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Westfalen-Blatt / Westfälisches Volksblatt , 25.05.2019 :

Rätsel um Himmlers Beuteschwert

Raubkunst ist auch für das Kreismuseum nach 80 Jahren ein aktuelles Thema

Von Bernhard Liedmann

Wewelsburg (WV). Die Kunst-Raubzüge der Nazis in ganz Europa lösen auch nach 80 Jahren Nachforschungen im Kreismuseum Wewelsburg aus. Zumindest bei einem Bronzeschwert im Bestand des Museums ist gesichert, dass es 1939 von Heinrich Himmler auf einer Auktion erworben wurde, bei der Objekte aus jüdischem Besitz versteigert wurden.

Doch die Forschungen zur Herkunft von einigen Museumsbeständen sind noch nicht abgeschlossen. Auch das Kreismuseum Wewelsburg betreibt die Provenienzforschung zur Aufklärung, ob Exponate vielleicht Raubgüter von jüdischen Familien sind.

Für die kommende Sitzung des Kreistages am Montag, 3. Juni, hatte die Fraktion der Linken die Verwaltung um Auskunft gebeten, ob alle Bestände des Museums rechtmäßig erworben wurden oder ob es sich auch um Raubkunst handelt.

In ihrer Antwort auf die Anfrage gesteht die Kreisverwaltung auch in dieser Frage noch Forschungsbedarf ein. So werden in der Erinnerungs- und Gedenkstätte in der Abteilung "Raubkunst" auch Exponate gezeigt, die deutlich als Beutegut oder unrechtmäßig erworbene Stücke gekennzeichnet werden.

Bei Recherchen in den vergangenen zwei Jahren stellte sich aber auch heraus, dass zumindest das Bronzeschwert im Museumsbestand im Jahr 1939 von Himmler auf einer Auktion erworben wurde, bei der beschlagnahmte Kunstwerke des jüdischen Sammlers Moritz Rothberger aus Wien versteigert wurden. Die Familie Rothberger war Besitzer eines großen Textilkaufhauses in Wien. Bei dem Bronzeschwert werde momentan versucht, die Erben ausfindig zu machen, so die Verwaltung. Das Schwert mit einer Länge von 62 Zentimetern wurde nach dem Zweifel an dessen rechtmäßiger Herkunft 2017 aus der Ausstellung genommen. Nach Recherchen des Kreises soll eine erbberechtigte Familie in Amerika leben. Diese wird das Museum kontaktieren. Die Familie könne dann entscheiden, was mit dem Schwert passieren soll, so die Kreisverwaltung. Bis dahin werde es in der Ausstellung nicht mehr gezeigt.

Der museale Herkunftsnachweis für die NS-Zeit ist auch deshalb erschwert, weil der damalige SS-Archäologe Wilhelm Jordan als SS-Prähistoriker 1936 zur Wewelsburg kam und hier ein Museum zur "deutschen Vorzeit" aufbaute mit vor- und frühgeschichtlichen Objekten, Fundstücken aus Grabungen und Kunstwerken, die der Reichsführer-SS Heinrich Himmler oder seine Beauftragten auf Auktionen erwarben. Das alte Kreisheimatmuseum wurde in dieser Zeit nach Büren ausgelagert.

Jordan, ab 1938 staatlicher Bodendenkmalpfleger für Lippe und das Paderbornern Land, beutete dabei in den ersten Kriegsjahren für seine Ausgrabungsprojekte Zwangsarbeiter und Häftlinge aus dem KZ Niederhagen aus. Er plünderte zudem im persönlichen Auftrag Himmlers ukrainische Museen und Privatsammlungen für die SS und "sein" Wewelsburger Museum. Jordan selbst hatte sein Studium der vorgeschichtlichen Archäologie nicht abgeschlossen, trat aber schon 1931 in die NSDAP ein.

Zum Kriegsende ging, so die Kreisverwaltung, ein großer Teil dieser Sammlung verloren. Einige Objekte, unter anderem vor- und frühgeschichtliche Funde, gingen in den Bestand des Kreismuseums oder des Altertumsvereins über.

Das Kreismuseum Wewelsburg hat sich freiwillig zur Einhaltung der Washingtoner Prinzipien über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust schriftlich verpflichtet, führt die Kreisverwaltung in ihrer Antwort weiter aus. Dies beinhalte auch die Identifikation und Veröffentlichung von beschlagnahmten oder erbeuteten Gegenständen, um sie den früheren Besitzern zurückzugeben.

Ferner will man einen Projektantrag zur Erforschung der Herkunft von ungeklärten Objekten aus dem Museumsbestand des Altertumsvereins beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste stellen. Das Museum beteiligt sich zudem am LWL-Ausstellungsprojekt "Geschichte der Dinge", das September 2020 in Wewelsburg starten soll. Zur weiteren Erforschung regionaler Kulturgüter führt die Verwaltung aus, dass in Stadt- und Kreisarchiv zahlreiche Dokumente unter anderem zur "Arisierung" in den 1930er Jahren vorhanden seien. Diese enthielten auch in der Regel Verkaufs- und Inventarlisten, in denen Vermögenswerte erfasst worden seien. Zur umfassenden Aufklärung müssten jedoch auch sämtliche Akten zur Wiedergutmachung und Entschädigung mit mehreren hundert Einzelvorgängen ausgewertet werden.

Bildunterschrift: Das Kreismuseum Wewelsburg hat auch ein Bronzeschwert in Besitz, das 1939 von Heinrich Himmler auf einer Auktion erworben wurde. Hier versucht das Museum derzeit, den Erben ausfindig zu machen. Sie sollen in Amerika leben. Das Schwert selbst ist seit 2017 aus der Ausstellung herausgenommen worden, nachdem Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Besitzes auftauchten.

Bildunterschrift: Das Bronzeschwert mit einer Länge von 62 Zentimetern wurde 2017 aus der Ausstellung genommen.

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Am 3. Juni 2019 diskutiert der Kreistag Paderborn beim Thema "Provenienzforschung im Kreis Paderborn" die freiwillige Selbstverpflichtung des "Kreismuseums Wewelsburg", bei Vermögenswerten aus der NS-Zeit.

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www.kreis-paderborn.de/kreis_paderborn/politik/kreistag/kreistagsinformationssystem/buerger.php

www.wewelsburg.de

25./26.05.2019

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