Radio Gütersloh ,
12.09.2017 :
Wo sind historische Gegenstände?
Sind bei der Übergabe des Gütersloher Flughafens historische Einrichtungsgegenstände verschwunden? Die CDU im Gütersloher Rat will die Verwaltung damit beauftragen, dies zu prüfen. Sollte es stimmen, dann handelt es sich laut CDU um Gegenstände, die eng mit der Geschichte des Gütersloher Flughafens und mit der Geschichte Güterslohs verbunden sind. Dabei geht es besonders auch um Gegenstände aus dem dunkelsten Kapitel Deutschlands, der NS-Zeit. Die CDU-Fraktion bittet die Verwaltung zu prüfen, ob Gegenstände verschwunden sind und ob diese sich gegebenenfalls wieder beschaffen lassen. Außerdem soll die Verwaltung prüfen, ob auf dem ehemaligen Flughafengelände Räume für eine Erinnerungsstätte genutzt werden können und ob Gebäudeteile unter Denkmalschutz gestellt werden sollen.
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Westfalen-Blatt / Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel, 21.08.2017:
Fünf Opfer arbeiteten auf dem Flugplatz
Gütersloh (cabo). Ergänzend zu unserem in der Wochenend-Ausgabe erschienenen Bericht "In den Tod geschuftet" stellt die Geschichtswissenschaftlerin Laura Niewöhner (23) aus Avenwedde klar: "Fünf der 17 betreffenden Kriegsgefangenen gehörten zum Arbeitskommando Fliegerhorst Gütersloh im Herbst / Winter 1941 / 1942. Die zwölf anderen Soldaten aus der damaligen Sowjetunion, die bis in die 1960er Jahre ebenfalls auf dem Flugplatz begraben waren, haben in Gütersloher Betrieben und bei Bauern im Umland Zwangsarbeit verrichten müssen."
Niewöhner hat im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit über Arbeitskommandos auf dem früheren Gütersloher Flugplatz zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs auch im Londoner Nationalarchiv recherchiert. Schwerpunktmäßig will sie Schicksale der zumeist sowjetischen Kriegsgefangenen aufklären. In den in London aufbewahrten Verhörprotokollen sei auch zu lesen, wer die Verantwortung für den Tod der 17 Männer getragen haben soll. In mindestens einem Fall gebe es Hinweise auf einen Gütersloher Unternehmer, der damals in der Wehrmacht jene Arbeitskommandos befehligte.
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Westfalen-Blatt / Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel, 19./20.08.2017:
In den Tod geschuftet
Laura Niewöhner (23) klärt Kriegsgefangenen-Schicksale auf
Von Carsten Borgmeier
Gütersloh (WB). Sie hießen Iwan Oqurzow, Wassili Sewostjanow, Ilja Matweew oder Wassilij Moskalew: Diese und weitere Männer haben sich im Zweiten Weltkrieg auf dem damaligen Gütersloher Flugplatz zu Tode geschuftet. Nicht nur das hat Laura Niewöhner aus Avenwedde herausgefunden.
Mehrere Monate erforschte die 23-Jährige im Rahmen ihres Bachelor-Abschlusses die Schicksale sowjetischer Kriegsgefangener in Arbeitskommandos - und ist deshalb sogar bis nach London ins britische Nationalarchiv gereist.
Ihre Recherchen könnten brisant sein: Denn aus den von der Geschichtswissenschaftlerin gesichteten Dokumenten - hauptsächlich Verhörprotokolle - geht eigener Aussage zufolge hervor, wer damals für den Tod der 17 Kriegsgefangenen verantwortlich gewesen sein soll. Dabei habe es sich auch um aus Gütersloh stammende Befehlshaber der Wehrmacht gehandelt, die während und nach dem Krieg Unternehmen in der Stadt geführt hätten.
"Diese Menschen sind quasi direkt vor unserer Haustür ums Leben gekommen."
Laura Niewöhner
Niewöhner, die sich derzeit auf ihren Master-Grad der Geschichtswissenschaft vorbereitet und in der Stalag 326-Dokumentationsstätte in Schloß Holte-Stukenbrock (SHS) tätig ist, hält sich mit näheren Informationen dazu noch bedeckt, will sie aber in einer Ausstellung veröffentlichen, die sie derzeit vorbereite.
"Diese Menschen sind quasi vor unserer Haustür ums Leben gekommen, ermordet worden", sagt Niewöhner und ergänzt: "Ich finde es wichtig, diese Schicksale aufzuklären. Das sollte auch Thema in den Schulen sein."
Bei den 17 Toten handelte es sich demnach um Männer im Alter zwischen 29 und 50 Jahren, die ursprünglich im südöstlichen Bereich des Flugplatzes begraben waren. Noch heute erinnert dort in einem Birkenhain ein Gedenkstein an diese Kriegsgefangenen, die Niewöhners Recherchen zufolge in Arbeitskommandos zwischen 1941 und 1942 die Flugplatz-Rollbahn bauen und Schützengräben ausheben mussten. "Diese Tätigkeiten waren zu jener Zeit als mittelschwere bis schwere Arbeit klassifiziert worden", berichtet die Avenwedderin. Doch da sich diese damals als "Untermenschen" geltenden Gefangenen wohl nur von Abfällen der Flugplatz-Garnison ernähren konnten, seien die meisten der 17 Soldaten vor Erschöpfung und Hunger gestorben, beruft sich die junge Forscherin auf Einträge in den Sterbe-Urkunden.
In den 1960er Jahren wurden die 17 Toten auf den Sowjetischen Ehrenfriedhof nach Stukenbrock umgebettet. Niewöhner schließt nicht aus, dass noch weitere Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter auf dem Flugplatz-Gelände begraben liegen könnten. "Nicht alles ist damals dokumentiert worden", meint Laura Niewöhner und forscht weiter.
Bildunterschrift: Versteckt: In einem Birken-Wäldchen befindet sich im südöstlichen Areal des früheren Militärflugplatzes das Denkmal, das an 17 sowjetische Kriegsgefangene erinnert. Laura Niewöhner hat deswegen sogar im Londoner Nationalarchiv recherchiert.
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Westfalen-Blatt Online, 17.02.2017:
Laura Niewöhner und Jan Tiemann: "Sehr gut" für die Bachelor-Arbeit
Spannendes aus den Archiven
Von Matthias Kleemann
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). "Es ist spannend, ein Forschungsthema selbst zu entwickeln. Man muss Detektivarbeit leisten und in Archive abtauchen", sagt Jan Tiemann (29). Seine Begeisterung und sein Engagement haben ihm jetzt ein "Sehr gut" für seine Bachelor-Arbeit eingebracht.
Das gilt im gleichen Maße für Laura Niewöhner (23). Auch sie hat mit sehr viel Einsatz und Aufwand über ein geschichtliches Thema geforscht und dafür die Bestnote bekommen. Die beiden jungen Leute sind Mitarbeiter der Gedenkstätte Stalag 326, Jan Tiemann ehrenamtlich, Laura Niewöhner sogar in einem Anstellungsverhältnis.
Im Rahmen ihres Geschichtsstudiums an der Universität Bielefeld hatten sie zunächst ihr Praktikum in Stukenbrock-Senne absolviert. Das Interesse an der Arbeit in der Gedenkstätte war so groß, dass sie geblieben sind und bis heute mitarbeiten. Das ist gar nicht so ungewöhnlich, bestätigt Gedenkstättenleiter Oliver Nickel. Es habe schon einige Praktikanten gegeben, die sich auch über das Praktikum hinaus in die Arbeit der Gedenkstätte eingebracht haben. Nickel überträgt ihnen gern verantwortungsvolle Aufgaben, und das macht wohl auch Spaß.
Nickel hat beiden bei der Auswahl des Bachelor-Themas geholfen. Natürlich geht es um Kriegsgefangene des Stalag. Wenig erforscht sind bislang jedoch viele der Arbeitseinsätze, zu denen Gefangene an Behörden oder Unternehmen überstellt wurden.
Gräber an der Bahnstrecke
So hat die Reichsbahn immer wieder Arbeitskräfte gebraucht, zum Ausbessern von Bahnstrecken nach Fliegerangriffen beispielsweise. In Himmighausen (Kreis Höxter) hat es im Dezember 1942 ein solches Arbeitskommando gegeben. Damit hat sich Jan Tiemann beschäftigt.
"Es handelt sich um dreizehn sowjetische Kriegsgefangene. Sie wurden am 4. Dezember nach Himmighausen abgestellt. Am 10., 11. und 12 Dezember sind sie ums Leben gekommen. In den Akten steht etwas über einen gescheiterten Fluchtversuch. Man kann davon ausgehen, dass der wohl blutig geendet ist", erzählt Jan Tiemann.
In London geforscht
Laura Niewöhner hat über zwei Arbeitskommandos auf dem Fliegerhorst Gütersloh geforscht. Diese Arbeit verschlug sie sogar nach London, denn der Flughafen wurde nach Kriegsende sofort von den Briten übernommen. Die haben das Geschehen während der Nazi-Zeit auf dem Flughafen dokumentiert, zum Beispiel Angestellte und Soldaten verhört.
Die Unterlagen befinden sich heute im britischen Nationalarchiv in London. Laura Niewöhner ist dort gewesen und hat rund 400 Seiten Material kopiert, das sie später auswerten konnte. Auch am Gütersloher Flughafen sind Kriegsgefangene gestorben und beigesetzt worden. Siebzehn Gräber gab es, die Toten wurden ebenfalls 1962 nach Stukenbrock-Senne umgebettet. Laura Niewöhner konnte nachweisen, dass von diesen siebzehn Personen fünf in den Arbeitskommandos verstorben sind.
Den ausführlichen Artikel lesen Sie am Samstag, 18. Februar, im Westfalen-Blatt, Ausgabe Schloß Holte-Stukenbrock.
Bildunterschrift: Laura Niewöhner und Jan Tiemann haben ihre Bachelor-Arbeit über Kriegsgefangene aus dem Stalag 326 geschrieben. Die Ergebnisse werden auch in die neue Ausstellung der Gedenkstätte in Stukenbrock-Senne einfließen.
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