www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 13.09.2018 :

44 Millionen Euro für Synagogen-Umbau

Sanierung: Die Landesregierung hat ein großes Investitionsprogramm für die jüdischen Gebetshäuser in NRW aufgelegt / Das Besondere daran ist, wie das Geld unter den Gemeinden aufgeteilt wird

Von Lothar Schmalen

Düsseldorf. Nach der Vernichtung des jüdischen Lebens durch die Nazis sind in den 50er- und 60er-Jahren in Deutschland wieder eine ganze Reihe von Synagogen entstanden. Weitere folgten, als viele Juden aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach 1990 zuzogen. Die bislang letzten beiden neuen Synagogen, die in NRW entstanden sind, stehen übrigens in Ostwestfalen. Die Synagoge in Bielefeld wurde 2008, die in Herford 2010 eingeweiht.

Vor allem die jüdischen Gotteshäuser und Gemeindezentren aus den 50er- und 60er- Jahren sind inzwischen in die Jahre gekommen. Der Umbau- und Sanierungsbedarf ist groß. Weil die Jüdischen Gemeinden in der Regel nicht über eine besonders große Finanzkraft verfügen, hat NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) jetzt ein nachhaltiges Bauprogramm für die Jüdischen Gemeinden aufgelegt. Es umfasst für die nächsten zehn Jahre insgesamt 44 Millionen Euro. In diesem Jahr stehen drei Millionen Euro zur Verfügung, die Summe wächst bis 2028 jedes Jahr um 200.000 Euro an. Die finanzielle Förderung sei "Ausdruck der Verbundenheit der Landesregierung mit den Jüdischen Gemeinden", sagte Ministerin Scharrenbach in der gerade 60 Jahre alt gewordenen Neuen Synagoge Düsseldorf bei der Vorstellung des Bauprogramms. "Wir freuen uns, dass jüdisches Leben in unserem Land wieder sichtbar vertreten ist und Heimat gefunden hat", fügte Scharrenbach, die auch Heimatministerin ist, hinzu. Hanna Sperling, die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, bezeichnete das Bauprogramm als "sichtbares Zeichen der Solidarität mit uns".

Das Bauprogramm hat das Land mit den vier jüdischen Verbänden in NRW vereinbart: dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden Nordrhein (15.000 Mitglieder in acht Gemeinden), dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe (7.000 Mitglieder in zehn Gemeinden), der Synagogen-Gemeinde Köln (4.000 Mitglieder) und dem Landesverband progressiver jüdischer Gemeinden in NRW (600 Mitglieder in drei Gemeinden). Das Besondere: Die vier Verbände vereinbaren unter sich, wer wie viel Geld aus dem Programm für seine Umbau- und Sanierungsprojekte bekommt.

Den größten Anteil des Bauprogramms erhält zunächst eine Gemeinde des kleinen Landesverbands der progressiven Juden. Die frühere evangelische Kirche des ehemaligen Flüchtlings-Durchgangslagers in Unna-Massen wird zur neuen Synagoge der Jüdischen Gemeinde Unna umgebaut. Insgesamt 2,4 Millionen Euro kostet das Projekt, zwei Millionen Euro davon fließen - über vier Jahre gestreckt - aus dem neuen Bauprogramm des Landes. Ein vergleichbares Projekt also wie der Umbau der früheren Paul-Gerhardt-Kirche zur Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Bielefeld. Allerdings gab und gibt es in Unna nicht den Streit, der den damaligen Eigentumswechsel in Bielefeld begleitet hatte, berichtet Alexandra Khariakova, die Vorsitzende der Gemeinde in Unna.

Größere Summen erhalten der Synagogen-Standort in Düsseldorf am Paul-Spiegel-Platz. In Köln muss unter anderem das Kita-Gebäude der Jüdischen Synagogen-Gemeinde saniert werden. 19.000 Euro für ein kleineres Bauprojekt fließen nach Bielefeld. Hier soll der Eingangsbereich der Synagoge "Beit Tikwa" umgebaut werden.

"Beit Tikwa" Bielefeld 10 Jahre alt

Am 21. September 2008 wurde die Synagoge "Beit Tikwa" der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld eingeweiht, die durch den Umbau einer ehemaligen evangelischen Kirche entstanden war.

Dieses Jubiläum wird mit einem dreiwöchigen Festprogramm gefeiert. Es startet heute um 19.30 Uhr mit einem Vortrag des Rabbiners Walter Homolka zum Thema "Untergang und Erneuerung - Liberales Judentum in Deutschland. Wir sind da!".

Höhepunkte der Feierlichkeiten sind ein festlicher Gottesdienst am Freitag, 21. September, um 19 Uhr und der Tag der offenen Synagoge am Mittwoch, 4. Oktober, 14 Uhr.

Infos: www.juedischegemeinde-bielefeld.de

Bildunterschrift: 2010 eingeweiht: Die Herforder Synagoge. Es war der bislang letzte Neubau einer Synagoge in NRW.

_______________________________________________


- Donnerstag, 13. September 2018 um 19.30 Uhr -


Vortrag von Rabbiner Prof. Dr. Dr. Walter Homolka: Untergang und Erneuerung - Liberales Judentum in Deutschland. Wir sind da!


Veranstaltungsort:

Synagoge Beit Tikwa
Detmolder Straße 107
33604 Bielefeld

www.juedische-gemeinde-bielefeld.de


Walter Homolka (Ph.D. King’s College London, Ph.D. University of Wales Trinity Saint David, D.H.L. Hebrew Union College - Jewish Institute of Religion New York) geboren 1964, ist Rabbiner, Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam und Professor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit, Schwerpunkt Denominationen und interreligiöser Dialog, an der School of Jewish Theology der Universität Potsdam.

Zugleich ist er geschäftsführender Direktor der School of Jewish Theology. Er ist Chairman der Leo Baeck Foundation, Mitglied im Gesprächskreis Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Vorsitzender des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES). Seit 2017 ist er Vorsitzender der Union progressiver Juden in Deutschland K.d.ö.R.


Ein Vortrag in Kooperation mit der Union progressiver Juden in Deutschland im Rahmen des Jubiläumsprogramms "10 Jahre Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld Beit Tikwa an der Detmolder Straße" vom 13. September bis zum 3. Oktober 2018.

_______________________________________________


- Mittwoch, 3. Oktober 2018 ab 14.00 Uhr -


Tag der offenen Synagoge


Veranstaltungsort:

Synagoge Beit Tikwa
Detmolder Straße 107
33604 Bielefeld

www.juedische-gemeinde-bielefeld.de


Bereits im ersten Jahr führte die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld einen Tag der offenen Tür in der Synagoge durch, der von zahlreichen Besucherinnen und Besuchern wahrgenommen wurde. Nach zehn Jahren gibt es sicher auch neue Aspekte der heutigen Gemeinde, die für die Besucherinnen und Besucher von Interesse sind.

Die Gemeinde lädt herzlich ein, sich über die Synagoge und die Gemeinde zu informieren. In Bielefeld findet gleichzeitig der vom "Bielefelder Trialog" zwischen Jüdinnen, Juden, Christinnen, Christen und Musliminnen, Muslimen regelmäßig veranstaltete "Interreligiöse Stadtgang" statt, der natürlich auch in die Synagoge führen wird.


Eine Veranstaltung im Rahmen des Jubiläumsprogramms "10 Jahre Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld Beit Tikwa an der Detmolder Straße" vom 13. September bis zum 3. Oktober 2018.

_______________________________________________


- Mittwoch, 10. Oktober 2018 um 19.00 Uhr -


Übergabe der Dokumentation und Edition des jüdischen Friedhofs in Herford durch das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte

- Mit einem Gastvortrag von Nathanja Hüttenmeister


Veranstaltungsort:

Synagoge der
Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold
Komturstraße 21 - 23
32052 Herford

www.jg-hf-dt.de


Hintergrundinformationen unter: www.steinheim-institut.de:50580/her_all.html


Die Veranstaltung wird umrahmt mit Klaviermusik israelischer Komponisten - gespielt von Prof. Matitjahu Kellig, Vorsitzender Jüdische Gemeinde Herford-Detmold.


Der jüdische Friedhof an der Friedhofstraße wurde zwischen 1647 und 1679 auf einem Grundstück aus dem Lehensbesitz der ehemaligen Fürstabtei von Herford angelegt. Der Friedhof wurde mehrfach erweitert, zuletzt vermutlich im Jahr 1908. 1909 wurde gegenüber des Eingangs zum jüngeren Friedhofsteil eine Trauerhalle errichtet. Während der NS-Zeit wurden die Grabsteine des älteren Teils von Zwangsarbeitern, die in der Trauerhalle einquartiert waren, abgeräumt, um auf der Freifläche Gemüse anzupflanzen. 1944 musste das Friedhofsgelände an die Stadt Herford verkauft werden, wurde jedoch 1945 restituiert. Die alten Grabsteine waren erhalten geblieben und konnten in den 1960er Jahren wieder aufgestellt werden. Seit 1989 ist der Friedhof in die Denkmalliste der Stadt Herford eingetragen. Er wird heute noch von der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold belegt.


Der jüdische Friedhof in Herford wurde in den Jahren 2016 und 2017 im Auftrag der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold und mit Förderung durch den Jüdischen Landesverband Westfalen-Lippe und dem Kuratorium Erinnern Forschen Gedenken e.V., Herford mit Unterstützung durch die Sparkasse Herford dokumentiert.

_______________________________________________


redok, 01.07.2010:

"Partikularinteresse einer Religionsgemeinschaft"

Herford. Die Herforder Stadtrats-Abgeordnete Erika Zemaitis (Die Linke) hat ihre Ablehnung bekräftigt, die Jüdische Gemeinde mit einem städtischen Zuschuss zu unterstützen. Als Grund gibt sie nun die knappe Haushaltslage der Kreisstadt an. Eine Entschuldigung oder einen Rücktritt von ihrem Amt lehnt sie ab.

Bisher hatte Zemaitis keine Begründung für ihre Ablehnung eines städtischen Zuschusses zum Bau der Herforder Synagoge gegeben. Nach dem redok-Bericht war ihre Gegenstimme auch von anderen überörtlichen und regionalen Medien thematisiert worden.

Die Herforder Bundestagsabgeordnete Inge Höger hatte sich zunächst nur wenig konkret zu der Affäre geäußert, obwohl sie sich "seit einer Woche im Gespräch" mit Zemaitis befand, so Höger gegenüber der Lokalpresse. Am Dienstag - nach den ersten Medienberichten und Nachfragen durch die regionale Presse - nahm sie geradezu fluchtartig Abstand von ihrer Parteifreundin Zemaitis, die laut der örtlichen Presse "lange Zeit als enge Vertraute Högers" galt. Nun sehe sie sich "gezwungen", ihre Position deutlich zu machen. Höger verlangte von Zemaitis eine Entschuldigung oder ihren Rücktritt als Ratsfrau. Jetzt hieß es plötzlich auch von Höger, ein Zuschuss der Stadt Herford sei "das Mindeste, was die Stadt nach den Verbrechen der Nationalsozialisten für die jüdische Gemeinde tun kann".

Die Herforder Ratsfrau Zemaitis blieb jedoch bei ihrer Position. Über die Höger-Forderung nach Entschuldigung oder Rücktritt sei sie "entsetzt" und "schockiert". Eine Entschuldigung "wäre ein Schuldeingeständnis"; sie sei sich aber keiner Schuld bewusst. In Zeiten eines harten Sparkurses könnten auch andere Bereiche den fraglichen Betrag von 40.000 Euro gut gebrauchen. Weil für soziale Projekte kein Geld mehr da sei, habe sie auch nicht für den zusätzlichen Zuschuss für "religiöse Zwecke" gestimmt.

Im Gegensatz zur Behauptung von Höger, Kreis- und Stadtverband der Linke verträten "eine deutlich andere Position" als Zemaitis in Bezug auf den Zuschuss an die Jüdische Gemeinde, berief sich die Ratsfrau auf die Unterstützung zumindest von Teilen des Stadtverbands, so etwa vom "Arbeitskreis Haushalt" der örtlichen Linke-Parteigliederung.

Verschiedene Zuschriften an redok lassen ebenfalls eine gewisse Unterstützung für Zemaitis deutlich werden. Ein weiteres Vorstandsmitglied des Herforder Linke-Stadtverbandes verteidigte die Ablehnung des Synagogen-Zuschusses ebenfalls mit notwendigen massiven Einsparungen und pochte darauf, dass die "Zahlungen an die Synagoge" immerhin "freiwillige Leistungen der Kommune" seien, die "zur Zeit in keinem Verhältnis zu den Einsparungen" stünden. "Wir reden hier schließlich über das Partikularinteresse einer Religionsgemeinschaft", hieß es in dem Schreiben des jungen Linke-Funktionärs.

Ein weiterer Zemaitis-Unterstützer nannte ihr Verhalten "bewusst und verantwortungsvoll". Die Stadt Herford habe sich schon mit 200.000 Euro am Bau der Synagoge beteiligt. Zemaitis sei der Meinung gewesen, dass dieser zusätzliche Betrag von der Jüdischen Gemeinde finanziert werden könne. Zemaitis selbst wurde - offenbar aus einer internen Mitteilung - zitiert (Fehler im Original): "Ich hätte auch gegen eine zusätzliche Investition für andere kirchliche Belange gestimmt, wenn die kath.Kirche oder die ev. Kirche oder die musl. Gemeinde ein neues Kruzifix oder ähnliches hätte haben wollen. Es sollen Freibäder geschlossen, Mensen nicht gebaut und Schulen zusammengelegt werden. Ich dachte nicht daran das an dieser Stelle nicht gespart wird." Offenbar spielt die Zerstörung der Herforder Synagoge durch die Nationalsozialisten, die den Neubau erst notwendig gemacht hatte, für Zemaitis keinerlei Rolle: "Ich bin keineswegs judenfeindlich, die jüdische Religion hat für mich die gleiche Wertigkeit, wie alle anderen Religionen auch."

Ende April hatte Zemaitis im Stadtrat zur Haushaltslage noch erklärt: "Wenn jetzt hektisch gespart werden soll, dann muss trotz allem ganz genau hingesehen werden - mit dem notwendigen Hintergrundwissen über Folgen und Konsequenzen." Welche Folgen ihre Ablehnung des Zuschusses für die Synagoge haben wird, wird sich noch zeigen müssen.

_______________________________________________


Neue Westfälische / Herforder Kreisanzeiger, 15.03.2010:

Hava nagila: "Lasst uns glücklich sein"

Die Synagoge der Gemeinde Herford-Detmold wurde feierlich eröffnet

Von Hartmut Brandtmann

Herford. Gestern war der "Lätare", der Sonntag, der nach der evangelischen und katholischen Liturgie "Freue dich" heißt. Einen historischen Grund zur Freude hat die Jüdische Gemeinde Herford-Detmold: Die neue Synagoge an der Komturstraße wurde festlich eingeweiht.

In Stein gemeißelt ist die Zahl des Jahres, in dem das Gotteshaus ursprünglich hätte eingeweiht werden sollen: 2009 für die Christen, 5770 für die Juden.

Am 14. März 2010, dem Tag der Einweihung, waren so viele Ehrengäste versammelt wie selten in der Herforder Geschichte. Mit dem Anschrauben der "Mesusa", das heißt Türpfosten, deren Inhalt aus dem Glaubensbekenntnis "Schma Jisrael" besteht, begann die Feierstunde. Grundstein jüdischen Glaubens ist die Thora. Vier Rabbiner trugen die fünf Bücher Mose in vier prunkvoll verzierten Behältnissen in den Betsaal und "hoben" die Rollen in den Schrein "ein", begleitet vom voluminösen Gesang des Kantors Jakow Zelewitsch: "Wie schön sind deine Zelte, Jakow, deine Wohnstätten Jisrael". Rabbiner Shimon Großberg entzündete das ewige Licht, "Ner Tamid". Ein ewiges Licht brennt auch in der katholischen Kirche St. Johannes-Baptist gegenüber.

Die Musik in der Synagoge unterscheidet sich hörbar. Der 30. Psalm erscholl freudig-rhythmisch bis deklamatorisch-klagend. Einen strengen und doch warmen Akzent setzten der Bratschist Mikhail Mouller und der Pianist Matitjahu Kellig. Die Professoren an der Musikhochschule Detmold spielten "Processional und Affirmation" aus der Suite Hebräique von Ernst Bloch.

"Ein zukunftsweisendes Zeichen des Vertrauens in die deutsche Demokratie, ein weithin sichtbares Zeichen des Fortbestandes des Judentums in Deutschland" nannte Harry Rothe, der Vorsitzende der Jüdische Gemeinde, die neue Synagoge. Das Gotteshaus stehe buchstäblich für Standfestigkeit, Selbstbewusstsein und für eine neue Verwurzelung in der Stadt. Sein Willkommen gilt auch den Einwanderern, "die ihr neues Judentum suchen". Für alle Menschen in Herford und Umgebung soll die Synagoge ein Ort der Begegnung werden. Erste Führungen sind für den April vorgesehen.

Dr. Charlotte Knobloch, die scheidende Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, setzte sich mit der historisierenden Architektur des Hauses auseinander. Sie sei steingewordene Erinnerung an die alte Jüdische Gemeinde. Der Zivilisationsbruch vom 9. November 1938 sei nicht aufgenommen worden. Das "persönliche Kompliment" an die Architekten Paul-Gerhard Dahlmeier sowie Rolf und Marc Recksiek galt dem Sternenhimmel an der gewölbten Decke. Dort leuchtet es 248 mal, die Zahl der Gebote im Judentum. Im Gesamtbild ist es der Himmel über Jerusalem zum Neujahrsfest (19. September 2009). Der Wunsch der Vorsitzenden: "Mögen die Sterne allzeit günstig stehen."

Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers gab der wachsenden Gemeinde eine Verheißung aus dem Buch des Propheten Jeremia auf den Weg: "Sie werden wie ein bewässerter Garten sein und nie mehr verschmachten." Damit gab er seinem Wunsch Ausdruck, dass jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen nicht allein reduziert werde auf das Vertrauen in dieses Land und seine Menschen, sondern, dass es "Früchte trägt, dass es verändert, bewegt und belebt".

Einen Mikrokosmos nannte Rabbiner Julian Chaim Soussan (Düsseldorf) die Synagoge: "Es ist nicht allein der Ort, der heilig ist, das Tun muss es sein." Dem Gemeindeleben wünschte der Geistliche eine "lebendige Herzlichkeit".

Das Prophetenwort "Suchet der Stadt Bestes" stellte Herfords Bürgermeister Bruno Wollbrink in das Zentrum seines Grußwortes. Dieser Tag habe fürwahr eine historische Dimension. In seinem Aufruf zur Toleranz sagte Wollbrink: "Eine funktionierende Demokratie setzt Achtung der Minderheit voraus."

1970 hatten sich die Gemeinden Herford und Detmold zusammen geschlossen. "Jetzt haben wir endlich eine Erinnerungskultur", sagte Detmolds Bürgermeister Rainer Heller, nachdem er bekannt hatte, dass seine Stadt lange gebraucht habe, sich seiner antisemitischen Geschichte zu stellen.

Einen Rückblick auf die jüdische Geschichte in Herford, die im Jahr 1306 mit einer ersten urkundlichen Erwähnung begann, gab Hanna Sperling, die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Westfalen-Lippe. Vier kleine Gemeinden gibt es in dieser Region, und die Herforder Synagoge ist der fünfte Neubau in Nordrhein-Westfalen seit Mitte der 1990er Jahre. Auch das ein Grund zur Freude. Sie fand ihren bewegenden Ausdruck im dem Lied Hava nagila, "Lasst uns glücklich sein". Rabbiner und Gäste sangen es tanzend. Und dann erscholl der Ruf Masal tow, "Viel Glück!"

Zwischenruf / Gedenkstein hat ausgedient?

In Erinnerung an die Pogromnacht steht neben dem Gemeindehaus ein Stein mit der Aufschrift "Hier stand die Synagoge der Jüdischen Kultusgemeinde. Sie wurde am 9. November 1938 zerstört." Alljährlich versammelte sich dort die Gemeinde im Gedenken.

Das ist Geschichte, denn Herford hat seit gestern eine neue Synagoge. Der Stein steht nun am Rande der Freifläche, die noch gestaltet werden muss. Die Kranz mit den Blumen ist verwelkt, die Schleife mit den Herford-Farben ausgefranst. Der Gedenkstein hat gedanklich nicht ausgedient. Er ist so wichtig, wie die Stolpersteine, die an das jüdische Leben in Herford erinnern.

hartmut.brandtmann@ihr-kommentar.de

Bildunterschrift: Freudentanz: Angeführt von Ruben Heinemann, Harry Rothe und dem Rabbiner Julian Chaim Soussan (v. r.) ziehen die Gäste durch die neue Synagoge. Ganz rechts schließt sich der Pianist Professor Matitjahu Kellig an.

Bildunterschrift: Vier Rabbiner, vier Thorarollen: Vor dem Einheben in den Schrein singt Jakow Zelewitsch (M.) den 30. Psalm, Davids Harfenlied zur Weihe des Tempels: "Preisen will ich Dich, oh Herr."

Bildunterschrift: Erste Handlung: Rabbiner Avichai Apel bringt die Mesusa an.

Bildunterschrift: Schlüssel mit Davidstern: Die Architekten Paul-Gerhard Dahlmeier und Marc Recksiek übergeben das Symbol an den Vorsitzenden der Gemeinde Harry Rothe (v. r.).

Bildunterschrift: Im Blitzlicht Die Einweihung fand ein landesweites Medien-Interesse. Die Objektive und das Mikrofon sind auf (v. l.) Harry Rothe, Charlotte Knobloch und den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers gerichtet.

_______________________________________________


Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt, 20./21.09.2008:

Kommentar / Einweihung der Synagoge am Wochenende

Hoffnung auf Versöhnung

Von Pastor Ulrich Pohl

Am morgigen Sonntag werden die neue Bielefelder Synagoge und das neue jüdische Gemeindezentrum eingeweiht. Der feierliche Einzug der Thorarollen, also der Heiligsten Schriften der Juden, bildet den Auftakt. Mit deren Ankunft in der Synagoge wird die Jüdische Kultusgemeinde endlich wieder einen festen Ort für ihre Gottesdienste und ein Zentrum für ihr jüdisches Leben in Bielefeld haben.

Es ist genau 70 Jahre her, dass die frühere Synagoge durch das Wüten der Nationalsozialisten in der Pogromnacht 1938 zerstört wurde. Die im Rückblick so unfassbar grausame Verfolgung der Juden in der Zeit des Dritten Reiches erlebte ihren ersten, symbolisch vielleicht markantesten Höhepunkt. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich jüdisches Leben in Bielefeld wieder neu entwickeln und entfalten konnte.

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte erhält der durch eine Umfrage unter den Gemeindemitgliedern gewählte Name des neuen Gemeindezentrums seine ganz eigene Bedeutung: Beit Tikwa - Haus der Hoffnung. So spricht bereits dieser Name des Gemeindezentrums das aus, was wohl sehr viele Menschen in Bielefeld an diesem Tag empfinden. Die Einweihung der neuen Synagoge macht Hoffnung – Hoffnung auf Versöhnung, Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der verschiedenen Religionen in unserer Stadt, Hoffnung auf einen lebendigen Austausch und Hoffnung auf eine gute Zukunft.

"Die Erlösten des Herrn werden heimkehren. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen", schreibt der Prophet Jesaja im Alten Testament, dem Teil der Bibel, den Juden und Christen gemeinsam haben. Die Bielefelder Synagoge ist das unübersehbare Zeichen, dass jüdisches Leben heimgekehrt ist in unsere Stadt, in der Menschen jüdischen Glaubens so viel Schreckliches angetan wurde. Das ist nicht selbstverständlich und ein Zeichen des Vertrauens in eine gemeinsame Zukunft.

ulrich.pohl@bethel.de

Pastor Ulrich Pohl ist Vorstandsvorsitzender der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel und unseren Lesern sonst als Autor unserer Samstags-Kolumne "Zum Sonntag" bekannt.

_______________________________________________


Gudrun Eussner, 04.05.2007:

Bielefeld: Der Sumpf des Willens

Es gibt Neuigkeiten aus meiner alten ostwestfälischen Heimat. Dort wird seit Wochen das Paul Gerhardt Gebäude, ein ehemaliges Gotteshaus der evangelisch-lutherischen Kirche, von einer Bürgerinitiative gottesfürchtiger Protestanten aus der Mitte der Gesellschaft besetzt, um zu verhindern, dass die Jüdische Gemeinde das Gebäude kauft und es zu einer Synagoge umbaut. Der Kirchenkreis Bielefeld gibt auf seiner Site detailliert Auskunft über die Gründe für ihre Entscheidung, die entwidmete Kirche an die Jüdische Gemeinde zu verkaufen. Die Rechtslage sowie die rechtswidrigen Aktivitäten der Besetzer werden ausführlich erläutert. Schon am 15. Dezember 2005 berichtet die Neue Westfälische darüber, daß die Jüdische Kultusgemeinde die Absicht habe, die Kirche zu kaufen und zur Synagoge umzubauen. Seitdem ist bei der Berichterstattung der Bielefelder Zeitungen den Gegnern des Verkaufs viel Raum gegeben worden. (1)

Nicht nur viel Raum, sondern vor allem einseitig Sympathie für die Besetzer zeichnet die Artikel aus. Das Westfalen-Blatt verfolgt das Geschehen gewissermaßen an der Seite der Besetzer. Gerhard Hülsegge berichtet bewegend über den Augenblick, da die zuständigen Kirchenvertreter die Wertgegenstände aus der Kirche entfernen, was sie den Besetzern vorher nicht angekündigt hätten.

"Das Keyboard, der Motor vom Orgel-Positiv (Gebläse), die Musikboxen aus dem Jugendraum, Noten und Bibeln, das Lesepult, die Altarbehänge, die Porträts früherer Pfarrer, die Weihnachtskrippe und nicht zuletzt das kleine Kreuz mit dem Gekreuzigten aus der Sakristei", alles räumt der Kirchenmeister der Kirchengemeinde Neustadt-Marien ab. "Abendmahls-Utensilien und Paramente (liturgische Gewänder) wurden wie auch alle Gesangbücher ins Gemeindehaus Am Papenmarkt geschafft." Der Pastor bezeichne die Besetzung der Kirche als widerrechtlich, und diese Distanzierung zeigt das Rechtsverständnis, das in Deutschland hervorkommt, sobald es darum geht, sich gegen Juden zu wenden. Dann steht selbstverständlich der Vorsitzende Richter des Landgerichts Bielefeld außerhalb des Gesetzes oder darüber, und es ist, als wenn sich nach dem Dritten Reich nichts geändert hätte. (2)

Die Staatsanwaltschaft Hamm rührt sich trotz Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs nicht; der Richter gehört wie Hermann Geller, der ehemalige Kirchenmeister, eine Art Verwaltungsleiter, der ehemaligen Paul-Gerhard-Gemeinde, zu den Besetzern, und der frühere WDR-Redakteur Eitel Riefenstahl schließt sich den Christen an, die meinen, die Juden könnten überall hinziehen, nur nicht in die von der Gemeinde durch Zusammenlegung mit der Nachbargemeinde aufgegebene und zum Verkauf stehende Kirche aus den 60er Jahren. (3)

Überall ist allerdings nicht überall. Die Besetzer stellen klar, "dass ihr Vorschlag, neben der Paul-Gerhardt-Kirche könne ein Synagogen-Neubau errichtet werden, sich nicht auf das Spielgelände der evangelischen Kita bezogen habe, sondern auf eine weitere Fläche an der Kirche". Selbstverständlich hat die Bürgerinitiative kein Recht, über die Liegenschaften der Kirche zu befinden, aber das ist ihr ebenso gleichgültig wie die Tatsache, daß die jüdische Gemeinde keine finanziellen Mittel zum Neubau einer Synagoge besitzt.

Jakow Zelewitsch, der Kantor der Jüdischen Kultusgemeinden in Herford-Detmold, Minden-Lübbecke und Paderborn, stattet den Besetzern einen Solidaritätsbesuch ab. Er kennt die jüdische Gemeinde von Bielefeld, wo er ein Jahr tätig war. Auch er meint, eine christliche Kirche solle nicht in eine Synagoge umgewandelt werden, nicht alles dürfe man unter finanziellen Gesichtspunkten sehen, dazu gehöre das Schicksal einer Kirche. Er kann sich auch nicht vorstellen, daß eine Synagoge in eine Kirche umgewandelt werden könnte. Zwar stellt sich diese kontrafaktische Frage mangels im Dritten Reich zerstörter Synagogen nicht, sondern es ist vielmehr so, daß die durch Zuzug aus Rußland anwachsenden jüdischen Gemeinden der Synagogen bedürfen, aber gleichzeitig kein Geld für den Neubau haben.

Ein schöner Anlass ist der Kantorbesuch für das Westfalen-Blatt, um nebenbei interne Zwistigkeiten der Jüdischen Gemeinde Bielefeld über den Führungsstil ihrer Vorsitzenden auszuwalzen. (4)

Am 29. April 2007 berichtet die Regionalsendung Cosmo TV vor Ort über die ehemalige Kirche, in der die Besetzer ihren eigenen Gottesdienst abhalten: (5)

"Weil sie nicht wollen, dass ihre Kirche an die jüdische Gemeinde im Ort verkauft wird, halten einige Gemeindemitglieder seit Wochen das Gebäude besetzt. Schlichter sollen nun den Konflikt lösen helfen. Cosmo TV war vor Ort und hat unter den Demonstranten auch einige Rechtsradikale entdeckt. Kämpfen hier Gläubige für den Erhalt ihrer Kirche oder geht es doch nur gegen die Jüdische Gemeinde?"

Das Video von knapp fünf Minuten Länge kann auf der Site von Cosmo TV angesehen werden. Da erfährt man auch, daß eine andere evangelische Kirche in Bielefeld verkauft und zu einem Restaurant umfunktioniert wurde. Es heißt sinnigerweise "Glück und Seligkeit". Mitarbeiter der Zeitschrift der "Neuen Rechten" Junge Freiheit nehmen sich jetzt der Besetzung an und verteilen am Gebäudeeingang Probenummern.

Nun soll auf Empfehlung der FDP-Bundestagsabgeordneten Gudrun Kopp und des FDP-Kreisvorsitzende Thomas Seidenberg ein in Konfliktbewältigung erfahrener Jurist als Schlichter eingesetzt werden. Gespannt darf man auf dessen Ergebnisbericht sein. Er sollte Chaoten, Anarchos, Spinnern und Spontis der Besetzerszene kostenlos zur Verfügung gestellt werden, damit sie daraus lernen können, welche Behandlung Besetzer erfahren, und welche Kosten und Mühen nicht gescheut werden, wenn es sich um Richter, Kirchenmeister und Journalisten handelt, die verhindern wollen, dass Juden eine ehemalige evangelisch-lutherische Kirche in eine Synagoge umbauen. (6)

2. Mai 2007 - überarbeitet am 4. Mai 2007

Quellen

(1) Häufig gestellte Fragen zur Situation in Paul-Gerhardt. Stand: 2. April 2007. Kirchenkreis Bielefeld
http://www.kirche-bielefeld.de/.cms/501

(2) Paul Gerhardt: Kirche bestellt Möbelwagen. Von Gerhard Hülsegge. Westfalen-Blatt, 28. März 2007
http://www.westfalenblatt.de/nachrichten/regional/bielefeld_ rss_erg.php?id=4922

(3) Kirchenmeister/in. Stellenbeschreibung. stephansdom.at
http://personalreferat.stephanscom.at/ausschreibungen/0/arti cles/2007/04/04/a3156/

(4) Jüdischer Kantor zeigt Solidarität mit Besetzern. Von Michael Schläger. Westfalen-Blatt, 29. März 2007
http://www.westfalenblatt.de/nachrichten/generator/reg_show. php?id=4968&TB_iframe=true&width=500&height=450&PHPSESSID=c3 8aa1bcff17d2779964b2ccbe5a7019

(5) Alles, nur nicht Juden? Cosmo TV. Mit Video zum Beitrag, WDR, 29. April 2007
http://www.wdr.de/tv/cosmotv/sendungsbeitraege/2007/0429/01_ nur_nicht_juden.jsp

(6) Erfahrener Jurist soll im Kirchenstreit schlichten. Von Gerhard Hülsegge. Westfalen-Blatt, 14. April 2007
http://www.westfalenblatt.de/nachrichten/regional/bielefeld_ rss_erg.php?id=5435


zurück