Neue Westfälische - Tageblatt für Schloß Holte-Stukenbrock ,
13.02.2018 :
Sozialwerk - Zeitzeugen gesucht
Neue Sprechstunde: Joanna Poethke arbeitet jetzt in der Dokumentationsstätte Stalag 326, um mit der Aufarbeitung der Geschichte des Sozialwerks zu beginnen / Immer mittwochs ist sie telefonisch erreichbar
Von Sabine Kubendorff
Schloß Holte-Stukenbrock. Mehr als 100.000 Menschen haben im Sozialwerk Stukenbrock ihre Spuren hinterlassen. Auf der Suche nach diesen Menschen, nach deren Spuren ist jetzt Joanna Poethke. Die 29-jährige Berlinerin hat damit begonnen, die Geschichte des Auffanglagers für Flüchtlinge, Vertriebene und Aussiedler wissenschaftlich aufzuarbeiten. Dazu muss sie nicht nur in Archiven recherchieren, sondern mit ehemaligen Bewohnern jeden Alters sprechen. Ihre Arbeit ist Teil des neuen Gesamtkonzepts, wie aus der Dokumentationsstätte Stalag 326 eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung werden soll (die NW berichtete).
Vor neun Jahren hatte Konrad Thorwesten mit Hilfe der ehemaligen Soziallager-Bewohner Klaus Streck und Klaus Affeldt eine vielbeachtete Ausstellungen zusammengetragen. Die Neue Westfälische legte eine Serie mit Erinnerungen auf, denn viele Menschen, für die das Sozialwerk die Brücke zur neuen Heimat war, sind in SHS geblieben und haben die Entwicklung der Stadt mitgeprägt. Klaus Streck zum Beispiel, der lange CDU-Ratsherr war. Er hat viele Jahre in dem Auffanglager gelebt, weil sein Vater dort nach der Flucht aus der DDR als Verwaltungsangestellter arbeiten konnte. Er hat einen großen Fundus mit Fotos aus jener Zeit, den er vor gut einem Jahr der Dokumentationsstätte vermacht hat.
Diese Dokumentationsstätte arbeitet die Geschichte des ehemaligen Lagers für (überwiegend) russische Kriegsgefangene auf. Auf diesem Gelände wurde nach Kriegsende ein Internierungslager der Briten für NS-Führungskräfte und der Kriegsverbrechen verdächtigter Menschen eingerichtet. Vor 70 Jahren wurde diese Gelände umgewidmet. Es entstand das Sozialwerk Stukenbrock. Offiziell gab es das bis 1970, als die Polizeischule dort eröffnet wurde. Tatsächlich lebten dort viel länger Aussiedler und Flüchtlinge.
Das weiß Oliver Nickel, Geschäftsführer der Dokumentationsstätte, aus eigener Erfahrung. Er kam 1973 als Vierjähriger mit seiner Familie nach Stukenbrock-Senne, weil sein Vater als Lehrer in der Polizeischule unterrichtete. Und Nickel kann sich noch sehr gut daran erinnern, wie er mit seinem Kettcar zu seinen Kumpeln in den roten Baracken fuhr und Polizisten salutierten, wenn er vorbeidüste.
Joanna Poethke will sich aber erst einmal um die frühen Jahre im Sozialwerk Stukenbrock kümmern. Sie hat eine 32-Stunden-Stelle, noch befristet bis Ende Mai. Sie und Geschäftsführer Oliver Nickel sind aber optimistisch, dass sie ihre wissenschaftliche Arbeit fortsetzen kann. Denn vor Joanna Poethke liegt die Herkulesaufgabe, nicht nur die Archive zu durchforsten, zum Beispiel nach Lagerausweisen. Sondern auch die Zeitzeugengespräche zu führen, die nach Einschätzung von Oliver Nickel je 10 bis 20 Stunden in Anspruch nehmen werden. Sie auszuwerten, einzuordnen und zu archivieren. Das wird nach Einschätzung von Oliver Nickel viele Jahre beanspruchen.
Erfahrung hat die studierte Sozial- und Kulturwissenschaftlerin auf diesem Gebiet bereits. So war sie an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt, unter anderem an der Erinnerungsstätte "Notaufnahmelager Marienfelde" (Berlin) für Flüchtlinge aus der DDR. Der Kontakt zur Dokumentationsstätte ist über deren Historiker Jens Hecker zustande gekommen. Sie hatten sich kennengelernt auf einer Tagung in Friedland zum Thema "Flucht und Vertreibung".
Homepage und Sprechstunde
Joanna Poethke bittet Sozialwerk-Zeitzeugen sich bei ihr zu melden: mittwochs von 10 bis 12 sowie zwischen 17 und 19 Uhr unter Tel. (05257) 3000 oder via E-Mail: info@geschichte-sozialwerk.de.
Es geht um auch Erinnerungsgegenstände.
Die Homepage: www.geschichte-sozialwerk.de
Bildunterschrift: Neues Kapitel: Joanna Poethke kümmert sich jetzt in der Dokumentationsstätte um das Sozialwerk Stukenbrock. Sie und Geschäftsführer Oliver Nickel zeigen Fotos aus dem Auffanglager, das 1948 offiziell eröffnet wurde und bis in die 70er Jahren hinein existierte.
Bildunterschrift: Wegweiser: Im Sozialwerk engagierten sich neben dem Deutsche Roten Kreuz (DRK) mehrere soziale Träger. Im Hintergrund sind die Nissenhütten aus den Anfangsjahren zu erkennen.
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Westfalen-Blatt / Zeitung für Schloß Holte-Stukenbrock, 10./11.02.2018:
Vertreibung und Flucht
Joana Poethke arbeitet die Nachkriegsgeschichte des Stalag-Geländes auf
Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock(WB). Der Förderverein der Gedenkstätte Stalag 326 betreut jetzt auch die Nachkriegsgeschichte des Geländes. Um die Geschichte des Sozialwerks ab 1948 aufzuarbeiten, ist die Sozial- und Kulturwissenschaftlerin Joana Poethke (29) mit einem Werksvertrag eingestellt worden.
"Um die Gedenkstätte museal, pädagogisch und wissenschaftlich weiterzuentwickeln, ist es notwendig, die Geschichte des Geländes nach dem Stalag 326 nach dem Zweiten Weltkrieg fortzuschreiben. Besonderes Gewicht kommt dabei dem Sozialwerk zu", sagt Oliver Nickel, Geschäftsführer der Gedenkstätte. Um das zu gewährleisten, ist die Satzung des Fördervereins geändert worden. Die Landeszentrale für politische Bildung hat Gelder bewilligt, nachdem Stadt und Kreis mit Zuschüssen dafür gesorgt haben, dass der Förderverein das notwendige Eigenkapital hat.
Joana Poethke ist in Berlin geboren und hat in Göttingen und in Frankfurt / Oder studiert und mit dem Master im Oktober 2017 abgeschlossen. Während des Studiums hat sie in der Wissenschaft gearbeitet und in der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde in Berlin (für DDR-Flüchtlinge). Die Integrationserfahrung von DDR-Flüchtlingen war das Thema ihrer Masterarbeit. In die Arbeit sind Zeitzeugen-Interviews eingeflossen. An der Sozialwerk-Thematik interessiert sie der regionale Bezug der Migrationsgeschichte, die Auswirkungen auf die Region (die soziale und konfessionelle Struktur hat sich geändert) und die Fluchterfahrungen und wie die Menschen sie gemeistert haben.
"Es gibt zwar viel Material, aber es ist noch nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden", sagt Joana Poethke, die an der Aufbauforschung interessiert ist. Sie kann sich vorstellen, zum Sozialwerk ihre Dissertation zu schreiben.
Zusammenarbeiten wird sie mit der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, die in Berlin ein Dokumentationszentrum zum Thema Flucht und Vertreibung weltweit entwickelt. Dazu zählt die Geschichte von Millionen Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Heimatverlust ist eine universelle Erfahrung, auch heute sind unzählige Menschen davon betroffen. In diesem Kontext bietet die Stiftung künftig mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Recherchemöglichkeiten ein Forum für historisches Lernen. Joana Poethke stellt die regionale Geschichte in diesen Rahmen.
Zuerst wird sie sich einen Überblick über die Materialien verschaffen, die in Archiven zu finden sind und einen Bestand an Literatur, Dokumenten und Fotos aufbauen. Vernetzt ist sie mit dem Auffanglager Friedland, das ähnlich arbeitet. Beim Aufbau des Archivs in der Gedenkstätte Stalag werde sie mit Ulrike Pastoor zusammenarbeiten, die seit einem Jahr die Stalag-Dokumente katalogisiert. In der zweiten Jahreshälfte sollen die Zeitzeugen-Interviews geführt werden.
Zu ihrer Aufgabe wird auch gehören, gemeinsam mit der Lenkungsgruppe um Landtagspräsident André Kuper Fördertöpfe zu finden, die eine langfristige Arbeit möglich machen. Drittmittel könnten generiert werden aus der baugeschichtlichen Nutzung, der Transformation des Geländes, und aus dem Bereich Integration von Flüchtlingen, beides hochaktuelle Themen.
Sprechstunde
Joana Poethke stellt sich Menschen, die im Sozialwerk gelebt haben, oder die Dokumente, Fotos oder Gegenstände aus dieser Zeit haben, als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Dokumente können per Leihvertrag abgegeben oder kopiert werden. Sie vereinbart Termine für Zeitzeugen-Interviews. Joana Poethke ist jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr und von 17 bis 19 Uhr unter der Telefonnummer der Gedenkstätte Stalag, 05257 / 3077, erreichbar. Ab sofort ist auch die Internetseite freigeschaltet, auf der es weitere Informationen zum Sozialwerk gibt.
geschichte-sozialwerk.de
Sozialwerk Stukenbrock
Das Sozialwerk entstand am 28. Februar 1948 auf dem Gelände, das von 1941 bis 1945 das Stammlager 326 war. Mit der Gründung des Sozialwerks reagierte die Militärregierung auf die wachsende Wohnungsnot. Vertriebene waren bisher bei Ortsansässigen einquartiert worden, was zunehmend auf Widerstand stieß. Die Versorgung der kranken, hilfs- und pflegebedürftigen Flüchtlinge übernahmen die Innere Mission, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Rote Kreuz. Das Johanneswerk versorgte Frauen mit schulpflichtigen Kindern, die Arbeiterwohlfahrt Frauen mit Kleinkindern, das Deutsche Rote Kreuz organisierte Kindererholungskuren.
Nach 1954 entstanden Schulen und Kindergärten, ein Ladenzentrum, ein Badehaus, ein Krankenhaus mit Entbindungsstation und Großküchenanlagen. 1960 wurde das Behelfskrankenhaus erweitert. Der Westfälische Blindenverein hat hier eine Bibliothek eingerichtet.
Bildunterschrift: Joana Poethke und der Geschäftsführer der Gedenkstätte Stalag, Oliver Nickel, zeigen Bilder, Pläne und Berichte aus der Zeit des Sozialwerks Stukenbrock. Auch der Stuhl stammt aus dieser Zeit und wird Teil der Ausstellung.
Bildunterschrift: 1977 berichtete das Westfalen-Blatt über das Ende des Sozialwerks.
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Westfalen-Blatt / Zeitung für Schloß Holte-Stukenbrock, 03./04.10.2017:
Stalag 326: Satzungsänderung
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Der Förderverein Gedenkstätte Stalag 326 Senne erinnert an die außerordentliche Mitgliederversammlung, die für Mittwoch, 11. Oktober, angesetzt ist. Die Mitglieder treffen sich um 19.30 Uhr in der so genannten Entlausungsstation auf dem Gelände der Polizeischule am Lippstädter Weg 26a. Die Versammlung ist wichtig, weil eine Satzungsänderung beschlossen werden soll. Der Zweck des Vereins soll ergänzet werden um die Darstellung der Nachnutzung des Geländes des ehemaligen Lagers Stalag 326 (VI) K Senne in der Zeit als Internierungslager und als Sozialwerk Stukenbrock.
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