Rundfunk Berlin-Brandenburg ,
16.10.2017 :
Sechs Monate wegen Volksverhetzung
16.10.2017 - 18.24 Uhr
Holocaust-Leugnerin zu Haftstrafe verurteilt
Wegen Volksverhetzung wurde eine einschlägig vorbestrafte Holocaust-Leugnerin erneut verurteilt - diesmal zu einer sechsmonatigen Haftstrafe. Weil sie bereits mehrfach straffällig wurde, muss die 88-Jährige womöglich ins Gefängnis.
Von Ulf Morling
Das Gericht war im Urteil überzeugt, dass die 88-Jährige mehrfach vor Zuhörern und einer laufenden Kamera des Politmagazins "Panorama" geäußert hatte, dass es "den Holocaust nicht gegeben habe, was immer mehr Juden auch sagen würden". Sie fügte hinzu, dass nichts echt sei an den Gaskammern des KZ Auschwitz. Die Angeklagte hatte diese Sätze in einer Gaststätte in Lichtenrade gesprochen auf einer Veranstaltung am 83. Jahrestag der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 2016. Eine Filmsequenz von 22 Sekunden war das entscheidende Beweismittel im Prozess. Bis heute kann man im Internet diesen Teil der von "Panorama" aufgenommenen Veranstaltung aufrufen.
Wegen dieser Äußerungen muss die Seniorin nun sechs Monate ins Gefängnis, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Durch insgesamt knapp ein Dutzend Urteile wegen Volksverhetzung habe sich die Angeklagte nicht abhalten lassen, den Holocaust zu leugnen, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Richterin stellte "eine gewisse Uneinsichtigkeit" der Seniorin fest. Trotzdem sei positiv festzuhalten, dass die 88-Jährige sich dem Verfahren gestellt habe.
Adrette alte Dame
Lächelnd betrat die grauhaarige alte Dame in schwarzem Kostüm mit weißer Bluse am Morgen den Gerichtssaal. Die freundlich und zugewandt wirkende Angeklagte plauderte mit ihrem Verteidiger und der Richterin. Nach Aufruf des Prozesses ging es dann zur Sache: sie kritisiert als erstes § 130 (3) Strafgesetzbuch, der Grundlage der späteren Verurteilung ist.
Ein Dutzend Prozesse
"Das deutsche Volk hat niemals diesen Paragraphen beschlossen", sagt sie. Und: der Holocaust sei ein "Mord ohne Ort", denn wo solle er stattgefunden haben: "Diesen Ort kenne ich bis heute nicht" fügt sie hinzu. In einer Prozesspause sagt sie im Gerichtsflur: "In Auschwitz haben keine Vergasungen stattgefunden, wie die Befehle eindeutig sagen!" Auf Nachfrage räumte sie ein, nie dort gewesen zu sein.
Seit über einem Jahrzehnt werden Prozesse gegen die Angeklagte geführt, die durch ihre Strafverfahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Bereits 2004 wurde sie vom Amtsgericht Bad Oeynhausen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro verurteilt. Die rechte Aktivistin hatte in der Zeitschrift des "Collegium Humanum", einem rechtsextremen "internationalen Studienwerk", den Holocaust geleugnet. 2008 hatte der damalige Bundesminister des Innern, Wolfgang Schäuble (CDU), den Verein wegen "fortgesetzter Leugnung des Holocaust" verboten.
Aushängeschild der Geschichtsleugner
Diese Verurteilung hatte die Angeklagte nicht davon abgehalten, weiter zu behaupten, dass der Holocaust "ein Mythos" sei. Verpackt in das Zitat eines anderen Autors behauptete sie, dass es nicht sechs Millionen, sondern 500.000 jüdische Opfer des deutschen Faschismus gegeben habe. In einem Leserbrief an das "Mindener Tageblatt" soll sie der damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, gedroht haben, dass sich in Deutschland ein neues Pogrom ereignen könne, wenn sie so weitermache.
Die immer noch rüstige und wortgewandte Seniorin ist gern gesehener Gast rechtsextremistischer Vereine und Gruppierungen, die die Schrecken der Nazi-Herrschaft verharmlosen oder leugnen. Sie selbst sagt immer wieder, es gehe " … um das Recht und, mehr noch, um die Wahrheit für Deutschland". So hatte sie sich bereits 2004 in ihrem Gerichtsverfahren in Bad Oeynhausen geäußert. Ob in Gerichtsverhandlungen, Veranstaltungen oder über YouTube, versucht die Seniorin mit gewählten Worten immer wieder klarzustellen, dass sie eine "Kämpferin für die Wahrheit" sei.
Mix an Halbwissen
Bekannt ist die 88-Jährige auch dafür, dass sie Zitate und Erkenntnisse renommierter Holocaust-Forscher aus dem Zusammenhang reißt und deren Sinn verdreht. So hatte beispielsweise "Spiegel"-Autor Fritjof Meyer 2002 nach intensiven Forschungen die Zahl der jüdischen Opfer, die in den Gaskammern Auschwitz ermordet wurden, auf 356.000 beziffert. Meyer stellte öffentlich klar, dass er niemals die Gräueltaten der Nazis geleugnet habe, wie die Rechtsradikalen. Sein Ergebnis ändere nichts an "der grundsätzlichen Bewertung des Holocaust". So meldete es die "Berliner Zeitung" im Februar 2003. Die Angeklagte hingegen benutzte die Recherche Meyers, um ihre These von der "größten Lüge der Geschichte", dem Holocaust, aus ihrer Sicht, zu untermauern.
1985 war ein anderer Holocaust-Leugner in London der Lüge überführt worden: David Irving wurde in 32 Verhandlungstagen seines Prozesses von Historikern aus der ganzen Welt selbst als Lügner überführt. "Er ist ein rechtsextremer Pro-Nazi, Polemiker und Rassist … um den Neonazismus zu fördern", hieß es im 207-seitigen Urteil vor dem Londoner High Court im April des Jahres 2000. Die Existenz der Gaskammern in Auschwitz war auch in diesem Prozess bewiesen worden durch Zeugen und Gutachter. Richter Gray stellte fest, dass man Irving als "Lügner" und "Geschichtsfälscher" bezeichnen dürfe.
Überzeugungstäterin
Mit ihren Äußerungen hatte die Angeklagte nicht nur Erfolg bei einem Teil des Publikums im Gerichtssaal, das ihr applaudierte. Vertreten von einem Verteidiger, der als NPD-Funktionär bekannt wurde, ist ihr selbst zeitlebens das rechtsextreme Milieu nicht fremd gewesen: Bis zu seinem Tod verheiratet mit dem Mann, der 1933 Gründer und Leiter des "Reichsbundes Volkstum und Heimat" war (nach ihren eigenen Angaben), wurde sie in der Bundesrepublik in rechtsgesinnten Vereinen aktiv wie dem "Collegium Humanum", der wegen Leugnens des Holocausts verboten wurde. Im Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten machte die 88-Jährige widersprüchliche Äußerungen: Zum einen behauptete sie, dass sie den Holocaust nie geleugnet habe. An anderer Stelle sagte sie, dass es ihn nicht gegeben habe. Alle geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen, ganz abgesehen von den Berichten der Überlebenden, die nicht ins Bild passen, erwähnte sie mit keinem Wort.
Bald Gefängnis?
Nach einer ersten Geldstrafe 2004 wurde die Holocaust-Leugnerin inzwischen mehrfach zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt. Nach der jetzt ausgesprochenen Strafe von sechs Monaten, muss die Angeklagte damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen, sollten die Urteile rechtskräftig werden. Auch gegen das jetzt in Berlin gesprochene Urteil wird sie "natürlich in Berufung gehen", verkündete die 88-Jährige nach dem Prozess.
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