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10 Artikel , 23.01.2021 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Neue Westfälische, 23./24.01.2021:
"Querdenker" radikalisieren sich weiter

Der Tagesspiegel Online, 23.01.2021:
AfD-Gutachten-Affäre / Berlins Innensenator stellt Verfassungsschutz-Beamten frei - Daten gesichert

Mitteldeutsche Zeitung Online, 23.01.2021:
Auch Poggenburg könnte kandidieren / AfD stellt Liste zur Landtagswahl auf

Der Tagesspiegel Online, 23.01.2021:
Ex-HDJ-Mann im Landtag / Brandenburger AfD verschafft Rechtsextremisten Job im Corona-Ausschuss

Norddeutscher Rundfunk, 23.01.2021:
Ex-Richter Bollmann will AfD-Landeschef in Schleswig-Holstein werden

Welt Online, 23.01.2021:
Sachsen-Anhalt / AfD setzt Parteitag zur Aufstellung der Landesliste fort

Mitteldeutscher Rundfunk, 23.01.2021:
Quo vadis AfD? / Was eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für die AfD bedeuten könnte

Westfalen-Blatt, 23./24.01.2021:
Leitartikel / Die AfD und das Grundgesetz / Berechtigte Zweifel

Westfalen-Blatt, 23./24.01.2021:
AfD klagt gegen Verfassungsschutz

Neue Westfälische, 23./24.01.2021:
AfD klagt gegen Bundesamt

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Neue Westfälische, 23./24.01.2021:

"Querdenker" radikalisieren sich weiter

Jan Sternberg

Berlin. Die Bundesregierung befürchtet eine weitere Radikalisierung der "Querdenker"-Szene und eine Verbindung mit gewaltgeneigten Rechtsextremen. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor. "Seit Beginn der Corona-Krise versuchen rechtsextreme Akteure aktiv, den bei Demonstrationsteilnehmenden aus dem esoterischen oder verschwörungsideologischen Milieu bestehenden Unmut über die Maßnahmen zum Infektionsschutz und über Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zu nutzen", heißt es in der Antwort, die dieser Zeitung vorliegt. "In diesem Kontext ist es nicht ausgeschlossen, dass Esoteriker und Verschwörungsideologen sich zusätzliches radikales Gedankengut aneignen. Auch kann die hohe digitale Vernetzung der Szenen zu einer fortschreitenden Radikalisierung führen."

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) habe "Erkenntnisse darüber, dass in der so genannten Querdenker-Bewegung oder zumindest in den Veranstaltungen, die von dieser organisiert werden, auch Extremisten sowie "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" in Erscheinung treten", heißt es. Eine mögliche Beobachtung werde noch geprüft: "Eine eindeutige, bundesweite Bewertung der heterogenen Querdenken-Initiativen und Protestbewegungen ist aktuell noch nicht möglich."

Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic äußerte sich besorgt. Die Bundestagsabgeordnete sagte dieser Zeitung: "Wir haben ein massives Problem mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene rund um die Querdenken-Demonstrationen." Die Behörden zögen noch nicht die richtigen Schlüsse daraus. Deutsche Sicherheitsbehörden dürften im Wahljahr "nicht die gleichen Fehler machen, wie sie in den USA geschehen sind und das Bedrohungspotenzial verkennen", sagte sie und bezog sich damit auf den Sturm rechtsradikaler Trump-Anhänger auf das Kapitol.

Antisemitische Stereotypen und Verharmlosungen des Nationalsozialismus haben ihren festen Platz in der Szene der Corona-Maßnahmen-Gegner. Aktuell vertreibt etwa der Hallenser Neonazi Sven Liebich Masken mit einem gelben "Judenstern" und den Worten "Ungeimpft". Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) warnt: "Die fortwährenden Bagatellisierungen verändern die Grenzen des Sagbaren. Öffentliche Relativierungen, aber auch NS-Vokabular, halten zunehmend Einzug in die Mitte der Gesellschaft."

Bildunterschrift: Rechtsextreme Corona-Leugner am Reichstag.

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Der Tagesspiegel Online, 23.01.2021:

AfD-Gutachten-Affäre / Berlins Innensenator stellt Verfassungsschutz-Beamten frei - Daten gesichert

23.01.2021 - 22.09 Uhr

Wie kam die Berliner AfD an ein 43 Seiten langes Gutachten des Berliner Verfassungsschutzes über sie? Andreas Geisel zog nun erste Konsequenzen in der Affäre.

Von Alexander Fröhlich

In der Affäre um ein geheimes, an die Berliner AfD-Fraktion durchgestochenes Gutachten des Berliner Verfassungsschutzes hat Innensenator Andreas Geisel (SPD) erste Konsequenzen gezogen. Die "Arbeitsgruppe Kontrolle Verfassungsschutz" habe in der Abteilung der Innenverwaltung Technik gesichert, wurde jetzt mitgeteilt. Offenbar sollen in Computern, Speichern und Servern Spuren zu dem Leck beim Verfassungsschutz gefunden werden.

Daneben ist der Referatsleiter Rechtsextremismus, in dem das Zwischengutachten zur AfD erstellt worden ist, vorerst von seiner Dienstpflicht freigestellt worden. Zudem erstattete die Innenverwaltung eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats.

Ob der Mann auch den Bericht, der mit Begleitschreiben an die AfD gegangen war, durchgestochen hat, ist unklar. Er wird jedoch als ein "Maaßen-Typ" beschrieben, wie in Anspielung auf den früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz zu hören ist. Hans-Georg Maaßen stand der AfD offen gegenüber. Im November 2018 stolperte er darüber, dass er sich nur noch von Feinden umgeben sah.

Das 43-Seiten-Gutachten befasst sich mit der Frage, ob die AfD Berlin vom Prüffall zum Verdachtsfall heraufgestuft werden soll. Auch auf Bundesebene soll darüber entschieden werden. Als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen könnte die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.

Das auf den 11. Dezember datierte Zwischengutachten sieht keinen Anlass dafür, die AfD als Verdachtsfall zu behandeln. Die Quelle der AfD-Fraktion berichtete zudem davon, dass das Gutachten auf politischen Druck hin verschärft werden solle.

Laut Innenverwaltung ist das Grundsatzreferat dann jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gutachten Mängel aufweist und nicht den Standards entspricht. Nicht enthalten im Gutachten sind etwa vom Tagesspiegel kürzlich enthüllte Verbindungen von Tilo P. zum "Flügel" der AfD. P. ist einer der Hauptverdächtigen in der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln.

Bildunterschrift: Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD).

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Mitteldeutsche Zeitung Online, 23.01.2021:

Auch Poggenburg könnte kandidieren / AfD stellt Liste zur Landtagswahl auf

23.01.2021 - 18.37 Uhr

Von Jan Schumann

Magdeburg. Sachsen-Anhalts AfD hat am Samstag auf einem Parteitag in Magdeburg die Aufstellung ihrer Kandidatenlisten für die Landtagswahl 2021 fortgesetzt.

Parteitag in Magdeburg: AfD stellt Liste zur Landtagswahl auf

Bis zum Abend wählte sie zunächst die Plätze sechs bis zwölf: Darunter sind die Landesvorstandsmitglieder Gordon Köhler, Matthias Büttner aus dem Salzlandkreis und Jan Moldenhauer. Ebenfalls gewählt wurde der Bundestagsabgeordnete Matthias Büttner aus Stendal.

Als Spitzenkandidat für die Wahl im Juni 2021 steht bereits Fraktionschef Oliver Kirchner fest.

Er gilt als Vertreter des offiziell aufgelösten "Flügel" innerhalb der in Teilen rechtsextremen Partei.

Landet Poggenburg auf der Liste?

Erwartet wird auch die Kandidatur des ehemaligen AfD-Mitglieds André Poggenburg. Der 45-jährige Rechtsaußen war einst Landes- und Fraktionschef der AfD in Sachsen-Anhalt, verließ die Partei aber 2019 im Streit. Doch vor der Listenaufstellung suchte er nun wieder die Nähe zur AfD:

Nach MZ-Informationen sondierte er bereits im Vorfeld die Chancen einer Kandidatur als parteiloser Politiker. Möglich ist eine solche Konstellation. Einige AfD-Mitglieder sollen ihm eine Kandidatur nahegelegt haben.

Intern hatte sich eine Reihe von AfD-Politikern aber auch kritisch gezeigt: Poggenburg habe der Partei in seiner aktiven Zeit durch Alleingänge geschadet.

Fortsetzung am Sonntag

Die Listenaufstellung wird am Sonntag fortgesetzt. Die derzeit geltende Corona-Eindämmungsverordnung in Sachsen-Anhalt lässt solche Parteiveranstaltungen zu.

Bei der Landtagswahl 2016 hatte die AfD 24,3 Prozent der Stimmen geholt, 25 Abgeordnete waren in den Landtag eingezogen.

Bildunterschrift: Bei ihrem Parteitag in Magdeburg stellt die AfD an diesem Wochenende ihre Liste für die Landtagswahl 2021 zusammen.

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Der Tagesspiegel Online, 23.01.2021:

Ex-HDJ-Mann im Landtag / Brandenburger AfD verschafft Rechtsextremisten Job im Corona-Ausschuss

23.01.2021 - 12.09 Uhr

Im Brandenburger Landtag hat der Corona-Untersuchungsausschuss zur Krisenpolitik der Landesregierung mit der Befragung von Zeugen begonnen. Alle anderen Fraktionen halten den Ausschuss für überflüssig, die AfD will sich damit profilieren - und verschafft Vertrauten damit auch Jobs.

Ein Mitarbeiter der AfD-Fraktion für den Corona-Ausschuss ist im Landtag kein Unbekannter. Vor einer Woche informierte die AfD den Ausschuss schriftlich darüber, wer ihr künftig bei der Arbeit helfen soll - mit Namen und Geburtsdatum.

Der Mann war von 1999 bis 2004 als Jugendlicher Mitglied bei der rechtsextremistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Zunächst war der Mitarbeiter dann seit 2015 in der AfD-Landtagsfraktion als Referent tätig, 2017 folgte er Alexander Gauland für einige Monate in den Bundestag.

Die HDJ verstand sich als paramilitärische Elite, Kinder und Jugendliche wurden zu "politischen Soldaten" erzogen, mit militärischem Drill und ideologischer Schulung samt Rassenkunde, Hitler-Verehrung, Blut-und-Boden-Ideologie und NS-Brauchtum. Und die HDJ war streng nach dem Vorbild der Hitlerjugend ausgerichtet.

Der Referent der AfD soll 2003 bis zu seinem Ausscheiden laut einer Nachricht aus einem organisationsinternen Forum bei der HDJ auch zum Leiter einer Abteilung ernannt worden sein, die Material und Ausrüstung für HDJ-Lager beschafft. Diese Funktion hat er jedoch gegenüber verschiedenen Medien bestritten.

Der Mann kommt aus einer stramm rechten Familie. Sein Bruder war 2002 kurzzeitig Bundesführer der HDJ und lange Jahre Vize-Chef. Auch sein Vater und seine Schwägerin zählten zu deren Führung.

Die Vorgängerorganisation der HDJ, die Wiking-Jugend, war 1994 verboten worden. Schließlich hat das Bundesinnenministerium auch die HDJ 2009 verboten - wegen ihrer "dem Nationalsozialismus wesensverwandten Ideologie" und einer "aktiv-kämpferischen, aggressiven Grundhaltung". Nicht mehr AfD-Mitglied, aber weiter in der Fraktion ist auch Ex-Landeschef Andreas Kalbitz. Er war wegen verschwiegener Mitgliedschaften in der HDJ aus der Partei ausgeschlossen worden.

Die AfD-Fraktion hatte den Corona-Untersuchungsausschuss mit ihren Stimmen durchgesetzt. Der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann sprach von dem "wohl überflüssigsten Untersuchungsausschuss in der Geschichte" des Landtages. Die CDU-Abgeordneten Barbara Richstein und Roswitha Schier kritisierten, dass das Gremium mitten in der größten Krise Brandenburgs wichtige Ressourcen binde. Die Grünen-Abgeordnete Sahra Damus warf der AfD vor, der Ausschuss werde "als reine Show-Veranstaltung missbraucht".

Bildunterschrift: Die HDJ war streng nach dem Vorbild der Hitlerjugend ausgerichtet, seit 2009 ist sie verboten.

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Norddeutscher Rundfunk, 23.01.2021:

Ex-Richter Bollmann will AfD-Landeschef in Schleswig-Holstein werden

23.01.2021 - 12.01 Uhr

Der pensionierte Richter Gereon Bollmann will neuer AfD-Landesvorsitzender werden. Außerdem stehe er auch als Kandidat für die Bundestagswahl zu Verfügung.

Das sagte der 67-Jährige der dpa. Seit Spätsommer 2019 ist die AfD in Schleswig-Holstein führungslos. Nun will Gereon Bollmann, pensionierter Richter des Oberlandesgerichts, den Vorsitz übernehmen. Er hat allerdings einen Gegenkandidaten: Der Chef der AfD-Landtagsgruppe, Jörg Nobis, früher schon einmal Landesvorsitzender, will ebenfalls antreten.

In AfD-Kreisen gilt Bollmann als weit rechts stehend. Er selbst sagt, er stehe für "Law and Order". Er wolle den innerparteilichen Graben nicht vertiefen, sondern für die Partei insgesamt da sein - als rechtskonservativer Mann.

AfD seit August 2019 ohne Landesvorsitz

Als Vorsitzender des AfD-Landesschiedsgerichts hatte Bollmann 2019 in erster Instanz den von der Bundespartei beschlossenen Parteirauswurf der Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte verworfen. Das Bundesschiedsgericht kassierte die Entscheidung und warf von Sayn-Wittgenstein im August 2019 endgültig aus der AfD. Seitdem ist die Landes-AfD ohne Führung an der Spitze.

Wie geht es weiter mit der AfD?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) will Medien zufolge in Kürze über den weiteren Umgang mit der AfD entscheiden. Demnach könnte die AfD zum rechtsextremistischen Verdachtsfall erklärt werden. Dies kann, ebenso wie eine Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung, eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln auslösen. Die AfD hat gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits zwei Klagen und Eilanträge eingereicht.

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Welt Online, 23.01.2021:

Sachsen-Anhalt / AfD setzt Parteitag zur Aufstellung der Landesliste fort

23.01.2021 - 11.50 Uhr

Magdeburg (dpa/sa). Die AfD ist erneut zu einem Parteitag unter Corona-Auflagen zusammengekommen, um die Liste mit den Bewerbern für die Landtagswahl aufzustellen. Wie schon vor fünf Wochen versammelten sich mehrere Hundert Mitglieder am Samstag in einer Messehalle. Am Wochenende kurz vor Weihnachten hatten rund 400 Parteimitglieder nur die ersten Listenplätze besetzen können, so dass jetzt das neuerliche Treffen nötig ist. Damals musste der Parteitag wegen einer Bombendrohung unterbrochen werden.

Die Corona-Regeln des Landes erlauben derartige Wahlveranstaltungen auch im aktuellen Lockdown. Es gelten strenge Auflagen, etwa eine Masken-Pflicht am Platz. Das Gesundheitsamt der Stadt Magdeburg machte laut einer Sprecherin zudem die Auflage, dass medizinische Masken getragen werden müssen.

Im Dezember hatten die Mitglieder den Fraktionschef im Magdeburger Landtag, Oliver Kirchner, zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 6. Juni 2021 gewählt. Er hatte keinen Gegenkandidaten. Die Plätze 2 bis 4 sicherten sich Ulrich Siegmund, Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Roi. Sie alle sitzen seit 2016 im Landtag. Damals hatte die AfD aus dem Stand fast ein Viertel aller Stimmen geholt und war hinter der CDU zweitstärkste Kraft geworden. 25 AfDler zogen in den Landtag ein.

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Mitteldeutscher Rundfunk, 23.01.2021:

Quo vadis AfD? / Was eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für die AfD bedeuten könnte

23.01.2021 - 05.04 Uhr

Von Carolin Voigt, MDR aktuell

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und weiterer Medien steht das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kurz davor, die gesamte AfD als Verdachtsfall einzustufen. Damit könnte die Behörde zur Beobachtung der Partei weitreichende nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Was bedeutet das für die AfD im Jahr der Bundestagswahl?

Zwei Jahre hat sich der deutsche Inlandsgeheimdienst Zeit genommen und geprüft, ob sich die Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet, also verfassungsfeindlich ist. Nun soll nach Informationen von ARD und weiteren Medien der nächste Schritt bevorstehen: die Einstufung als Verdachtsfall.

Das RedaktionsNetzwerk Deutschland zitiert einen namentlich nicht genannten Landesinnenminister, wonach auch Bundesinnenminister Horst Seehofer als Aufsichtsherr über das BfV "an Bord sei". Seehofers Sprecher teilte dazu allerdings nüchtern mit, man sei bei solchen Vorgängen zwar im Bild, es habe jedoch keine "Positionierung" gegeben - "weder durch den Bundesinnenminister noch durch das Bundesinnenministerium".

Ein juristisch heikler Schritt wäre die Beobachtung allemal und das Timing ist keinesfalls unproblematisch. Mitte März stehen Landtagswahlen in Baden-Württemberg an, im September die Bundestagswahl. Vier weitere Länder wählen in diesem Jahr, darunter Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahren in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass es eine staatliche Neutralitätspflicht in Zeiten des Wahlkampfs gibt (BVerGE 44, 125). Der Beobachtung einer politischen Partei sind zudem hohe rechtliche Hürden gesetzt. Das Grundgesetz garantiert freie Wahlen und Chancengleichheit für politische Parteien.

Reaktionen aus der AfD

Entsprechend sieht die AfD selbst in dem wohl bevorstehenden Vorstoß des BfV ein politisches Manöver. "Wenn mit der AfD die bundesweit stärkste Oppositionspartei sieben Wochen vor einer Landtagswahl geheimdienstlich beobachtet werden soll, ist das nicht nur ein Unrecht", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Südwest-AfD, Markus Frohnmaier, in einem Gespräch mit der dpa. Er befürchte eine Beeinflussung der Wahlentscheidung.

Daher hat die Bundes-AfD am Freitag vor dem Verwaltungsgericht Köln zwei Klagen und zwei Eilanträge gegen das BfV eingereicht. Einer Gerichtssprecherin zufolge beantragt die Partei unter anderem, dem Verfassungsschutz zu verbieten, die AfD als Verdachtsfall einzustufen und dies öffentlich bekannt zu geben. Bereits im Vorfeld hatte die Parteispitze eine Klage angekündigt:

"Sollte das BfV die AfD offiziell zum Verdachtsfall erklären, werden wir mit allen juristischen Mitteln dagegen vorgehen - und absehbar erfolgreich sein. Denn die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, die für eine Beobachtung zwingend erforderlich sind, liegen schlicht nicht vor."
Jörg Meuthen Bundesvorsitzender der AfD

Voraussetzung für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz sind extremistische Bestrebungen, also Aktivitäten mit dem Ziel, die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu beseitigen. Das BfV zählt dazu Vorbereitungshandlungen, Agitation und Gewaltakte. Diese muss die Behörde der gesamten Partei nun im Kern nachweisen, damit das Verfahren Bestand haben kann.

Positionierung und Vernetzung ins rechtsextreme Milieu

So unberechtigt, wie es die AfD selbst darstellt, wäre eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wohl nicht. Zentrale Figuren der Partei fallen in regelmäßigen Abständen mit rechtsextremen, rassistischen, menschenfeindlichen und geschichtsrevisionistischen Aussagen auf. Etliche haben sich dagegen gewehrt, als Neonazis bezeichnet zu werden - und vor Gericht verloren. Unter ihnen Sachsens AfD-Chef Jörg Urban sowie der Pressesprecher der sächsischen Landtagsfraktion, Andreas Harlaß.

Vielen noch frisch in Erinnerung dürften die Gäste einiger AfD-Abgeordneter sein, die im November durch den Bundestag zogen und Abgeordnete beschimpften und bedrohten. Erst vergangenes Jahr hat der Militärische Abschirmdienst (MAD) den Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten als rechtsextrem eingestuft. Maximilian T. ist Schatzmeister der "Jungen Alternative" in Sachsen-Anhalt.

Für den Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig (Kredo), Oliver Decker, hat sich die AfD in den letzten Jahren immer mehr zu einer "Partei mit einem im Wesentlichen antimodernen und rechtsextremen Profil" entwickelt. Die AfD habe eine "Brückenfunktion ins rechtsextreme Lager" und damit das geschafft, was die NPD nie erreicht habe. Damit müsse sich eine wehrhafte Demokratie auseinandersetzen, so Decker.

Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz könne dabei den Blick ins Innere der Partei ermöglichen, sei aber nicht die Ultima Ratio. Decker merkt an, dass viele Erkenntnisse über Netzwerk-Strukturen der AfD in die rechtsextreme Szene nicht durch staatliche Ermittlungsbehörden erlangt wurden, sondern durch journalistische Recherchen und zivilgesellschaftliche Gruppen.

In Thüringen und Brandenburg wird die gesamte Partei bereits durch die Landesverfassungsschutzämter beobachtet. Die Brandenburger AfD hat dagegen erst am vergangenen Dienstag zwei Klagen eingereicht. Die Partei wird in dem Bundesland seit 2019 als Verdachtsfall geführt. Seit März vergangenen Jahres ist das auch in Thüringen der Fall. Der Landesverband dort mit seinem Vorsitzenden Björn Höcke gilt als besonders radikal.

Im Interview mit MDR aktuell äußerte Thüringens Innenminister Georg Maier Verständnis, sollte es zu einer Beobachtung der Bundes-AfD kommen. Er konnte allerdings nicht bestätigen, dass die Beobachtung unmittelbar bevorsteht.

"Die Vorgänge haben sich gehäuft, bei denen deutlich geworden ist, wie demokratiefeindlich diese Partei eingestellt ist."
Georg Maier (SPD) Innenminister Thüringen

Erklärung zum "Volksbegriff" und Strategie

Kurz vor dem möglichen weiteren Schritt des Verfassungsschutzes bemühte sich die AfD noch am Montag mit einer Erklärung, ihre Verfassungskonformität zu belegen. Politik, Medien und Verfassungsschutz, so heißt es darin, würden mit einer "haltlosen Verdachtskonstruktion" verfassungswidrige Bestrebungen der Partei ableiten.

"Als Rechtsstaatspartei" bekenne man sich "vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen". Gleichwohl sei es politische Ziel, "das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen".

Beide Reaktionen der Partei - Klageankündigung und Kommunikationsoffensive - passen zur Strategie der AfD, die auch der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje beobachtet. Hillje, der zu Rechtspopulismus, Propaganda und Framing publiziert, attestiert der AfD beim Umgang mit einer möglichen geheimdienstlichen Beobachtung eine Doppelstrategie aus Selbstverharmlosung und Diskreditierung des Verfassungsschutzes auf dem Rechtsweg.

"Für Meuthen sind die Kosten des Pakts mit den Rechtsextremen inzwischen höher als der Nutzen es wäre", so Hillje. Der AfD-Chef habe zuletzt alles daran gesetzt, das Rechtsextremismus-Problem der Partei herunterzuspielen, um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch abzuwenden. Erinnert sei an der Stelle an Meuthens Rede auf dem Parteitag in Kalkar, die medial unter anderem als "Brandrede" gegen die Rechtsextremen in der AfD bezeichnet worden ist.

Einbußen bei der Wählergunst?

Sollte es tatsächlich zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz kommen, könne das niemanden mehr wirklich überraschen, so Hillje weiter. Es wäre lediglich die "Besiegelung der unübersehbaren Anzeichen für den Rechtsextremismus in der Partei". Allerdings rechnet der Politik-Experte damit, dass eine Beobachtung "wie ein staatliches Warnzeichen" wirken und als "Deckel auf das Wählerpotenzial drücken" könne. So habe man Stimmverluste für die AfD beobachtet, nachdem der inzwischen aufgelöste rechtsnationale "Flügel" vom Verfassungsschutz unter Beobachtung gestellt worden war. Trotzdem sieht Hillje einen gefestigten Wählerstamm, der weiter zur AfD halten werde und "nichts gegen rechtsextreme Umtriebe" habe. Die AfD hätte auch mit Beobachtung "weiter eine realistische Chance auf ein zweistelliges Wahlergebnis", so Hillje.

Ähnlich sieht es auch Extremismus-Forscher Oliver Decker: "Den AfD-Kernwähler wird eine Beobachtung nicht beeindrucken, aber einige bringt es vielleicht zum Nachdenken."

Erst- und bislang einmalig wäre die Einstufung der gesamten AfD als Verdachtsfall des Verfassungsschutzes ohne Frage. Die Partei ist die größte Oppositionspartei im Bundestag und sitzt in allen 16 Landesparlamenten. Einen vergleichbaren Vorgang hat es in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht gegeben.

Bildunterschrift: Der Hauptsitz des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in Köln. Von hier und von Berlin aus könnte die AfD schon bald stärker ins Visier genommen werden.

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Westfalen-Blatt, 23./24.01.2021:

Leitartikel / Die AfD und das Grundgesetz / Berechtigte Zweifel

Von Martin Ellerich

In der AfD geht die Angst um: Mit juristischen Mitteln wehrt sich die Partei nicht nur dagegen, vom Verfassungsschutz als rechtsextremer "Verdachtsfall" eingestuft zu werden, wie es erwartet wird. Die AfD will auch verhindern, dass diese Einstufung und die Beobachtung dann öffentlich würde. Die selbst ernannte "Grundgesetzpartei" scheint sich selbst nicht so sicher zu sein, dass alle ihre Mitglieder und Gruppierungen auf dem Boden der Verfassung stehen.

Dieser Zweifel ist berechtigt. Noch nicht einmal halbherzig ist die rechte Partei gegen extreme Rechtsausleger in den eigenen Reihen vorgegangen - und auch dies erst, als der Verfassungsschutz aufmerksam wurde. Der völkisch-nationalistische "Flügel" ist zwar offiziell aufgelöst, dessen starker Mann Björn Höcke zieht aber weiter Strippen in jener Partei, die der Vorsitzende Jörg Meuthen dem Wähler offiziell gerne als "bürgerlich" verkaufen würde.

Höcke-Freund Andreas Kalbitz ist nicht etwa wegen seiner politischen Positionen ausgeschlossen worden, sondern aus formalen Gründen. Der Vorwurf: Er habe beim AfD-Eintritt verschwiegen, dass er zuvor in rechtsextremen Organisationen aktiv gewesen sein soll.

Und während Höcke das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet, nennt der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland die NS-Zeit einen "Vogelschiss in 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" und sieht Höcke als "die Mitte der Partei".

In den Landtagen und im Bundestag lassen AfD-Abgeordnete kaum eine Gelegenheit aus, den Parlamentarismus und die repräsentative Demokratie vorzuführen: Von Auftritten mit Gasmaske bis zum Einschleusen von Provokateuren, die demokratisch gewählte Abgeordnete unter Druck setzen.

Ja, demokratisch gewählt sind auch die AfD-Abgeordneten, aber das allein reicht nun einmal nicht aus, sich Demokrat zu nennen. Demokratisch gewählt waren auch die KPD-Abgeordneten im Weimarer Parlament - um ein Beispiel von der gegenüberliegenden Seite des politischen Spektrums zu nennen.

Es gibt also gute Gründe, warum der Verfassungsschutz bei der AfD genau hinsehen sollte. Und natürlich müsste die Beobachtung öffentlich werden: Die Wähler haben ein Recht darauf, zu wissen, wer da um ihre Stimme wirbt.

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Westfalen-Blatt, 23./24.01.2021:

AfD klagt gegen Verfassungsschutz

Köln (dpa). Die AfD klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das dort ansässige Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Partei habe zwei Klagen und zwei Eilanträge eingereicht, sagte eine Gerichtssprecherin. Darin beantragt die AfD zum einen, dem Verfassungsschutz zu verbieten, sie als Verdachtsfall einzustufen und dies öffentlich bekanntzugeben. Zum Zweiten beantragt die AfD, dem Verfassungsschutz zu verbieten, bekanntzugeben, über wie viele Mitglieder der "Flügel" bis zur Selbstauflösung verfügte oder nach Informationen des Verfassungsschutzes heute noch verfügt. Die AfD beruft sich unter anderem auf das Recht der Parteien auf Chancengleichheit.

Die Gerichtssprecherin kündigte für Montag eine Zwischenentscheidung des Gerichts an. Dies ist eine vorläufige Entscheidung, die noch vor dem Eilantrag ergehen kann, also besonders kurzfristig. Nach Medienberichten will das Bundesamt für Verfassungsschutz in der kommenden Woche eine Entscheidung über den weiteren Umgang mit der AfD treffen. Demnach solle die AfD zum rechtsextremistischen Verdachtsfall erklärt werden.

Seite 4: Leitartikel

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Neue Westfälische, 23./24.01.2021:

AfD klagt gegen Bundesamt

Köln (dpa). Die AfD klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das dort ansässige Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Partei habe zwei Klagen und zwei Eilanträge eingereicht, sagte eine Gerichtssprecherin.

Darin beantragt die AfD zum einen, dem Verfassungsschutz zu verbieten, sie als Verdachtsfall einzustufen und dies öffentlich bekanntzugeben. Zum anderen beantragt die AfD, dem Verfassungsschutz zu verbieten, bekanntzugeben, über wie viele Mitglieder der so genannte "Flügel" bis zur Selbstauflösung verfügte oder nach Informationen des Verfassungsschutzes heute noch verfügt. Die AfD beruft sich unter anderem auf das Recht der Parteien auf Chancengleichheit. Die Gerichtssprecherin kündigte für Montag eine Zwischenentscheidung des Gerichts an.

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