nach einem Verbot ihre rassistische Ideologie weiter ausleben.

Aber: Solch eine Truppe mit diesem unverhohlenen NS- und Gewaltkonzept gewähren zu lassen, sie nicht zu verbieten, wäre das weitaus fatalere Signal. Ein Verbot würde der Szene zumindest zeitweise einen Schlag versetzen. Es wäre die klare Botschaft, dass hier eine rote Linie überschritten wurde. Und das schon vor langer, langer Zeit.

Bildunterschrift: Die Verzögerung gibt den Neonazis Zeit, zur Seite zu schaffen, was ihnen brenzlig werden könnte.

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Blick nach Rechts, 16.09.2019:

AfD im Visier

Von Sebastian Lipp

Das Bayerische Innenministerium sieht bei einzelnen AfD-Anhängern "Verbindungen in die rechtsextremistische, die verfassungsschutzrelevante islamfeindliche und die Reichsbürger-Szene". Für "extremistische Bestrebungen" der "Jungen Alternative" und des "Flügels" liegen dem Verfassungsschutz "hinreichend gewichtige Anhaltspunkte" vor.

Für Katharina Schulze ist es offensichtlich: "Die bayerische AfD ist rechtsextrem, antisemitisch und islamfeindlich und wird vom so genannten Flügel dominiert. Für uns steht außer Frage, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss." So reagierte die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen in Bayern Ende vergangener Woche auf die Antwort des Bayerischen Innenministeriums zu einer parlamentarischen Anfrage über die "Beobachtung von Teilorganisationen und Mandatsträgern der AfD durch den Verfassungsschutz".

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz indes sieht laut der Antwort auf die Anfrage der Grünen "die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung des bayerischen Landesverbandes der AfD gegenwärtig nicht" vorliegen. Eine Änderung dieser Sachlage sei bislang nicht eingetreten. Offen zugängliche Informationen zur AfD würden jedoch fortlaufend und ergebnisoffen daraufhin geprüft, ob in der Gesamtpartei Bestrebungen vorliegen, die den Kernbestand des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder zu beseitigen versuchen. Darüber hinaus werde "darauf geachtet, ob Extremisten steuernd innerhalb des Landesverbandes der Partei wirken und welchen Einfluss extremistische Stimmen auf den Landesverband haben".

Einzelpersonen gezielt beobachtet

Einzelpersonen innerhalb der AfD beobachtet der Inlandsgeheimdienst jedoch gezielt und gegebenenfalls mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Denn diese "weisen teilweise Verbindungen in die rechtsextremistische, die verfassungsschutzrelevante islamfeindliche und die Reichsbürger-Szene auf", heißt es in der Antwort des Staatsministeriums. Mandatsträger würden derzeit keine beobachtet. Bis Anfang des Jahres war das noch anders. Damals standen drei Personen unter Beobachtung, die bei der Landtagswahl am 14. Oktober 2018 ein Mandat für die AfD errungen haben. Das berichtete das Fachportal "Allgäu rechtsaußen" unter Berufung auf einen Sprecher des Landesamtes.

"Hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen der Jungen Alternative (JA) in Bayern" liegen dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz allerdings bereits vor. Deshalb wird die Jugendorganisation der AfD im Freistaat gezielt beobachtet. Der Landesverband versuche sich nach Auffassung des Verfassungsschutzes gegenüber anderen JA-Landesverbänden als Organisator von Veranstaltungen mit einer über die Landesgrenzen hinausgehenden Anziehungskraft hervorzutun, was "die Bedeutung des bayerischen Landesverbands innerhalb der Bundes-JA stärken" könnte.

Höcke: "Geistig-moralische Wende ( … ) erzwingen"

Aus der Antwort des Innenministeriums geht hervor, dass die "Junge Alternative am 5. Mai dieses Jahres in München einen politischen Frühschoppen mit mehreren Rednern und etwa 200 Teilnehmern veranstaltete". Prominentester Redner war demnach Björn Höcke, Vorsitzender der Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen und Führungsperson des so genannten "Flügels". Höcke diffamierte laut Verfassungsschutz in seiner Rede die Bundesrepublik Deutschland als einen "perversen" und "dekadenten" Staat, er fordert dazu auf, eine "geistig-moralische Wende" zu "erzwingen": "Und es ist jetzt allerhöchste Eisenbahn, das Land ist in größter Not. Jetzt, liebe Freunde, muss die AfD nicht nur über diese geistig-moralische Wende reden, sondern wir müssen sie erzwingen."

Die Rede Höckes offenbare ein auf einem ethnisch-homogen definierten Volksbegriff beruhendes Gesellschaftsideal, heißt es dazu in der Antwort der Bayerischen Staatsregierung. Migration aus dem vorderasiatischen Raum führe laut Höcke etwa zu einem "Kultur- und Zivilisationsbruch", den er als abzuwendende historisch-kulturelle "Kernschmelze" bezeichnet. Ebenso finde sich in der Rede auch das in rechtsextremistischen Kreisen weit verbreitete Untergangsnarrativ von einem sich im "Existenzkampf" befindenden deutschen Volk, dessen kollektives Überleben durch Zuwanderung bedroht sei: "Wir kämpfen einen Kampf um alles oder nix, wir kämpfen den Kampf als Deutsche und als Europäer um Sein oder Nichtsein. ( … ) Deutschland ist kein Siedlungsgebiet. Deutschland ist nicht verhandelbar."

"Unterschwellig antisemitisches Gedankengut"

Bereits am Tag zuvor war Höcke Hauptredner beim "Süddeutschen Flügeltreffen" in einer Veranstaltungshalle in Greding. In seiner Rede befasste er sich "insbesondere mit dem Thema Migration, traf in diesem Zusammenhang als völkisch zu bewertende Aussagen und rekurrierte auf das im Rechtsextremismus weit verbreitete Verschwörungsmotiv, wonach das "Deutsche Volk" durch zugewanderte "volksfremde" Migranten verdrängt werden solle", hält das Bayerische Landesamt fest. Zudem bediente Höcke demnach "unterschwellig auch antisemitisches Gedankengut": "So sprach er von George Soros, einem amerikanisch-ungarischen Milliardär jüdischer Abstammung, der zivilgesellschaftliche Akteure in mehreren Ländern fördert, mit den Worten, "(… ) die EU ist in ihrer heutigen Form nichts anderes als eine neoliberalistische Globalisierungsagentur, die den volkszerstörenden und als pervers zu bezeichnenden Ungeist eines George Soros exekutiert"." George Soros werde, so der Verfassungsschutz weiter, "u.a. von Rechtsextremisten regelmäßig zur ideologischen Feindfigur stilisiert. In einschlägigen Verschwörungstheorien wird ihm u.a. unterstellt, gezielt die Masseneinwanderung nach Europa zu befördern."

Ein anderer Redner auf der Veranstaltung in Greding äußerte sich nach Erkenntnissen des Innenministeriums "fremdenfeindlich, indem er Flüchtlinge u.a. pauschal der Begehung von schwersten Straftaten bezichtige". Ein weiterer Redner habe das Ideal einer geschlossen ethnokulturellen Gesellschaft postuliert und warnte vor dem angeblich bevorstehenden "Untergang" des deutschen Volkes.

Bildunterschrift: Auch Einzelpersonen innerhalb der AfD werden vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet (Screenshot).

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