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Blick nach Rechts , 13.11.2018 :

"Ikone" der Bewegung

Von Julian Feldmann

Rund 400 Rechtsextremisten sind am Samstag anlässlich des 90. Geburtstags der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel durch Bielefeld marschiert. Spektrenübergreifend engagiert sich die rechte Szene für die derzeit inhaftierte Geschichtsrevisionistin.

Von aktivistischer Neonazi-Szene bis hin zu völkischen Aktivisten - die Solidarität mit der mehrfach verurteilten Rechtsextremistin Ursula Haverbeck scheint zu einen. Seitdem Haverbeck-Wetzel im Mai eine Haftstrafe in einer Bielefelder Justizvollzugsanstalt antreten musste, wird in der rechtsextremen Szene um Solidarität mit der 1928 geborenen unverbesserlichen Auschwitz-Leugnerin geworben.

Grußbotschaft aus dem Gefängnis

Die Organisation der Demo war fest in der Hand von Neonazis aus Nordrhein-Westfalen, die in der Partei "Die Rechte" organisiert sind. Der Landesverband hatte die Demonstration zwei Tage nach Haverbeck-Wetzels 90. Geburtstag auch angemeldet. Matthias Brück und Sascha Krolzig, beide aus Dortmund, traten vor Ort als Organisatoren auf. Der Haverbeck-Vertraute Markus Walter, der nicht nur "Die Rechte" im Rhein-Erft-Kreis vertritt, sondern auch den Kreisverband im niedersächsischen Verden anführt, verlas eine Grußbotschaft von Haverbeck-Wetzel aus dem Gefängnis.

Als Redner traten der als "Volkslehrer" bekannte Rechtsextremist Nikolai N. aus Berlin sowie der Düsseldorfer Neonazi-Kader Sven Skoda auf. Die antisemitische Mär vom Mord an Jesus durch die Juden verbreitete Christian Bärthel in seiner Rede. Der Rechtsextremist und "Evangelist" aus Ronneburg in Thüringen gilt als gut vernetzt in der Szene der deutschen Holocaust-Leugner. "Gott segne unser deutsches Vaterland", brüllte Bärthel bei der Zwischenkundgebung vor dem Justizzentrum. Offensichtlich um die Opfer des Holocaust zu verhöhnen, trug Thomas Wulff, ehemaliger Hamburger NPD-Landesvorsitzender und bekennender Nationalsozialist, unter seinem offenen Mantel ein T-Shirt mit der Aufschrift "Auschwitz - ich hätte da mal eine Frage" und einer Silhouette des Torgebäudes des KZs Auschwitz-Birkenau.

Eine der mutigsten Frauen

Auch langjährige Weggefährten Haverbeck-Wetzels kamen zu der Demonstration, wie etwa Arnold Höfs, der auch eine kurze Rede hielt. Höfs war schon an der Seite Haverbeck-Wetzels aktiv, als diese noch beim "Collegium Humanum" im ostwestfälischen Vlotho wirkte. Als 2008 nicht nur das "Collegium Humanum", sondern auch der Unterverein "Bauernhilfe" vom Bundesinnenministerium verboten wurde, rückte die Polizei auch bei Höfs an und beschlagnahmte Unterlagen und Vereinsvermögen.

Der knasterfahrene Volksverhetzer Hofs war nicht nur Schatzmeister der "Bauernhilfe", sondern stellte später der "Europäischen Aktion" auch ein Spendenkonto zur Verfügung. Als eine der mutigsten Frauen, die er je kennengelernt hat, bezeichnete Thorsten Heise die in Haft sitzende Volksverhetzerin. Sven Skoda nannte die 90-Jährige eine "Ikone" für die Bewegung.

Langjährige Neonazis mit dabei

Unter Parolen wie "Haverbeck freilassen" und "Nie wieder Israel" zogen die Rechtsextremisten durch die Bielefelder Innenstadt. Die "Nationalen Sozialisten Gütersloh" gaben sich mit ihrem Banner ebenso zu erkennen wie die NPD aus Osthessen. Dabei waren auch langjährige Neonazis wie Thorsten Schuster von der NPD Hamburg, Dieter Riefling aus Hildesheim, Benjamin Krüger von der inzwischen verbotenen Kameradschaft "Besseres Hannover" und Siegfried Borchardt ("SS-Siggi") aus Dortmund.

Selbst für Rechtsextremisten, die ansonsten in jüngster Zeit eher die Öffentlichkeit scheuen, scheint die Thematik so wichtig zu sein, dass sie jetzt auf die Straße gehen: So etwa Steffen Hupka aus Sachsen-Anhalt, der sich zuletzt in radikal-völkischen Kreisen bewegte. 2014 hielt der Verfassungsschutz anlässlich der Veröffentlichung von Hupkas Pamphlet "Neue Wege" fest: "Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte und der Darstellung fallen Parallelen zu Hitlers "Mein Kampf" auf. Hitler schrieb 1924 den ersten Teil von "Mein Kampf" während seiner Festungshaft in der Haftanstalt Landsberg im oberbayerischen Landsberg am Lech." Hupka hatte seine Schrift während eines Gefängnisaufenthaltes verfasst.

Lautstarker Protest gegen den Neonazi-Aufmarsch

Auch Gerd Ulrich, der ehemals zur "Einheit Hermannsland" der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) gehörte, nahm an dem Aufmarsch teil. Ulrich war auch schon - neben anderen ehemaligen HDJ-Aktivisten - an den rechtsextremen Protesten in Chemnitz beteiligt. Von der NPD kamen nach Bielefeld auch Matthias Behrens aus dem niedersächsischen Heidekreis und Hans-Jochen Voß, der Vorsitzende des Kreisverbands Unna / Hamm.

Bis zu 10.000 Menschen beteiligten sich an zehn Gegendemonstrationen und begleiteten den Neonazi-Aufmarsch mit lautstarkem Protest. Zwei Sitzblockaden von rund 70 Nazi-Gegnern löste die Polizei schnell auf.

Bildunterschrift: Viele langjährige Vertreter der braunen Szene waren beim Aufmarsch (hinten im Bild) dabei.

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Bielefeld stellt sich quer - Bündnis gegen Rechts, 11.11.2018:

Pressemitteilung und Stellungnahme

Pressemitteilung und Stellungnahme des "Bündnis gegen Rechts" zu den Demos und dem Polizeieinsatz bei den Demos am 10.11.2018 in Bielefeld

Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts bedankt sich bei allen Bielefelderinnen / Bielefeldern, die den Aufrufen zu unseren Kundgebungen und Demonstrationen gefolgt sind. Rund 10.000 Menschen haben erneut ein klares und eindrucksvolles Zeichen für unsere bunte und vielfältige Stadt und gegen Antisemitismus, Holocaust-Leugnung sowie jede Form von Menschenfeindlichkeit gesetzt.

Die Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht, das für alle gilt. Es steht für Demokratinnen / Demokraten nicht zur Disposition, auch wenn es, wie beim gestrigen Aufzug der Neonazis, nur schwer erträglich ist, dass Demokratie-Feinde dieses Grundrecht ebenfalls in Anspruch nehmen.

Wir üben jedoch entschiedene Kritik an Taktik und Strategie der Polizei.

Bereits im Vorfeld hat sie ein Bedrohungsszenarium aufgebaut, um die Zivilgesellschaft einzuschüchtern und sie von einer Teilnahme an unseren Aktivitäten abzuhalten. Es wurde versucht, legitimen Protest gegen Nazis zu kriminalisieren. Durch den Einsatz von Wasserwerfern, Räumpanzern, Pferdestaffeln und die 1.700, teilweise paramilitärisch ausgerüsteten, Polizeibeamten aus dem gesamten Bundesgebiet wurde die Innenstadt über mehrere Stunden in einen Ausnahmezustand versetzt.

Dieses für unsere Stadt bisher beispiellose Einsatzkonzept der Polizei hat viele Bielefelderinnen / Bielefelder sehr verstört. Wir fühlten uns bei den von uns angemeldeten Demonstrationen von der Polizei nicht beschützt, sondern eindeutig feindselig bedroht und kriminalisiert. Räumpanzer und Wasserwerfer waren präventiv auf unsere Demonstrationsteilnehmerinnen / Demonstrationsteilnehmer gerichtet. Die Arbeit von Anwältinnen / Anwälten wurden von Anfang an massiv eingeschränkt, durch Falschinformationen verhindert oder durch rüden Polizeieinsatz unterbunden.

Die im Vorfeld getroffenen Vereinbarungen, damit die Demo-Teilnehmerinnen / -Teilnehmer zu den Kundgebungsstandorten kommen konnten, wurden nicht eingehalten, indem Kontrollstellen früher als zugesagt geschlossen wurden. Auch die vereinbarten Möglichkeiten zwischen den einzelnen Orten wechseln zu können, wurden nicht eingehalten. Wir fühlen uns in unserem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beschnitten. Mehrere tausend Menschen konnten die gewünschten Kundgebungen nicht erreichen. (1)

Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts war sowohl in der Vergangenheit, als auch am vergangenen Samstag, ein verlässlicher Veranstalter des zivilgesellschaftlichen Protests, welches gut mit der Polizei kooperiert und stets die Gewähr für den gewaltfreien Verlauf der Veranstaltungen übernommen hat. Wir sehen uns aber nicht als "Servicepartner" der Polizei, damit diese es einfacher hat, Faschisten einen Weg durch die Stadt zu ermöglichen. Mit dem gestrigen Einsatz hat die Polizei der Zivilgesellschaft geschadet und den geübten Weg des Konsenses verlassen.

Wir werden in den nächsten Wochen eine politische und auch gegebenenfalls rechtliche Aufarbeitung des überzogenen, unverhältnismäßigen und unangemessenen Einsatzes der Polizei vorantreiben und über Konsequenzen beraten.

(1) Durch die Sperrzone waren Wechsel zwischen den Versammlungsorten nur nördlich über die Beckhausstraße und südlich über die Sparrenburg-Promenade möglich. Daraus resultieren zum Beispiel folgende unverhältnismäßige und unangemessene Entfernungen:

Bahnhof zum Kesselbrink: circa 4,7 Kilometer über Beckhausstraße, statt circa 200 Meter direkt.

Jahnplatz zum Rathaus: circa 3,0 Kilometer über die Sparrenburg-Promenade, statt circa 200 Meter direkt.


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